Der Luftschlag von Kundus nun doch vor Gericht?

Der Anwalt Karim Popal, der Hinterbliebene von Getöteten des Luftschlags bei Kundus am 4. September 2009 vertritt, hat heute in Berlin eine Schadenersatzklage gegen die Bundeswehr eingereicht. Damit wird es wieder wahrscheinlicher, dass der vom deutschen Oberst Georg Klein angeordnete Luftangriff gegen zwei von Taliban entführte Tanklaster Gegenstand eines Verfahrens vor einem deutschen Gericht wird – bislang hatten sich zwar Staatsanwaltschaften bis hin zur Bundesanwaltschaft und ein Untersuchungsausschuss des Bundestages, aber noch kein Gericht mit dem Fall befasst.

File photo of Afghan police inspecting the site of an airstrike on fuel tankers in Kunduz September 4, 2009. A German parliamentary committee February 10, 2011, is investigating a 2009 German-ordered air strike against the Taliban in the Afghan district of Kunduz that also killed Afghan civilians. NATO aircraft opened fire on hijacked fuel trucks in the German-ordered airstrike, killing as many as 90 people. REUTERS/Wahdat/Files (AFGHANISTAN CONFLICT – Tags: CONFLICT POLITICS)


STRINGER/AFGHANISTAN/Reuters/Fotoglif
Da ich bei der Pressekonferenz selbst nicht dabei sein konnte, hier Auszüge aus der Pressemitteilung der Juristenvereinigung IALANA, die die heutige Pressekonferenz organisiert hat:

Klage für Gerechtigkeit

Die Klage ist erforderlich, weil das Bundesverteidigungsministerium zu Unrecht ohne substantiierte Darlegung einer sachlichen Begründung , rein aus politischen Motiven, die Verhandlung der Anwälte der Opfer von Kunduz für gescheitert erklärt und weitere Verhandlungen mit Rechtsanwalt Popal abgelehnt hat.

Widersprüchlich zu dieser Behauptung, nachdem mit Schriftsatz vom 20.05.2010 mit der Erhebung der Klage gedroht wurde, hat sich erneut das Bundesverteidigungsministerium bereit erklärt, in der Sache zu verhandeln. Während der gesamten Verhandlung wurde festgestellt, dass das Bundesverteidigungsministerium nicht mehr willig ist, tatsächlich für die Verletzten und Hinterbliebenen des Bombardements vom 04. September eine angemessene Entschädigung zu zahlen.

Parallel zu diesen Gesprächen hat das Bundesverteidigungsministerium versucht mit Hilfe der korrupten Regierung in Kunduz und Zuziehung von Großgrundbesitzern, die niemals die Familien der Opfer vertreten können, dort eine Liste anzufertigen und an die Familien der Getöteten 5.000 US Dollar pro Familie gezaht. Das Bundesverteidigungsministerium war nicht willig an alle Familienangehörigen der Opfer zu zahlen, hat sich nur an eine geringe Zahl Opfer orientiert und die tatsächliche Zahl der Opfer und Hinterbliebenen ignoriert.

(…)

Der Kernpunkt der Klage ist das Recht und der Anspruch der Kläger auf einen Schadensersatzanspruch nach §839 BGB i.V. mit Artikel 34 GG. In Anbetracht des internationalen bewaffneten Konflikts kommen ergänzende Anspruchsgrundlagen aus Artikel 91 ZP (Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12.08.1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte) in Betracht, dies inbesondere weil die Vorschriften des humanitären Völkerrechts bei dem Angriff durch die Befehle des Oberst Klein nicht eingehalten wurden. Dies wird in dem Bericht des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz bestätigt. Der Bericht vom Roten Kreuz und die nationale und internationale Normverletzung wurde vom Bundesverteidigungsministerium bis heute nicht bestritten. Aus diesem Grunde ist die objektive Rechtswidrigkeit aus der Amtspflichtverletzung i.S.d. § 839 BGB herzuleiten.

(Die komplette Mitteilung zum Herunterladen hier.)

Ich bin, wie ich ja immer wieder betonen muss, kein Jurist und kann deshalb die Aussichten einer solchen Klage nicht beurteilen. Mir fällt nur eines auf: Außer den hier Klageführenden hat nach meiner Erinnerung bislang noch niemand die Auseinandersetzungen in Afghanistan als internationalen bewaffneten Konflikt angesehen, die Rede ist immer von nicht-internationalen bewaffneten Konflikt. Ich bin mir auch nicht sicher, ob tatsächlich der IKRK-Bericht vorliegt, ich kenne ihn nicht.

Über die Pressekonferenz haben etliche Kollegen berichtet, zum Beispiel hier und hier.

(Vorbeugend darf ich schon mal in der Diskussion um Mäßigung bitten – ich ahne manche Kommentare schon…)