Klatsche vom Finanzminister

Das war ja fast zu erwarten: Für seinen Entwurf des Reformbegleitgesetzes, mit dem vor allem der Abbau von Soldaten und Beamten einer kleineren Bundeswehr beschleunigt werden soll, hat das Verteidigungsministerium eine fette Klatsche vom Bundesfinanzministerium kassiert. Die Stellungnahme des zuständigen BMF-Referatsleiters vom 9. Januar, die Augen geradeaus! vorliegt, zerlegt den Entwurf massiv – und dabei geht es den Kassenwarten gar nicht in erster Linie darum, dass die geplante Bundeswehrreform zu teuer würde.

Die Kritik ist viel grundsätzlicher. Mit den Regelungen vor allem für den vorgezogenen Ruhestand der Soldaten und Beamten würde, um es mal in die Alltagssprache zu übersetzen, ein Fass aufgemacht, dass weit über die Streitkräfte hinaus Probleme für die ganze Verwaltung schaffe. Das vernichtende Fazit gleich im ersten Satz: Dem Entwurf eines Gesetzes zur Begleitung der Reform der Bundeswehr (Bundeswehr – Reformbegleitgesetz – BwRefBeglG) und Ihrem Schreiben vom 1. Dezember 2011 kann BMF gegenwärtig nicht zustimmen.

Gewichtigster Kritikpunkt der Mitarbeiter von Finanzminister Wolfgang Schäuble: So großzügige Vorruhestandsregelungen würden dazu führen, dass der geplante Personalabbau kaum über eine Weiterbeschäftigung der Mitarbeiter in anderen Verwaltungsjobs erreicht würde. Im Wortlaut:

Der Gesetzentwurf kann jedoch in der gegenwärtigen Ausgestaltung das zentrale Ziel nicht erreichen, überzähliges Personal vorrangig durch Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst „abzubauen“. Wesentliche Gründe für diese Einschätzung liegen darin, dass der beabsichtigte Vorrang einer anderweitigen Verwendung vor der Möglichkeit zur Inanspruchnahme einer Vorruhestandsregelung – insbesondere für Berufssoldaten/Berufssoldatinnen – keine gesetzliche Verankerung findet und dabei zugleich die vorgesehenen Vorruhestandsregelungen übermäßig großzügig ausgestaltet werden sollen. Darüber hinaus fehlt zahlreichen Vorschriften die zeitliche Befristung. Entsprechend wird im Abschnitt zur Berechnung des Erfüllungsaufwands der einzelnen Instrumente im GE (s. Begründung, Teil A VI., S. 40 – 44) davon ausgegangen, dass sowohl bei Berufssoldaten/Berufssoldatinnen als auch bei Beamten/Beamtinnen der überwiegende Teil des Personals durch Vorruhestandsregelungen abgebaut wird. Diese Einschätzung wird für realistisch gehalten, da die Versorgungsregelungen besonders großzügig ausgestaltet sind.
Nach hiesiger Auffassung sollten aber Vorruhestandsregelungen erst nach Ausschöpfung aller anderen Möglichkeiten zum Personalabbau (z. B. Weiterverwendung im öffentlichen Dienst, modifizierte Altersteilzeitregelung) zur Anwendung kommen. Insbesondere sollte zunächst geprüft werden, ob – neben der üblichen Fluktuation durch Altersabgänge – die neu geschaffenen haushaltsrechtlichen Möglichkeiten zur Weiterverwendung von Beamtinnen und Beamten in anderen Bereichen der Bundesverwaltung ausreichen. Im Entwurf des Haushalts 2012 sind rund 850 neue Planstellen und Stellen ausgebracht, die nur mit Überhangpersonal besetzt werden dürfen. Darüber hinaus wurde neu geregelt, dass zur Unterbringung von Überhangpersonal auch im Haushaltsvollzug Planstellen umgesetzt und neue Planstellen ausgebracht werden dürften (§ 15 E-HG 2012). Das Instrument des Vorruhestands sollte ferner auf eine bestimmte Fallzahl begrenzt werden, die deutlich geringer ist, als die insgesamt abzubauende Personalzahl. Diese Begrenzung sollte im Gesetz in den Vorschriften selbst verankert werden.

Vor allem könnten Beschäftigte in anderen Bereichen ähnliches verlangen:

Es ist daher zu befürchten, dass die beabsichtigten Vorruhestandsregelungen eine erhebliche Präjudizwirkung für alle anderen Stellenabbaubereiche und Bereiche mit Personalüberhängen entfalten, insbesondere vor dem Hintergrund des Art. 3 GG. Eine sachliche Begründung für die Ungleichbehandlung weist der GE nicht aus.
Das BMF kann dem GE insgesamt daher erst und nur dann zustimmen, wenn einerseits in geeigneter Weise der Vorrang anderweitiger Verwendung von Soldaten/innen und Beamten/innen der BW in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes vor der Inanspruchnahme von Vorruhestandsregelungen gesetzlich sichergestellt wird, und wenn andererseits die vorgeschlagenen Vorruhestandsregelungen nochmals besonders auf Ihre Erforderlichkeit, ihre gleichheitsgerechte Ausgestaltung im Vergleich zu anderen Versorgungsempfängern sowie auf mögliche Präjudizgefahren geprüft und besonders begründet werden.

