Fast wie der Griff nach der Atombombe
Wer jetzt schon der Meinung ist, dass auf allen Kanälen zu viel über geplante bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr debattiert ist, muss sich leider sagen lassen: das geht erst los. Und es geht in eine Richtung, die ich (man ahnt es nach meinen bisherigen Beiträgen) für ziemlich problematisch halte.
Die neue Vorlage lieferte Verteidigungsminister Thomas de Maizière in der Welt (Samstagausgabe; Link aus bekannten Gründen nicht) mit der Aussage: Ethisch ist eine Waffe stets als neutral zu betrachten. Das weiß gerade der Verteidigungsminister besser. Dass die Bundesrepublik Deutschland sehr frühzeitig den Verzicht auf eigene Atomwaffen erklärt hat, hatte ebenso (auch) ethische Gründe wie die internationale Ächtung von Chemiewaffen. Der Verzicht auf bestimmte Minentypen oder das – von Deutschland mit vorangetriebene – Verbot von Streumunition war nicht zuletzt eine ethisch bestimmte Entscheidung: Es gibt Waffen(systeme), die eben nicht ethisch stets als neutral zu betrachten sind.
Mit seiner Aussage hat de Maizière eine Steilvorlage für die Kritiker der derzeit debattierten Kampfdrohnen geliefert – und Oppositionspolitiker wären nicht Oppositionspolitiker, würden sie die nicht nutzen:
Ethische Debatte statt Büroklammer
Zu den aktuellen Aussagen des Verteidigungsministers Thomas de Maizière über die Beschaffung von Kampfdrohen durch die Bundeswehr erklären Omid Nouripour, Sprecher für Sicherheitspolitik, und Agnieszka Brugger, Sprecherin für Abrüstung:
„Vor der Beschaffung eines jeden neuen Waffensystems muss – besonders in Zeiten knapper Kassen – eine grundsätzliche Debatte über die Notwendigkeit sowie auch die Gefahren des neuen Systems stattfinden. Dafür reicht es nicht aus, in der Manier einer Büroklammer auf technische Daten hinzuweisen. Die ethische Dimension einer solcher Beschaffung muss bei der Debatte im Vordergrund stehen. Der Hinweis des Ministers über die ethische Neutralität von Waffen ist schlicht falsch. Das hat die schreckliche Erfahrung der letzten Jahrzehnte auch mit konventionellen Systemen wie Streumunition oder Anti-Personen-Minen gezeigt.“
Hm. Da zeigt sich schon, dass etwas durcheinander kommt. Ist die ethische Frage nach einem Waffensystem verbunden mit knappen Kassen, also verfügbarem Geld?
Natürlich haben aber Nouripour und Brugger recht, wenn sie als Mitglieder des Parlaments, das das Geld für Rüstungsbeschaffungen bewilligt, eine Debatte über die Einführung eines neuen, teuren Waffensystems fordern. Das müsste allerdings vor allem eine Debatte über militärische Notwendigkeit, Effektivität und Effizienz sein.
Denn ebenso wenig wie jede Waffe ethisch neutral ist, ist grundsätzlich die Anschaffung eines jeden neuen Waffensystems eine ethische Frage. Simples Beispiel: wenn die Bundeswehr ein neues Standardgewehr brauchen sollte, wäre das kein Grund für eine ethische Diskussion. Wenn die Luftwaffe plötzlich auf dem Abwurf von Chemiewaffen bestehen sollte, dagegen schon.
Kampfdrohnen, also bewaffnete unbemannte Luftfahrzeuge, scheinen dagegen nur deshalb Gegenstand einer Ethik-Diskussion zu werden, weil diese Systeme vom Verbündeten USA in einer Weise eingesetzt werden, die ethisch und teilweise auch völkerrechtlich umstritten ist. Ich hab’s schon mal gesagt und wiederhole es gerne: Wenn die umstrittenen Angriffe der US-Streitkräfte auf Taliban-Kämpfer in Pakistan mit Jagdbombern geflogen würden, denen Special Forces am Boden mit Laser-Zielgeräten die Bombenziele zuweisen – müsste dann die Bundeswehr eine ethische Diskussion über ihre Jagdbomber und Spezialkräfte beginnen oder gar die Laser-Zielgeräte zum Thema einer Grundsatzdiskussion machen?
An der Stelle kann ich dann wieder die Argumentation des Verteidigungsministers teilen: Flugzeuge dürfen Waffen tragen. Warum also sollen unbemannte Flugsysteme das nicht dürfen? Und wer mal die Videos der Gun Sight eines Kampfjets oder eines Kampfhubschraubers gesehen hat, dem ist klar, dass der in seinem Cockpit nicht mehr von der Situation am Boden sieht als der Bediener eines unbemannten Fluggeräts.
Die Debatte, ob, welche und wie viele bewaffnete Drohnen die Bundeswehr braucht (oder bezahlen kann), sollte ja öffentlich geführt werden. Aber bitte nicht so, als plane Deutschland nun doch den Griff nach der eigenen Atombombe.
Nachtrag: Bei aller engagierten Diskussion über die ethischen und moralischen Aspekte freue ich mich, dass sich einfach auch mal ein Drohnen-Praktiker in den Kommentaren zu Wort gemeldet hat.
Zitat: „Es gibt Waffen(systeme), die eben nicht ethisch stets als neutral zu betrachten sind.“
Das halte ich für Unfug. Es ist der Einsatz einer Waffe durch den Nutzer, der ihn ethisch vertretbar macht oder eben nicht. Die Waffe selbst ist ethisch neutral, da hat TdM ausnahmsweise mal recht.
Beispiel: Chemische Waffen werden vom bundesdeutschen Gutmenschen üblicherweise als unethisch betrachtet.
Bei der Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater 2002 setzten die russischen Sicherheitskräfte chemische Kampfstoffe ein. Das Ziel war, möglichst viele Geiseln dadurch zu retten, dass man alle mit einem chemischen Kampfstoff betäubt, den Laden stürmt, die Geiselnehmer/Selbstmordattentäter ausschaltet und anschließend per Gegengift möglichst viele Leben rettet.
In der Theorie war das ein ethisch einwandfreier Einsatz eines chemischen Kampfstoffes – dummerweise hat es praktisch nicht so geklappt wie geplant und es sind zahlreiche Geiseln am chemischen Kampfstoff gestorben. Nur muss man hier die mangelnde Professionalität der Einsatztruppen kritisieren, nicht den Einsatz eines chemischen Kampfstoffes. In einem solchen Szenario würden wohl auch unsere Sicherheitskräfte chemische Waffen einsetzen, man redet nur halt ungern öffentlich darüber.
In der Summe sind wohl trotzdem weniger Geiseln ums Leben gekommen, als bei einer „konventionellen“ Stürmung noch von den Selbstmordattentätern getötet worden wären. Auch der Einsatz von ABC-Waffen kann ethisch vertretbar sein.
Dummerweise sind Dünnbrettbohrer wie der dauerempörte Herr Nouripour mit solchen Diskussionen überfordert.
Jede Waffe kann ethisch aber eben auch unethisch eingesetzt werden, selbst ein Küchenmesser…
PS: Ist das JaboG 33 neuerdings mit Wattebäuschen ausgestattet oder was haben die da noch mal im Rahmen der nuklearen Teilhabe im Depot liegen? ;-) Aber natürlich: Dank des definitorischen Taschenspielertricks „nukleare Teilhabe“ hat Deutschland natürlich nichts mit Atomwaffen zu tun und baut auch gaaanz bestimmt nicht seine Verteidigungsfähigkeit darauf auf. Denn wir sind ja die guten Atomwaffengegner und waschen unsere Hände in Unschuld und schauen ganz verächtlich auf die bösen Atomwaffenländer wie Frankreich, England oder die USA, die so was schmutziges wohl nur aus purer Böswilligkeit vorhalten … das hat dann ganz bestimmt auch nichts mit verlogener Heuchelei zu tun.
@Sun Tzu
Es geht nicht darum, ob Chemiewaffen von denen, die Sie als Gutmenschen in eine bestimme Ecke stellen wollen, üblicherweise als unethisch betrachtet werden. Sie sind durch bindende Abkommen international geächtet. Und fürs Protokoll: Die Parallele zwischen einem völkerrechtlich geachteten Chemiewaffeneinsatz und einem – wenn auch fehlgeschlagenen – Polizeieinsatz mit chemischen Mitteln haben Sie gezogen.
