Umbau & Abbau, aber „kein goldener Handschlag“

Die Bundeswehr schrumpft, und die Truppe muss sich überlegen, wie sie die Verkleinerung hinkriegt. Die Verringerung der Zahl an Soldaten ist das eine, noch dazu mit unterschiedlichen Problemen bei Zeit- und Berufssoldaten, die Verringerung der Zivilbeschäftigten das andere – und bei alledem soll die Truppe in ihrer Struktur nicht überaltern: Ein simpler Personalabbau scheidet aus. Verteidigungsminister Thomas de Maizière stellte heute das Reformbegleitprogramm vor, mit dem der ganze Personalum- und Abbau in den nächsten Jahren bewältigt werden soll – und zugleich die Bundeswehr auch für die (schon vorhandenen) Soldaten attraktiv wird oder bleibt (je nach Perspektive) und zudem auch der trotz Verkleinerung dringend gebrauchte Nachwuchs geworben werden kann.

Das heute vom Minister vorgelegte Programm ist in wesentlichen Teilen noch ein Entwurf – die endgültige Abstimmung mit den anderen Ressorts der Bundesregierung, allen voran dem Finanz- und dem für das Beamtenrecht zuständigen Innenministerium, steht noch aus, ebenso einige nötige Gesetzesänderungen. Dennoch gab sich de Maizière zuversichtlich, dass das überwiegend bis zum Jahr 2017 befristete Programm im ersten Quartal 2012 anwendungsfähig sein wird und dass Ende des Jahres der Hauptfeldwebel X weiß: wo ist meine Zukunft in der Bundeswehr. Dazu gehört auch, dass nur der geringere Teil der für den Personalum- und abbau vorgesehenen Gelder – bis 2015 ist zunächst gut eine Milliarde Euro veranschlagt – für den Abbau ausgegeben werden soll: Zwei Drittel bis drei Viertel der Maßnahmen gehen in die Attraktivität.

Deshalb auch zunächst eine wesentliche Punkte, die die Attraktivität für bleibende Soldaten (und natürlich für Neuanfänger) steigern sollen:

Das Wahlrecht zwischen Umzugskostenvergütung und Trennungsgeld wird per Verordnung verankert – allerdings nur auf fünf Jahre befristet. Von Seiten der Soldaten (und auch vom Bundeswehrverband) wird das seit Jahren gefordert: In einer Zeit, in der vom (Ehe)Partner eines Soldaten bei Versetzung nicht mehr automatisch der Umzug und Verzicht auf den Arbeitsplatz gefordert werden kann, wollen die Soldaten wählen können, ob sie bei einer Versetzung für wenige Jahre den Familienwohnsitz ändern oder pendeln. Der Verteidigungsminister mag dieses Wahlrecht jedoch nur als Ausnahme in der Zeit des großen Umbruchs gelten lassen: Wir müssen darauf bestehen, dass Beamte versetzungsfähig sind, und erst recht Soldaten. Ein völliges Wahlrecht wäre deshalb aus seiner Sicht ein Problem – aber die Debatte könne jetzt gerne für fünf Jahre unentschieden bleiben.

Eine Fachkräftegewinnungsgesetz (das für alle im Bereich der Bundesregierung gelten soll, also keine Bundeswehr-spezifisiche Regelung ist) soll künftig viele lange geforderte Zulagen und Prämien vorsehen. Zum Beispiel Personalgewinnungszuschläge zur Gewinnung insbesondere von hochqualifizierten Fachkräften. Denkbar ist nach den Worten von Generalleutnant Wolfgang Born, dem Personalchef des Ministeriums, ein auf vier Jahre befristeter Gehaltszuschlag – oder eine Verpflichtungsprämie von 50.000 Euro für die Gehaltsstufe A14. In das Gesetz sollen auch die finanzielle Abgeltung der ärztlichen Sonderdienste von Sanitätsoffizieren in Bundeswehrkrankenhäusern und eine Stellenzulage für Luftfahrzeugführer von unbemannten Großluftfahrzeugen aufgenommen werden. Die bisherige Altersgrenze von 40 Jahren als Einstiegsalter für Berufs- und Zeitsoldaten soll ersatzlos wegfallen.

Während das vor allem für Spezialisten gilt, sollen alle Soldaten von der Fast-Verdoppelung der Vergütung für besondere zeitliche Belastungen profitieren: Für einen 24-Stunden-Dienst wird sie von brutto 35,79 Euro auf 65,40 Euro angehoben. Immerhin sei diese Zulage seit fast 15 Jahren nicht erhöht worden, sagte der Minister. Eine gewünschte Vervierfachung wäre zwar schön gewesen, aber das ist nicht finanzierbar. Und: Die Verdoppelung muss auch gegenüber anderen Ressorts durchgesetzt werden.

