Private Sicherheitsdienste gegen Piraten werden zum Standard
Ein Blick auf die Meldungen des Piracy Reporting Centre in den vergangenen Tagen (mit der jüngsten Meldung am heutigen Montagmorgen) zeigt: im Aktionsgebiet der somalischen Piraten scheinen bewaffnete (private) Sicherheitsteams an Bord zum Standard zu werden. Auch wenn manche rechtliche Fragen ungeklärt sind und es wie im Fall der italienischen Soldaten vor der indischen Küste sehr schief gehen kann.
5.03.2012: 1335 UTC: 14:18.5N – 056:49.2E: Around 170nm NE of Socotra island, (Off Somalia).
Two skiffs approached a bulk carrier underway. As the skiffs closed the onboard security team fired warning shots. At a distance of around 0.8nm one skiff fired a RPG towards the vessel. The security team returned fire resulting in the skiffs aborting and moving away.19.03.2012: 0300 UTC: Posn: 05:40N – 053:23E, Around 520nm NE of Mogadishu, Somalia.
About six pirates armed with guns in a skiff chased and fired upon a container ship underway. Master raised alarm, increased speed and crew mustered in a safe place. The onboard armed security team returned fire resulting in the pirates aborting the attack. No injuries to crew.23.03.2012: 1720 UTC Posn: 22:37.50N – 063:31.80E (Around 220nm east of Sur, Oman), Off Somalia.
Master onboard a general cargo ship noticed three skiffs approaching at high speed. The skiffs were observed following the ship as she altered course to move away. Seeing this Master alerted security team who fired warning shots when the skiff were observed 15/20 feet away from the ship. The skiffs moved away.24.03.2012: 1100 UTC: Posn: 20:49N – 062:27E Around 190nm ENE of Sur, Oman(Off Somalia).
Duty officer onboard a tanker underway noticed a mother vessel at a distance of 6nm. At a distance of 4nm the mother vessel was noticed launching a skiff. Master alerted the onboard security team. The skiff approached the vessel at a speed of around 25-30 knots. Master raised alarm, sent distress message and altered course. As the skiff closed to around 1000 meters the onboard security team launched a rocket flare and fired two warning shots resulting in the skiffs stopping and moving towards the tanker’s stern. The skiff with 6-7 pirates maintained a distance of 1nm and continued to chase the tanker. Only when the armed security team fired more warning shots did the skiff stop and abort the attack and return to the mother vessel. A warship responded to the distress message and sent a surveillance aircraft to the location.26.03.2012: 0240 UTC: 05:21S – 049:18E, Around 370nm west of Victoria, Seychelles (Off Somalia)
Four armed pirates in a skiff chased and fired 30 rounds on a tanker underway. The tanker enforced anti piracy measures and onboard security team returned fire resulting in the skiff aborting the attack moving away. The crew and vessel safe.
So und nicht anders muss das laufen (derweil in Berliner Ministerien wohl noch an einem Entwurf der Änderungsverordnung zur Durchführungsverordnung der Gewerbeordnung gefeilt wird – Mitzeichnung des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit nicht vergessen!).
Die somalischen Piraten sind Gewerbetreibende. Sie suchen keinen Kampf, sondern wehrlose Opfer. Sobald sie auf energischen Widerstand stoßen, lassen sie von ihrem Opfer ab (das ist übrigens hierzulande bei Straßenräubern nicht anders).
Das ganze erinnert natürlich fatal an den Wilden Westen; aber aus Sicht der Betroffenen ist nun einmal vorderhand keine andere Lösung ersichtlich.
Spät kommt ihr . doch Ihr kommt …. heißt es bei Schillers Piccolomini … sowas hätte schon vor zwei Jahren Normalität sein sollen… ebenso der Beschluss, die Rückzugsräume nicht zu schonen. Wobei wiederum der uns Humanisten eigene Vorbehalt: Material ja, Verbrecher nein, sehr bezeichnend ist …
Private Sicherheitsdienste gegen die Piraterie mögen für sich genommen sinnvoll sein. Aber man kann das Ganze auch von einer anderen Seite betrachten: Sie sind letztlich das klare Indiz dafür, dass die Nationalstaaten bzw. die internationale Staatengemeinschaft einer ihrer Kernaufgaben (für Sicherheit und Freiheit der Menschen zu sorgen) nicht gerecht werden – oder noch schlimmer: dass sie sich aus der Verantwortung stehlen.
Man darf auch folgenden scheinbar paradoxen Zusammenhang nicht übersehen: Die privaten Sicherheitsfirmen schaffen Sicherheit (dafür werden Sie auch bezahlt), profitieren aber von Unsicherheit (denn sonst wären sie überflüssig). Sie haben also ein Interesse an Sicherheit und (zumindest behaupteter) Unsicherheit zugleich. Das muss nicht unbedingt, kann aber zu Interessenkonflikten zwischen eigenem Mandat und Geschäftsgrundlage führen. Man muss also genau hinschauen, wenn man eine Privatisierung von Sicherheit herbeisehnt.
@ KeLaBe:
Ich glaube nicht, dass sich die Nationalstaaten oder die internat. Gemeinschaft aus ihrer (Schutz- und Sicherheits)Verantwortung stehlen. Es kann nicht Aufgabe der Bw oder der Polizei sein – nehmen wir mal als Bsp deutsch beflaggte Schiffe, auch Kreuzfahrer – diese Schiffe weltweit sicher zu begleiten bzw. zu geleiten, sei dieses nun vor Somalia, im südchinesischen Meer, im Golf von Guinea oder in der Straße von Malakka – diese Seegebiete gelten mithin als die Hoch(-See)Burgen der Piraterie.
