Irre, ein Spionageboot! 4 und Schluss

Die Geschichte rund um das Flottendienstboot Oker will ich nicht endlos weiter(t)schreiben; deshalb – vorerst – als abschließende Information dazu:

Wie hier schon zu lesen war, ist die Oker heute morgen aus Cagliari auf Sardinien ausgelaufen; wenig später verschwand ihr AIS-Signal. Interessant ist dazu eine Aussage der Deutschen Marine, zitiert von Zeit Online: Ein Sprecher des Flottenkommandos sagte dazu: „Ich kann ausschließen, dass das Signal abgeschaltet wurde.“ Das Verschwinden müsse technische Gründe haben. Da wird doch nix kaputt sein auf diesem Hightech-Schiff?

(Nachtrag 21. August: Nach Angaben des Flottenkommandos ist da was missverstanden worden: Der Sprecher schließt aus, dass das AIS-Gerät kaputt ist – die Oker hat ganz offensichtlich einfach abgeschaltet, was ich ja zuvor schon vermutet hatte.)

• Natürlich war das Spionageschiff und eine mögliche Weitergabe von Informationen an die syrischen Rebellen heute auch Thema in der Bundespressekonferenz. Dazu äußerten sich Regierungssprecher Steffen Seibert und der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Stefan Paris:

Frage: Herr Paris, die „Oker“ ist heute Vormittag aus dem Hafen von Cagliari ausgelaufen. Bei dem Schiff handelt es sich offensichtlich um das Schiff, worüber am Wochenende geschrieben und diskutiert wurde. Können Sie uns sagen, welches Einsatzziel das Schiff jetzt hat und in welche Richtung es gerade läuft?

Paris: Eine ähnliche Frage haben Sie mir bereits am 16. Januar dieses Jahres gestellt. Diese habe ich wie folgt beantwortet – ich erlaube mir einmal, mich selbst zu zitieren -:

„Ich möchte zunächst einmal feststellen, dass die deutsche Marine keine Spionageboote betreibt (…), sondern wir haben drei sogenannte Flottendienstboote im Dienst. Sie haben den Auftrag aufzuklären. Sie unterstehen dem Kommando Strategische Aufklärung hier in Deutschland und werden durch die Marine betrieben.

Diese Flottendienstboote sind als Frühwarn-, Fernmelde- und Aufklärungseinheiten mit großem Aktionsradius konzipiert. Diese Flottendienstboote sind auch unbewaffnet. Sie operieren seit Jahren auch routinemäßig im Bereich des Mittelmeeres, entweder auf sich ganz allein gestellt oder im Verbund mit anderen Einheiten.“

Ich ergänze: Das Boot heißt nicht mehr „Alster“ wie im Januar. Das Boot heißt jetzt „Oker“, hat aber die gleichen Fähigkeiten. Es ist ein Flottendienstboot. Die Marine betreibt es. Es ist im Bereich des östlichen Mittelmeers im Einsatz. Zu den Einsatzdetails, Einsatzzielen und Einsatzergebnissen kann ich hier, wie immer, keine Auskunft geben.

Frage: Wie reagiert denn die Bundesregierung auf den Vorwurf, der jetzt laut wird, dass sich Deutschland durch die indirekte Weitergabe von BND-Erkenntnissen an eine der Konfliktparteien in Syrien an einem Bürgerkrieg beteiligt, obwohl die Aussage von der Bundesregierung eine andere ist, nämlich dass man dort nicht eingreifen würde?

Paris: Wen fragen Sie jetzt?

Zusatz: Sie und Herrn Seibert.

Paris: Ich kann gerne beginnen, was den Bundeswehr-Teil anbelangt. Das habe ich Ihnen gerade erklärt. Das, was Sie aufgrund der Berichterstattung der „Bild am Sonntag“ unterstellen, mache ich mir nicht zu eigen. Ich habe Ihnen erklärt, was die Fähigkeiten dieses Flottendienstbootes sind. Ich bestreite nicht, dass diese Fähigkeiten genutzt werden. Mir ist nur wichtig zu sagen, dass wir dort keine Spionage, sondern Aufklärung betreiben. Das ist bei den Fähigkeiten, die wir haben, auch unsere vornehmste Pflicht; deshalb unterhalten wir diese Boote. Wir gehen natürlich verantwortlich mit den Ergebnissen um. Wenn man etwas aufklärt und dementsprechend eine Information gewinnt, dann verarbeitet man diese Information auch.

StS Seibert: Für die Bundesregierung kann ich sagen, dass wir ‑ wie üblich und grundsätzlich ‑ zu nachrichtendienstlichen Vorgängen, auch zur Methodik unserer Nachrichtendienste keine Auskunft geben, natürlich mit der großen Ausnahme des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Deutschen Bundestages. Wenn es dort zu Fragen der Abgeordneten käme, würde die Bundesregierung natürlich entsprechende Informationen geben.

