Bußgeld bei falschen Sicherheitskräften, Pakistan-Training für Piraten?
Übers Wochenende gab’s zwei Piraten-Meldungen, die einen eigentlich nur verblüffen können. Sie scheinen aber beide ernst gemeint…
Zum einen, meldete die Welt bereits am Freitag, plane die Bundesregierung ein Bußgeld für deutsche Reeder – wenn sie auf ihren Schiffen private Sicherheitsdienste ohne die künftig erforderliche Zertifizierung einsetzen. Nun verbreiten zwar die Kollegen auch weiterhin hartnäckig die Mär, dass derzeit solche privaten Bewaffneten auf deutschen Schiffen nicht erlaubt seien, deshalb: Sollte die Bundesregierung tatsächlich den Schutz für die Reeder gegenüber der derzeitigen Gesetzeslage dadurch einschränken wollen, dass die dafür zugelassenen Sicherheitsdienste eine neue Zertifizierung brauchen, wäre das nicht besonders freundlich gegenüber den Unternehmen. Denen man ja schon den Wunsch abgeschlagen hat, deutsche Polizisten oder Soldaten dafür abzustellen. (Es sei denn, dem ganzen liegt ein gezieltes Missverständnis zu Grunde – private Wach- und Sicherheitsdienste, die Waffen führen, brauchen schon heute auch für alles mögliche Andere eine Zertifizierung…)
Vor allem wäre ein solches Vorgehen belanglos. Angesichts der geringen Zahl der Schiffe unter deutscher Flagge, die deutsche Reeder betreiben – im Vergleich zu den Schiffen, die sie unter der Flagge anderer Länder fahren lassen. Wird halt noch ein bisschen mehr ausgeflaggt (das weiß die Bundesregierung natürlich auch; deshalb würde ich diese Meldung mit Vorsicht sehen).
Die andere Meldung klingt noch ein bisschen verrückter: Hinter den Piraten Somalias stehe, melden indische Quellen, natürlich der Erzfeind Indiens – Pakistan. Beleg dafür seien vor allem Packungen mit Lebensmitteln (!), die bei mutmaßlichen Piraten gefunden wurden, die auf einem aufgebrachten Mutterschiff vor der Küste Indiens festgenommen wurden – und aus Pakistan stammen. Bei der Vernehmung hätten die neun Festgenommenen aber angegeben, Schmuggler zu sein. Obwohl ihre Waffen (ohne Herkunftsmerkmale) und das mitgeführte Bargeld dagegen sprächen.
Die Nachricht ist ein bisschen komisch. Und bis zum Beweis des Gegenteils halte ich die Idee, dass die Pakistani in ihren Camps somalische Piraten für das Kapern von Schiffen trainieren, schlichtweg für abenteuerlich. Vielleicht passt es auch einfach nur in eine bestimmte Grundstimmung in dieser indischen Region.
Als gering würde ich die Zahl der Handelsschiffe unter deutscher Flagge nicht bezeichnen: Ende 2010 waren das rund 440. Auch wenn die deutschen Reeder
wohl noch einige Schiffe ausflaggen werden, bliebe doch einiges zu tun im
Piratengebiet …
@Deichpirat
Das ist relativ, angesichts der Tatsache, dass deutsche Reeder die drittgrößte Handelsflotte und die größte Containerflotte weltweit betreiben…
[…]Wird halt noch ein bisschen mehr ausgeflaggt (das weiß die Bundesregierung natürlich auch; deshalb würde ich diese Meldung mit Vorsicht sehen).[…]
Das ist sehr ambivalent.
Zum einen ist die Handelsnation DEU auf funktionierende Handelswege unterschiedlichster Verkehrsträger und darauf fahrender Transportraum angewiesen.
Aber müssen das dt Logistikunternehmen bewerkstelligen? Warum? Was haben wir davon?