@T. Wiegold
„Sie sind durch bindende Abkommen international geächtet. “
Das gilt nur für die Staaten, die das Chemiewaffenübereinkommen ratifiziert haben. Deutschland gehört zwar zu diesen Staaten, könnte aber jederzeit aus dem CWÜ aussteigen.
Der Verzicht auf nukleare Bewaffnung hatte im Übrigen keine ethischen Gründe, sondern war Ergebnis der Tatsache, dass Deutschland nach dem Krieg nicht souverän war und die Alliierten Deutschland solche Waffen verweigerten. Die Bundeswehr wäre aber ggf. am Einsatz von Nuklearwaffen beteiligt gewesen und hielt entsprechende Infrastruktur (Jagdbomber, Artillerie, andere Mittel zum Einsatz von „Sondermunition“) bereit. Dieser Einsatz wurde auch im Rahmen von Übungen auf NATO-Ebene durchgespielt, an denen nicht nur die Bundeswehr, sondern auch die Bundesregierung beteiligt war. Keine Bundesregierung bis 1990 (und auch nicht die der DDR) hat jemals aus ethischen Gründen den Einsatz von Nuklearwaffen offen abgelehnt.
Es soll allerdings einigen Widerstand in Bundeswehr und Regierung gegen alliierte Pläne zum Atomwaffeneinsatz gegen Ziele innerhalb Deutschlands gegeben haben, der innerhalb der Bundeswehr möglicherweise bis an die Grenze der Putschbereitschaft und vielleicht auch darüber hinaus ging. Helmut Schmidt hatte nach 1990 einige Andeutungen in diese Richtung gemacht.
Unsere „Verbündeten“ hätten Deutschland in einem Krieg zum nuklearen Schlachtfeld gemacht und wären zu dessen Auslöschung bereit gewesen. Die französischen Nuklearwaffen waren z.B. ganz offiziell zum Einsatz gegen Ziele in Westdeutschland gedacht, falls der Warschauer Pakt dort durchgebrochen wäre. Die nukleare Vernichtung des eigenen Landes durch das eigene Verteidigungsbündnis ist m.E. ethisch durch keine Regierung und keine Armee zu rechtfertigen, aber die Waffe als solche war hier weniger das ethische Problem, sondern nur die politische Absicht hinter ihrem geplanten Einsatz. Eigene nukleare Bewaffnung eines politisch neutralen Deutschlands wäre eine Möglichkeit gewesen, Vernichtungsplänen sowohl einiger NATO-Staaten als auch der Ostblocks entgegenzuwirken. Dies wäre dem Ziel des Überlebens Deutschlands angemessen und somit m.E. ethisch zumindest vertretbar, wenn nicht sogar geboten gewesen. Wir haben alle sehr viel Glück gehabt, weshalb diese Frage nun zum Glück nur noch eine hypothetische ist.
Ernsthafte ethische Argumente kann ich ansonsten in der Kritik am Drohneneinsatz nicht erkennen. Ethische Kritik müsste erklären, warum die Tötung feindlicher Kämpfer durch ein unbemanntes Luftfahrzeug weniger angemessen wäre als die Tötung durch ein bemanntes Lfz, Sturmgewehre, Artillerie oder Kampfpanzer. Kein Kritiker hat auch nur ein einziges solides ethisches Argument vorgebracht. Die Kritik beschränkt sich ganz auf das Äußerung von Gefühlen. So wie in Deutschland gerne mit „gefühltem Völkerrecht“ argumentiert wird, kommt auch der Großteil der ethischen Diskussionsbeiträge nicht über vage Subjektivitäten hinaus.
Ich kann mich der Aussage nur anschließen: Eine Waffe hat erstmal keine ethische Komponente. Eine Waffe ist neutral – so war es einer Krupp-Kanone egal, ob sie deutsche oder französische Soldaten an diesem oder jenem Ende der Aktion hatte und ebenso ist es einer Drohne egal, ob sie Verbündete, Zivilisten oder ein UN-sanktioniertes Ziel bearbeitet.
Dass Waffen und Waffensysteme – vielmehr Waffenwirkungen, denn tatsächlich die Waffe – geächtet sind, ist einem Konsens zu verdanken, den man aktzeptieren, tolerieren oder auch wieder verwerfen kann.
Eine Waffe an sich kann wohl nicht ethisch oder unethisch sein. Wohl aber der Einsatz und darüber kann man debattieren. Je nach Waffe muss man das auch. Die angesprochenen Kernwaffen sind in meinen Augen z.B. Waffen, deren Einsatz auch eine ethische Komponente in sich trägt. Denn sie birgen die Gefahr der eigenen Vernichtung in sich.
Da fällt mir ein Zitat aus „Im Stum“ von Tom Clancy ein: „Wem geben Sie die Schuld, dem Schwert oder der Hand, die es führt?“
Meiner Meinung nach sind Waffen als solche genauso unethisch wie Löffel für eine Gewichtszunahme verantwortlich sind. Nämlich gar nicht, es ist immer die Frage, was der Nutzer daraus macht.
Das im kalten Krieg vorhaltende „Gleichgewicht des Schreckens“ hat perverserweise über 40 Jahre den Frieden zwischen verfeindeten Machtblöcken mit Expansionsdrang gesichert. Ethischer Einsatz unethischer Waffen? Minus mal Minus gibt Plus? Oder liegt es halt doch am jeweiligen Einsatz dieser Waffen?
Von den Grünen wurden als Beispiele für unethische Waffen Anti-Personen Minen und Streubomben genannt. Und auch hier muss ich persönlich sagen, dass das per se etwas überzogen ist. Warum? Weil sich keine Mine selbst legt und auch keine „Cluster Bomb“ selbst zum Ziel fliegt. APM sind geächtet, da sie von mehr oder weniger zwielichtigen Kräften wild verlegt wurde und nun massiv Zivilisten gefährden. Ebenso verhält es sich mit Streumunition, da die Blindgängergefahr nicht abschätzbar ist.
Wie das jetzt zu bewaffneten Drohnen passen soll, ist mir schleierhaft, denn a.) eine Drohne fliegt sich nicht selbst und b.) wird der Waffeneinsatz immer noch von Menschenhand gesteuert. Trefflich hatte Herr Wiegold bereits herausgehoben, dass es keinen Unterschied macht, vorm HUD einer F-16 oder vorm Monitor einer Drohne zu sitzen – feuern wird sie erst, wenn es ihr bzw. dem Bediener befohlen wurde. Und ich glaube auch nicht, dass eine Drohne „das Töten“ vereinfacht / die Hemmschwelle senkt, wie auch?
@Jugendoffizier
„Eine Waffe an sich kann wohl nicht ethisch oder unethisch sein.“
Ja, genauso ist es. Bei einer rationalen ethischen Prüfung müsste das Kriterium der Angemessenheit im Zentrum stehen. Ist das Mittel geeignet, das politische Ziel zu erreichen? Gibt es Mittel, die dabei weniger unerwünschte Nebenwirkungen zeigen (Tod von Unbeteiligten, aber auch Risiken für eigene Kräfte, Kosten für den Steuerzahler etc.)? Falls es angemessenere Mittel gibt, sind diese ethisch zu bevorzugen. Falls nicht, ist der Einsatz ethisch in Ordnung.
Auf Grundlage dieser ethischen Argumentation wäre folgende Aussage logisch: Wenn es um extreme Situationen wie das Überleben der eigenen Staatsvolks geht, gibt es kein Mittel, das die Grenzen der Angemessenheit überschreiten kann, solange dieses eine Ziel gewährleistet ist. Der Einsatz jeder denkbaren Waffe wäre ethisch legitim, inklusive nuklearer oder chemischer Waffen.
Geht es jedoch um weniger absolute Dinge, wird die ethische Diskussion komplizierter und hängt von der Fragestellung ab. Stellt man die Frage, welche Mittel bei möglichst geringen Nebenwirkungen dazu geeignet sind, Akteure im Ausland handlungsunfähig zu machen, die Anschläge in Deutschland planen, wäre meine Antwort: Wenn lokale Sicherheitsbehörden dies nicht leisten wollen oder können, sind Drohnen und Spezialkräfte das Mittel der Wahl, ob im eigenen Einsatz oder in Zusammenarbeit mit der lokalen Regierung. Die Alternative wäre der Einsatz konventioneller Streitkräfte im Rahmen von Selbstverteidigung nach formeller Kriegserklärung gemäß VN-Charta, wozu Deutschland aber militärisch nicht in der Lage wäre, und was wesentlich mehr unerwünschte Nebenwirkungen mit sich bringen würde, selbst wenn man es könnte.
