Jetzt offiziell: Deutsche Patriot nach Kahramanmaraş
Vorführung einer deutschen Patriot-Staffel (am 18. Dezember 2012) in Warbelow
Inoffiziell schien es längst klar, jetzt ist es auch offiziell: Die deutschen Patriot-Einheiten in der Türkei werden in Kahramanmaraş stationiert. Das teilten die NATO in einer Erklärung der Sprecherin und der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan in einem Fernsehinterview mit (und auch die Bundeswehr).
Die deutsche Stationierung war ebenso wie der künftige Standort der niederländischen Patriot-Batterien in Adana bereits bekannt; (für mich) neu ist die Entsendung der US-Einheiten nach Gaziantep. Diese Stadt liegt übrigens deutlich näher an der türkisch-syrischen Grenze als die Standorte der Deutschen und der Niederländer.
(Und ehe Verwirrung einsetzt, ein kleiner Service für die Bundeswehr: Da ist doch die Incirlik Air Base auf der Karte ein wenig verrutscht… (Nachtrag: Nach Weihnachten wurde die Karte auf der Bundeswehr-Seite berichtigt.)
(Screenshot: bundeswehr.de)
Nach den mir zur Verfügung stehenden Quellen liegt diese Airbase ziemlich nahe an der Stadt Adana:
Und hier noch der NATO-Oberkommandierende, US-Admiral James Stavridis, in einem Video dazu:
Hat sich die versammelte Leserschaft eigentlich schon Gedanken über die russischen SS-26 gemacht, die angeblich in Syrien stehen?
Auf ein simples „Danke schön“ der türkischen Regierung müssen die eingesetzten deutschen Soldaten weiterhin verzichten. Statt dessen gibt es nur Großmannsposen Erdogans, ohne dessen Entscheidungen der Konflikt in Syrien niemals so weit eskaliert wäre. Viele Soldaten dürften sich jetzt fragen, was ihr Einsatz noch mit der im Grundgesetz vorgesehenen Landesverteidigung zu tun hat.
Ehrlich, ich weiß nicht, warum ständig das Grundgesetz mit der Zielsetzung zitiert wird, einen Auslandseinsatz deutscher Soldaten unmöglich erscheinen zu lassen.
Artikel 24 (2) GG: (2) „Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern.“
Die Streitkräfte werden auch außerhalb des Artikel 87(a) behandelt, der im Übrigen feststellt, dass der Bund „Streitkräfte zur Verteidigung aufstellt“.
Sicherlich ist die Landesverteidigung das über allem stehende Diktat, aber ist nun schon mehrfach höchstrichterlich festgestellt worden, dass zur Wahrung deutscher Interessen und im Verbund eines „Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ auch „out-of-area-Einsätze“ legitim sind.
@ Orontes
1) Es ist ja jetzt nicht so, als sei die Bundeswehr für ihr „Danke schöns“ bekannt.
Sei es dass der afghanische Außenminister zur Beisetzung der beim Karfreitagsgefecht Gefallenen nach Deutschland reist, oder die Türkei den Transithafen für den BW-Abzug stellt – da kommt nichts. (Ganz davon ab: Glaubt wirklich wer, dass die Halbmillionen-Stadt durch die Anwesenheit einiger BW-Soldaten sicherer wird?)
2) Dass die Türkei für die Eskalation in Syrien verantwortlich ist – das ist eine ziemlich gewagte These.
3) Dieser ständige Verweis auf GG und Landesverteidigung läuft ins Leere. Wer tatsächlich ins GG geschaut hat, wird da auch über Art. 24 II gestolpert sein („System gegenseitiger kollektiver Sicherheit“).
Aber bei allen politischen Unterschieden: Dass die Patriot-Stationierung eben nichts mit sinnvoller Verteidigung, und auch nichts mit Konfliktlösung zu tun hat, ist doch das eigentliche Problem an der Sache.
@J.R.
Die türkische Unterstützung für die syrischen Aufständischen ist doch kein Geheimnis. Nur eine willkürlich herausgegriffene Meldung:
http://www.nytimes.com/2011/10/28/world/europe/turkey-is-sheltering-antigovernment-syrian-militia.html
Die Bundeswehr betreibt deshalb keine Bündnisverteidigung, sondern sichert das türkische Eingreifen in Syrien gegen mögliche syrische Reaktionen, die völkerrechtlich legitim wären.
@ Orontes
Was sie anführen ist, dass die Türkei syrische Flüchtlinge aufnimmt. ;)
Darunter auch welche von der FSA. Das ist weder verboten, noch ist es Ursache für die Gewalt in Syrien. Und es ist so ziemlich alles, was man der Türkei bisher nachweisen konnte.
Ernsthaft:
Im Syrienkonflikt wurden wohl über 40.000 Menschen getötet, um die 2 Millionen Syrer dürften auf der Flucht sein (10% der Bevölkerung). Dieses Ausmass an Not und Gewalt erklärt sich nicht mit einem Rückzugsgebiet in der Türkei, genausowenig wie sie die Gewalt in Afghanistan mit den Stammesgebieten in Pakistan erklären können. (Und anders als Pakistan scheint die Türkei drauf zu achten, dass sich die Ausbildungslager auf syrischem Gebiet befinden.)
Vielleicht sollten Sie sich einfach nochmal die Natur und Mechanismen eines Bürgerkriegs und die vom Assad-Regime gewählten Mittel vor Augen führen. (Einfach mal ein paar Bilder von Aleppo googlen, am besten mit den zugehörigen Artikeln. Oder sich anhand der britischen Reaktionen auf die V2 überlegen wie sich wohl der Einsatz von Scuds gegen Wohngebiete auswirkt.)