Anders: Fährt ein Reeder unter z.B. panamesischer Flagge, dann soll er doch bitte bei der Regierung Panamas intervenieren, dass diese von seinen Steuergeldern den Schutz seiner Schiffe sicherstellen. Oder er soll seine Steuern hier bezahlen, dann ist DEU (wieder) in der Pflicht. Auch das darf an dieser Stelle einmal gesagt werden.
Nun ist das wie ich eingangs erwähnte ambivalent (z.B. Schifsregister: Erst und Zweitregister; immerhin noch ein dt Unternehmen, was durchaus noch hier Steuern bezahlt, nur eben nicht auf die Schiffe, usw.).
@Sachlicher
„Fährt ein Reeder unter z.B. panamesischer Flagge, dann soll er doch bitte bei der Regierung Panamas intervenieren, dass diese von seinen Steuergeldern den Schutz seiner Schiffe sicherstellen. Oder er soll seine Steuern hier bezahlen, dann ist DEU (wieder) in der Pflicht. “
Das ist bürokratische Zuständigkeitslogik. Deutsche Interessen sind aber unabhängig davon berührt, weil der Handel insgesamt beeinträchtigt wird.
Selbst wenn man dieser Zuständigkeitslogik folgt läuft aber etwas falsch, wenn der „Vorteil“, den der Steuerzahler hat, in ideologisch motivierten Zwangsauflagen besteht, die seine Geschäftstätigkeit unnötig erschweren. Die Bundesregierung erklärt ja offen, dass es bei der Zertifizierung in erster Linie wieder einmal um Täterschutz und nicht um den Schutz deutscher Interessen geht.
Langsam bildet sich ein Muster an Inkompetenz heraus, was staatliche Maßnahmen zum Schutz wirtschaftlicher deutscher Interessen im Ausland angeht. Schon die Libyen-Evakuierung hat einige davon überzeugt, sich künftig nur noch auf private Dienstleister zu verlassen.
@ Orontes | 29. August 2011 – 11:17-
Stop mal bitte. Es ist legitim, diejenigen, die den dt Staat so gerne zu etwas auffordern auch daran zu erinnern, dass diese Auffforderungen zum Handeln unter anderem auch finanziell unterlegt werden müssen.
Ebenso ist es grundsätzlich erstmal legitim und richtig, dass die Bundesrepublik Auflagen an Waffenträger im Hoheitsbereich der Bundesrepublik macht.
Davon abgesehen, dass ich von der „Privatisierung der Sicherheit“ vor allem im internationalen Kontext nichts halte, brauchen wir eine große Lösung für das Piratenproblem.
Diese Diskussion um die Zertifizierung privater Sicherheitsfirmen auf dt Schiffen bzw. Schiffen dt Reeder ist eine Stellvertreterdiskussion, die nicht ein klitzekleines Problemchen im Gesamtkontext lösen hilft.
[…]Deutsche Interessen sind aber unabhängig davon berührt, weil der Handel insgesamt beeinträchtigt wird.[…]
Was bitte haben Sie an „ambivalent“ und dem Passus: […] Zum einen ist die Handelsnation DEU auf funktionierende Handelswege unterschiedlichster Verkehrsträger und darauf fahrender Transportraum angewiesen.[…] nicht verstanden?
@Deichpirat: Die Zahl der Schiffe die durch den Suezkanal fahren ist sogar noch deutlich geringer. Zu den Schiffen unter deutscher Flagge gehören ja auch all die Spezialschiffe und Feeder in Nord- und Ostsee. Die Debatte betreffend der privaten Sicherheitsleute auf Schiffen unter deutscher Flagge ist von ihrer Bedeutung her zu vernachlässigen! Viel wichtiger sind konzeptionelle Überlegungen um die Schiffe zu sichern, deren Reeder und Eigner deutsche Unternehmen sind!
