Gauck fordert gesellschaftliche Debatte über den Einsatz von Gewalt
Bundespräsident Joachim Gauck war heute zum Antrittsbesuch bei der Bundeswehr – an der Führungsakademie in Hamburg. Und erinnerte in seiner Rede an ein ganz anderes Verhältnis zum Militär, das er in der DDR hatte: Von der Bundeswehr könne er sagen, dass sie keine Begrenzung der Freiheit [sei], sie ist eine Stütze unserer Freiheit.
(Foto: Dora-Maria Tefke/Bundeswehr via flickr unter CC BY-ND Lizenz)
Entscheidender für die gesellschaftliche Debatte über die Bundeswehr scheint mir jedoch ein anderer Absatz seiner Rede: Die Frage nach dem Umgang mit dem Einsatz von Gewalt.
Die Abscheu gegen Gewalt ist verständlich. Gewalt, auch militärische Gewalt, wird immer auch ein Übel bleiben. Aber sie kann – solange wir in der Welt leben, in der wir leben – notwendig und sinnvoll sein, um ihrerseits Gewalt zu überwinden. Allerdings müssen wir militärische Einsätze begründen. Wir müssen diskutieren: darüber, ob sie die gewünschten Ziele erreichen oder schlimmstenfalls neue Gewalt erschaffen, und auch darüber, ob wir im Einzelfall die Mittel haben, die für ein sinnvolles Eingreifen nötig sind. All diese Fragen gehören – mit den handelnden Personen – in die Mitte unserer Gesellschaft.
Nun ist Gauck nicht der erste Bundespräsident, der eine Debatte über die Streitkräfte in der Mitte unserer Gesellschaft fordert. Aber so wie dieses Staatsoberhaupt hat es wohl noch keiner auf die Frage zugespitzt: Wie wollen wir damit umgehen, dass von uns der Einsatz von Gewalt vielleicht gefordert sind? Und: haben wir die Mittel dafür? Wenn das aufgegriffen wird, wird es eine spannende Debatte.
Die ganze Rede zum Nachlesen hier.
….. und einige hier im Blog können es auch nicht lassen!
@Elahan
„Auch ich kann mir vorstellen, dass es Situationen gibt wo es Sinn macht militärisch zu intervenieren, aber dann muss dieser Sinn festgestellt werden und nachhaltig sein und genau daran hängt es doch! Wenn man 1000 rettet aber dafür 10 000 opfert“
Schoener Satz , ganz ehrlich!
aber ich wuerde ihn dann doch gerne fuer die Diskussion einmal zerlegen:
„Auch ich kann mir vorstellen, dass es Situationen gibt wo es Sinn macht militärisch zu intervenieren,
und die waeren dann Ihrer Ansicht welche?
aber dann muss dieser Sinn festgestellt werden
Durch wen? (NATO, UNO, DEU Parlament ….?)
und nachhaltig sein
was heisst das , insbesonder unter dem Selbstbestimmungsgrundsatz der Voelker, oder aber auch ihrer innewohnenden Beharrlichkeit (S. Somalia?)
… und genau daran hängt es doch!
Bisher haengt es m.E. dann nur daran, dass man wenig zu einmal getroffen Entscheidungen steht….
„Wenn man 1000 rettet, aber dafür 10 000 opfert“
Weiss man das immer vorher? Und das berechtigt dann nichts tun?
@Soenke Marahrens
Schoener Satz , ganz ehrlich!
Danke .-)
„und die waeren dann Ihrer Ansicht welche?“
Zum großen Teil diese Einsätze welche die UN beschlossen hatte, aber eben auch mit den geforderten Begleitmaßnahmen und unter Einhaltung des Mandates. War man in Libyen nicht auf einem guten Weg um mehr Wohlstand, Sicherheit, Frieden und Stabilität (siehe Saudi Arabien)zu erreichen? Das Problem und die hohe Opferzahl unter den Zivilisten waren doch die Ausweitungen der Einsätze ohne Unterstützung durch solide Sabilisierungs- und Aufbaumaßnahmen. Ist denn nicht daran auch AFG gescheitert! Sollte nicht in Libyen nur das Flugverbot gewährleistet werden?
