Solidarität mit Israel: Bloß nicht konkret werden
Israels Verteidigungsminister Ehud Barak war heute bei seinem deutschen Kollegen Thomas de Maizière zu Gast, und natürlich bestimmte das Problem eines möglicherweise in absehbarer Zeit nuklear bewaffneten Iran die anschließende Pressekonferenz (vermutlich auch das Gespräch der beiden Ressortchefs). Da war wenig überraschend, dass Barak erneut betonte, was für die Haltung seines Landes gegenüber Iran gelte: All options should remain on the table, ein nuklear gerüsteter Iran sei unacceptable to the whole world. Und ebenso wenig überraschend mahnte der deutsche Minister, er empfehle beiden Seiten dringend Zurückhaltung, sowohl rhetorisch als auch militärisch – eine Eskalation wäre auch zum Schaden Israels.
Diese Aussagen waren vorhersehbar, und deswegen wäre um so interessanter gewesen, wie sich die mehrfach geäußerte Zusage von Bundeskanzlerin Angela Merkel denn in der Praxis ausbuchstabiert: Dass das Existenzrecht Israels auch Teil der deutschen Staatsräson sei. De Maizière griff das zwar auf mit den Worten, Israel könne sich der Solidarität Deutschlands sicher sein, blieb aber schmallippig auf die Frage, was das denn konkret heiße: Wir stehen an der Seite Israels – was das bedeutet oder konkret bedeuten könnte, steht jetzt nicht zur Entscheidung an.
Immerhin sagte der deutsche Minister offen, dass er die Frage nicht beantworten will – Barak glitt da ins Wolkige ab. Im Grundsatz hätten alle deutschen Bundeskanzler seit Willy Brandt (de Maizière korrigierte ihn da: seit Adenauer) ihre Solidarität mit Israel bekundet. Und das sei a kind of major part of the relationship with the German people.
Nicht besonders konkret. Dabei wäre schon interessant zu wissen, was die deutsche Zusage denn in einem Extremfall bedeuten würde. Über die Lieferung von U-Booten hinaus.
Der O-Ton der Pressekonferenz von de Maizière und Barak zum Nachhören:
Schlau.
Wie man heute wieder gesehen hat, ist das beste für die politische Handlungsfähigkeit, man erwähnt den Nahostkonflikt überhaupt nicht.
Jede Äußerung zu diesem Thema wird falsch interpretiert werden.
Das „Existenzrecht Israels“ ist m.E. nur eine leere Floskel für Sonntagsreden. Israel existiert wie jeder andere Staat doch nicht, weil es irgendein „Recht“ darauf besitzt, sondern weil es militärisch stark genug ist seine Existenz zu behaupten. Wenn es dies irgendwann einmal nicht mehr sein sollte, kann kein „Recht“ welcher Art auch immer dem Staat helfen. Den politischen Entscheidungsträgern in Israel ist das sehr bewusst. Und sollte irgendwann jemand die Existenz Israels militärisch in Frage stellen, könnte Deutschland auch nicht viel daran ändern.
Vielleicht war Baraks Bezugnahme auf Willy Brandt ein subtiler Hinweis:
Denn 1973, während des Jom-Kippur-Krieges, verhielt sich die Bundesregierung (unter Kanzler Brandt) streng neutral. Man verhinderte sogar, dass für Israel bestimmter amerikanischer Nachschub über in Deutschland gelegene Flughäfen nach Israel gelangen konnte.
Und das obwohl Israel damals (im Gegensatz zum 6-Tage-Krieg) unter Bruch eines Waffenstillstandes überfallen worden war.
@Orontes – ack
Aber das deutsche Bild von Israel ist in Deutschland leider historisch so verzerrt das man so etwas als Politiker nicht öffentlich aussprechen darf.
Dazu dann noch diese dumme aber fast schon witzige Überschrift von SPON
Iran-Planspiel –
US-Simulation prophezeit Krieg bei Erstschlag Israels
Da fängt der Krieg erst an wenn ein angegriffener Iran sich gegen den Angriff wehrt. Ansonsten ist das ein „Erstschlag Israels“ welchen der Autor anscheinend nicht als Krieg einstuft. Das erinnert an „Seit 5 Uhr 45 wird jetzt zurückgeschossen!“
Es ist gut das Deutschland sich da nicht konkreter zur „Solidarität“ äußert. Wollen wir denn das Wohl unserer Soldaten von Entscheidungen israelischer Politiker abhängig machen.