Mit Verlaub :
„Denn sie birgen die Gefahr der eigenen Vernichtung in sich.“
Wer nicht bereit ist für seine Ideale und Ziel bis zum äussersten zu gehen, hat schon verloren.
Der gegenseitige Overkill war im kalten Krieg der Garant für den Frieden.
Pervers aber is so ;-)
Wir friedensverwöhnten Deutschen sollten mal über den Tellerrand schauen und prüfen was wir eigentlich wollen.
Die vielfach geforderte Definition von aussen – und sicherheitspolitischen Zielen ist längst Überfällig
/IRONIE ON
Und dann können wir uns Gedanken machen wofür wir die zur Verfügung stehenden 4,50 € ausgeben.
/IRONIE OFF
ym2c
@StFwdR
„Wer nicht bereit ist für seine Ideale und Ziel bis zum äussersten zu gehen, hat schon verloren.“
Das mag sein, aber im Kalten Krieg ging die politisch nicht souveräne Bundesregierung in Bonn nicht für Deutschland bis zum Äußersten, sondern für die außen- und sicherheitspolitische Strategie der USA, während das Marionettenregime in Berlin (Ost) für die andere Seite zum Äußersten gehen wollte. Gemessen am höchten staatsphilosophischen Grundsatz, nämlich dem Überleben des eigenen Staatsvolkes, wäre die ethische Entscheidung wäre damals die nuklear bewaffnete Neutralität eines vereinigten Deutschlands gegen westliches und östliches Weltmachtstreben gewesen.
@orontes
„Ist das Mittel geeignet, das politische Ziel zu erreichen? Gibt es Mittel, die dabei weniger unerwünschte Nebenwirkungen zeigen (Tod von Unbeteiligten, aber auch Risiken für eigene Kräfte, Kosten für den Steuerzahler etc.)? Falls es angemessenere Mittel gibt, sind diese ethisch zu bevorzugen. Falls nicht, ist der Einsatz ethisch in Ordnung.“
Eigentlich würde ich eher sagen: Ist das Mittel in der Lage meine Ziele zu erreichen und bin ich bereit die (möglichen) Konsequenzen zu tragen? Die „angemessen“ Kategorie setzt eine juristische Komponente vorraus, die man nicht per se annehmen kann. Ferner ist die Angemessenheit nur eine notwendige, jedoch keine hinreichende Prämisse für das „in Ordnung gehen“, wenn man juristisch argumentieren möchte – was im Falle eines bewaffenten Konfliktes in allen Eskalationsstufen für abwegig halte. Das Zeitalter regulierter Kriege ist meines Erachtens nach mit dem Auftreten nichtstaatlicher Akteure und nicht regulierbarer staaticher Akteure vorbei – IMHO.
@der_mike
“ Die “angemessen” Kategorie setzt eine juristische Komponente vorraus, die man nicht per se annehmen kann.“
Als Staatsphilosoph (in Nebenfunktion) gehe ich von souveränen Staaten aus, die ihre Gesetze selbst bestimmen. Dies entspricht zumindest theoretisch auch dem Selbstverständnis der BRD, in der laut Grundgesetz alle Gewalt vom Volke bzw. dessen gewählten Vertretern ausgeht. Das juristische Kriterium ist demnach sekundärer Art. In der idealen repräsentativen Demokratie (wie die BRD eine zu sein vorgibt) orientiert der Volksvertreter seine Entscheidungen und damit die Gesetzgebung am Ziel der Sicherstellung nationalen Interessen. Aus staatsphilophischer Perspektive war die Entscheidung der Bundesregierungen vor 1990, das Überleben ihres Staatsvolkes den Interessen der USA bzw. auf der anderen Seite denen der UdSSR nachzuordnen, demnach zutiefst unethisch.
Konflikte mit nichtstaatlichen Akteuren sind zumindest aus staatsphilophischer Perspektive kein gravierendes Problem: Die Gesetzgebung wird in solchen Fällen eben so angepasst, dass sie der Sicherstellung nationaler Interessen gegenüber diesen Akteuren optimal entspricht. Die Kompetenzen dazu (inklusive ggf. erforderlichem Ausstieg aus diversen völkerrechtlichen Abkommen) hätte der Bundestag. Das Problem ist m.E. nicht das Recht, sondern der politische Wille, dessen Mangel stets gerne mit real nicht vorhandenen juristischen Ausreden gerechtfertigt wird.
@Orontes
Philosophie trifft eben manchmal auf die Realität ;-)
Weder wir noch die DDR hatten die Option eines neutralen vereinten Deutschands oder hab ich da was verpasst ;-)
@StFwdR
„Weder wir noch die DDR hatten die Option eines neutralen vereinten Deutschands…“
In der SPD gab es z.B. zur Adenauerzeit entsprechende Absichten. Der als „preußischer Sozialist“ geltende Kurt Schuhmacher beharrte damals in Opposition zur Adenauers Politik der Westauslieferung auf dieser Position, konnte sich aber nicht durchsetzen. Dass die spätere SPD mit dem Denken dieses honorigen Menschen wenig gemeinsam hatte, ist ein anderes Thema.
@StFwdR:
„Die vielfach geforderte Definition von aussen – und sicherheitspolitischen Zielen ist längst Überfällig“
Genau darum geht es mE. Die Drohnengeschichte wird da nur vorgeshoben, und Frau Brugger und Herr Nouripour als MdB im Vtdg-Ausschuss sollten wissen was wir im Gegensatz zu unseren Verbündeten machen und was nicht.
Bemannte Flugzeuge will man auch nicht einsetzen, und die „bösen“ Drohnen erst recht nicht.
Wir befinden uns in einem Krieg, in dem man nicht mal weiß wer der Gegner ist und dieser schnell die Seiten wechselt oder durch das Ablegen der Waffe „neutral“ wird.
CAS durch Aufklärungsdrohnen die den Gegner beschatten wäre hier eine effiziente Möglichkeit gezielt einzelne Gegner zu töten, auch wenn es immer noch zu Verwechslungen oder Kollateralschäden kommen kann.
Wenn man das nicht akzeptiert, sollte man in DEU bleiben und hoffen dass nix passiert…
@orontes
Ich denke, dass wir von zwei verschiedenen Ebenen sprechen – du sprichts von der ethischen Dimension auf nationaler Ebene. Auch wenn ich dort die Kategorisierung einer Waffe als „ethisch vertretbar“ für eine Stellvertreterfunktion für „Was kann ich dem Wähler zumuten?“ halte, so kann ich durchaus sehen, dass in einer relativ homogenen Gruppe von Menschen ein Konsens darüber bestehen kann, was eine „ethisch vertretbare Waffe“ ist.
Im internationalen Kontext – und wir reden ja hier (noch) nicht von Bürgerkriegsszenarien, sondern von Konflikten mit mindestens einem staatlichen Akteur gehen einen Dritten, der nicht der eigenen Staatsgewalt untersteht – halte ich eine solche Kategorisierung für nicht nur nicht machbar, sondern für den Akteur auch gefährlich, denn er entsagt sich nicht nur eines potentiellen Mittels militärischer, sondern auch allgemein politischen Handelns. Ferner kann ich sehr leicht Waffe A als „ethisch nicht vertretbar“ brantmarken, wenn ich genau weiß, dass ich mit Waffe B und C, die mir zur Verfügung stehen, den Konflikt für mich entscheide und Waffe A nur mein Handeln begrenzen würde.
Ich bleibe also dabei, dass eine Waffe nicht ethisch ist und auch nicht ethisch sein kann, denn Ethik ist eine Kategorie menschlichen Handelns und als solche kann der Mensch die Verantwortung für sein Handeln nicht auf eine Waffe delegieren. Das Argument „Ja, aber wenn die Waffe da ist, dann wird sie auch eingesetzt und generiert damit unethisches Handeln.“ hat der Kalte Krieg und der Sein-Sollen-Fehlschluss ganz gut aufgezeigt.
Nebenbei schäme ich mich dafür, dass in meinem Beitrag ein „Ich“ fehlt. Dabei ist das normalerweise das Wichtigste in Allem, was ich so sage.
@der_mike
„Ich bleibe also dabei, dass eine Waffe nicht ethisch ist und auch nicht ethisch sein kann, denn Ethik ist eine Kategorie menschlichen Handelns und als solche kann der Mensch die Verantwortung für sein Handeln nicht auf eine Waffe delegieren. “
Dass bedeutet im Umkehrschluss auch, dass eine Waffe nicht unethisch sein kann. Nur menschliche Entscheidungen können ethisch oder unethisch sein.