Gerade bei den Berufssoldaten legen die Finanzer ein besonders kritisches Maß an:

Ferner bestehen Zweifel, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen zum Abbau des Personalumfangs unabdingbar erforderlich sind. BMVg kann durch die jährliche Fluktuationsrate von 20.000 Soldaten (2.500 Berufssoldaten/Berufssoldatinnen und 17.500 Zeitsoldaten/Zeitsoldatinnen) und der ohnehin bestehenden „Regenerationsmöglichkeiten“ im Bereich der Zeitsoldaten/ Zeitsoldatinnen den Personalabbau steuern. Die Notwendigkeit der vorgeschlagenen Vorruhestandsregelungen für Berufssoldaten bedarf einer vertieften Begründung.
Eine Zustimmung des BMF zu dem GE ist insgesamt erst möglich, wenn eine § 44 GGO genügende vertiefte Begründung der Notwendigkeit aller vorgeschlagenen Maßnahmen zur Personalanpassung, insbesondere auch der möglichen Kumulation von Leistungen vorliegt. Nach hiesigem Eindruck erscheinen die Maßnahmen zum Teil widersprüchlich und lassen zudem erhebliche Mitnahmeeffekte erwarten. Die Verknüpfung von einerseits Vorruhestandregelungen mit Ausgleichszahlungen oder Beurlaubung bis zu drei Jahren zur beruflichen Weiterbildung bei vollen Bezügen mit andererseits dauerhafter Gewährung von Weiterverpflichtungsprämien für Zeitsoldaten, die nicht auf den Bereich der Mannschaften beschränkt bleiben, in einem Gesetzesvorhaben schafft zum Teil einander widersprechende Anreize. Es erscheint außerdem fraglich, ob die vollständige Verlagerung der beruflichen Ausbildung auf einen Zeitraum nach Dienstende nicht zu vorzeitigen Nachbesetzungen der freiwerdenden Stellen und damit zu zusätzlichen finanziellen Belastungen führt. Vor diesem Hintergrund wird um weitere Erläuterung der Notwendigkeit sämtlicher Maßnahmen gebeten.

Nun kann sich natürlich selbst der des Beamtenrechts unkundige Laie vorstellen, dass die zuständigen Menschen im Finanzministerium aus ihrer Lebensrealität ein bestimmtes Berufsumfeld kennen, das sich von dem eines Soldaten recht grundsätzlich unterscheidet. Da kommt man dann zu der Einschätzung, dass es ein widersprechender Anreiz ist, einerseits Soldaten vor dem regulären Ende ihrer Dienstzeit aus der Truppe wegzuschicken und zugleich Nachwuchs mit Prämien gewinnen zu wollen. Aber die Diskussion sollten dann die Ministerialbeamten untereinander führen.

Wenig überraschend auch, dass das Finanzministerium über einzelne Vorschläge für steuerfreie Leistungen (in Versalien) ABLEHNUNG schreibt – zum Beispiel bei den vorgesehenen Einmalzahlungen für ausscheidende Berufssoldaten. Aber auch bei den vorgesehenen steuerfreien Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Reservisten. Über einen Teil der Begründung könnte man (wiederum als Nicht-Fachmann) breit grinsen, wenn es nicht im Grunde genommen bitter wäre:

Eine Steuerfreiheit dieser Aufwandsentschädigungen nach § 3 Nr. 26a EStG scheidet ebenfalls aus. Einnahmen aus einer nebenberuflichen Tätigkeit im Dienst oder Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke (§§ 52 bis 54 AO) sind bis zur Höhe von insgesamt 500 Euro im Jahr steuerfrei. Reservisten üben eine solche Tätigkeit jedoch nicht aus, da durch ihre Tätigkeiten keine steuerbegünstigten Zwecke gefördert werden.

Die Kenner mögen mich korrigieren: Der Dienst von Reservisten in der Bundeswehr ist kein steuerbegünstigter Zweck? Na, die Gespräche der Vertreter von Verteidigungs- und Finanzministerium werden vermutlich nicht einfach. Vielleicht muss dann doch Ressortchef Thomas de Maizière mal persönlich mit seinem Parteifreund Schäuble reden. Hatte de Maizière doch betont: Ein goldener Handschlag passt nicht in die Zeit, und es ist auch kein goldener Handschlag.