[Pardon, aber das Nicht-Verlinken der Webseiten deutscher Printmedien habe ich mehrfach begründet, und das ist auch ernst gemeint.
Dagegen könnte man ja auch das zu Grunde liegende Original, von dem SpOn abgeschrieben hat, verlinken. T.W.]
Das fehlt der Regierung gerade noch, zusätzlich zur FDP-Krise und den Landtagswahlen: Unterstützung für Israel beim Versuch, den laut BLÖD „Irren von Teheran“ zu stoppen. Anders gesagt: Wer militärisch-außenpolitische Unterstützung benötigt, hat sich mit Deutschland den falschen Bündnispartner ausgeguckt.
Das Existenzrecht Israels ist völkerrechtlich verankert und keine Sonntagsredenfloskel.
Die Solidarität mit Israel hingegen und allem voran die historische Verantwortung sind es dabei leider auf jeden Fall. Denn wann, wenn nicht bei einer stichhaltigen, existenziellen Bedrohung, könnte man sich der historischen Verantwortung stellen?
Oder reichen dazu hässliche, plumpe „Denkmäler“? Da wird ne Menge verwechselt.
Gut… Es ist mit Sicherheit für die meisten eine Glaubensfrage, ob der Iran eine Bedrohung ist, weil wir alle keine geheimdienstlichen Kenntnisse haben.
Nur hat Israel ausreichend Grund zur Annahme, ein Problem zu haben. Warum sollte jemand ein solches Problem erfinden? Um sein labiles Umfeld unkontrollierbar zu machen? Vermutlich wäre das eine sehr dumme Idee. Und dumme Ideen höre ich aus Israel weit seltener als hier. ^^
Deutschland ist an und für sich der falsche Ansprechpartner, weil eh unfähig zu agieren.
@b
„Es ist gut das Deutschland sich da nicht konkreter zur “Solidarität” äußert. Wollen wir denn das Wohl unserer Soldaten von Entscheidungen israelischer Politiker abhängig machen?“
Wenn man das wollte, gäbe es längst ein Verteidigungsabkommen oder etwas ähnliches. Ich hatte mal die Gelegenheit, mich mit einem früher außenpolitisch sehr relevanten deutschen Politiker über das Thema zu unterhalten. Er sprach von einem Konflikt zwischen deutscher Staatsräson, d.h. dem Druck auf Deutschland sich proisraelisch zu positionieren, und deutschen Interessen, die v.a. ein positives Verhältnis zu arabischen Staaten erfordern würden. Trotz aller offiziellen Solidaritätsrhetorik wird eine realistische deutsche Außenpolitik hier vermutlich immer einen Ausgleich herstellen müssen.
An der Seite Israels zu stehen, kann vieles heißen, sollte aber nicht mit einem Automatismus zu direktem militärischen Beistand verwechselt werden.
Eine solche Unterstützung braucht Israel von uns auch gar nicht. Selbst wenn es zu einem Krieg mit dem Iran und anderen käme: Wer soll Israel denn in seiner Existenz gefährden? Der Iran selbst ist geographisch zu weit entfernt, um jenseits terroristischer Nadelstiche (die freilich ernst zu nehmen sind) wirklich bedrohlich zu sein. Syrien ist mit sich selbst beschäftigt und außenpolitisch handlungsunfähig. Die Hiszbollah ist wegen der Ereignisse in Syrien geschwächt. Ägypten muss sich in der Post-Mubarak-Ära erst finden. Jordanien ist nach wie vor ein zuverlässiger Partner Israels. Und den Saudis (wie eigentlich der ganzen arabischen Welt außer Syrien) wäre nichts lieber, als wenn der Iran in seine Schranken verwiesen würde – und sei es durch die Israelis.