„aber dann muss dieser Sinn festgestellt werden“
Notwehr!
Durch wen? UNO, EU, DEU Parlament, in dieser Reihenfolge.
Die NATO sollte nur eine Ausführende Organisation sein und keine staatliche/parlamentarische Gewalt.
„was heisst das , insbesonder unter dem Selbstbestimmungsgrundsatz der Voelker, oder aber auch ihrer innewohnenden Beharrlichkeit (S. Somalia?)“
Man kann nicht alles Böse auf dieser Welt mit Deutschen Truppen bekämpfen!
„Bisher haengt es m.E. dann nur daran, dass man wenig zu einmal getroffen Entscheidungen steht….“
Auch das ist richtig!
“Wenn man 1000 rettet, aber dafür 10 000 opfert”
Weiss man das immer vorher? Und das berechtigt dann nichts tun?
Das kommt auf die Art der Intervention an. Wer Kriminelle mit Jagdbombern bekämpft, muss sich über Opfer unter den Bürgern nicht wundern! Wer seine versprochen Ausbilder für die Sicherheitskräfte (Polizei, Militär, Justiz, Kriminalbehörden uvm) nicht entsendet, ebenfalls nicht. Das meiste konnte man bei Peter Scholl Latour vorher nachlesen!
Ob wir wollen oder nicht, der Westen (NATO… intelligente Verteidigung in Zeiten knapper Mittel, unterstrich Rasmussen.) wird sich in naher Zukunft aus Interventionen heraushalten! Deutschland und die EU müssen sich überlegen welche sicheheitspolitsch sinvollen Werkzeuge ihnen noch wert sind und wann, für was sie bereit sind auch Opfer zu bringen! Die Reform „Breite vor Tiefe“ ist ja schon nicht durchhaltefähig angelegt und den Rest gibt uns der Finanzmarkt. Glaubt denn tatsächlich einer, dass wenn in Europa Bürger ihre Banken in die Pflicht nehmen und ihr Erspartes wollen, es nicht bekommen, dass jemand dann noch für andere Länder in den Krieg ziehen möchte? Kurze Umfrage in Griechenland: „NEIN“
USA? ……. Pazifik, denn dort ist der Focus und dort gibt es den nächsten „Kalten Krieg“ also Wettrüsten.
Nachtrag:
„…und nachhaltig sein“
Solange das oberste Ziel die Bekämpfung und der Wechsel der jeweiligen Regierungen (demokr. gewählt oder nicht) ist und nicht der soziale und politische Umbau des Landes, bei größt möglicher Schonung der Bevölkerung, werden Interventionen nicht nachhaltig sein!
@ Elahan
Volle Zustimmung !
Was hat sich denn konkret zum Besseren gewendet mit den Interventionen der letzten 20 Jahre ?
Somalia: selbsterklärend, failing state, Piraterie usw.
Bosnien-Herzegowina, Luftbrücke Sarajewo :
Erfolgsgeschichte, zumindestens die Abwesenheit von Krieg, Aufbau eines einigermaßen tauglichen Staatsgebilde
Kosovo, bzw. Luftkrieg gegen Serbien :
Gerechtfertigt, aufgrund der Tatsache, dass Serbien 3 Kriege angefangen hat und Konzentrationslager betrieben hat (aber nicht nur Serbien alleine ! )
Erfolg; Abwesenheit von Krieg wurde erreicht, jedoch nicht viel mehr. Aufbau eines Staates der Organisierten Kriminalität.
Irak: Geschützter Minderheitenstatus der Christen ist weg ! Machtwechsel von Sunniten zu Schiiten, letztendlich ist damit der iranische Einflussbereich ausgeweitet worden, anstatt ihn einzudämmen.
