De Maizière über Afghanistan-Einsatz nach 2015: Zahlen später

Zur Dokumentation: Im ARD-Morgenmagazin hat sich Verteidigungsminister Thomas de Maizière zu den Plänen für das NATO- und damit auch Bundeswehrengagement nach dem Abzug der Kampf(!)Truppen 2014 geäußert – und eine Festlegung auf Zahlen sorgfältig vermieden: Ich kann über Zahlen noch nichts sagen. Das werden wir viel später festlegen. Wir sind zweieinhalb Jahre von dem Zeitpunkt entfernt. Sehr viel präziser war der Minister dagegen bei der Frage, was mit den afghanischen Mitarbeitern geschieht, denen nach einem NATO-Abzug Gefahr für Leib und Leben drohen könnte: Wenn sie aber persönlich gefährdet sein sollten, dann holen wir sie mit samt ihren Familien her.

Das Interview im Wortlaut – de Maizière im Interview mit Werner Sonne:

Frage: Ich komme gerade aus Afghanistan zurück. Da hat mir ein deutscher General gesagt, der Abzug hat längst begonnen. Kein Flugzeug geht mehr leer zurück. Wie schnell wird nun abgezogen?

Antwort: Wir haben im Deutschen Bundestag beschlossen, dass wir im nächsten Jahr bei 4.400 angelangt sind. Wir sind jetzt bei 4.900. Die Rückverlegung… beginnt nicht nur bei uns, sondern insgesamt, bei den Amerikanern auch. Die erfolgt geordnet, sicher und nachhaltig bis Ende 2014.

Frage: Dann spürt man in Afghanistan ganz stark schon jetzt die großen Fragezeichen, was wird nach 2014 sein. Wir gehen nicht komplett nach Hause?

Antwort: Nein, wir gehen auch nicht raus…, sondern wir übergeben die Sicherheitsverantwortung den Afghanen. Aber damit das auch nachhaltig ist und funktioniert, wird eine neue Mission – keine Fortsetzung von ISAF – erfolgen.

Auf dem Chicagoer Gipfel haben wir dazu Eckwerte beschlossen. Ein UNO-Sicherheitsratsbeschluss NATO geführt auch mit einer NATO-Kommandostruktur, Ausbildung und Beratung, auch Schutz der Ausbilder und keine Festlegung über Größenordnung. Die 1.000, von denen die Rede war, kann ich nicht bestätigen.

Frage: Aber es wird doch eine Größenordnung sein. Das werden doch nicht nur symbolische Zahlen sein.

Antwort: Nein, wir wollen natürlich so dort sein – mit wir meine ich die bisherigen ISAF-Staaten, NATO plus weitere Staaten -, damit auch das, was zehn Jahre dort aufgebaut worden ist, nicht vergeblich ist, auch die Opfer nicht vergeblich waren. Aber erst die Fähigkeiten beschreiben und daraus eine Zahl entwickeln, das ist der richtige Weg, nicht umgekehrt.

Frage: Aber man muss dann heute Morgen doch einmal Farbe bekennen: Es heißt doch, auch über 2014 hinaus wird es eine durchaus nennenswerte bewaffnete Präsenz der Bundeswehr in Afghanistan geben?

Antwort: Ich kann über Zahlen noch nichts sagen. Das werden wir viel später festlegen. Wir sind zweieinhalb Jahre von dem Zeitpunkt entfernt.

Richtig ist, es wird ein nachhaltiges Engagement sein. Wir zahlen auch über viele Jahre. Wir beteiligen uns an der Finanzierung der afghanischen Sicherheitskräfte mit 150 Millionen Euro jedes Jahr. Das ist viel. Aber eine Größenordnung jetzt festzulegen, ist viel zu früh. Wir wollen auch wissen, was die anderen machen.

Frage: Da sind auch Riesenmengen Material zurückzuführen. Über 1.000 gepanzerte Fahrzeuge, 6.000 Container. Wäre es nicht einfach günstiger, wir lassen die da, geben das den Afghanen?

Antwort: Wir prüfen jetzt, was wir dalassen. Es macht nicht Sinn, einen verrosteten Container zurückzuholen. Aber es macht auch keinen Sinn, der afghanischen Armee einen Flickenteppich von Material zu geben. Es geht nicht darum, dass man ein geschütztes Fahrzeug hat, es muss gewartet, instand gesetzt werden. Dafür braucht man Ersatzteile. Die afghanische Armee muss eine Ausrüstung haben, die nach einheitlichen Kriterien vernünftig funktioniert. Dazu können auch von uns Beiträge sein. Aber auch das ist ein Teil der Arbeit der nächsten zwei Jahre.

Frage: Es gibt auch einen wichtigen humanitären Aspekt: Viele Afghanen haben sich darauf eingelassen, für uns, für die Deutschen, auch für die Bundeswehr, zu arbeiten. Viele von denen haben jetzt Angst, wenn die Bundeswehr geht. Was machen wir mit denen?

Antwort: Ein sehr wichtiger Punkt. Das sind Sprachmittler und andere Ortskräfte, die wir haben. Wir wollen, dass sie in Afghanistan bleiben. Sie sind eine Brücke zu einer guten Entwicklung Afghanistans. Sie sprechen Sprachen. Sie bilden eine Basis für eine wirtschaftliche Entwicklung. Wenn sie aber persönlich gefährdet sein sollten, dann holen wir sie mit samt ihren Familien her.