„Bild“: Todesschütze von Isa Khel von Afghanen freigelassen (mit Update)

Deutsche Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) haben nach einem Bericht der Bild-Zeitung einen der Aufständischen festgenommen, der an dem Gefecht in Isa Khel bei Kundus beteiligt gewesen sein soll, bei dem am Karfreitag 2010 drei Bundeswehrsoldaten ums Leben kamen. Der Mann gelte als Drahtzieher des Hinterhalts, schreibt das Blatt – und sei nach seiner Festnahme von den afghanischen Behörden wieder frei gelassen worden.

(Nachtrag: Die Erklärung des KSK liegt inzwischen auch Reuters vor.)

Unter Berufung auf das KSK heißt es bei Bild, der Afghane habe zwar seine Anwesenheit bei dem Gefecht eingeräumt, es habe aber keine hinreichenden Beweise für eine unmittelbare Tatbeteiligung gegeben. Deshalb sei der bereits am 6. März dieses Jahres Festgenommene Anfang Juni wieder auf freien Fuß gesetzt worden.

Wenn sich das so bestätigt, ist das ein Rückschlag – für die Zusammenarbeit der deutschen ISAF-Truppen mit den Afghanen. Und jenseits des Militärischen für den zivilen Aufbau, weil es auch an einer vertrauenswürdigen Justiz zu hapern scheint (letzteres mit allem Vorbehalt, weil die vorgelegten Beweise nicht bekannt sind).

Taliban insurgents pose in front of a burning German military vehicle in Isaa Khail village of Char Dara district of the northern Kunduz Province April 3, 2010. Three German soldiers were killed and five others seriously injured in fighting in Kunduz, the German Army Command in Potsdam said on Friday. REUTERS/Wahdat (AFGHANISTAN – Tags: CIVIL UNREST POLITICS IMAGES OF THE DAY)

Kunduz, Afghanistan, – April 03, 2010. Taliban insurgents pose in front of a burning German military vehicle in Isaa Khail village of Char Dara district of the northern Kunduz Province April 3, 2010. Three German soldiers were killed and five others seriously injured in fighting in Kunduz, the German Army Command in Potsdam said on Friday. REUTERS/Wahdat via fotoglif.com

Update: Der dpa-Kollege Can Merey, der Afghanistan im Blick hat, hat eine Information, die das Ganze doch in neuem Licht erscheinen läst:

Kabul (dpa) – Ein des Mordes an Bundeswehr-Soldaten beschuldigter Afghane, den die afghanische Justiz wieder freigelassen hatte, ist nach Angaben aus deutschen Sicherheitskreisen nicht an der Tat beteiligt gewesen.

Der Mann trage zwar einen ähnlichen Namen wie einer der Verdächtigen, sei aber unschuldig, erfuhr die Nachrichtenagentur dpa am Freitag aus zuverlässiger Quelle. Bei einer Operation von Bundeswehr-Spezialkräften und afghanischen Einheiten sei der falsche Mann festgenommen worden. Er sei nach den vorliegenden Erkenntnissen unschuldig und zu Recht aus der Haft entlassen worden.

Ich darf auf die Quelle verweisen: nach Angaben aus deutschen Sicherheitskreisen.

Und noch ein Nachtrag: Die Fragen und Antworten dazu aus der Bundespressekonferenz am 15. August. Die Antworten kommen von Stefan Paris, Sprecher des Verteidigungsministeriums, und Andreas Peschke, Sprecher des Auswärtigen Amtes:

Frage: Es gab am Freitag, wo wir uns unglücklicherweise hier nicht treffen konnten, mehrere Geschichten und Meldungen über einen Vorgang in Afghanistan, nämlich die Festnahme eines Verdächtigen, der möglicherweise an einem Anschlag auf die Bundeswehr beteiligt war, und seine anschließende Freilassung durch die afghanischen Behörden. Man hatte im Nachgang das Gefühl, dass es sehr verschiedene Einschätzungen dieses Vorgangs gab. Vielleicht können die beteiligten Ministerien noch einmal Ihre Sicht auf diese Dinge darstellen. Am Freitag hat das Auswärtige Amt gesagt, man würde mit der Botschaft in Kontakt stehen und diesen Fall prüfen. Vielleicht kann das Auswärtige Amt das Ergebnis dieser Prüfung darstellen, wie sich dieser Fall aus deutscher Sicht darstellt.

PARIS: Ich glaube, es ist chronologisch sinnvoll, dass ich beginne.

Ich kann das, was am Freitag gemeldet worden ist, nur noch einmal bestätigen. Es hat eine Festnahme einer Person in Afghanistan gegeben, und zwar am 6. März 2011. Diese Festnahme erfolgte durch afghanische Sicherheitskräfte mit Unterstützung der im Bereich RC North eingesetzten Kräfte der Taskforce 47, also Spezialkräften der Bundeswehr.

Der Festgenommene war zu diesem Zeitpunkt dringend verdächtig, bei dem Anschlag am 2. April – das ist der sogenannte Karfreitag-Anschlag – auf eine deutsche Patrouille mit drei deutschen Gefallenen und mehreren Verwundeten beteiligt gewesen zu sein. Im Nachgang zu diesem Anschlag hat es verschiedene Operationen gegeben, auch mit Unterstützung der Spezialkräfte der Bundeswehr. Bei einer Gelegenheit sind in der Nacht auf einem Gehöft eben diese Person und auch andere Personen angetroffen worden. Der Tatverdacht, von dem ich eben sprach, gründete sich auch darauf, dass die Person auf einem Foto abgebildet war, das an dem Anschlagsort vom 2. April aufgenommen worden war.