@orontes
Stimmt. Ich bin nicht unethisch, wenn ich mir tausende Tonnen biologischer Kampfstoffe zulege. Ich bin nicht unethisch, wenn ich Kernwaffen herstelle. Ich kann unethisch handeln, wenn ich eine Marketingkampagne für chemische Kampfstoffe starte und diese an wen auch immer verkaufe – muss aber auch nicht zwingend so sein. Es muss auch nicht zwingend so sein, dass ich unethisch handle, wenn ich diese einsetze – wenn mein Staat – in allen seinen Komponenten! – existentiell vor der Auslöschung steht, dann muss ich sagen: To hell with the Geneva Conventions.
Kleine Spitzfindigkeit: Nicht menschliche Entscheidungen sind ethisch oder unethisch, sondern menschliches Handeln.
Das Problem ist daß in diesem Land generell Ethiker aller Coloeur als eine Art von Ersatzpriester Deutungshoheit über Fragen verlangen, von denen sie generell nicht mehr Ahnung haben als der Durchschnittsbürger.
Sie schreiben Eltern vor, dass sie keine PID oder keine Tests für Down-Syndrom bei ihren Kindern machen dürfen, sie schreiben dem Militär vor, welche Waffen einzusetzen sind.
Wer legitimiert die eigentlich?
Früher war dies die Aufgabe von Priestern, die waren von einer gläubigen Gesellschaft durch ihren göttlichen Auftrag legitimiert. Wo ist die heutige Legitimation?
Ein Soziologiestudium in Frankfurt?
Vor allem da diese selben Menschen auf die wirklich dringenden Probleme unserer Zeit wie die Eurokrise oder den Umgang mit Urheberrecht im digitalen Zeitalter keine Antworten haben. Bei diesen Fragen reicht aber auch ein „Nein“ nicht als Antwort aus.
Sorry mir kommt das manchmal vor wie Arbeitsbeschaffung für Geisteswissenschaftler.
Meiner Ansicht nach muss man bewaffnete Drohneneinsätze differenzieren und darf sie nicht über einen Kamm scheren, auch wenn sie „theoretisch“ durch das identische Waffensystem ausgeführt werden können. Eine Versachlichung tut medial und politisch gut und ich bin T.W. da sehr dankbar.
Ich selbst bin kein Drohnenfachmann – sondern war nur Anwender am Boden in Afghanistan – aber auch von Predator und Reaper.
Wir haben grundsätzlich den strategischen und den taktischen Einsatz von Drohnen – den operativen lasse ich aus Vereinfachungsgründen weg, er unterscheidet sich aber in der Praxis nicht vom taktischen Einsatz außer das Schwerpunktverlagerungen ermöglicht werden.
Meiner Einschätzung nach ist der taktischen Einsatz von bewaffneten UAVs unproblematisch. Warum? Er unterliegt den gleichen Regeln wie durch andere Systeme verbrachter CAS. Er dient der Unterstützung der eigenen Truppe auf dem Boden durch Aufklärung und Wirkung. Vom „normalen“ CAS unterscheidet er sich lediglich durch einen verringerten Footprint im Einsatzland und der höheren Durchhaltefähigkeit (ein Pilot kann halt nicht in der Luft wechseln) und das keine eigenen Kräfte sich einer Gefährdung aussetzen müssen (z.B. durch zufällige Artillerietreffer, feindliches AA-Feuer, technische Defekte, Umwelteinflüsse, etc.). Ich wäre schon sehr gespannt, wie man hier eine rechtliche oder ethische Hürde konstruieren wollte. Ganz im Gegenteil: Eigenes Personal ohne Not Risiko auszusetzen ist m.E. ethnisch weit bedenklicher, insbesondere wenn dies seitens Derer gefordert wird die unsere Einsätze mandatieren und damit in letzter Konsequenz verantworten. Für diejenigen, die noch nie mit Drohnen-CAS in der Praxis gearbeitet haben. Nicht der Bediener der Drohne trifft die Entscheidung für den Waffeneinsatz, sondern der Ground Force Commander am Boden. Die „minimale“ technische Zeitverzögerung unterscheidet sich durch den Roverfeed nicht von einem „normalen“ Bomber, da es nur auf die Distanz von der Plattform zum Roverbediener ankommt. Ganz im Gegenteil. Die Drohne kann sich weit stärker exponieren – Risiken eingehen – und damit das Roverfeed verbessern. Schnelle Strahlflugzeuge, die relativ tief fliegen, haben große Abschattungseffekte und i.d.R. schlechte Roverfeeds und bei Flug mit hoher Geschwindigkeit durch Täler in Afghanistan auch relativ beschäftigte Piloten. Eine ruhig fliegende und kreisende, vollstabilisierte Plattform verbessert die Beobachtung und verringert die Kolateralschadenswahrscheinlichkeiten. Wenn man hier etwas machen will, muss man eher möglichst kleine und möglichst präzise Waffen fordern. Übrigens betrifft Kolateralschaden nicht nur Zivilisten. In einem Feuergefecht von Insurgents mit eigener Truppe versteht man unter Kollateralschaden eigene Truppe – und da ist das Vermeidungsinteresse grenzenlos! Alter Spruch: Firendly fire – isn´t!
Auch wenn es nicht drohnenspezifisch ist: Aktuell sind die Beobachtungs- und Wirkungsmöglichkeiten sowie die Durchhaltefähigkeit und die Kollateralschadensminimierung von bewaffneten Drohnen (egal ob US oder Israel) weit höher, als alle anderen CAS Verbringungsarten die uns zur Verfügung steht. Ich habe B1, Spectre, F-15 (Straving und bomb), F-16, Tornado (englisch) und Mil Mi 34 auch schon beim CAS in der Praxis ausprobieren „dürfen“ (müssen – bezieht sich nicht negativ auf die Mittel sondern auf die Situationen).
Auf einem ganz anderen Blatt stehen m.E. die strategischen Einsatzmöglichkeiten von bewaffneten UAVs. Ehrlich gesagt kann man hier aber durch eine umfassende Diskussion und rechtliche Bewertung oder politischer Willensbildung leicht Klarheit schaffen. Ich denke jeder strategische Einsatz UAVs unterliegt einer gültigen Mandatierung und damit dem Parlamentsvorbehalt. Damit ist m.E. Einsatzformen, wie sie von den USA in Pakistan, Jemen oder sonst wo durchgeführt wird undenkbar! Die letzten großen Probleme zwischen den USA und Pakistan gab es nach Beschuss von regulären Einheiten in Pakistan durch US-Hubschrauber. Ich denke nicht, dass man deshalb den Tieger in Frage stellt – die Bundeswehr hält sich strikt an ihr Mandat. Damit unterliegen strategische Aufklärungs- und Wirkungsmöglichkeiten eines bewaffneten UAVs dem Parlament: Wo ist jetzt eigentlich das Problem? Ohne jede Aufgeregtheit kann man eigentlich jetzt sachlich diskutieren, welche Priorität man dem mit bewaffneten UAVs zusammenhängenden Fähigkeiten zumisst und ob und wie man sie vor haushalterischem Hintergrund und möglichem Einsatzhorizont verwirklichen möchte.
Das kurzfristig nur israelische und US-Lösungen verfügbar wären, ist ja bekannt.
Ob man hier deutsche oder europäische Kompetenz aufbauen möchte (und sich dies leisten kann) ist eine weitere Fragestellung, an die sich aufgrund Entwicklungszeiten automatisch die Fragestellung nach der Notwendigkeit und Realisierung einer Überbrückungslösung aufwirft.
Letztendlich kann man natürlich auch mit den USA verhandeln. Wenn die bereits seit Jahren vorhandene US-Lösung beispielsweise gesichert bis zu einem Abzug der eigenen Kräfte in Afghanistan verfügbar gemacht werden könnte (Unter Prüfung des Preisschildes der Kompensation Kosten monetär und militärisch), kann ein Delta bis zu einer eigenen Realisierung kleiner werden, falls sich trotz aller Priorisierungen einfach keine Haushaltsspielräume in der Neuausrichtung zeigen…
@JCR
Ethiker ist kein Berufsbild – und interessanterweise sind die, ich habe da gerade kein besseres Wort, Meinungsproduzenten oder Neudeutsch spin doctors in der Regel keine Geisteswissenschaftler relevanter Provenienz.
