Übergabe in Verantwortung – warum nicht an die Mongolen?
Das deutsche Provincial Reconstruction Team (PRT) Faisabad (Feyzabad) in der nordafghanischen Provinz Badakshan liegt schon ein wenig am Rande der deutschen Wahrnehmung. Im vergangenen Jahr wurde das Bundeswehr-Feldlager drastisch ausgedünnt, Taliban gibt’s in der Region eh kaum, und dass die abgelegene Provinz an der Grenze zu Tadschikistan wieder mehr Bedeutung für die Opiumproduktion bekommt, ist auch etwas nachrangiger – gehört doch die Bekämpfung des Mohnanbaus ausdrücklich nicht zur den Aufgaben der deutschen ISAF-Truppen. Die Vergessenen von Faisabad hatte ich voriges Jahr nach einem Kurzbesuch dort geschrieben.
Da horcht man dann schon auf, wenn heute die Meldung kommt: Die Mongolei wird ihre Truppen im Norden Afghanistans deutlich aufstocken und die Bundeswehr dadurch entlasten. 160 statt der bislang 40 Soldaten sind für das PRT Faisabad geplant – und dann die Aussage des deutschen Verteidigungsministeriums: Ob sich durch das zusätzliche Engagement der Mongolen Spielraum zum Abzug deutscher Soldaten ergibt, hängt nach Angaben des Verteidigungsministeriums von der weiteren Entwicklung der Sicherheitslage ab.
Im PRT Faisabad sind derzeit rund 260 deutsche Soldaten stationiert. Bei einer Vervierfachung des mongolischen Engagements dort würde ich fast wetten, dass die Bundeswehr da in nicht allzuferner Zukunft die Übergabe in Verantwortung vollzieht – und wenn Faisabad und Badakshan von ISAF und afghanischer Regierung bislang nicht für diese Transition vorgesehen sind, dann macht man die Übergabe halt an eine ISAF-Partnernation. Wenn es denn nur dazu führt, dass man eine Verringerung der Bundeswehr-Soldaten am Hindukusch verkünden kann.
Verteidigungsminister Thomas de Maizière im Gespräch mit mongolischen Soldaten in Faisabad Ende März (Foto: Bundeswehr/Schöne via flickr unter CC-Lizenz)
Das wird den Afghanen (deren Geschichtsbewußtsein sich nicht auf 12 böse Jahre beschränkt) sicherlich extrem zusagen und das Vertrauen in ISAF stärken, wenn ausgerechnet Mongolen das Ruder übernehmen.
@ JCR | 07. Juli 2011 – 16:25
Volle Zustimmung!
Man kann in der Tat den Eindruck bekommen, dass man ISAF mit voller Wucht gegen die Wand fahren will.
Die Frage ist nur: Wem/Was dient das?
OT – Gibt es hierzu etwas zu sagen?
Bundeswehr joins EU combat force
@ b:
Abgesehen davon, dass EUBG (wie NRF) weiterhin viel Belastung bringen und keinen Sinn haben eigenlich nicht.
Hat von denen die hier was gepostet haben schon mal jemand mit den Mongolen zusammengearbeitet? Denke ehr nicht! In vielen Bereichen sind sie mindestens genau so gut ausgebildet, von der englischen Sprachen wollen wir mal gar nicht sprechen, wenn ich mir so den einen oder anderen HptFw Infanterie anschaue. Und warum sollten sie nicht auch andere Aufgaben als die Lagerwache übernehmen. Bloß weil sie keine Europäer oder Nordamerikaner sind, heißt dass ja nicht das sie schlechte Soldaten sind, auf das Roß sollten wir uns nicht setzen. Außerdem werden die Soldaten durch Deutsche vorher ausgebildet.
„Am 02.05.11 hat der Bundesminister der
Verteidigung, Dr. Thomas de Maizière, das mongolische Angebot zur Ausweitung
des Engagements im Rahmen der Schutzkompanie PRT Faizabad angenommen.
Gleichzeitig hat er die entsprechend bereitzustellenden Unterstützungsleistungen
durch Deutschland (zum Beispiel Ausbildungsunterstützung) gebilligt.“
@Fiesling
Darum gehts nicht, wie gut die ausgebildet sind.
Die Afghanen verbinden Mongolen mit Dschingis Khan.
Warum sind wohl die Hazara (die Nachfahren der Mongolen in Afghanistan) so verhaßt, obwohl sie seit Jahrhunderten dort leben?
Nein, wir machen das jetzt mal… Ist politisch gut für die Regierung und was die Bevölkerung von Feyzabad davon hält ist ja völlig egal…
Die Hazara sind fast ausnahmslos Schiiten…
@ Fiesling | 07. Juli 2011 – 21:30
Es geht nicht darum, dass die entsandten mongolischen Soldaten irgendwelche Mängel hätten, ganz im Gegenteil, da stimme ich Ihnen zu.
