Rundblick: Piraten

Ilyushin Il-38 in flight 1986

Demnächst auf Piratenjagd: Ein russischer Seefernaufklärer Iljuschin IL-38, aufgenommen 1986 (Foto: U.S. Defense Imagery via Wikimedia Commons)

Die Aktivität somalischer Piraten am Horn von Afrika ist weiterhin relativ gering – trotz der derzeitigen Zwischenmonsun-Zeit. Und obwohl alle Seestreitkräfte auf Patrouille dort den Druck erhöhen, insbesondere die Niederländer im Rahmen der NATO-Antipirateriemission Ocean Shield, gibt es im Vergleich zu den Vorjahren wenig Zwischenfälle.

Dennoch gibt es ein paar Dinge, die eine Erwähnung wert sind:

• Die Russen, seit Jahren mit Schiffen gegen die Piraterie in dieser Region im Einsatz, wollen jetzt auch Seefernaufklärer zur Überwachung des riesigen Seegebiets einsetzen. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur RIA Nowosti haben die Außenminister Russlands und Frankreichs vereinbart, zwei Maschinen des Typs IL-38 (siehe Foto oben) in Djibouti zu stationieren – Frankreich verfügt als ehemalige Kolonialmacht über vertraglich gesicherten Zugriff auf den Flugplatz des kleinen afrikanischen Küstenstaates.Auch der deutsche Seefernaufklärer Orion P-3C nutzt Djibouti als Basis, ebenso die Japaner – und die Franzosen wie auch die US-Streitkräfte mit einer eigenen Basis dort ohnehin. Da sehen die NATO-Soldaten dann mal aus der Nähe die Flugzeuge, die im Kalten Krieg – von der NATO mit dem Codenamen „May“ belegt – nicht nur Aufklärung flogen, sondern auch als U-Boot-Jäger vorgesehen waren… (Danke für den Leserhinweis!)

• Die bereits erwähnten Niederländer unter dem Kommando von Commodore Ben Bekkering haben derweil eine Zwischenbilanz der Zeit zwischen den Monsunen gezogen. Da der Text bislang nur auf deren Facebook-Seite veröffentlicht wurde und damit er auch noch anderswo dokumentiert ist und nicht zufällig verschwindet…  hier der Wortlaut:

Between the Monsoons
October 2012
We are almost a month now into the transition phase that separates the monsoons in the Indian Ocean, when pirates traditionally consider this time of year ideal for hunting. Yet, there have been few pirate groups observed at sea; attacks are rare and none are successful. Earlier this week, the International Maritime Bureau (IMB) repeated their assessment that declining successes for the pirates can be accredited to a combination of international naval operations and security teams aboard merchant vessels.
Leading one of the naval task forces, NATO’s Ocean Shield Task Force 508, I consider the assessment of the IMB a much appreciated recognition of the hard work by the men and women of the international counter piracy effort, serving today and over the last few years. However, a wider group of contributors deserve similar recognition.
Vastly improved defensive measures aboard merchant ships including, but not limited to security teams together with naval operations have reduced the success rate of pirate attacks. Both the citadel, in which a crew can hide for extended periods, or the security team that stops the pirates from pressing their attack, can extend the time for naval ships to intervene. In the vast ocean that needs to be covered, the combination of an alarm made by a vessel and the subsequent quick response of a naval ship nearby can determine the outcome of a pirate incident.
During the last five months a few attacks occurred, none were successful and pirates are apparently aborting attacks as soon as they suspect detection. All very good and well, but this in itself would not explain the decline of the number of pirate groups that actually venture out to sea from their strongholds ashore. There must be additional reasons. Why are there fewer pirates at sea than seen in previous years? The answer to this question is more than relevant, as it may well lead to clues for a lasting solution.
A first thing that springs to mind is the increasing ability and will of the international community to bring suspected pirates to justice. If they are found guilty, pirates are not being released and put back on the beach. Instead, they are spending years in jail, showing the Somalis that piracy does not pay off. This has a considerable impact on popular support for piracy.
Another factor is that our naval ships, which are operating close to shore, are limiting the pirates’ ability to go to sea. Navies contribute to community awareness through friendly visits to local fishing vessels, meetings with elders offshore and by conducting medical visits. These efforts combined with our military counter-piracy elements are increasingly restricting the ability of pirate action groups to deploy.
This affects not only the number of attacks at sea, but also the pirates’ behavior. The recent incident in which the boarding team of HNLMS Rotterdam was repeatedly fired upon by suspected pirates shows that the effort to exert pressure on pirates does affect them.
Patrolling the vast ocean is reducing the number of pirate attacks but it is only one part of the solution. Therefore, we need to work on more than one front. Not just reducing the freedom of action at sea, but also increasingly ashore. This can be achieved by working with regional and international partners to build local counter-piracy capacity, strengthening local awareness and support, catching pirates before they can get close to their target, and improving maritime security, for international, regional and local benefit.