Die türkische Asylpolitik und die türkischen Erklärungen zugunsten der Rebellen zur alleinigen notwendigen Bedingung der eskalierenden Gewalt in Syrien zu erklären ist wirklich eine sehr krude These.
@J.R.
„Die türkische Asylpolitik und die türkischen Erklärungen zugunsten der Rebellen zur alleinigen notwendigen Bedingung der eskalierenden Gewalt in Syrien zu erklären ist wirklich eine sehr krude These.“
Das habe ich doch nicht getan, sondern nur auf die türkische Unterstützung für die syrischen Rebellen hingewiesen, die übrigens weit über Flüchtlingshilfe hinausgeht. Noch eine Meldung aus seriöser Quelle: http://www.reuters.com/article/2012/07/27/us-syria-crisis-centre-idUSBRE86Q0JM20120727
Es ist bezeichnend, das diese Dimension des Geschehens in deutschen Medien fast keine Rolle spielt.
Den Einsatz der Bundeswehr vor dem Hintergrund der aggressiven türkischen Außenpolitik als Bündnisverteidigung zu bezeichnen, dehnt das Grundgesetz an die Grenzen des rechtlich zulässigen und möglicherweise darüber hinaus. Ich würde mich nicht wundern, wenn hier noch Klagen kommen.
Davon abgesehen ist der Einsatz politisch falsch, weil die Bundeswehr in ihm für Dinge instrumentalisiert wird, die mit deutschen Interessen nichts zu tun haben.
Die können sich dort bestimmt den ganzen Tag leckere Döner einpfeifen und es sich gut gehen lassen. Einige werden vielleicht mit einem kleinen Sonnenbrand zurückkehren.
@ Orontes
Es ist das, was sich logisch aus ihren Äußerungen ergibt. Aber ich will hier gar nicht um Formulierungen streiten. Btw, ihre „seriöse Quelle“ sind Gerüchte aus Katar – naja. ;)
Der Kernpunkt ist: Aber selbst mit ausländischer Finanzierung und Waffen für die Rebellen – egal von wem – läßt sich die Eskalation des Konflikts nicht erklären. (Und angesichts der Tatsache, dass die Rebellen mittlerweile auch über Panzer und dergleichen verfügen vergleichsweise vernachlässigbar.) Es braucht vor allem immer noch jemanden, der in einem stark asymmetrischen Konflikt bereit ist sein Leben zu riskieren. Und das jetzt über ein Jahr lang. Diese Verzweiflung/Überzeugung entsteht nicht weil Erdogan das plötzlich will. Die könnte er auch gar nicht herbeiführen, selbst wenn er wollte. Das ist allein mit dem Vorgehen Assads zu erklären, und das ist auch die treibende Ursache dieses Konflikts.
Was die Berichterstattung angeht über Syrien angeht, so ist die ja eh recht dünn. Und konzentriert sich oft genug auf irgendwelche Nebelkerzen (Patriots, Scuds, SS26, Giftgas). Bürgerkriege an sich sind halt unbequem und langweilig. Trotzdem gibt es „genug“ Berichte von der Situation im Land. Und trotzdem werden in einigen Jahren wieder fast alle sagen „Davon haben wir ja nichts gewußt“.
Nachtrag: bundeswehr.de hat die Incirlik Air Base an ihren richtigen Standort zurückgeschoben.
Übrigens, ohne den Jungs und Mädels von Radio Andernach zu nahe treten zu wollen: Da war ein Techniker mit beim Erkundungskommando in der Türkei, und demnächst sollen nicht nur Patriot-Launcher, sondern auch die ersten Sendemasten in der Türkei aufgestellt werden, damit deutsche Soldaten auch in Kahramanmaraş Radio Andernach hören können.
Hm. Jungs, der Verteidigungshaushalt ist endlich. Und Kahramanmaraş ist eine Großstadt, nicht ein combat outpost am Hindukusch. Bei einem zivilen türkischen Anbieter einen leistungsfähigen Internetzugang mieten, WLAN an den Launch sites und eine Palette Internetradios anliefern – ist so was nicht deutlich billiger, als UKW-Sendemasten aufzustellen?!
Herr Wiegold, Dienstposten sind auch eine endliche Menge und wollen begründet werden
;-)
Vor allem ist das Personal und Material ja da, und durch den Abzug aus AFG und Kosovo sind Kapazitäten da. Vllt ist das ja wirklich billiger / nicht signifikant teurer…
@ Hans
In der Türkei gibt es auch 3G-Handynetze mit Internet-Flatrates (Vodafone, Turkcell. 3GB Datenflatrate für 20€). Das sollte zum Hören von Internetradio ausreichen. ;)
Na, ich bin mal gespannt, wie lange es in der Türkei dauert, um eine Frequenz für einen deutschen Soldatensender zu beantragen und genehmigt zu bekommen.
Wenn das stimmt und türkische Piloten hätten syrische Kampfflugzeuge gekapert, was wäre das Ziel der Aktion gewesen?
Sind noch mehr türk. Piloten in Syrien unterwegs? Was würde passieren, wenn sie mit einer Syrischen Maschine Richtung Marasch fliegen?
http://de.rian.ru/politics/20121231/265255340.html
@Elahan
Und hier das Dementi:
http://www.hurriyetdailynews.com/general-staff-denies-that-turkish-pilots-have-been-arrested-in-syria.aspx?pageID=238&nID=38039&NewsCatID=359