Deutsche Patriot in der Türkei: Entgiftung erst nach Vorwarnung?


Der Dekontaminationsplatz TEP 90 (Foto: Deutsches Heer/Heer/Alexander Große)

Wenn der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes (DBwV), Oberst Ulrich Kirsch, über Probleme bei der ABC-Abwehr redet, empfiehlt es sich genau hinzuhören: Kirsch ist nicht nur Interessen- und Verbandsvertreter, sondern auch gelernter Soldat der ABC-Abwehrtruppe. Und in dem Zusammenhang ist seine Kritik am Schutz der deutschen Soldaten beim Einsatz der Patriot-Flugabwehrsysteme in der Türkei interessant: Der sei, bemängelte der DBwV-Vorsitzende am (heutigen) Mittwoch im Gespräch mit Augen geradeaus!, für eine schnelle Reaktion nicht ausreichend.

Bei der am (gestrigen) Dienstag begonnenen Verlegung von Gerät und Material in die Türkei wurde auch Aufklärungs- und Entgiftungsgerät der ABC-Abwehrtruppe in Travemünde an Bord der Suecia Seaways verladen, vor allem Spür-Füchse, also rollende Labore zum Aufspüren von chemischen Waffen, und Dekontaminationsanlagen vom Typ TEP 90. Allerdings, so rechnet Kirsch vor, sei im deutschen Türkei-Kontingent bislang nur knapp die Hälfte der Soldatinnen und Soldaten eingeplant, die für einen sinnvollen Betrieb von Füchsen und TEP 90 erforderlich seien: Die übrigen Spezialisten würden bei Bedarf aus Deutschland eingeflogen.

Sollte es tatsächlich zu einem Angriff mit Chemiewaffen aus Syrien auf die Region Kahramanmaras kommen, hingen die nötigen Maßnahmen von der Art der verwendeten Kampfstoffe ab. Gegen Nervenkampfstoffe wie zum Beispiel das Giftgas Sarin helfe die ABC-Schutzmaske und die Schutzbekleidung; so genannte sesshafte Kampfstoffe, die an Materialien haften bleiben, müssten dagegen mit Dekontaminationseinrichtungen entfernt oder neutralisiert werden, erläuterte Kirsch. Dafür gebe es eine Reaktionszeit von etwa sechs Stunden – so lange sei die Aktivkohle in der Schutzkleidung der Soldaten in der Lage, die Kampfstoffe zurückzuhalten. Innerhalb dieser kurzen Zeit könnten aber keine Spezialisten in die Türkei gebracht werden.

Das Verteidigungsministerium betonte dagegen, die nötige ABC-Abwehrfähigkeit sei gewährleistet. Zu Zahlen und zu der Frage, ob der komplette Betrieb einschließlich der Entgiftung unmittelbar gesichert sei, gab es keine Angaben.

Nun ist natürlich ohnehin die Frage, wie realistisch oder erwartbar eine Bedrohung durch das syrische Chemiewaffenarsenal für die Türkei tatsächlich ist und ob bei entsprechenden Erkenntnissen die Zeit nicht ausreichen würde, die Spezialisten einzufliegen. Allerdings gilt die Frage, wie real die Bedrohung ist, grundsätzlich auch für einen befürchteten Angriff auf türkisches Territoriums mit syrischen Raketen – und damit für die Sinnhaftigkeit (oder Symbolik) des Einsatzes insgesamt. Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die unter anderem die Bundesregierung berät, hat dazu eine klare Meinung: Deutsche Patriot-Raketen in der Türkei – Symbolik statt Strategie