Berufen eine Ansicht in einer pluralistischen Gesellschaft zu vertreten ist doch jeder Teilnehmer am sozialen Diskurs – da braucht es keine Fachleute und daher ist quasi jeder sein Fachmann. Keiner hindert den Einzelnen daran auf die Seifenkiste zu klettern und seine Meinung zu propagieren, in der Hoffnung mehr Unterstützer zu finden, als der Mann auf der Seifenkiste nebenan. Da ist dann auch der Unterschied zu den von Dir genannten Priestern – die waren auch keine Fachmänner, sondern quasi der Bote einer „höheren Wahrheit“. Auf die kann sich einm Priester berufen und die trägt quasi auch die Verantwortung. Im Hier und Jetzt trägt die jeder Mann auf seiner Seifenkiste.
@JCR
„Das Problem ist daß in diesem Land generell Ethiker aller Coloeur als eine Art von Ersatzpriester Deutungshoheit über Fragen verlangen, “
Wie „der_mike“ schon sagte: Jeder kann sich in Deutschland als „Ethiker“ bezeichnen, auch wenn er von Ethik oder Philosophie keine Ahnung hat und sich alleine durch seine starken moralischen Gefühle schon dazu legitimiert fühlt, ethische Ansprüche zu formulieren.
Analog dazu sitzen in den deutschen Redaktionsstuben Dutzende selbsternannte kleine Völkerrechtler, die zwar vom Völkerrecht keine Ahnung haben, dafür aber starke Gefühle, die sie gerne auf das Völkerrecht projizieren.
Der Höhepunkt des ganzen sind aber m.E. jene hybriden Kreaturen (Namen muß ich keine nennen), die gefühltes Völkerrecht mit subjektiver Ethik zu einer toxischen Suppe verrühren und mit dem universalen moralischen Geltungsanspruch von Inquisitoren über die öffentliche Diskussion in Deutschland ausschütten.
Hmmm…
Wir diskutieren also über Moral und Ethos, was?
Meine Gedanken dazu:
Diese Begriffe sind subjektiver Natur, d.h. bezeichnen normative Verhaltensmuster, auf die wir uns als Gesellschaft geeinigt haben. Norm und damit Moral unterliegen damit natürlich unterschiedlichen Bewertungen in anderen Gesellschaften und unterschiedlichen Generationen. Damit hilft der Verweis auf diese in einer ethischen Frage nicht weiter.
Die Aussage, eine Waffe an sich könne nicht unethisch sein, lediglich ihr Einsatz, bzw. „die Hand die das Schwert führt“ könne dies sein (letzteres ein Vergleich, der schnell auf den Holzweg führt, stammt er doch aus einer Denke, die keine Vorstellung von Waffen hat, die mit einem Einsatz Millionen Menschen töten können),halte ich jedoch für belegbar falsch:
Es besteht ein breiter Konsens durch unsere gesamte bundesdeutsche (deutsche) Gesellschaft, ABC-Waffen zu ächten. Dies ist zum Ausdruck gebracht durch völkerrechtliche Abkommen, ist in Beschlüssen und Gesetzen festgelegt und letztlich durch die Realität (die Bw hat solche Waffen nicht, auch wenn sie im Rahmen nuklearer Teilhabe davon „profitieren“ soll-ein moralischer Bruch, die Diskussion darüber zieht sich bereits durch die ganze Nachkriegsgeschichte!).
Eine ethische Entscheidung, dass ABC-Waffen unmoralisch sind unterliegt einer kontinuierlichen Diskussion und Reevaluierung. Aber die Aussage, Waffen als solche seien für sich genommen zunächst wertfrei ist grundsätzlich nicht richtig. Wenn „Drohnengegner“ Drohnen in einem Atemzug mit ABC- Waffen nennen, geschieht dies sicherlich aus ähnlichen Gründen, wie daran zu erinnern, auch die Nazis hätten bereits „Drohnen“ eingesetzt (moralische Bedeutungshoheit erlangen durch Totschlag-Argumente), aber um dem etwas entgegenzusetzen eignet sich die Behauptung, Waffen seien keiner ethischen Bewertung unterworfen trotzdem nicht. Eine Diskussion die in diese Richtung geht, geht in die falsche Richtung (Herr Wiegold hat es geahnt und im 2. Post versucht zu verhindern, denke ich).
Wenn ich meinen Beitrag jetzt noch mal lese fällt mir auf: Ich hoffe, ich habe jetzt nicht allzu besserwisserisch dass Offensichtliche geschrieben, aber einige Beiträge lesen sich, als sei das nicht klar und ich bin gleich auf diese eingegangen. Allen anderen bitte ich mir zu verzeihen:-)
Du sagst es selbst: „durch unsere gesamte bundesdeutsche (deutsche) Gesellschaft“ ist erstens ein innerstaatlicher Konsens, sich nicht auf diese Waffen zu stützen und zweitens bin ich mir nichtmal sicher, dass dieser breite Konsens wirklich vorhanden ist – stell Dir mal vor, ein Politiker würde allen ernstes eine offene Diskussion über den Gebrauch von Kernwaffen anstreben. Mir würde im großen Assoziationstest spontan das Wort Kreuzigung einfallen.
Von daher bleibe ich dabei: Ein Messer ist auch nicht gut oder Böse – ethisch oder unethisch. Es ist funktional.
Also ich finde, man sollte das Thema Waffen und Etthik etwas breiter auslegen. Was ist denn eine Waffe ?? Etwas, das Leben vernichtet oder auch etwas, das Leben verhindert, wie z.Bsp. Kondome ? Was haben – aus ethischer Sicht – Kondome und Drohnen gemeinsam ?
Fragen über Fragen…..
;-))
Man könnte auch nach historischen Fernwaffenächtungen suchen : „In Europa wurde die Verwendung von Bögen und Armbrüsten in Kämpfen zwischen Christen durch das Zweite Lateranische Konzil 1139 verboten, da sie wegen ihrer Reichweite und ihrer Durchschlagskraft gegen Rüstungen als unritterlich galten. Der Einsatz gegen Heiden, insbesondere gegen arabisch/islamische Gegner, blieb jedoch erlaubt. Diese moralische Ächtung war jedoch in der Kriegspraxis nicht durchsetzbar. Ironie des Schicksals: Ausgerechnet ein bekannter Förderer der Armbrust, Richard Löwenherz, kam 1199 durch einen Armbrustbolzen zu Tode.“
Eine kleine Randbemerkung.
Ich habe in meiner universitären Ausbildung erfahren dürfen, dass die Ethik u.a. die Lehre der Moral sei. Viele in der Presse et al. als ‚ethisch‘ vorgebrachte Kritik- und/oder Standpunkte, sind aber meistens nicht ethischer Natur, sondern sie sind Ausdruck einer bestimmten Moral.
Es gibt verschiedene Formen, Ausrichtungen der Ethik und es kann durchaus sein, dass die eine ethische Richtung Plus sagt und die andere Minus – bezogen auf das gleiche Thema.
Sprich, es gibt nicht die eine Ethik, sondern es sind verschiedene Konzepte, Therorien. Natürlich ist es leichter, die eine Ethik zu zitieren, denn schwingt in ihr ein kommunikatives Konzept mit, welches sich von der Moral abhebt und dadurch einen universellen Anspruch (in der kommunikativen Theorie) einnimmt und in der Auseinandersetzung die vorgebrachten Argumente so die persönlichere und moralische Ebene verlässt und durch die Bezeichnung als ethisch korrekt ‚unangreifbar‘ wird.
Ich muss hier Orontes an vielen Stellen Recht geben, bezogen auf die Art, wie man über Sachverhalte spricht. Es verfestigt sich der Eindruck meinerseits, dass viele Personen es nicht mehr – im Sinne des Wortes – lernen sich von neutralen Standpunkt aus bewegend, Richtung einer Meinung, Entscheidung, unter Einbeziehung möglichst vieler Variablen aber wenig bis gar nicht unter der (Haupt)Nutzung von persönlicher Meinung, Erfahrung zu bewegen.
So folgt der Aussage: *Die ethische Dimension einer solcher Beschaffung muss bei der Debatte im Vordergrund stehen* der obigen Logik. Es kann gegen unsere christliche Moral verstoßen 100 Menschen durch den Einsatz von Bomben zu töten (reiche deinem Feind die Hand; Oberst Klein) aber ethisch kann man es durchaus legitimieren 1000 feindliche Kämpfer zu töten, mit dem Einsatz von Bomben.
Verboten ist der Einsatz von unterschiedslos wirkenden Waffen aber auch durch das sogenannte humanitäre oder Völkerrecht.. So verbietet die IV. Genfer Konvention zum Schutz von Zivilpersonen z.B. militärische Angriffe auf Zivilkrankenhäuser, Sanitätstransporte, Frauen und Kinder. Nach Artikel 35 des ersten Zusatzprotokolls , ist es verboten, Waffen, Geschosse und Material sowie Methoden der Kriegführung zu verwenden, die überflüssige Verletzungen oder unnötige Leiden verursachen.
