Bundeswehr auf Facebook? Das war’s dann wohl.
Da hat die Bundeswehr – von ihrer Karriere-Seite abgesehen – noch nicht mal ’ne eigene Präsenz auf Facebook, da sind solche Dinge für die Bundesregierung – und damit wohl auch für ihre nachgeordneten Dienststellen und Behörden – schon wieder tabu. Aus der Vorabmeldung des Spiegels:
Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) fordert ihre Kabinettskollegen zum Facebook- Verzicht auf. „Nach eingehender rechtlicher Prüfung halte ich es für unabdingbar sicherzustellen, dass der Facebook-Button auf regierungsamtlichen Internetseiten in unserer jeweiligen Verantwortung nicht verwendet wird“, heißt es in einem Brief von Aigner, der Ende vergangener Woche an alle Bundesministerien versendet wurde. Auch auf „Fanpages“ für Ministerien solle „angesichts begründeter rechtlicher Zweifel“ verzichtet werden.
Tja. Gibt zwei mögliche Sichtweisen:
Jawoll! Wenn etwas (datenschutz)rechtlich fragwürdig ist, darf auch die Regierung da nicht mitmachen.
oder:
Wenn Millionen vor allem junger Deutscher Facebook als ihren wichtigsten Internet-Tummelplatz und damit auch ihre wichtigste Nachrichtenquelle ansehen – kann die Bundesregierung (einschließlich der Bundeswehr) das einfach übergehen?
Übrigens wieder ein neuer deutscher Sonderweg im Bündnis – die NATO hat da ’ne andere Haltung. Aber andererseits kann man dann vielleicht an geplanten Ausgaben was sparen.
(Gewiss wäre es zu kurz gesprungen, nur den schon lange andauernden Zwist zwischen der Verbraucherschutzministerin und Facebook als Ursache zu sehen.)
Nachtrag: Hui, da geht die Diskussion aber ab, und das am Sonntagnachmittag…
Ich habe vielleicht zwei Dinge nicht deutlich genug gemacht: Die Bedenken bezüglich des Like-Buttons, auch für Nicht-Facebook-Nutzer, sehe ich durchaus (ähnlich auch die Probleme bei Google Analytics, dass deshalb auch hier nicht eingesetzt wird, so lange ich es nur vermeiden kann). Und zweitens: Während ich die Problematik des Likens sehe, hat sich mir nicht erschlossen, warum die Ministerin Fan-Pages von Ministerien ebenfalls für problematisch hält.
Zum Vergleich: Augen geradeaus! hat ebenfalls eine Facebook-Fan-Seite. Die die Einträge des Blogs spiegelt – jedenfalls die ersten Zeilen. Um den ganzen Blogeintrag zu lesen, müssen Leser ohnehin auf augengeradeaus.net wechseln – und wo sie kommentieren, steht ihnen frei (ich bin ja der Meinung, dass das im Blog sinnvoller ist, um die ganze Debatte an einer Stelle zu haben – und FB nicht noch zusätzliche Daten zu liefern…)
Und noch ein Nachtrag: Ein Leser hat mich dankenswerterweise auf ein Ranking der Karriereseiten auf Facebook hingewiesen. Da steht die Bundeswehr mit ihrer Karriereseite an erster Stelle…
@chickenhawk:
Mit einem Zusatz: Wenn facebook, dann nur für Facebook-Nutzer! Alle anderen haben damit nichts zu tun! Mehr will das ULD ja garnicht.
Aber das ist doch realitätsfremd. Wenn ein bestimmtes Angebot öffentlich ist, dann muss es auch für alle öffentlich sein (zumal bei Informationen, welche staatliche Stellen der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen).
Unter Umständen hätte das sogar den – vermutlich nicht gewünschten – Effekt, dass man die Interessanten dadurch erst nötigt, sich bei Facebook zu registrieren.
Wenn Facebook gegen deutsches Recht verstößt, so sollten die dazu berufenen deutschen Behörden tätig werden.
Aber gleich zu postulieren, es sei „rechtswidrig“, bei Facebook als Anbieter aufzutreten, ist weit über das Ziel hinausgeschossen.
Das ist mal wieder typisch deutsch, genauso wie nachts um zwei Uhr nicht die menschenleere Straße zu überqueren, nur weil die Ampel – pardon: Lichtzeichenanlage – gerade rot anzeigt und das ganze eine Ordnungswidrigkeit wäre.
@Prytan:
Ich lese nicht nur Heise-Online. Denn https://www.datenschutzzentrum.de/facebook/facebook-ap-20110819.pdf sagt etwas anderes.
Darüber hinaus wüsste ich nicht, warum eine Behörde ein illegales Werkzeug durch Trickserei nur für sich legal machen sollte und einen Rechtsbruch somit ausdrücklich billigt!
Aber ich denke wir können es gut sein lassen. Facebook ist am Zug, sein Angebot und seine sog. Social-Plugins (zumindest für deutsche Firmen und Behörden) an deutsches Recht anzupassen oder diese Unternehmen und Behörden können sich dieser Tools eben nicht bedienen ohne illegalen Handlungen Vorschub zu leisten. Eigentlich ganz einfach.
@chickenhawk:
„Wenn Facebook gegen deutsches Recht verstößt, so sollten die dazu berufenen deutschen Behörden tätig werden.“
Exakt DAS passiert ja gerade: https://www.datenschutzzentrum.de/facebook/
P.S.: Was spricht denn dagegen, selbst Nachts um 2 an der Ampel stehen zu bleiben?
