Wie der Abzug aus Afghanistan läuft, entscheidet über künftige Bundeswehreinsätze

Kongresse über die Zukunft Afghanistans und das weitere deutsche Vorgehen am Hindukusch wird es in nächster Zeit vermutlich noch einige geben. Beim heutigen Kongress Afghanistan – Verantwortung für die Zukunft nach ISAF der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Berlin habe ich deshalb weniger darauf gehört, was Verteidigungsminister Thomas de Maiziére und der afghanische Außenminister Zalmai Rassoul gesagt haben (zugehört habe ich natürlich, und deren Statements sind unten auch als O-Ton angehängt), sondern vielmehr auf den Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder.

Aus einem simplen Grund: Jenseits des doch recht überschaubaren Bereichs derjenigen, die sich für Verteidigungs- und Sicherheitspolitik und, im Falle Afghanistans, auch für Außen- und Entwicklungspolitik interessieren, wird das weitere deutsche Engagement am Hindukusch sehr stark vom Mainstream in den großen Bundestagsfraktionen abhängen. Verkürzt gesagt: von dem Kurs, den in der derzeit größten Regierungsfraktion, der Union, eben Volker Kauder durchsetzen kann.

Was nach dem Abzug der kämpfenden Truppen am Hindukusch passiert, so verstehe ich den Fraktionschef, wird deshalb auch Auswirkungen auf die Bereitschaft zu künftigen Bundeswehreinsätzen haben:

Wir werden natürlich auch in der Zeit nach dem Abzug der Truppen Verantwortung in Afghanistan übernehmen müssen. Wir werden Hilfe leisten müssen auf dem Weg in eine demokratische Zivilgesellschaft, wie wir sie uns vorstellen. Aber von dieser Entwicklung wird ganz entscheidend abhängen, in welchem Umfang in Zukunft Abgeordnete in demokratisch gewählten Parlamenten bereit sein werden, Soldaten in einen Einsatz zu schicken. Deswegen ist der Abzug und was danach erfolgt, nicht nur ein technisches Thema, schaffen wir dieses, sondern es ist ein hoch politisches und hoch menschlich berührendes Thema. Wir alle wollen nicht, dass in Afghanistan wieder Zeiten kommen, die wir ja gerade mit unserem Einsatz überwinden wollten. Manches stimmt zuversichtlich, anderes macht große Sorgen.

Unter seinen Sorgen nannte Kauder prominent die fehlende Religionsfreiheit in Afghanistan – ohne den anwesenden Außenminister oder die Regierung in Kabul direkt anzusprechen, beklagte der Fraktionsvorsiztende, dass das Land zu den Staaten gehöre, die Christen verfolgen. Gleichzeitig sich aber gerne von Christen aus anderen Ländern mit Truppen und mit Geld helfen lasse. Nein, ein Junktim zwischen Religionsfreiheit und Unterstützung Afghanistans machte Kauder nicht. Aber auch so war die Nachricht deutlich.

Interessant auch die Verantwortung gegenüber den Afghanen, die für die Bundeswehr in vielen Funktionen tätig waren oder sind – was Kauder mit der Frage einer Afghanin an ihn bei einem Besuch zuspitzte: Wenn Sie abziehen, lassen Sie mich dann im Stich? Beim Rückzug der USA aus Afghanistan Vietnam habe sich gezeigt, was passiere, wenn man diese Menschen zurücklasse.

An diesen Sorgen und seinen Aussagen wird Kauder sich sicherlich auch bei weiteren Entscheidungen messen lassen müssen – zum Beispiel, wenn es ganz knallhart um die Frage geht, wie viele afghanische Übersetzer und andere Mitarbeiter samt ihren Familien nach Deutschland einreisen dürfen…

Kauders Statement im O-Ton:

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Die Rede von Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière

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und das Statement von Afghanistans Außenminister Zalmai Rassoul

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