Man sollt den Unterschied von Waffenplattformen, Waffensystemen, Waffen und Munition/Wikladung bei der Dikussion beachten! Ein UAV ist keine Munition!
Auch der A400M kann ein Waffensystem sein!
@Elahan
stimmt, und auch ein Tanklaster kann eine Waffe sein,……oder ein Verkehrsflugzeug……oder ein Gastanker…..
Diese ganze Sommerloch-Diskussion ist einfach nur gaga.
Alles wird durcheinander gerührt und als Meinungssau durchs Mediendorf getrieben.
Streitkräfteplanung wird mit Rüstungspolitik und Beschaffungsplanung verwechselt, Ethik mit Moral und mit Völkerrecht, Munition mit Waffe und mit Waffensystem usw. usw.
@Bauklo
„Die Aussage, eine Waffe an sich könne nicht unethisch sein, lediglich ihr Einsatz…halte ich jedoch für belegbar falsch: Es besteht ein breiter Konsens durch unsere gesamte bundesdeutsche (deutsche) Gesellschaft, ABC-Waffen zu ächten. “
Mehrheitsmeinungen sind kein geeignetes Kriterium für ethische Bewertungen. In den USA waren z.B. unmittelbar nach 9/11 deutliche Mehrheiten in der Bevölkerung dafür, Folter einzusetzen. Umgekehrt fand in Pakistan eine deutliche Mehrheit der Menschen die Anschläge gut. Daraus folgt aber nicht automatisch, dass Folter oder die Anschläge ethisch legitim waren. Es gibt in dieser Diskussion jedoch keine universell gültigen Aussagen, da dass, was aus der Sicht eines Akteurs legitimer Schutz seiner Interessen sein kann, von einem anderen Akteur als Verletzung seiner Interessen betrachtet werden kann.
Zumindest aus einer staatsphilosophischen Perspektive kann man ethische Diskussionen jedoch für den eigenen Staat einigermaßen objektiv angehen. Der Staat hat die Pflicht, sein Staatsvolk und sein Territorium sowie die Bedingungen, die zu deren Fortexistenz gegeben sein müssen, zu schützen. Dazu nutzt er zahlreiche Mittel, u.a. auch Steitkräfte. Die ethische Prüfung stellt die Frage, welches Mittel (im Sinne einer Handlung) in Relation zum jeweiligen Ziel das angemessenste ist, d.h. welches Mittel die Erreichung des Ziels mit minimalen unerwünschten Nebenwirkungen sicherstellt, wobei diese Nebenwirkungen umso akzeptabler werden, je vitaler das bedrohte Interesse ist.
Waffen sind in dieser Überlegung erst einmal ethisch neutral; bewerten kann man nur die Handlung ihres Einsatzes in Relation zu dem verfolgten Ziel und der verfolgten Vorgehensweise.
Ein ganz einfaches Beispiel, um dies zu verdeutlichen: Der Einsatz von Atomwaffen kann ethisch eindeutig egitim sein, wenn sich z.B. ein Raumschiff mit Außerirdischen der Erde nähert, die unablässig Funksprüche senden in denen sie die Vernichtung der Erde ankündigen. Hier ist das Argument einfach: Es geht um das eigene Überleben, andere Mittel stehen nicht zur Verfügung und unerwünschte Nebenwirkungen existieren nicht. Es gibt m.E. kein ethisches Argument, das hier gegen den Einsatz von Atomwaffen spricht.
Umgekehrt wäre der Einsatz von Atomwaffen z.B. unethisch, wenn eine Zelle militanter Islamisten, die in Brüssel ansässig ist, kleinere Anschläge die nur Sachschaden erzeugen in Deutschland verübt. Hier gäbe es eben zahlreiche Mittel, mit denen man dieses keine vitalen Interessen bedrohende Problem mit wesentlich weniger Nebenwirkungen lösen könnte.
Es ist also nicht die Waffe ethisch oder unethisch, sondern ggf. nur die Handlung ihres Einsatzes.
@klabautermann
„Was ist denn eine Waffe ?? Etwas, das Leben vernichtet oder auch etwas, das Leben verhindert, wie z.Bsp. Kondome ? Was haben – aus ethischer Sicht – Kondome und Drohnen gemeinsam ?“
Hier kollidieren zwei ethische Systeme: Ein staatsphilosophisches, das das eigene Gemeinwesen schützen will, und ein christlich-universalistisches, das das Leben als solches schützen will. Beide Betrachtungsweisen vertragen sich m.E. nur schlecht miteinander, da aus einer staatlichen Perspektive eben nicht alle Menschen gleich und nicht alles Leben gleichermaßen wertvoll sein kann. Ein Staat muß z.B. das Leben seiner Staatsbürger anders werten als das Leben seiner Feinde. Ein Staat mag vorgeben anders zu handeln (westliche Demokratien neigen dazu), aber würde er dieser Ethik im praktischen Handeln nicht folgen, könnte er im Ernstfall keinen Bestand haben.
Es gibt aber eben Munition die das Zufügen von Leid auf eine grausame Art schon eingebaut haben und keinen anderen Zweck erfüllen z.B. Flammenwerfer, bestimmte Chemie- und Biowaffen, als Spielzeug getarnte Munition uvm. Eine Haubitze ist nicht gut oder böse, aber ein Geschoß gefüllt mit Krankserregern die nicht töten sondern auf grausame Art Menschen verkrüppeln und bis Abs biologisch Lebensende mit Schmerzen peinigen, werden von vielen eben als moralisch bedenklich angesehen und das muss man nicht teilen aber akzeptieren.
Flammenwerfer wurden erfunden, um gegen Bunker vorzugehen.
„Als Spielzeug getarnte Munition“ ist ein Gräuelmärchen, dass die Mudschaheddin in Afghanistan in den 80ern verbreitet haben und daß dann im Jugoslawienkrieg fröhliche Wiederauferstehung feierte.
Der wahre Kern dahinter: bestimmte Streumunition ist bunt (erleichterung der Blindgändersuche) und sieht für den Laien nicht unbedingt nach Munition auf. Das wurde Kindern oft zum Verhängnis.
Aber m.W. gab es nie absichtlich wie Spielzeug gestaltete Munition.
Das ist in etwa das Niveau von kuwaitischen Brutkästen.
Nur im Vor-Internet Zeitalter war es für den Normalbürger praktisch unmöglich, das zu wissen.
Wenn ich das nächste mal in ein Gefecht verwickelt bin und mir mitgeteilt wird das akutell keine Luftfahrzeuge für CAS zur Verfügung stehen (da sie z.B. im Süden von AFG eingesetzt werden) werde ich dann bestimmt gern an die politischen Diskussionen daheim denken, die von denen geführt werden die mich gerade in diese Situation hier geführt haben.
@JCR
Es geht doch nich darum ob es nun Spielzeug Mun gibt oder nicht und sie wissen ganz genau, dass es Munition gibt die nicht in der Gestalt ist, dass sie einen Gegner Kampfunfähig macht, sondern möglichst viel Pflegepersonal und Log bindet auch geht es um das Schüren von Panik. Gerade sie als ausgewiesener Spezialist sollten dies wissen, unabhängig ihrer Recherge aus Wiki. Dann sollten sie aber auch den wahren Grund beschreiben, denn es ging nicht um die Bunker sondern um die Menschen die sich darin aufhielten!
„Der Gegner sollte durch die Angst vor dem Feuer demoralisiert, in Panik versetzt und aus den Stellungen getrieben und durch die Flammen verbrannt werden“ (auch Wiki :-))
@O.G.
Das Fehlen von Kampfflugzeugen im Einsatz, hat nichts mit der Diskussion zu tun ob es Waffen gibt die moralisch vertretbar sind oder nicht, sondern mit der grundsätzlich fehlenden Bereitschaft der deutschen Politik die vorhandenen Möglichkeiten bereitzustellen und zu nutzen. Seit Jahren wird CAS gefordert und durch das BMVg nicht bereitgestellt. Das ist die eigentliche Sauerei, doch m.E. O.T.
Interessante Diskussionslinie.
Ich denke, wir sollten uns daran gewöhnen, dass UAS bzw. Unbemannte, teilautonome Systeme jetzt und absehbar zur militärischen Toolbox gehören werden. Solange da noch ein Mensch den Finger auf dem Knopf hat, ist das Drumherum eine Scheindiskussion, denn es werden ja nur die Risiken für die Operateure reduziert. Ja, die Operateure. Denn die Entscheider sitzen ja schon seit Jahrzehnten dank moderner Kommunikationsmittel in sicherer Entfernung oder gar Verbunkerung.