Unter dem Strich braucht Israel also gegenwärtig außer Terrorangriffen auf die eigene Bevölkerung wenig zu fürchten. Und mit dem Terror wissen sie nach langen Erfahrungen umzugehen, wobei sie dabei wenig zimperlich reagieren. Ob das längerfristig zu erheblichen Sicherheitsproblemen im Sinne einer unweigerlichen Spirale von Reaktion und Gegenreaktion führt, ist ihnen meist gleichgültig, solange kurzfristig die Festung hält.
Vor dem Hintergrund dieser regionalen Lage spricht einiges dafür, dass Israel tatsächlich mit einem Präventivschlag gegen die iranischen Nuklearanlagen vorgehen könnte. Trotzdem glaube ich – anders als viele Kommentatoren – inzwischen nicht mehr so recht daran. Der günstige Zeitpunkt für einen erfolgreichen Angriff dürfte seit ein bis zwei Jahren verpasst sein. Außerdem sprechen die israelischen Politiker und Militärs zu offen und zu lautstark von einem Militärschlag. Das tut man eher nicht, wenn man Überraschung und Initiative braucht. Die große Gefahr liegt allerdings darin, dass die harte Rhetorik in eine automatische Eskalation führt, die niemand mehr zu bremsen imstande ist. Dies durch Diplomatie verhindern zu helfen ist der wichtigste Beitrag, den wir derzeit leisten können – für Israel und für alle anderen.
Neu ist die Problematik ja nicht gerade:
1973 stand Israel ziemlich kurz vor der militärischen Niederlage (und damit dem Ende des Staates). Deutschland blieb (wie die meisten europäischen Staaten) deswegen neutral, weil die Araber sonst den Ölhahn komplett zugedreht hätten. Das Essen bzw. das Autofahren kommt halt vor der Moral.
Die Frage einer direkten militärischen Involvierung Deutschlands stellt sich auch heute überhaupt nicht; das wäre eine Phantomdiskussion.
Was man tun kann ist eine nachhaltige Zusammenarbeit hinter den Kulissen, mit Austausch von Geheimdienstinformationen und dergleichen. Und nichts an die große Glocke hängen, das dürfte auch im Sinne der Israelis sein.
Von daher ist es absolut richtig von TdM, sich bedeckt zu halten und mit den Äußerungen immer schön diplomatisch zu bleiben.
@ chickenhawk | 20. März 2012 – 19:13
….Von daher ist es absolut richtig von TdM, sich bedeckt zu halten und mit den Äußerungen immer schön diplomatisch zu bleiben…
wenngleich ich einen Argumentationsweg nehmen würde, so komme ich ebenfalls zu Ihrem Schluss. Und ganz klar zu der Bemerkung: das ist -u.a. militärisch gesehen- nicht unsere Liga.
@ KeLaBe | 20. März 2012 – 18:59
…An der Seite Israels zu stehen, kann vieles heißen, sollte aber nicht mit einem Automatismus zu direktem militärischen Beistand verwechselt werden…
Das meine ich bzgl. der Bundesrepublik auch.
In einem unterscheiden wir uns evtl. aber doch: ich bin fest davon überzeugt, dass es keine iranische A-Waffe länger als 1 Tag geben wird, sollte hinter den Kulissen dies nicht geregelt worden sein. Der Zeitpunkt, den Sie verpasst nennen, ist „lediglich“ der Punkt a la israelische Methode in Syrien.
Ja, da wird mal wieder kräftig geschüttelt, evtl. bald die Würfel geworfen in Israel, Saudi-Arabien und im Iran.
Nach dem Attentat wurde Kaiser Franz-Josef davon überzeugt, dass man Serbien unterwerfen müsse. Kaiser Wilhelm II. hatte Österreich-Ungarn Unterstützung versprochen und auf ein rasches Losschlagen gedrängt.
streiche Serbien, setze Iran
streiche KW II, setze Obama (und evtl Mutti)
streiche Österreich-Ungarn, setze Israel
Es fehlt nur noch der Anlaß!
@ Elahan
streiche Beispiel, setze nichts
Das ist mal echt an den Haaren herbeigezogen. Wo bitte schön ist das schützende Russland in Ihrem Beispiel für den Iran, zudem das offen bekannte Bündnis der Tripple Entente, der ein deutliches Gegengewicht für die Mittelmächte darstellt?
Zudem wird niemand Israel einen Blankoscheck für irgendwas ausstellen.