Zur Frage der Bindung der Eigensicherung an zertifizierte Dienstleister zwei Anmerkungen:
– Ein Bußgeld würde nicht zwangsläufig vom Flaggenrecht abhängen. Der Welt-Artikel suggeriert mit der Formulierung, „das Bundesinnenministerium [wolle] künftig nur noch zertifizierte Sicherheitsdienste auf _deutschen Handelsschiffen_ zulassen“, die Planung eines Tatbestandsmerkmals, das so für den angestrebten Zweck kontraproduktiv ist und so gewiss nicht käme. Das durch die Rechtsgrundlage dieses Bußgeldes von deutschen Rechtssubjekten eingeforderte Verhalten besteht im Unterlassen, ein nicht-zertifiziertes Unternehmen mit der Sicherung eines Handelsschiffes zu beauftragen. Weder das Flaggenrecht des Schiffes noch die Eigentumsverhältnisse am Schiff hemmen einen solchen Regelungsansatz. Vor allem braucht die Sicherung des Schiffes nicht schon unter anderen Gesichtspunkten rechtswidrig sein, bspw. wegen der eingesetzten Bewaffnung.
Die Frage ist, über welche Wege – je nach konkreter Ausgestaltung einer solchen Regelung – die Beauftragung eines nicht-zertifizierten Sicherheitsunternehmens den deutschen, der Bußgeldvorschrift unterfallenden Rechtssubjekten zuzurechnen ist. Neben dem tatsächlichen Vertragsverhältnis mit dem Dienstleister kann hier umgekehrt das Eigentum am Schiff (aus dem für deutsche Gesellschaften dann i.d.R. auch die deutsche Beflaggung folgt) eher additiv einbezogen werden. Daraus wiederum stellt sich die Frage, wie aufwändig es für deutsche Reeder ist, eine solche Zurechnung von sich fern zu halten.
Allerdings denke ich nicht, dass diese Idee umgesetzt wird. Der bürokratische Aufwand steht dem Ziel, über die bestehenden Rechtsverhältnisse an Bord, die final bereits alle Sachverhalte abdecken, ein präventiv-regulatorisches Netz zu legen, unverhältnismäßig gegenüber.
– Ich habe es bereits einmal angedeutet, die Ausflaggung halte ich in dieser Hinsicht für überschätzt, jedenfalls soweit durch sie bestimmte Praktiken an Bord strafrechtlich in andere Rechtsräume verlagert werden sollen. Sollte es zu breiten strafrechtlichen Auseinandersetzungen um die Thematik des privaten Piraterieschutzes kommen, dürfte der relevante Fallstrick nicht sein, (noch) unter deutscher Flagge zu fahren, sondern bereits vor langer Zeit unsachgemäß ausgeflaggt und sich dann in Sicherheit gewogen zu haben. Die Ausflaggung erfolgt meist unter pragmatischen register- und steuerrechtlichen Gesichtspunkten und wird selten einer kritischen Prüfung unterzogen, z.B. bei Änderungen in der Gesellschaftsstruktur der Reederei. Sie hat faktisch eine sowohl diplomatische als auch wirtschaftspolitische Konnotation, vor allem für eine Exportnation. Soll heißen, dass sich viele in diesem Sinne „funktionierende“ Ausflaggungen bei genauer Betrachtung aller Rechtsverhältnisse, wie sie in einem strafrechtlichen Ermittlung erfolgen könnte, als nicht wirksam erweisen könnten, d.h. nicht vom Führen der Bundesflagge entbinden. Das Strafrecht knüpft zudem bewusst an die Berechtigung zum Führen der Bundesflagge an, nicht an das Führen selbst. Dahinter steht die aus meiner Sicht legitime und gebotene Wertung, dass Personen, die deutschem Strafrecht unterfallen, eine diesbezügliche Verantwortung nicht durch formaljuristische Trickserei einfach abstreifen können. Die Berechtigung erlischt daher einerseits längst nicht mit jeder praktisch durchgeführten, wirksamen Ausflaggung. Andererseits ließe sich die Berechtigung je nach Rechtsauffassung, wenn man es „drauf anlegt“, auch aus Hilfskonstruktionen, bspw. die parallele Annahme einer Partenreederei zu den von den Eigentümern intendierten Rechtsverhältnissen, ableiten. Insofern liegen rechtliche Lösungen für den Piraterieschutz nicht so einfach auf der Hand.