Die Engländer nennen das „common sense“, was mit gesunder Menschenverstand nur unzureichend übersetzt ist.
Das ist so ähnlich, wie wenn man an einer amerikanischen Supermarktkasse ein paar Cent zu wenig dabei hat. Man darf trotzdem mit der Ware den Laden verlassen; für Menschen, die in Deutschland aufgewachsen sind, ist das völlig unbegreiflich.
@chickenhawk:
Common sense (bin ich auch ein Fan von, so isses nicht) hin oder her: Man muss halt nur damit rechnen, dass sich die Behörden, „die sich dazu berufen fühlen“ trotzdem tätig werden.
Ich glaub‘ wir beide sind da auch garnicht so weit auseinander.
Ich bin absolut dafür, dass Facebook auf die Finger geschaut und bei Bedarf auch mal auf selbige geklopft wird. Deswegen sollte das ULD auch am Ball bleiben.
Man muss allerdings berücksichtigen, dass wir es hier letztlich mit einem Symptom der Globalisierung zu tun haben.
In den USA (der Heimat von Facebook) hat man ganz andere Vorstellungen zu den Themen Öffentlichkeit und Datenschutz („privacy“), als wir es hierzulande gewohnt sind. Es sind einfach andere Traditionen, das muss man akzeptieren.
Das könnte man noch an vielen weiteren Beispielen verdeutlichen, aber das würde den Rahmen hier sprengen, aber vielleicht dieses: In den USA kann ich, aus reiner Neugier, Einsicht in jede Steuererklärung nehmen, in die eines prominenten Multi-Milliardärs, aber auch in die meines Arbeitskollegen.
Das ist ein radikal anderes Verständnis von Datenschutz.
Steuererklärungen sind auch in Skandinavien einsehbar. Bestes Bsp. in den USA sind/ ist der criminal record – die Liste mit den Straftatbeständen. In einigen Bundesstaaten für jedermann im Internet einsehbar, teilweise steht auch in den lokalen Blättern, wer für was verhaftet wurde. Die verstehen gar nicht die Sorgen der Deutschen mit Schutz von Klarnamen etc., weil es diese Sachverhalte dort gar nicht gibt.
FB schön und gut….ABER: wie sieht es denn bei den Abgeordneten aus,
die mit dem vom Steuerzahler finanzierten IPhones und IPads im Bundestag rumhantieren etc.
APPLE weiss doch alles, wo man ist, was man „ansurft“ etc….? Schon mal darüber Gedanken gemacht?
MkG
@UmPp
Zum einen kann und muss man wohl sagen, selber Schuld, wer Apple nutzt, ähnliches gilt auch für normale Blackberry-Produkte.
Ein Abgeordneter sollte in aller Regel soetwas wie eine Sicherheitseinweisung erhalten und je höher das cleareance-level ist („geheimnisstufe“), desto geringer wird die Nutzung allerlei herkömmlichen Schnickschnacks sein, zumal dann auch besondere Produkte zur Verfügung stehen… Abhörsichere Telefone, neutrales Netz etc.
Es scheint ja eine gewisse Befürchtung zu geben, finstere Mächte in den USA würden die Bedeutung amerikanischer Technologiefirmen nutzen, um deutsche Bundestagsabgeordnete auszuspionieren.
Das mag der Fall sein, oder auch nicht. Man sollte sich aber auch mal Gedanken machen, wer die Abermillionen von PC Mainboards, Netzwerkkarten, Routern, Switches, Mobiltelefone usw., die in China produziert werden, mal einer eingehenden Überprüfung unterzieht. Auch Apple lässt seine iPhones nicht in Cupertino, sondern im Reich der Mitte fertigen.
Evtl. finden sich da ja auch Komponenten, deren Funktion sich keiner so recht erklären kann. Und was die Firmware im einzelnen macht, weiß auch keiner so genau.
Bereits 2006 beschlagnahmte das FBI gefälschte Hardware aus China:
http://www.networkworld.com/news/2006/102306counterfeit.html
Mittlerweile hat auch das Ministerium die Meldung auf seiner HP – wie ich finde sehr verständlich und lesenswert gestaltet: http://www.bmelv.de/SharedDocs/Standardartikel/Verbraucherschutz/Facebook-Button-Fanpage.html
Zu den Fanpages heißt es:
„Bei „Fanpages“ kritisiert das ULD zurecht, dass die Betreiber einer „Fanpage“ die Analyse der Nutzung ihrer Seite (sog. Reichweitenanalyse) nicht abschalten können und daher das nach § 15 Abs. 3 TMG bestehende Widerspruchsrecht der Nutzer nicht ausgeübt werden kann. Für diesen Datenschutzverstoß sei nicht nur Facebook, sondern auch der Betreiber der Fanpage verantwortlich. Dieser gebe die Datenverarbeitung an Facebook als „Auftragsdatenverarbeiter“ weiter, so dass die Verantwortung beim Betreiber der „Fanpage“ als Auftraggeber verbleibe. Da sich die Nutzungsanalyse nicht deaktivieren lasse, könnten „Fanpages“ derzeit nicht rechtskonform betrieben werden.“
Das dürfte auch Herrn Wiegold betreffen. Oder?