„Der Sack ist zu … wir haben ihn nur geschüttelt und geklopft“
Im Zusammenhang mit der Stationierungsplanung für den Umbau (und die Verkleinerung) der Bundeswehr wird von Verteidigungsminister Thomas de Maizière immer wieder der Satz zitiert Der Sack ist zu (auch wenn der Minister heute darauf verwies, dass er diese Formulierung aus der Frage eines Journalisten aufgenommen habe). Heute nahm de Maizière zu mehr Planungsdetails für die Zeitvorstellungen zum Umbau Stellung – und bekräftigte seinen damaligen Satz: Der Sack ist zu, der Sack war zu, der Sack bleibt zu. Wir haben ihn nur noch einmal geschüttelt und geklopft.
Das Ergebnis sind detaillierte Pläne für die Auswirkungen der Reform auf 4.800 Organisationseinheiten der Streitkräfte, von der Umgliederung oder auch Auflösung fast bis auf Kompanieebene bis zum vorgesehen Zeitpunkt für die Abgabe einer Kaserne. Jetzt wisse jeder Soldat, wie es mit seinem beruflichen Umfeld weitergehe – wann ihn unter welchen Umständen eine Umgliederung oder Versetzung betreffe, und könne seine Entscheidungen treffen, zum Beispiel über ein vorzeitiges Ausscheiden, so die Argumentation des Ministers.
Im Gesamtpaket sollen nach den Worte de Maizières drei Viertel aller künftigen Einheiten ihre Zielstruktur bis Ende 2015 einnnehmen. Einige Einheiten und Standorte sind von der neuen Struktur allerdings erst deutlich später betroffen, vor allem, wenn ihre Zukunft von der Lieferung bestellten Großgeräts wie dem neuen Transportflieger A400M, Eurofightern oder dem Kampfhubschrauber Tiger abhängt. Umgekehrt bleiben allerdings auch aus genau diesem Grund Standorte wie Hohn und Penzing voraussichtlich bis zum Ende dieses Jahrzehnts erhalten, weil dort weiterhin die Transall-Maschinen starten, so lange der A400M noch nicht da ist. Und bisweilen wird auch bestehende Infrastruktur auf lange Zeit weiter genutzt, ehe neue geschaffen wird – typisches Beispiel dafür ist das Maritime Operations Command, das zwar langfristig von Glücksburg zum neuen Marinekommando in Rostock ziehen soll, an seinem schleswig-holsteinischen Standort aber wohl erst mal bis etwa 2022 bleiben wird.
Gegenüber der Stationierungsplanung vom Oktober vergangenen Jahres gibt es nur geringfügige Änderungen – Koblenz und Lahnstein werden faktisch ein gemeinsamer Großstandort für das neue Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr. Der Heeresfliegerstandort Laupheim (künftig ein Luftwaffen-CH53-Standort) wird um rund 300 Dienstposten verkleinert, der Standort Untermeitingen in Bayern – der nach der bisherigen Planung vor allem durch die Auflösung des Jagdbombergeschwaders 32 von 1620 auf 570 Stellen schrumpfen sollte – wächst um rund 100 Dienstposten auf. Und der Standort Idstedt in Schleswig-Holstein, im bisherigen Plan mit 20 Mann des Systemtrupps der Luftwaffe aus dem Sektor für Informationstechnik besetzt, wird geschlossen.
Für die Realisierungsplanung gibt es umfangreiche Listen mit einem detaillierten Zeitstrahl, hier die bislang öffentlich verfügbaren:
Realisierungsplanung_12jun2012
Realisierungsplanung_Luftwaffe
Realisierungsplan-Streitkräftebasis
Realisierungsplan Sanitätsdienst
Was nach den Worten de Maizières noch fehlt in dem Gesamtpaket Realisierungsplanung: Die Details der Sanitätsversorgung an den jeweiligen Standorten, weil die erst nach Vorliegen der Planung für die anderen Organisationsbereiche möglich wird. Und der ganze Bereich Verpflegung und Betreuung – da hat, um es volkstümlich auszudrücken, der Wegfall der Wehrpflicht die frühere Struktur mit etlichen Ordonnanzen kräftig durcheinandergewirbelt.
Ach, und noch ein Fun Fact am Rande: Natürlich führte es zu Journalistenfragen, wieso der Standort der Flugbereitschaft am Berliner Flughafen Tegel voraussichtlich erst 2018 aufgegeben werden soll – selbst wenn die Berliner den neuen Fertigstellungstermin für den Flughafen Berlin-Brandenburg International im März kommenden Jahres schon wieder verschieben müssten, wird Tegel wohl kaum noch weitere fünf Jahre in Betrieb bleiben, nur damit die Bundeswehr dort abfliegen kann. Die Antwort: Auch wenn der Flughafen Tegel geschlossen ist, darf die Luftwaffe dort weiter fliegen – mit ihren Hubschraubern.