Spannnd wird es mit zunehmender Autonomie. Und mit zunehmendem Einsatz im Sicherheitsbreich, da erst ohne bemannte Systeme eine breite Überwachung möglich wird. Dann kann die Politik diskutieren, mit Recht.
@Elahan
Genau das meine ich ja…seit Jahren fordern wir diese Unterstützung vorallem auch als eigene Fähigkeit aber sie bleibt einfach aus wegen ständiger Diskussion.
@O.G.
„…seit Jahren fordern wir diese Unterstützung vorallem auch als eigene Fähigkeit aber sie bleibt einfach aus wegen ständiger Diskussion.“
Das Problem ist doch nicht die Diskussion, sondern deren unbefriedigender Zustand. Von alleine wenden sich die Dinge niemals zum Guten. Würde man es aufgeben, die vorherrschende Position auch in der Diskussion herauszufordern, würde nichts besser.
@Stefan H
„Die “minimale” technische Zeitverzögerung unterscheidet sich durch den Roverfeed nicht von einem “normalen” Bomber, da es nur auf die Distanz von der Plattform zum Roverbediener ankommt.“
Ist nicht die Zuverlässigkeit, Art und Streckelänge der Datenübertragung ausschlaggebend?
„Ganz im Gegenteil. Die Drohne kann sich weit stärker exponieren“ ….
Ist das dann noch der Bereich einer MALE Aufklärunsdrohne mit highend Ausstattung?
„Schnelle Strahlflugzeuge“ und wie verhält es sich mit Langsamen (A 10,Embraer EMB 314, Apache)?
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Datenübertragung von MALE CAS UAV gestört werden (auch Einsätze außerhalb von AFG)?
Wird aus ihrer Erfahrung eine Stehzeit einer bewaffneten Plattform von mehr als 6h häufig benötigt?
Gilt dies nur für das Folgemuster des HERON oder auch für das Gebinde ab 2020?
Wieviele Gefechte sollten wir gleichzeitig mit UAV CAS abdecken können?
Welch Waffe wäre die geeignetste?
Warum ist der Tornado nach ihrer Meinung nicht in AFG?
@Elahan
Sie gleiten ins Emotionale ab. Wie o.a. haben Flammenwerfer sehr wohl einen hohen Wert gegen Befestigungen, deswegen stehen sie in vielen Armeen auch noch in Diensten. Wie sie das tun, ist mit Sicherheit nicht schön, aber die Wirkung einer Handgranate oder geballten Ladung in geschlossenen Räumen ist auch nicht angenehm – und auch nicht „schmerzfrei“, falls sie in die Richtung argumentieren wollten.
In der Bw gibt es Flammenwerfer übrigens auch noch, da allerdings nicht mit Kanisterrucksack, sondern als Handflammpatrone. Wirkung ist so ziemlich die selbe, nur ohne wiederkehrenden Flammenstrahl.
@Elahan
Ich bitte meine Antworten als persönliche und private Einzelmeinung einzuordnen, ohne das ich sie als ultimative Roadmap verstanden haben möchte. Meine persönlichen Erlebnisse und Perspektiven haben auch keinen Allgemeinvertretungsanspruch.
Zu Ihren Fragen:
1. Ist nicht die Zuverlässigkeit, Art und Streckelänge der Datenübertragung ausschlaggebend?
Grundsätzlich ja – aber dies muss man im Gesamtverbund sehen und da ist das problematische Element die unter Beschuss stehende Truppe am Boden, die trotz widriger Bedingungen und der sie umgebenden Landschaft mit oft ungünstigen FM-Konstellationen unter Zeitdruck eine Verbindung zur fliegenden Plattform herstellen muss. Die Verbindung von der fliegenden Plattform zu einem anderen weltweiten Punkt ist da deutlich unproblematischer und auch viel leichter zu planen. Deshalb sind ja praktisch alle fliegenden Plattformen auch Relaisstationen für die unter ihnen tätige Truppe.
2. Ist das dann noch der Bereich einer MALE Aufklärunsdrohne mit highend Ausstattung?
Ich sprach von Predator, Reaper und Heron, wobei letztere nicht bewaffnet ist und ich Heron-TP nicht aus der Praxis kenne. Im Prinzip sind das Drohnen die US-Seitig als Mengenverbrauchsgut angesehen werden und nicht vergleichbar mit Globalhawk etc. Man hat keinerlei Probleme sie auch in eine Artilleriebox zu schicken, wenn Menschenleben gefährdet sind.
3. “Schnelle Strahlflugzeuge” und wie verhält es sich mit Langsamen (A 10,Embraer EMB 314, Apache)?
Einsatz Spectre war limitiert auf „nur bei Dunkelheit“ – was taktisch leider nicht die Hauptkampfzeit der anderen Seite war. Beim Einsatz wurde die Spectre von einem AA-MG (12,7 oder 14,5 mm) beschossen und wurde sofort aus der Box genommen. Wir hatten noch bemannte kleine Flugzeuge mit Beobachtungspots, die aber extrem hochfliegend waren. Helikopter sind eine andere Klasse und nicht für Dauerbetrieb geeignet – ebenso wenig wie beispielsweise eine A10. Die sind nett, wenn man bestimmte Ziele ausschalten möchte oder in einem begrenzten Zeitfenster – bei eigener Offensivtätigkeit/Bewegung Feuerunterstützung braucht. Einem kleinen Trupp der draußen über Tage unterwegs ist Cover zu verschaffen sind sie leider ungeeignet. Dazu müssen alle Steilfeueroptionen Feuerverbot haben, wenn Sie so ein Asset einsetzen wollen. Das klingt einfacher als es ist. Auch die ANA hat D30 Haubitzen und eine Menge Mörser. Leider war das Konzept der Luftraumordnung deutlich schwieriger zu mentoren, als der Einsatz eines Mörsers. Entsprechend war es leichter bemannte Luftassets aus den Boxen zu jagen wenn die ANA feuert, als umgekehrt….
4. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Datenübertragung von MALE CAS UAV gestört werden (auch Einsätze außerhalb von AFG)?
Die Wahrscheinlichkeit kenne ich nicht. Klar ist aber, dass bei Störung der Verbindung zur fliegenden Plattform es eh keinen CAS gibt. Es ist nicht denkbar in einem Land mit eigener und befreundeter Truppe und insbesondere ziviler Bevölkerung CAS ohne eine stabile Roververbindung einzusetzen. Kein Downfeed – kein CAS – ganz einfach.
5. Wird aus ihrer Erfahrung eine Stehzeit einer bewaffneten Plattform von mehr als 6h häufig benötigt?
Ja!!! Das Mentoring bedingt nun einmal, dass relativ klein dimensionierte eigene Kräfte mit der ANA draußen sind. Durch den geringen Umfang haben sie auch keine Chance aus eigener Kraft Feuerüberlegenheit gegen Gegner zu schaffen. Das permanente Montioring von oben und Aufklären in der Umgebung sowie CAS im Notfall sind LIfesaver. Ist kein UAV über einem dauert es beim TIC eine Zeit bis ein CAS-Asset kommt. Das ist auch der Grund, warum ich die Effektormöglichkeit an der Beobachtungsplattform bevorzuge und keine zwei unterschiedlichen Systeme. Bei einem Hinterhalt zählen die ersten Minuten – nicht was man nach einer Stunde an Wirkungsmöglichkeiten hat. Aus eigener Erfahrung waren OMLT-Missionen bis zu 17 Tage am Stück draußen – da würde wohl die halbe Luftwaffe für eine Dauerabdeckung gebraucht werden…
6. Wieviele Gefechte sollten wir gleichzeitig mit UAV CAS abdecken können?
Für mich ist IOC gegeben, wenn wir die Fähigkeit überhaupt haben. Schon Heron ist ein Quantensprung im Vergleich zur Situation davor und 10.000 Flugstunden in 2 Jahren sagen eigentlich alles.
FOC („Goldrandlösung“) wäre für mich persönlich, wenn jede Taskforce bestehend aus einem verstärkten Kampftruppenbataillon (vergleichbar) jederzeit taktischen Zugriff auf ein Asset dieser Klasse hätte.