Es ist immerhin die hohe See, die zu großen Teilen die Welt umgibt, die zwar kein rechtsfreier Raum, aber ein immerhin geschützter Raum ist.
Folglich sollte es legitim sein, mich gegen Gefahren in diesem Raum (rechtlich) abzusichern, aber bitteschön auf meine eigene Rechnung bzw. die des Kunden. Ich könnte sonst auch anders herum fahren.
Solange wir immer noch gerne und günstig alles jederzeit einkaufen wollen, wird man seitens des Handels und der Industrie stets bemüht sein, Frachtraten niedrig zu halten – wer gibt schon gerne mehr aus bzw. wartet 6 Wochen auf ein Fahrrad?
Oder stellen Sie sich die Diskussion vor, wenn der Bw-Etat weiter aufgestockt werden sollte, um mehr militärische Teams zu finanzieren bzw. an Bord zu bringen.
Wo soll man das Geld her nehmen? Schon haben Sie eine Arbeits- und Sozialministerin (und mehrere Meinungsmacher/ Zeitungen bzw. sog. „Experten“), die Ihnen – wider gegen eine sachliche Begründung – dieses auseinander pflückt weil in z.B. Zeiten grassierender Kinderarmut es ja nun gar nicht angehen könnte, dass der Etat des Verteidigers mit mal noch mehr wächst.
Ein Herr Schünemann in seiner Funktion als niedersächsischer Innenminister muss bzgl. der Sicherheit an Bord lamentieren und polemisieren, sonst wäre er nicht der Innenminister von Niedersachsen. Er muss naturgemäß mit den Reedern Schulterschluss üben und versuchen, die „Sicherheitsbehörden“ als Tortenfänger zu nehmen.
(Lenkt u.a. wunderbar von eigenen Versäumnissen iR der Seesicherheit vor Ort, Ländergehabe und -fürsterei ab. Aber das wäre OT und wieder ein neuer Thread.)
Privatisierung ist nicht verkehrt, nur „sicher“ (qualifiziert) sollte sie schon sein und die Sicherheitsbehörden sollten schon wissen, wen sie da vor sich haben. Die Staaten sorgen für die Freiheit und Sicherheit zuallererst auf ihrem Territorium, eine Staatengemeinschaft lebt von der Beistellung von Mitteln aus ihren Reihen. Deswegen kann ATALANTA nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein sein. Im Größenvergleich würde Deutschland mit 6 Peterwagen bestreift …
Da könnte mir ein privater Sheriff, der nachgewiesen hat, dass er weiß, wann er schießen darf, gut ein Dörfchen abnehmen.
@Mittendrin 41
Gerade wegen Ihres Peterwagen-Vergleichs wäre es ja sinnvoll, das Problem offensiv an der Küste anzugehen, aber das traut sich die deutsche Politik ja nun einmal nicht.
@KeLaBe
„Die privaten Sicherheitsfirmen schaffen Sicherheit (dafür werden Sie auch bezahlt), profitieren aber von Unsicherheit (denn sonst wären sie überflüssig). Sie haben also ein Interesse an Sicherheit und (zumindest behaupteter) Unsicherheit zugleich. Das muss nicht unbedingt, kann aber zu Interessenkonflikten zwischen eigenem Mandat und Geschäftsgrundlage führen. Man muss also genau hinschauen, wenn man eine Privatisierung von Sicherheit herbeisehnt.“
Abstrakt kann ich dieses Argument nachvollziehen, aber praktisch sind solche Firmen viel zu sehr vom Wohlwollen von Regierungen und ihrem eigenen guten Ruf abhängig, um sich so etwas leisten zu können. Mir ist kein Fall bekannt, in dem eine international tätige private Sicherheitsfirma gezielt und gegen ihren Auftrag bzw. die Interessen ihrer Kunden Sicherheitsprobleme geschaffen hat, um ihre Geschäftsgrundlage zu erhalten. Das wäre angesichts des vielfältigen, weitverbreiteten und zunehmenden Versagens staatlicher Sicherheit in großen Teilen der Welt auch gar nicht nötig.
Wobei private Dienstleister staatliche Verpflichtungen nur schwer ersetzen können, da sie ja für zahlende Kunden arbeiten und nicht für abstrakte Dinge wie das Allgemeinwohl. Es gibt aber durchaus Überschneidungen zwischen beidem, z.B. beim Schutz des Seeverkehrs. Hier verbinden sich zahlungsfähige Auftraggeber mit dem öffentlichen Interesse sicherer Handelswege.
Ansonsten muss man sich bzgl. privater DIenstleister m.E. weniger Sorgen machen als z.B. bzgl. den meisten VN-Blauhelm-Missionen (hier interessieren sich westliche Medien und Öffentlichkeiten nicht für routinemäßig auftretende Beihilfe zum Völkermord, Kinderprostitution, illegalen Rohstoffhandel und andere regelmäßig damit verbundene Erscheinungen) war z.B. „Blackwater“ recht harmlos, aber ein einzelner Vorfall reichte aus, um die Geschäftsgrundlage der Firma in Frage zu stellen.
Zertifizierungen halte ich prinzipiell für eine gute Idee, aber wenn man dies z.B. deutschen Behörden und der beim Thema „Söldner“ zur Hysterie neigenden deutschen Diskussion anvertraut, wird am Ende doch nur nach CO2-Ausstoß, Diversity, Gender Mainstreaming und anderen sachfremden Dingen zertifiziert. Von einer DIN „Internationale Sicherheitsdienstleistungen“ (in Anlehnung an die national orientierte DIN 77200) zu träumen, die höchste Qualitätsmaßstäbe im Bereich Sicherheit setzt und zum global anerkannten Qualitätssiegel wird, ist wohl zu optimistisch.