AFG : Zwiespältiger Erfolg: Al-Kaida erfolgreich bekämpft (OEF). Wiederaufbau sehr fragil, falls Peter-Scholl Latour Recht behält, kippt das Regime sobald der Westen sich endgültig aus AFG zurückzieht.
Lybien : Eine aufstrebende afrikanische Regionalmacht, Gaddafi als Vortänzer, Strippenzieher und Finanzier der Afrika Union wurde gestoppt. Der Feldzug wurde von Saudi Arabien refinanziert, denen Gaddafi zu mächtig geworden war.
Die Auswirkungen auf die Stabilität in Nordafrika sind eher negativ statt positiv zu bewerten.
Für alle Feldzüge sind grob geschätzt ca 200 Mrd Dollar ohne den Krieg der USA gegen Irak aufgewendet worden. Der Irakkrieg dürfte grob geschätzt 1 000 Mrd Dollar gekosten haben. Waren die erzielten Ergebnisse allein den finanziellen Aufwand wert ?
Zusätzlich die vielen Tausend Toten und die fast Zehntausend gefallenen westlichen Soldaten ?
Es mag jeder zu seiner eigenen Einschätzung kommen, für mich sind diese Opfer für die erzielten Ergebnisse in weiten Teilen nicht zu rechtfertigen.
Georg,
„Lybien : Eine aufstrebende afrikanische Regionalmacht, Gaddafi als Vortänzer, Strippenzieher und Finanzier der Afrika Union wurde gestoppt.“
Ich möchte nicht bestreiten, dass Gaddafi der Finanzierer der AU gewesen ist. Auch sind die Begriffe „Vortänzer“ und „Strippenzieher“ äußerst treffend gewählt.
Immerhin tanzte er dem Westen jahrelang auf der Nase herum, nachdem er mehr oder weniger ungeahndet Terrorismus unterstützt hat, wie z.b. das Bombenattentat in Berlin 1986, Pan Am 103 1988, und Waffenlieferungen an die PIRA.
Hier wurde nicht unbedingt jemand gestoppt, der für Friede, Freude und Eierkuchen einstand.
Sich aber einfach zurückzulehnen und ungerührt zur Kenntnis nehmen, wie die jeweiligen Parteien sich gegenseitig abschlachten…ist wohl kaum eine ernsthafte Option.
Das vermutlich effizienteste Mittel wäre (!!) eine finanzielle Blockade der involvierten Parteien bzw. ein konsequent im Schulterschluß aller (geht das ??) Nationen exekutierter Handelsboykott. Nationen sind für Verstösse durch Unternehmen / Händler aus ihrem Beritt haftbar zu machen bzw. werden durch ökonomische Sanktionen gemäß zu beschliessender UN-Resolutionen verurteilt. So sähe eine Möglichkeit internationalen und höchst konsequenten Handelns aus. Und so sieht zugleich die absolute Utopie – gemessen an den Realitäten und tatsächlichen Interessen (fast) aller Nationen – aus.
Fazit: Klar gibt es Alternativen, um künftige Gemetzel an Zivilisten oder unüberschaubare Flüchtlings-/Migrationsströme zu verhindern. Solange aber Politiker, (multinationale wie nationale) Unternehmen mit Umsatzpotential in Kriegs-/Krisengebieten und die globale Zivilgesellschaft nicht endlich zivilisiert und humanitär konsequent (heisst auch: Nachteile konsequent in Kauf nehmen und „bilanzieren“)…wird das Sterben von Hunderttausenden anonymer Menschen anhalten. Aber *Zynismus-Mode on* vielleicht ist das im Verhaltensspektrum unserer Spezies eben so einprogrammiert und daher eben auch „einfach nur menschlich“…
Solange wir keine wirkliche Gewaltenteilung (E,L,J) haben werden, auch zwischen Wirtschaft, Glauben und Staat, wird die Politik für die Interessen der Einflußreichsten (das sind nicht die Bürger des Landes) stehen und sie wird auch außenpolitisch deren Interessen dienen! Wahre Demokratie geht anders!
@ Elahan
Check!