7. Welch Waffe wäre die geeignetste?
Kleine gelenkte Waffen: Entweder sehr genaue GPS Bomben (8-50 kg Bereich) oder gelenkte Raketen – bitte nicht Drahtgelenkt – man will Bombenbauern nicht auch noch hochreißfeste nicht sichtbare Drähte liefern. Wichtig ist ein möglichst exakt definierter Wirkungsradius, den man als Kolateralschadenskreis im Rover einblenden kann. Entsprechend sind viele Splitter kontraproduktiv.
8. Warum ist der Tornado nach ihrer Meinung nicht in AFG?
Sie sind in Afghanistan – ich habe mit englischen Tornados auch beim CAS gearbeitet.
Das erscheint mir ja so witzig an der ganzen Diskussion um bewaffnete UAVs, da diese ja längst in Afghanistan im Einsatz sind. Wir pochen außer bei EvakOP darauf, ausschließlich multinational und im Bündnisrahmen in den Einsatz zu gehen, standardisieren die CAS-Verfahren in der NATO (z..B. Rover, aber auch die SOPs) und denken aber offensichtlich im politischen und medialen Raum nur national. Der einzige Unterschied zwischen nationalen und multinationalen Assets ist die Verfügbarkeit für die Truppe. Heron kann RC N jederzeit zur Verfügung stellen – Predator/Reaper fällt nur selten ab, wenn sonst in Afghanistan nichts los ist – da hat RC N wohl die letzte Priorität. Wenn aber ein US-ODA Team auf dem Gefechtsacker ist, schwebt immer ein US-Predator/Reaper darüber. Wundern Sie sich da wirklich, wenn Bundeswehr Bodentruppen sich auch so ein Cover wünschen?
@Stefan H.
Vielen dank für die fundierten Aussagen! Alles nachvollziehbar und verständlich!
Und sie bestärken in meiner Meinung, Nachfolgerbeschaffung Heron für laufende Einsätze von der Beschaffung UAV über 2020 hinaus trennen. Auch wäre es ein Zeichen der Politik, wenn sie es denn ernst meint mit ihrer Verantwortung, Tornados mit vernünftiger Avionik zusammen mit den Briten bereitzustellen.
@Stefan H.
Vielen Dank für ihr bemühen mir und den hier beteiligten die sicht aus ihrer Box nahe zu bringen.
@ T. Wiegold: Sie haben es mittlerweile ja auch auf Radio Andernach geschafft. Dort wurde gerade in einer Kurzreportage über bewaffnete Drohnen auch auf Ihren Standpunkt („unmoralische Waffe, da unmoralisch verwendet“ – schnell zusammengefasst) und das Blog eingeangen.
@Stefan H.
Hab da noch ein paar Nachfragen, es würde mich auch da sehr freuen ihre persönliche Meinung zu lesen.
Ist die optische Auflösung einer Gimbelkamera ausreichend für alle geforderten Fähigkeiten zur optischen Luftbildaufklärung oder fehlt uns zwischen Tornado Pods mit Nassfilm und Recce Rafael Pods/ Flir, Wescam etwas an Qualität. Wird Radar MALE Fähigkeit benötigt?
Was halten sie von optionally piloted aircrafts für die Zukunft?
Welche Nutzlast sollten diese UAV möglichst haben?
Wie kann ein Flugbetrieb nach AFG in Europa durchgeführt werden?
http://www.acrtucson.com/Presentations_n_Publications/pdf/6_UVS_International.pdf
Doch das große Manko der Datenübertragung per Funkwellen im Radiofrequenzbereich ist ihre geringe Übertragungsrate und Störbarkeit. Dagegen ermöglicht die Kommunikation über Laserstrahl den Transport großer Datenmengen in Sekundenschnelle und über weite Strecken. Carl Zeiss war da schon sehr weit, nun hat diese Technik die EADS übernommen und noch wird sie nicht gefördert! Eine Störung wäre da nur sehr aufwendig möglich!
http://144.206.159.178/ft/CONF/16415402/16415409.pdf
Das Schweizer Verteidigungsministerium wird der Erstkunde des „Centaur Optionally-Piloted Aircraft“. Grund für die Beschaffung ist der komplexe Luftraum über Europa, hohe Flexibilität, geringe Betriebskosten, schnelle und unkomplizierte Verlegbarkeit, gute Versorgbarkeit mit Ersatzteilen und die UAV Piloten bekommen ihre Flugstunden zum Scheinerhalt auf dem original Gerät :-)
Die US-Firma Aurora Flight Sciences hat 2009 begonnen, den Diamond-Flieger weiterzuentwickeln. Jetzt wurde die erste Bestellung unterzeichnet.
The Centauer Optionally Piloted Aircraft
http://www.aviationweek.com/Article.aspx?id=/article-xml/AW_08_06_2012_p44-477123.xml
http://www.flightglobal.com/news/articles/swiss-make-first-opa-purchase-367307/
Nur eine Randnotiz zum Thema Flammenwerfer: Wie mein Großvater und meine Großonkel mir berichteten (so auch in zahlreichen Quellen nachlesbar), wurden im letzten Weltkrieg mit Flammenwerfern ausgerüstete Soldaten, die in Gefangenschaft gerieten, i.d.R. auf der Stelle erschossen. Auf beiden Seiten. Ein Beispiel für eine (natürlich einseitige und inkonsequente) „Feld“-Ethik, wenn man so will.
Vielleicht gibt es in unserer menschlichen Wahrnehmung also doch per se unethische Waffen…
JCR | 05. August 2012 – 14:10 – – –
Ja, ein konkretes Beispiel sind die gelben Bänder an diversen US-Munitionsteilen und Munition, welche sich fatal ähneln mit der Kennzeichnung von UNHCR-Luftversorgungsgütern.
Es entzieht sich meiner Kenntnis, warum es zu dieser farblichen Dopplung kommt-unterstelle den US-Amerikanern hier aber nichts.
@T.Wiegold:
Aber bitte nicht so, als plane Deutschland nun doch den Griff nach der eigenen Atombombe.
Ein wenig komplizierter ist es ja schon, auch wenn dieses Fazit möglich scheint. Deutschland -weder die DDR noch die Bundesrepublik, und auch seit der Wiedervereinigung nicht- hat den Verzicht auf eine eigene Beschaffung/ Bewaffnung, nicht aber den Verzicht auf einen möglichen Einsatz, unter transparent kommunzierten, klar umrissenen Voraussetzungen, erklärt.
Das begrüße ich genauso, wie ich den, und hier tatsächlich vollständigen, Verzicht auf B- und C-Waffen begrüße, und die logische Konsequenz daraus sich den Kontrollregimes BWÜ und CWÜ zu unterwerfen.
Ebenso würde ich es begrüßen, wenn sich ein Deutscher General mal publizistisch betätigen würde, um strategische und militärtaktische Beiträge zur Drohnen- diskussion zu liefern. Also: warum braucht man diese Plattformen aus Sicht deutscher Truppenführer. Vielleicht gibt es den Debattenbeitrag-und ganz unzweifelhaft gäbe es deutsche i.G.`ler und/ oder Generäle/Admiräle, die einen solchen liefern könnten-vielleicht kann ihn jemand verlinken, und/ oder aus dem Nähkästchen heraus etwas beitragen.
Ansonsten gebe ich Ihnen Recht: eine politische Debatte schadet nie. Aber klabautermann hat alles dazu gesagt: hier wird alles in einem Topf zu einem Brei verrührt, am Ende schmeckts dann wieder niemanden, was verständlich ist.
Mein Fazit bleibt klar und deutlich: Wenn die Truppe diese Plattformen braucht und konzeptionell darlegen kann-wovon ich allerdings ausgehe-wie und wozu sie diese benötigt, sollen sie diese bekommen: am besten morgen früh. Damit sind ja weder von der Beachtung des Völkerrecht noch des deutschen Rechts entbunden.
@Stefan H.
Danke für diese Ausführung. Sie sprechen mir damit echt aus dem Herzen.
@Stefan H.
T.W. sollte Sie zu seinem Drohnen-Beauftragten machen ;-)
Ihr 1.-8. ist die beste – short&snappy to the point – Fähigkeitsforderung, die ich bisher zu diesem Thema gelesen habe…..und die ich in allen Punkten bestätigen kann.
Die Beschaffer der BW müssen sich mal aus ihrem Endlösungs(/Ewigkeits)-Wahn befreien……
Mir klingeln noch die Ohren und tränen noch die Augen in Erinnerung an die ministerielle Antwort als ich 2004 zaghaft darauf hinwies, dass die Ausphasung der SIGINT MPA mit Blick auf die EH-Beschaffungsprobleme vielleicht ein nicht hinnehmbares einsatzaktuelles und -relevantes Fähigkeitsrisiko darstellt.