Vielen Dank für die erste Einordnung sowie die schnelle Einordnung.
Mann oh Mann, hier sind wieder hunderte von neuen Abkürzungen für die Einheits- und Verbandsbezeichnung geschaffen worden !
Wer ein Faibel für neue Abkürzungen hat, der sollte mal in den Realisierungsplan Lw, Teilplan 08 „Einsatzlogistik und technische Ausbildung“ schauen. Allein der Vorspann sind schon 45 einzelne Punkte nur für den TP 08.
Wenn dann jemand meint er kennt die Lw, dann am Besten die Abkürzungsbuchstaben für die neue Bezeichnung der Instandsetzungseinrichtung einfach weglassen oder mit dem pauschalen Begriff „LwWerft_XX“ einsetzen und sich dann auf die zweistellige Zahl konzentrieren, die man vor 10 – 30 Jahren in der Struktur der Lw-Versorgungsregimenter gelernt hat, dann hat man eine Chance zu verstehen, um wem es sich da handeln könnte.
also LwWerft 11, LwWerft 12, LwWerft 13, LwWerft 14, LwWerft 21, LwWerft 22, LwWerft 23, LwWerft 24, LwWerft 25 usw.
Wo wir gerade bei Nomenklatur sind: Woher stammt eigentlich die Idee STAN in SollOrg umzubenennen? Handelt es sich um einen alten Begriff, der wieder eingeführt wird oder wird hier komplett neu bezeichnet? Wer Defätist ist, könnte in letzterem Fall eine Parallele zu schwächelnden Wirtschaftsunternehmen (MCI wird Verizon) ziehen ;-)
@T.W. Wo genau haben Sie die Dokumente gefunden? Ich habe bei der BW nichts finden können. Bin vielleicht nicht geschickt genug im Umgang mit Google.
Haben Sie eine Quelle?
@ Peter
Quellenschutz,
und das ist auch gut so.
@Peter – einfach mal ins Intranet schauen
Das mag jetzt eine blöde Frage sein, aber was ist mit der Streikräftebasis?
Danke Ralf
@Franz S.
Die Frage an sich ist nicht blöde. Aber vielleicht nicht in erster Linie an mich zu richten?
(Ich bemühe mich ja schon – aber, hey, Leute: Ich bin nicht das Bw-Intranet. Im Unterschied zu etlichen Lesern hier habe ich dazu auch keinen Zugang …)
@T. W.
Das war auch nicht als Vorwurf an Sie gereichtet, sondern eher als Anfrage, ob die SKB mal wieder Extrawurst fährt und ihre Planung erst in einem Jahr veröffentlicht oder so, bzw. ob schon ein Veröffentlichungstermin feststeht.
No offense intended :-)
SKB kommt gleich.
Zurecht kritisiert der Wehrbeauftragter die Bundeswehrreform
Hellmut Königshaus, «Entgegen den ursprünglichen Bekundungen haben auch bei diesem Konzept wieder einmal die Interessen der Soldatinnen und Soldaten keine entscheidende Rolle gespielt». Beim Standortkonzept sind viele Chancen vertan worden, kritisierte der Wehrbeauftragte. « es ging offenbar vor allem darum, Ministerpräsidenten, Landräte und Bürgermeister zufriedenzustellen». Die Verkleinerung vieler Standorte wird die Situation der Pendler eher noch verschlechtern. Die Soldaten fühlten sich bei der Reform nicht mitgenommen. «Sie sehen die Reform als Problem.»
@Chairforce:
Immerhin ist „SollOrg“ erheblich treffender als „STAN“, da letzteres impliziert, dass man eine Struktur umfassend beschreibt (welche man aber eigentlich nie erreicht), während man bei „SollOrg“ immerhin schon begrifflich zugesteht, dass eine Einnahme der Wunschstruktur eher utopisch ist ;)
Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour sagte: “ Die Reform wird uns jetzt noch teurer zu stehen kommen, denn die meisten Standorte werden nur ausgedünnt, statt sie zu schließen.“
Er bemängelte auch, dass der Verteidigungsminister dieReform nicht ausreichend begründet hatte. „Es entstehen neue Unsicherheiten für die Soldaten“, sagte Nouripour. „De Maizière hat nur einen Burgfrieden mit den Ministerpräsidenten geschlossen, aber nicht im Sinne der Truppe gehandelt.“ Auch Rainer Arnold warf de Maizière Unehrlichkeit vor „Beim Abbau des Zivilpersonals muss sich der Minister der Wahrheit stellen, statt die Öffentlichkeit wissentlich zu täuschen: Er wird Aufgaben an die Privatwirtschaft vergeben müssen, so dass vieles teurer oder nicht funktionieren wird“
Alleine der Um- Neubau der Infrastrukturfür die Teile der Truppe, die aus Fürstenfeldbruck abziehen ist nach einer groben Schätzung ein Bauvolumen von min 150 Mio in Köln und Roth fällig mit Tendenz nach oben.