• Von den Niederländern gilt es noch etwas zu erwähnen: Mitte Oktober hatte die Deutsche Marine von ihnen den Schutz eines Schiffes mit Hilfslieferungen nach Somalia übernommen, mit einem Autonomous Vessel Protection Detachment (AVPD). Zuvor hatte die niederländische Marine diese neue Art des Schutzteams gestellt – autonom bedeutet in diesem Fall, dass das zu schützende Schiff nicht wie sonst zusätzlich von einem Kriegsschiff begleitet wird. In einem Brief an das Parlament haben jetzt Außen- und Verteidigungsminister in Den Haag eine positive Bilanz dieses Einsatzes gezogen:

Innerhalb der Einsatzperiode gab es keine Zwischenfälle. Die Niederlande haben für ihren AVPD-Beitrag von den EU-Partnern viel Lob erhalten. Dank dieses AVPD konnte humanitäre Hilfe, die für große Teile der somalischen Bevölkerung essentiell ist, gesichert und geliefert werden. Außerdem wurde durch den Einsatz des AVPD eine Eskorte durch ein Kriegsschiff nicht mehr erforderlich. Damit konnte ein Schiff für andere Atalanta-Aufgaben freigestellt werden. Die knappen militärischen Mittel konnten damit zielgerichtet eingesetzt werden und die Operation insgesamt verbessern. Die Niederlande können auf einen erfolgreichen Einsatz zurückblicken.

Derweil ist das erste deutsche AVPD noch mitten im Einsatz; beim Anlaufen des Hafens von Mogadischu gab es keine Zwischenfälle, bevor der Frachter Caroline Scan mit den deutschen Soldaten an Bord nach Bosaso im Norden Somalias weiterfuhr.

• Und noch etwas Kultur: Leider habe ich es (aus bekannten gesundheitlichen Gründen) nicht zum 55. DOK Leipzig, dem Dokumentarfilmfestival, nach Leipzig geschafft. Vor allem der Film über die Entführung der Hansa Stavanger durch somalische Piraten hätte mich interessiert…. Die Blogger- und Journalistenkollegin Juliette Guttmann hat sich aber diesen Film – und etliche andere – dort angeschaut, mit ihrer freundlichen Erlaubnis ihre Kurzrezension:

Der Kapitän verlässt die Brücke
Am 4. April 2009 wird das deutsche Containerschiff Hansa Stavanger rund 400 Seemeilen vor der Küste Somalias von Piraten gekapert. Die Geiselnahme dauert vier Monate. Nach einer Zahlung von 2,75 Millionen $ durch die Hamburger Reederei Leonhardt & Blumberg kommen Schiff und Mannschaft frei. In den Monaten danach häufen sich Vorwürfe gegen den Kapitän Krzysztof Kotiuk, er habe sich in den Wochen der Gefangenschaft im Umgang mit den Piraten falsch verhalten und ihnen taktisch in die Hände gespielt.
Eine Chronologie der damaligen Ereignisse aus Sicht der Medien ist u.a. bei den Kollegen von Spiegel Online, Stern und auf Wikipedia nachzulesen.
Filmemacher Andy Wolff ist das scheinbar Unmögliche gelungen, er hat den Anführer der Piraten in Somalia aufgespürt und zu einer Teilnahme an dem Filmprojekt bewegen können. In „Der Kapitän und sein Pirat“ begleitet der junge Dokumentarfilmer den traumatisierten Kapitän der Hansa Stavanger, Krzysztof Kotiuk, durch den schmerzhaften Prozess der Therapie und spricht in seiner Heimat Somalia mit dem Piraten.
Wir bewegen uns mit Ahado durch ein zerstörtes Land. Der ewig Kat kauende Anführer hat nichts zu verlieren. Die Monate auf dem Schiff sind für ihn und seine Männer sicherer, als das Leben auf den Straßen Mogadischus. Hilferufe der Crew an die deutsche Reederei bleiben über Wochen unbeantwortet. Es beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Reederei in Hamburg, den Piraten und der deutschen Bundesregierung. Das Schiff wird von Bundeswehrverbänden angegriffen. Der Befreiungsversuch scheitert.
Ziel der Piraten ist es, die Mitglieder der Schiffscrew zu entzweien. Wiederholt werden insbesondere die deutschen Mitglieder der Mannschaft zu Scheinhinrichtungen geführt. Die Versorgungslage an Bord und die hygienischen Zustände verschärfen sich mit jedem Tag der Geiselhaft. Die Autorität des Kapitäns wird in Zweifel gezogen. Die Hierarchien an Bord lösen sich auf. Der Kapitän wird isoliert. Teile der Mannschaft wenden sich von ihm ab und werfen ihm bis heute vor, mit den Piraten, insbesondere mit Ahado fraternisiert zu haben. Der Anführer der Piraten wird sein einziger Freund an Bord und ist noch heute voll der Achtung und des Respekts für den alten Mann auf See.
Nach der Veröffentlichung eines dramatischen Briefes an die Bundeskanzlerin Angela Merkel durch die Medien, kommt Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen, und die Reederei wirft das geforderte Lösegeld ab.
Der Film beleuchtet eine weitere Facette der Geschehnisse auf See. Er gibt beiden Protagonisten Raum für ihre Sicht auf die Ereignisse im Sommer 2009 und vor allem gibt er Kapitän Krzysztof Kotiuk Würde zurück, gerade weil er den schonungslosen Blick auf den langsamen Genesungsprozess zulässt. Eine Geschichte über Männer, die würdevoll Zeugnis von ihrer Niederlage ablegen und damit Achtung gewinnen.
Direkt nach seiner Rückkehr nach Deutschland erhält Kotiuk seine Kündigung. Der Kapitän bleibt an Land.