Private Wachmannschaften: „Unternehmerische Eigenvorsorge“

Im Kampf gegen die Piraterie machen es sich die Europäer – zum Glück! – doch deutlich schwerer als zum Beispiel die Inder, die in den vergangenen Tagen im Golf von Aden mehrere Piratenüberfälle verhinderten. Ihre Kommandosoldaten, meldete die indische Marine, hätten acht Piraten neutralisiert. Von Festnahmen ist nicht die Rede.

Die Europäer – und mit ihnen auch die USA – gehen da etwas anders vor. Und gerade die Deutschen taten sich lange schwer mit der Tatsache, dass sie einfach nicht genug Soldaten und Kriegsschiffe haben, um auch nur die Schiffe deutscher Reeder (zugegeben: ein Drittel der weltweiten Kauffahrteiflotte) wirksam vor den Angriffen somalischer Piraten am Horn von Afrika, im Golf von Aden und in den Weiten des Indischen Ozeans zu schützen.

Doch inzwischen scheint das sorgenvolle Wiegen des Hauptes, wenn die Rede auf private, bewaffnete Wachmannschaften auf Handelsschiffen kommt, auch hier zu Lande nur noch eine politisch korrekte Reaktion zu sein und kein wirkliches Bedenken mehr zu signalisieren. Flapsig gesagt: der Drops ist gelutscht, private Sicherheitsdienste werden von der deutschen Politik und den deutschen Reedern als zwar nicht gewünschte, aber als unausweichlich betrachtete Notwendigkeit in diesen gefährlichen Gewässern angesehen. Die Frage ist nur noch, wie das konkret geregelt wird.

Das wurde heute bei einer Tagung zur Piraterie und ihrer Bekämpfung, zu der der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann eingeladen hatte, eindeutig klar. Zwar hielt der CDU-Politiker als Verfechter vor allem hoheitlicher Sicherheitsteams – von Polizei oder Bundeswehr – auf deutschen Schiffen noch tapfer die Fahne des hoheitlichen Handelns hoch: Da gebe es doch noch genügend Luft zwischen der tatsächlich eingesetzten Zahl deutscher Soldaten in der EU-Antipirateriemission Atalanta (derzeit rund 600 ) und der Obergrenze des Bundestagsmandats von 1.400. Doch dass das bedeuten könnte, ein paar hundert Soldaten an Bord der Frachter und Tanker zu schicken, erwies sich recht schnell als Illusion. Derzeit, rechnete Flotillenadmiral Hans-Christian Luther vom Führungsstab der Marine vor, gebe es bei der Bundeswehr durchhaltefähig (!) gerade mal jeweils zwei dieser so genannten Vessel Protection Detachments.

Private Sicherheitsdienste werden also an Bord kommen (wenn sie nicht ohnehin schon da sind, weil die Reeder sie engagiert haben – illegal ist es ja jetzt auch schon nicht.) Das gehört schlichtweg zu den Eigensicherungsmaßnahmen der Reeder, erklärte heute der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Ole Schröder. Und er umriß – wenn auch, pardon, offensichtlich ohne zu große Themenkenntnis von dem ihm aufgeschriebenen Text ablesend – die Pläne für die vorgesehene Zertifizierungspflicht der Sicherheitsdienstleister, die von Deutschland aus agieren dürfen sollen: Sie müssten seerechtliche, nautische und schiffstechnische Kenntnisse nachweisen. (Es leuchtet ein, dass jemand den Unterschied zwischen Backbord und Steuerbord und Luv und Lee kennt, sagte Schröder.  Ich weiß nicht, ob Luv und Lee auf heutigen Containerfrachtern noch eine so große Rolle spielen.) Eine Zertifizierungspflicht für diese maritime Dienstleistung werde im Übrigen auch von den Hafen- und Küstenstaaten gewünscht, die zum Teil nicht so glücklich auf ihnen unbekannte Bewaffnete in ihren Hoheitsgewässern und Häfen schauen.

Am Waffengesetz und vor allem am restriktiven Umgang mit Kriegswaffen werde übrigens bei allen Neuregelungen nicht gerüttelt, versicherte der BMI-Staatssekretär: Die Zertifizierung ist kein Persilschein für den Erwerb von Waffen. Großkalibrige Kriegswaffen seien nicht erforderlich.

Wie das Verfahren für die Zertifizierung der Unternehmen im Grundsatz aussehen könnte, beschrieb der Vizepräsident der Bundespolizei, Wolfgang Lohmann:

Lohmann/Bundespolizei Piraterie 26.09.2011 (mp3)

Zur Zeit gibt es übrigens nach den Worten des niederländischen Flotillenadmirals Michiel Hijmans, der als NATO-Kommandeur in diesem Frühjahr recht offensiv gegen die Piraten vorging, rund 170 private Sicherheitsunternehmen, die am Horn von Afrika im Einsatz sind. Einige sind sehr effektiv, andere sind Cowboys zur See, und die übrigen liegen irgendwo dazwischen, schilderte der Kommandeur des NATO-Eingreifgeschwaders (Standing NATO Maritime Group) 2. Probleme gebe es da genug: falschen Alarm; Schusswechsel, die nicht weitergemeldet wurden – so dass der nächste Frachter ahnungslos in eine Piratenfalle fuhr; Schüsse auf Fischer, die vor allem im Roten Meer gerne im Kielwasser der großen Frachter fischen, und die fehlende Kontrolle schwerer Waffen.

(Was Hijmans über seine Operation vor der Küste Somalias im April berichtete und welche Konsequenzen er daraus zieht, ist bei Gelegenheit einen eigenen Eintrag wert.)

Eine Koordination dieser Privatunternehmen durch die Seestreitkräfte am Horn von Afrika gibt es übrigens bislang nicht, sagte der deutsche Flotillenadmiral Luther. Und wer das künftig übernehme? Da müsse man erst mal abwarten, wie die Bundesregierung entscheide.

Die privaten Sicherheitsdienstleister in Deutschland haben übrigens schon Vorstellungen, wie ihre Zertifizierung, aber nicht zuletzt auch ihre Befugnisse in der Piratenabwehr künftig geregelt werden könnten. Vielleicht so ähnlich wie im Atomgesetz, wo die Wachmannschaften der Atomkraftwerke auch bestimmte Befugnisse bis hin zum Schusswaffengebrauch hätten, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft, Harald Olschok. Und eines sei der privaten Sicherheitsindustrie auch wichtig: Deutsche Interessen wahren – deutsche Unternehmen einsetzen. Denn bislang seien unter den 170 Gesellschaften, die sich bewaffnet vor Somalia tummeln, gerade mal eine Handvoll Unternehmen aus Deutschland. Da könne doch die Politik mit entsprechenden Vorgaben diesen Bereich auch aufrüsten.