@T.W.:
Da fällt mir mit Blick auf die infrastrukturellen Mehrkosten der Neuausrichtung wieder ein Satz von Kpt zS Dienst aus dem März diesen Jahres auf:
„Aus Sicht der Seriosität hätten wir noch länger warten müssen, nämlich bis wir anhand der Realisierungsplanung, die wir im Moment erst machen, validierte Zahlen liefern können.“
Das heißt doch JETZT müßte das BMVg seriös (!?!) sagen können was das Ganze kostet – weitaus genauer als die Grobschätzung von 1,2 Mrd €.
Auch wenn San und Betreung noch fehlen.
„Jetzt wisse jeder Soldat, wie es mit seinem beruflichen Umfeld weitergehe – wann ihn unter welchen Umständen eine Umgliederung oder Versetzung betreffe, und könne seine Entscheidungen treffen, zum Beispiel über ein vorzeitiges Ausscheiden, so die Argumentation des Ministers.“
Das ist eine gewagte Behauptung, die ich so nicht unterschreiben kann. Fast alles unterhalb der Battalionsebene ist auf dem Stand: „nichts genaues weiss man nicht.“
Ja ich weiss, gebt den Vorgesetzten Zeit, das kommt alles noch, und und und….
Alles wird gut und die betroffene Truppe und ihr Anhang soll gefälligst mal die Klappe halten…R AR (= Roger, Out!)
@Memoria
Zu dem Zeitpunkt waren die Kosten für den Umzug der Führungsinfrastruktur Flottenkommando nach Rostock ja schon bekannt. Um die 400 Mio € stehen im Raum. Damit schrumpft der Restbetrag von den 1,2Mrd € für die anderen Maßnahmen doch schon ein wenig.
Alleine davon hätte man Glücksburg mit regelmäßigen Maßnahmen alle 10 Jahre ohne Probleme für weitere 50-60 Jahre betreiben können. Ich bin da ganz Ihrer Meinung, die Sie in einem anderen Thread zum Thema Glücksburg geäussert haben.
Frage:
Wann gedenkt der Bundesrechungshof sich diesem Thema „Geld verbrennen ohne Sinn und Verstand“ mal zu widmen?
Ich weiss nicht mehr wer es genau hier gesagt hatte, aber es stimmt: „Wir werden sparen, koste es was es wolle!“
@ NMWC
Zumindestens für die ostdeutschen Standorte sind die Infrastrukturvorhaben mit anschließender Verlegung von Personal von West nach Ost, von Süd nach Nord, gezielte Wirtschaftsförderungsmaßnahemn. Der Gesamtetat des EP 14 wird eben von vielen deutschen Politikern in erster Linie als Subventionstopf für ihre Region betrachtet und erst in zweiter Linie für die Sicherheitsvorsorge der deutschen Gesellschaft gewertet. Dies ist aber eine durchgehende Ansicht, auch bei Rüstungsprojekten usw. In erste Linie Wirtschaftsförderung, Regionalfond, in zweiter Linie Bw-Ausrüstung.
Man kann dies bedauern, aber muss zumindestens die realpolitischen Gegebenheiten in Deutschland anerkennen.
@Georg
Wir sind da einer Meinung. Insofern stützen meine Anmerkungen das ja.
Wobei die Rüstungsunterstützung zumindest in meinem Bereich nicht ganz so gespielt wird, wie es evtl. bei Ihnen aussieht. Aber das ist ein anderes Thema.
Aber schön das die Sache mit dem Bundesrechnungshof bei T.W. gleich gespielt wird. Schick.
Die offensichlichste Wirtschaftsförderung geschieht im Lechfeld, da wird in Zukunft ein ganzer Flugplatz für die Firma PremiumAerotec betrieben und man sucht nun verzweifelt eine Begründung warum die neue und moderne Ausbildungseinrichtung in Kaufbeuren in der Zukunft nicht wirtschaftlich zu betreiben ist. Auch da gehen die Infra Kosten an den neuen Standorten Lechfeld und Erntebrück in den dreistelligen Mio Bereich!
Wir.Dienen.Deutschland.
…… und dafür werden wir in die Pampa geschickt und die familienfreundlichen Standorte geschlossen. Danke nochmal, im Namen unserer Kinder und Ehepartner!