Miese Stimmung in der Truppe

Gleich zwei heute veröffentlichte Umfragen unter Bundeswehrangehörigen belegen: um die Stimmung in der Truppe steht es angesichts der Bundeswehrreform, der Neuausrichtung, nicht zum Besten. Nach einer Umfrage des Bundeswehrverbandes sehen fast 90 Prozent der befragten militärischen Führer vom Kompaniefeldwebel bis zum General dringenden Nachsteuerungsbedarf: Vor allem die zunehmende Belastung der Soldatinnen und Soldaten wird beklagt. Auch nach einer eigenen Umfrage der Bundeswehr durch ihr Sozialwissenschaftliches Institut wird die Reform von vielen Bundeswehrangehörigen negativ gesehen.

Hier zum Reinhören der O-Ton die Bundespressekonferenz am (heutigen) Freitag in Berlin mit den Aussagen des Bundeswehrverbandes:

 

Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch, und Prof. Dr. Gerd Strohmeier

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Frage und Antwort (Q+A) in der Bundespressekonferenz

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Die Stimmung in der Bundeswehr brachte der Verbandsvorsitzende Kirsch auf den Punkt: Den Streitkräften droht der Burn-out. Nach der Umfrage liege die Einschätzung nahe: Wenn nicht ganz schnell etwas passiert, wird die Reform kippen.

In der Erhebung des Bundeswehrverbandes, an der sich 1.768 von 3.990 angeschriebenen militärischen Führern beteiligten, kommt zwar die Hälfte der Befragten zu der Einschätzung, dass sich die Reform positiv auf die Einsatzorientierung der Bundeswehr auswirkt – aber zu Lasten der Beschäftigten. 81 Prozent befürchten, dass sich die Neuausrichtung negativ auf ihre Belastung auswirkt, 74 Prozent befürchten negative Auswirkungen auf die Vereinbarkeit von Familie und Dienst. Und etwas mehr als die Hälfte sieht die Motivation der Soldaten beeinträchtigt.

Fehlende Planungssicherheit und eine mangelnde Berufsperspektive – das sind nach den Worten von Kirsch die Probleme, die die Soldaten ganz persönlich empfinden. Und sie fühlen sich von der Politik im Stich gelassen: Jeweils etwa zwei Drittel sind der Meinung, dass sie und die Bundeswehr mit ihren Problemen von der Politik im Allgemeinen und von der Bundesregierung nicht unterstützt würden. Vom Verteidigungsministerium glaubt das interessanterweise (und aus meiner Sicht überraschend) nur ein knappes Viertel.

Das hat natürlich auch finanzielle Gründe: Einsparungen und Neuausrichtung passen nicht zusammen. Neuausrichtung ist Gestaltung, und Gestaltung kostet Geld, sagte der Verbandsvorsitzende und mahnte erneut eine Anschubfinanzierung der Bundeswehrreform an. Zugleich wies er aber auch anderen Bundesressorts eine Mitverantwortung zu: Die Hinzuverdienstgrenze, die zunächst für ausscheidende Berufssoldaten hätte gelten sollen, sei nur gegen den Widerstand des Bundesarbeitsministeriums aus dem Reformbegleitgesetz gestrichen worden.

Mangelhaft sei auch die Balance zwischen den Aufgaben im Einsatz und den Aufgaben im Heimatbetrieb, sagte Kirsch. Im Team Hotel seien die Herausforderungen auch nicht geringer, da aber die Zuwendung nicht so groß. Auch für diese Soldaten müssten die Rahmenbedingungen entsprechend gestaltet werden, zum Beispiel für zusätzlich geleisteten Dienst.

Die Forderungen, die sich für den Verband aus der Umfrage ergeben, will der Vorsitzende allerdings nicht auf Finanzielles beschränkt wissen. Mehr Rückhalt durch die ganze Bundesregierung; mehr Planungssicherheit für die Menschen, mehr Attraktivität des Dienstes listete Kirsch neben der Forderung nach einer finanziellen Nachsteuerung des Verteidigungshaushalts auf (für die er allerdings vorerst keine konkrete Zahl nennen wollte).

Die schon einige Zeit vorliegende, aber heute offensichtlich als Reaktion auf den Bundeswehrverband veröffentliche Umfrage des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr kommt übrigens zum Teil zu nicht viel besseren Ergebnissen. Rund zwei Drittel kreuzten beim Punkt Bei der Neuausrichtung der Bundeswehr ist klar erkennbar, wohin die Reise gehen wird einfach trifft nicht zu an. Mehr als 60 Prozent schätzten die Stimmungslage zur Reform bei der Mehrheit der Bundeswehrangehörigen als schlecht oder sehr schlecht ein – selbst wenn sie persönlich das positiver einschätzten.

Und mehr als die Hälfte, ein verheerendes Ergebnis, erwartet für sich persönlich langfristig Nachteile der Reform: 17 Prozent sahen fast nur Nachteile, 37 Prozent mehr Nachteile als Vorteile. Und das, wohlgemerkt, bei einer internen Erhebung.

Zum Nachlesen hier noch mal beide Umfragen:

Die Umfrage des Bundeswehrverbandes: DBwV-Umfrage_07-09-2012

Die SoWi-Studie: SoWi_Neuausrichtung_kurz