Frage: Herr Seibert, aus den Reihen der Abgeordneten gibt es schon entsprechende Fragen. Gibt es schon einen Termin für die nächste Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums, bei der solche Fragen beantwortet werden können?

StS Seibert: Das wäre in erster Linie eine Frage an die Abgeordneten des Bundestages. Ich kenne einen solchen Termin nicht.

Frage: Herr Paris, ist es richtig, dass der Verteidigungsausschuss über die Fahrt usw. der „Oker“ erst kürzlich durch Ihr Ministerium unterrichtet worden ist?

Paris: Das kann ich abschließend gar nicht sagen, das ist durchaus möglich. Ich müsste gegebenenfalls nachreichen, ob es eine Unterrichtung des Parlaments, die dann später auch Unterrichtungen der Öffentlichkeit werden, gegeben hat oder nicht. Nichtsdestotrotz: Das ist eine Einsatzfahrt im nationalen Auftrag. Ich gehe davon aus ‑ ich reiche es gerne nach ‑, dass wir das regelmäßig an das für uns zuständige Gremium, nämlich den Verteidigungsausschuss, berichten. Ich muss nachreichen, ob oder wann das passiert ist.

Frage: Ich frage einmal, wo im östlichen Mittelmeer der nationale Auftrag liegt und wie er definiert ist. Bundeswehreinsätze im Ausland müssen vom Bundestag genehmigt werden. Ist das Verteidigungsministerium der Auffassung, dass dieser Fall nicht vom Bundestag beschlossen werden muss? Ist es der Auffassung, dass man das noch prüfen muss, oder ist es der Auffassung, dass dies doch vom Bundestag beschlossen werden muss?

Paris: Wir sind dezidiert der Auffassung, dass wir, wie ich es gerade dargestellt habe ‑ es ist eine regelmäßige Übung, die wir dort fahren ‑, solche nationalen Aufklärungsaufträge, wie sie diesem Flottendienstboot mit auf den Weg gegeben worden sind, erteilen können. Das ist kein Fall der Parlamentsbeteiligung, also kein Fall des Parlamentsbeteiligungsgesetzes. Es gibt hier keine Mandatierungspflicht. Das ist ein unbewaffneter Routine- und Aufklärungseinsatz, wie wir ihn regelmäßig machen. Zuletzt habe ich Ihnen dies im Verlauf des Januars dargestellt. Das Boot hat eine längere Einsatzzeit bis ungefähr Ende des Jahres. Den Auftrag können Sie daraus ablesen, was das Boot kann: Es kann aufklären und Informationen gewinnen. Das ist der Auftrag.

Frage: Herr Seibert, Herr Paris, die Informationen, die die „Oker“ sammelt, sollen der Unterrichtung der Bundesregierung dienen. Ist es zulässig, dass so erworbene Informationen ohne ausdrückliche Genehmigung nicht nur die Bundesregierung erreichen, sondern auch syrische Rebellen oder via BND amerikanische oder andere Nachrichtendienste und dass dann die deutsche Kontrolle über die Weitergabe dieser Informationen nicht mehr vorhanden ist, wenn dies an einen zweiten oder dritten Dienst gelangt ist?

Vorsitzender Freitag: Wer möchte die Frage beantworten?

Zusatz: Ich sage einmal, Herr Seibert wegen der Geheimdienstkoordination, ansonsten Innenministerium, Entwicklungsministerium oder Bildungsministerium. Das ist mir eigentlich egal.

StS Seibert: Zu den Grenzen meiner Auskunftsfähigkeit habe ich hier jetzt schon etwas gesagt. Ganz generell halte ich es für normal, dass Erkenntnisse auch mit Nato-Partnern geteilt werden.

Frage: Die die Koalition tragenden Parteien haben seinerzeit relativ scharf kritisiert, dass der BND den Amerikanern über Agenten in Bagdad beim Bombenabwurf ein wenig geholfen hat. Unterscheidet sich die Vermittlung und Übergabe von Daten, die jetzt die „Oker“ an die Rebellen in Syrien übermittelt, aus der Sicht der Bundesregierung von dem damaligen Sachverhalt, und inwiefern?

StS Seibert: Ich glaube, nach allem, was Herr Paris gerade für das Verteidigungsministerium dargelegt hat, ist es einigermaßen verwegen, da eine Parallele zu ziehen.

Paris: Das sehe auch ich so, ja.

Frage: Wenn den Geheimdiensten von Nato-Partnern solche Kenntnisse zur Verfügung gestellt werden: Ist geregelt, was die dann damit machen, oder ist ihnen freigestellt, ob sie das an wen auch immer weiterleiten?

StS Seibert: Ich werde mich jetzt hier nicht weiter zu nachrichtendienstlichen Einzelheiten und auch nicht zur Methodik der Nachrichtendienste äußern. Ich bitte um Ihr Verständnis.