Dieser Punkt und auch andere Punkte, insbesondere die Auffindesituation, sprachen dafür, dass die afghanischen Kräfte diese Person festgenommen haben. Wie es in Afghanistan der Fall ist, wurde diese festgenommene Person dann den afghanischen Justizbehörden – der Staatsanwaltschaft – übergeben.

Dann ist für mich die Geschichte aus Sicht der Kommandospezialkräfte, respektive Verteidigung, beendet, weil die Festnahmesituation eindeutig so war: dringender Tatverdacht, Person durch afghanische Sicherheitskräfte festgenommen und dann an die zuständigen afghanischen Behörden übergeben. Das ist unser Job. Den haben wir erfüllt. Wir haben in dem Moment den Richtigen festgenommen, weil der dringende Tatverdacht bestand.
Danach ist er dem Vernehmen nach durch die afghanischen Justizbehörden auf freien Fuß gesetzt worden. Das kann ich aber nicht bestätigen, weil ich für diese Behörden nicht spreche. Ich habe Ihnen gesagt, dass er danach freigelassen worden sein soll. Ich weiß es aber nicht genau.

PESCHKE: Ich kann an der Stelle gerne den Ball aufnehmen.

Es ist in der Tat so, dass, wie Herr Paris es gerade beschrieben hat, eine Person festgenommen wurde. Die Person war in den Händen der afghanischen Ermittlungsbehörden. Soweit wir die Ermittlungszwischenstände nachverfolgen konnten, haben sich die Verdachtsmomente, von denen Herr Paris hier gerade gesprochen hat, im Laufe der Ermittlungen bisher nicht erhärtet, sodass diese Person auf freien Fuß gesetzt wurde. Das ist der Ermittlungsstand.

Ich kann das nur in der Form wiedergeben, wie uns der Ermittlungsstand vorliegt. Es ist eine Ermittlung, die von afghanischen Ermittlungsbehörden geführt wird. Ich kann nur sagen, dass wir natürlich aufgrund der Relevanz des Vorgangs für uns – es handelt sich um einen Anschlag gegen deutsche Kräfte, der hier in Rede steht – erwarten, dass die afghanischen Ermittlungsbehörden alles daran setzen, zu einer umfassenden Aufklärung zu kommen, dass dieser Fall weiter untersucht wird, dass weitere Aufklärung betrieben wird und dass im Rahmen der Möglichkeiten, die gegeben sind, alles daran gesetzt wird, diesen Vorgang rechtsstaatlich nachzuverfolgen und aufzuklären. Das ist unsere klare Erwartung. Mit dieser sind wir noch einmal an die afghanischen Behörden herangetreten.

Zusatzfrage: Es gibt auch Berichte, die bei Ihnen im Haus vorliegen, die besagen, dass dieser Verdächtige sich dem sogenannten Reintegrationsprogramm für mittelwichtige oder weniger wichtige Talibankommandeure angeschlossen hat, das ja massiv von der Bundesregierung unterstützt wird. Dieses Programm sieht unter anderem eine Amnestie vor. Heißt das aus Sicht des Auswärtigen Amtes, dass Taliban, die sich diesem Programm anschließen, sozusagen für Taten, die sie zuvor begangen haben – möglicherweise auch tödliche Anschläge auf die Bundeswehr -, eine volle Amnestie genießen?

PESCHKE: Nein, das heißt es mit Sicherheit nicht. Es ist in der Tat so, dass es Hinweise darauf gibt, dass diese in Rede stehende Person in das Reintegrationsproramm der afghanischen Regierung aufgenommen wurde. Das ist allerdings ein Vorgang, der noch der abschließenden Klärung bedarf. Dazu stehen wir im Kontakt mit den afghanischen Behörden.

Das sind aber zwei verschiedene Paar Schuhe. Wenn Anschläge geplant und ausgeführt werden, wenn es Verdachtsmomente gibt, dass bestimmte Personen an solchen Vorgängen beteiligt sein könnten, muss aus unserer Sicht diesen Verdachtsmomenten zunächst einmal in aller Konsequenz im Rahmen der dafür zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Möglichkeiten nachgegangen werden. Das ist auch ein Grund, weshalb wir sehr viel Wert auf die Ausbildung der afghanischen Behörden, insbesondere der Justizbehörden, legen, damit die Nachverfolgung solcher möglichen Straftaten im Rahmen rechtsstaatlicher Möglichkeiten möglichst effektiv erfolgen kann.

Wir wissen alle um die Defizite, die es im Bereich der afghanischen Justiz noch gibt. Es ist deswegen für uns und für die internationale Staatengemeinschaft ein wesentlicher Ansatzpunkt, dabei zu helfen, dass diese Defizite abgestellt werden können, damit solche Fälle gründlich nachverfolgt werden können und damit in solchen Fällen für entsprechende Aufklärung gesorgt werden kann. Den Ermittlungsstand in diesem Fall habe ich Ihnen geschildert. Dieser ist so, wie er ist. Aber selbstverständlich erwarten wir von der afghanischen Seite aufgrund der Relevanz des Vorgangs für uns – ich habe schon gesagt, dass es sich um einen Verdächtigen im Zusammenhang mit einem Anschlag gegen die Bundeswehr handelt -, dass sie die Aufklärung in diesem Fall nicht ruhen lässt, sondern weiter vorantreibt. Sollten sich neue Erkenntnisse im Zusammenhang mit der in Rede stehenden Person ergeben, erwarten wir natürlich entsprechende justizielle Schritte.