Fast wie der Griff nach der Atombombe

Wer jetzt schon der Meinung ist, dass auf allen Kanälen zu viel über geplante bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr debattiert ist, muss sich leider sagen lassen: das geht erst los. Und es geht in eine Richtung, die ich (man ahnt es nach meinen bisherigen Beiträgen) für ziemlich problematisch halte.

Die neue Vorlage lieferte Verteidigungsminister Thomas de Maizière in der Welt (Samstagausgabe; Link aus bekannten Gründen nicht) mit der Aussage: Ethisch ist eine Waffe stets als neutral zu betrachten. Das weiß gerade der Verteidigungsminister besser. Dass die Bundesrepublik Deutschland sehr frühzeitig den Verzicht auf eigene Atomwaffen erklärt hat, hatte ebenso (auch) ethische Gründe wie die internationale Ächtung von Chemiewaffen. Der Verzicht auf bestimmte Minentypen oder das – von Deutschland mit vorangetriebene – Verbot von Streumunition war nicht zuletzt eine ethisch bestimmte Entscheidung: Es gibt Waffen(systeme), die eben nicht ethisch stets als neutral zu betrachten sind.

Mit seiner Aussage hat de Maizière eine Steilvorlage für die Kritiker der derzeit debattierten Kampfdrohnen geliefert – und Oppositionspolitiker wären nicht Oppositionspolitiker, würden sie die nicht nutzen:

Ethische Debatte statt Büroklammer
Zu den aktuellen Aussagen des Verteidigungsministers Thomas de Maizière über die Beschaffung von Kampfdrohen durch die Bundeswehr erklären Omid  Nouripour, Sprecher für Sicherheitspolitik, und Agnieszka Brugger, Sprecherin für Abrüstung:
„Vor der Beschaffung eines jeden neuen Waffensystems muss – besonders in Zeiten knapper Kassen – eine grundsätzliche Debatte über die Notwendigkeit sowie auch die Gefahren des neuen Systems stattfinden. Dafür reicht es nicht aus, in der Manier einer Büroklammer auf technische Daten hinzuweisen. Die ethische Dimension einer solcher Beschaffung muss bei der Debatte im Vordergrund stehen. Der Hinweis des Ministers über die ethische Neutralität von Waffen ist schlicht falsch. Das hat die schreckliche Erfahrung der letzten Jahrzehnte auch mit konventionellen Systemen wie Streumunition oder Anti-Personen-Minen gezeigt.“

Hm. Da zeigt sich schon, dass etwas durcheinander kommt. Ist die ethische Frage nach einem Waffensystem verbunden mit knappen Kassen, also verfügbarem Geld?

Natürlich haben aber Nouripour und Brugger recht, wenn sie als Mitglieder des Parlaments, das das Geld für Rüstungsbeschaffungen bewilligt, eine Debatte über die Einführung eines neuen, teuren Waffensystems fordern. Das müsste allerdings vor allem eine Debatte über militärische Notwendigkeit, Effektivität und Effizienz sein.

Denn ebenso wenig wie jede Waffe ethisch neutral ist, ist grundsätzlich die Anschaffung eines jeden neuen Waffensystems eine ethische Frage. Simples Beispiel: wenn die Bundeswehr ein neues Standardgewehr brauchen sollte, wäre das kein Grund für eine ethische Diskussion. Wenn die Luftwaffe plötzlich auf dem Abwurf von Chemiewaffen bestehen sollte, dagegen schon.

Kampfdrohnen, also bewaffnete unbemannte Luftfahrzeuge, scheinen dagegen nur deshalb Gegenstand einer Ethik-Diskussion zu werden, weil diese Systeme vom Verbündeten USA in einer Weise eingesetzt werden, die ethisch und teilweise auch völkerrechtlich umstritten ist. Ich hab’s schon mal gesagt und wiederhole es gerne: Wenn die umstrittenen Angriffe der US-Streitkräfte auf Taliban-Kämpfer in Pakistan mit Jagdbombern geflogen würden, denen Special Forces am Boden mit Laser-Zielgeräten die Bombenziele zuweisen – müsste dann die Bundeswehr eine ethische Diskussion über ihre Jagdbomber und Spezialkräfte beginnen oder gar die Laser-Zielgeräte zum Thema einer Grundsatzdiskussion machen?

An der Stelle kann ich dann wieder die Argumentation des Verteidigungsministers teilen: Flugzeuge dürfen Waffen tragen. Warum also sollen unbemannte Flugsysteme das nicht dürfen? Und wer mal die Videos der Gun Sight eines Kampfjets oder eines Kampfhubschraubers gesehen hat, dem ist klar, dass der in seinem Cockpit nicht mehr von der Situation am Boden sieht als der Bediener eines unbemannten Fluggeräts.

Die Debatte, ob, welche und wie viele bewaffnete Drohnen die Bundeswehr braucht (oder bezahlen kann), sollte ja öffentlich geführt werden. Aber bitte nicht so, als plane Deutschland nun doch den Griff nach der eigenen Atombombe.

Nachtrag: Bei aller engagierten Diskussion über die ethischen und moralischen Aspekte freue ich mich, dass sich einfach auch mal ein Drohnen-Praktiker in den Kommentaren zu Wort gemeldet hat.