Was im schönsten Ministeriumssprech so ausgedrückt wird Im militärischen Bereich erfordert die einsatzorientierte Verjüngung des Personalkörpers vor allem den Abbau lebensälterer Berufssoldaten zugunsten von Neueinstellungen, lässt sich auf die knappe Formel bringen: Weniger Häuptlinge, mehr Indianer. Wie schon länger geplant, sollen künftig mehr Mannschaftsdienstgrade sich für eine längere Zeit als bisher verpflichten können – Mannschafter mit acht Jahren Dienstzeit werden relativ normal, auf der anderen Seite soll die bisherige Höchstgrenze von Zeitsoldaten von 20 auf 25 Jahre angehoben. Wie sich das konkret auf die Zusammensetzung der Truppe auswirkt, soll mit einem neuen Personalstrukturmodell bis Ende des Jahres klar sein.

Was in der Öffentlichkeit am meisten beachtet wird, ist im Vergleich zum Personalumbau (und erst recht zu den Planungen für die Stationierung, die kommende Woche bekanntgegeben werden sollen) ein recht kleines Problem – so rechnet es jedenfalls de Maizière vor: Die künftige Bundeswehr soll 170.000 Zeit- und Berufssoldaten umfassen. Das bedeute eine Verringerung gegenüber heute von 56.000 auf 45.000 Berufssoldaten und von 131.000 (Ist) auf 123.000 Zeitsoldaten. Beim Abbau der Zeitsoldaten hilft die Zeit, weil jedes Jahr welche ausscheiden, bei den Berufssoldaten sie die tatsächliche Differenz angesichts absehbarer Pensionierungen geringer als die rechnerische: voraussichtlich 6.200 der Berufssoldaten, maximal aber 9.000, müssten irgendwie motiviert werden, aus der Bundeswehr auszuscheiden – oder in einem anderen Bereich der Streitkräfte eine Arbeit zu finden.

Alle, bei denen es geht, versuchen wir weiter zu beschäftigen, betonte de Maiziere – dazu sei die Bundeswehr auch zu Personalkostenzuschüssen oder Einmalzahlungen zum Ausgleich von Einkommenseinbußen bereit, ebenso zu Qualifizierungsmaßnahmen und, auch das noch ein möglicher Streitpunkt mit dem Innenministerium, zur Anhebung der Hinzuverdienstgrenzen.

Für die Personalausgliederung (Ministeriumsprech) der Soldaten haben die Planer im Ministerium das Altersband gedrittelt. Noch nicht 40 Jahre alte Zeitsoldaten sollen motiviert werden, ihre Dienstzeit zu verkürzen – und dafür einen Anspruch auf die Dauer des Berufsförderungsdienstes bekommen, den sie bei ursprünglicher Dienstzeit gehabt hätten. Berufssoldaten in diesem Alter sollen ihre Stellung in die eines Zeitsoldaten umwandeln können, erhalten die gleiche Leistung bei Ausscheiden wie Zeitsoldaten und sollen zusätzlich eine steuerfreie Abfindung von 5.000 Euro je (geleistetem) Dienstjahr bekommen.

Die so genannten BS flex, Berufssoldaten zwischen und 40 und 50 Jahren mit mehr als 20 Dienstjahren, sollen auf Antrag und mit Zustimmung des Dienstherrn vorzeitig in den Ruhestand gehen können – allerdings nur mit einer Pension, die ihren bereits erlangten Ansprüchen entspricht. Für jedes Jahr, das sie vor ihrer Pensionierung ausscheiden, soll es 5.000 Euro Abfindung geben, ebenfalls steuerfrei.

Wer als Berufssoldat 50 Jahre und älter ist, kann gleich in den Ruhestand gehen – mit den Versorgungsbezügen, die er bei normalem Ruhestand erhalten würde. Für Beamte gilt ähnliches, allerdings erst ab 55 Jahren. (Bei den Beamten übrigens beziffert de Maizière die Zahl derjenigen, die gehen sollten, mit etwa 3.000 – und ein überalteter Personalkörper mache den Abbau einfacher.)

Ein goldener Handschlag? Keineswegs, sagt der Minister – Ein goldener Handschlag passt nicht in die Zeit, und es ist auch kein goldener Handschlag. Vor allem sei es kein neues Anreizsystem für Altersteilzeit. Die Höhe der Abfindung ist noch nicht endgültig festgelegt – hier sind auch die Gespräche mit Finanz- und Innenressort entscheidend.

Die Bundeswehr werde sich sehr genau angucken, wen sie gehen lasse. Entscheidend sei immer die Einzelfallentscheidung, betonte de Maizière. Wie er denn das einfachste Instrument der Personalreduzierung, nämlich die Entlassung von Generalen und Admiralen ohne Begründung, festgelegt im Soldatengesetzt, nutzen werde, wollte ich noch von ihm wissen. Da blieb die Antwort allerdings sehr offen: Das habe ich mir noch nicht überlegt.

Für Detailfreunde: Hier das Ministeriumspapier zum Runterladen und Durchlesen, außerdem als O-Ton das Statement von de Maizière im Anschluß an das Pressegespräch (am Ende angehängt, ich hoffe die Kollegen von Radio Andernach sehen mir das nach, was der Minister für die Soldaten im Einsatz ins Mikrofon sagte):
de Maizière: Personalumbau – 18. Oktober 2011 (mp3)