Der Vollständigkeit halber und zur Ergänzung die von Paris angeführten Aussagen vom 16. Januar 2012 (schon damals hat das BMVg die Auffassung vertreten, dass für den Einsatz der Flottendienstboote kein Mandat erforderlich ist. Insofern ist die jetzt aufgeflammte politische Diskussion nicht wirklich neu):

FRAGE: Eine Frage an Herrn Paris: Können Sie den Bericht im „SPIEGEL“ bestätigen, nach dem Ende Dezember ein Flottendienstboot der Bundesmarine von einem syrischen Kriegsschiff bedroht worden ist? Gab es daraus Konsequenzen? Herr Peschke, gab es daraus vielleicht auch irgendwelche diplomatischen Konsequenzen?

PARIS: Ich möchte zunächst einmal feststellen, dass die deutsche Marine keine Spionageboote betreibt, wie es im „SPIEGEL“ steht, sondern wir haben drei sogenannte Flottendienstboote im Dienst. Sie haben den Auftrag aufzuklären. Sie unterstehen dem Kommando Strategische Aufklärung hier in Deutschland und werden durch die Marine betrieben.

Diese Flottendienstboote sind als Frühwarn-, Fernmelde- und Aufklärungseinheiten mit großem Aktionsradius konzipiert. Diese Flottendienstboote sind auch unbewaffnet. Sie operieren seit Jahren auch routinemäßig im Bereich des Mittelmeeres, entweder auf sich ganz allein gestellt oder im Verbund mit anderen Einheiten.

In diesem aktuellen Fall nimmt das Flottendienstboot „Alster“ in internationalen Gewässern im östlichen Mittelmeer einen Aufklärungseinsatz im nationalen Auftrag wahr. Das ist in der Vergangenheit schon häufig passiert. Auch die anderen beiden Boote, von denen ich sprach, sind mehrfach im Mittelmeer gewesen und haben diese Aufträge durchgeführt. Ich kann Ihnen aber zu den operativen Einzelheiten dieses Einsatzes, wie bei allen Einsätzen, grundsätzlich keine Auskünfte erteilen, was genau der Auftrag ist.

Zu dem Zwischenfall kann ich sagen, dass nach unserer Kenntnis ein syrisches Schnellboot bei Dunkelheit in sehr geringem Abstand den Kurs des Flottendienstbootes „Alster“ gekreuzt hat. An Bord der syrischen Einheit wurde bewaffnetes Personal am Oberdeck identifiziert. Dieser Vorfall – das ist jetzt meine Bewertung – in internationalen Gewässern wird als seemännische Unhöflichkeit und schlechte Seemannsschaft bewertet. Darüber hinaus habe ich das nicht zu bewerten.

Ich möchte daran erinnern, dass wir solche Vorfälle sehr, sehr häufig noch in den 90er-Jahren im Bereich der Ostsee erlebt haben, wo Boote der damaligen Warschauer-Pakt-Staaten sehr häufig unhöflich und in schlechter Seemannsschaft die Wege der deutschen Marine gekreuzt haben.

ZUSATZFRAGE: Es war also nicht so, dass dieses Boot dann ausdrücklich seine Bordkanone auf das deutsche Schiff gerichtet hat? Sie haben gesagt, es wurden bewaffnete Kräfte identifiziert. Haben die das vielleicht mit ihren Handfeuerwaffen getan?

PARIS: Ich würde es mal so sagen: Ich habe ja auch deutlich zurückgewiesen, dass wir Spionageboote betreiben, wie es der „SPIEGEL“ schreibt. Vielleicht ist das, was der „SPIEGEL“ schreibt, auch etwas dramatischer dargestellt als das, was ich aufgrund der Erkenntnisse in der Marine hier wiedergegeben habe. Ich halte fest: seemännische Unhöflichkeit und schlechte Seemannsschaft.

FRAGE: Sie sagten, das geschehe im nationalen Auftrag. Das heißt, es ist nicht im Rahmen einer internationalen Operation. Es gibt ja zum Beispiel „Active Endeavour“ im Mittelmeer als NATO-Operation. Müssen solche nationalen Aufträge mandatiert sein? Wenn nein, warum nicht? Warum muss zum Beispiel „Active Endeavour“ mandatiert sein?

PARIS: Mandatiert sein muss es ja, weil wir uns an den Einsätzen beispielsweise aufgrund eines UN-Mandates oder EU-Mandates beteiligen. Da gilt auch der Parlamentsvorbehalt.

Ansonsten ist die Bundeswehr frei, nationale Aufträge durchzuführen. Das ist ein Routineeinsatz. Das passiert permanent. Diese drei Boote sind dauerhaft im Einsatz, unter anderem auch häufig im Mittelmeerraum, und gehen dort ihrer Tätigkeit nach. Insofern ist hier keine Befassung des Bundestages erforderlich.