Es geht darum, dass man für die örtlichen Afghanen aus rein traditionellen/geschichtlichen Gründen die Mongolen nicht Mongolen nennen darf. Ein von Mongolen geführtes PRT wird vorhersehbar unnötige Probleme haben, wenn nicht sogar in der Katastrophe enden. So ein nettes Pogrom gegen Mongolen, weil es Mongolen sind, bekommt ein örtlicher Scharlatan dort locker organisiert. So ist nun mal die afghanische Realität.
Auch nach Dschingis Khan gab es da so einige Dinge, die örtlich eine Legendenbildung erfahren haben, die Probleme vorprogrammieren.
Aber wenn man für die Kulturkenntnisse bei der BW mehrheitlich in Deutschland ausgebildete Ethnologinnen einsetzt, merkt man so was natürlich nicht.
„Chancen multiplizieren sich, wenn man sie ergreift.“
Nur so als Anmerkung: Hat man sich schon mal gefragt, warum die Mongolen so gut Leute schicken?
Nur mal zum nachdenken …
„Tiefes Wissen heißt, der Störung vor der Störung gewahr sein…“ Zitate sind aus: Die Kunst des Krieges
Noch mehr fernöstliche Weisheiten, z.B. über klassische mongolische Counterinsurgency:
„Glück bedeutet,
seine Feinde zu vernichten,
sie vor sich herzutreiben,
sie ihres Reichtums zu berauben,
ihre Verwandte in Tränen aufgelöst zu sehen,
ihre Pferde zu reiten
und auf den weißen Bäuchen
ihrer Frauen und Töchter zu schlafen.“
Nu‘ ist aber mal gut mit dem fernöstlichen Kram.
Okay, dass hab ich dann wohl falsch verstanden. Passiert schnell mal das man den kulturellen Aspekt übersieht. Aber wenn man das hier so liest, passiert ja nicht nur mir das, sondern wohl auch dem einen oder anderem im BMVg ;-)
@ Sun Tzu
Ich kann mir kaum vorstellen, dass Mongolen „vorbelasteter“ sind als Amerikaner oder Briten.
Fehlt jetzt nur noch der Hinweis, dass mittlerweile auch ehemalige Sowjet-Staaten an NATO und ISAF beteiligt sind. Etwa Estland: Two Tours in Afghanistan: Twenty Years and Two Armies Apart
So wie ISAF strukturiert ist wird man immer „die Ausländer“ bleiben. Und wie sich damit Stimmung machen läßt hat man ja erst wieder bei den blutigen Demonstrationen in Mazar und Taloquan gesehen. Das war abzusehen, und in zehn Jahren sollte man eigentlich ein Konzept entwickelt haben, wie man damit umgeht. Eigentlich.
Ob da das Mongolische besonders ins Gewicht fällt, gerade im Vergleich zu den Amerikanern und dem 10-jährigen Versagen der Bundeswehr, darf dann doch bezweifelt werden.
Zum Vergleich mal ein paar afghanische Meinungsschnipsel: „Is the U.S. Airlifting Taliban Troops into Northern Afghanistan?“:
„On moonless nights, after the agony of a fuchsia and orange desert sunset fades to complete blackness, U.S. helicopters airlift Taliban fighters from Kandahar and Helmand to highly secretive drop areas on the sedimentary planes of northern Afghanistan.
Qaqa Satar, my opinionated driver from Mazar-e-Sharif, believes this. My host in Kabul, a shoe salesman, believes this. His daughter’s fiancé, a freelance radio journalist, believes this, as does my old friend Mahbuhbullah in Dasht-e-Qaleh, the head of the Afghanistan Independent Human Rights Commission in Kunduz, and the turbaned elder of Naubad and Umakoi, two farming villages just outside the ancient, limestone walls of Balkh, their porous dry clay pale through the fields of unripe wheat like the bones of some prehistoric dragon.
Do not rush to dismiss this far-fetched conspiracy theory as the unenlightened jabber of uneducated men. Consider it, instead, a byproduct of the grotesque failure by international donors and NATO to improve life here, despite the billions of dollars and tens of thousands of troops pumped into this country since the war began on Oct. 7, 2001. „
„This Time the American and German Invaders Took Lives in Takhar“:
„Even the people of Takhar and Kunduz have the idea that Germans and Americans have created their desired Taliban groups to insecure the two provinces and use them in the auspicious opportunities but amid this our innocent people are suffering.“
Zu:
Nur so als Anmerkung: Hat man sich schon mal gefragt, warum die Mongolen so gut Leute schicken?
Weil sie sie haben? ;)
Mir wär jetzt keine ISAF-Nation bekannt, die absichtlich zweitklassige Einheiten nach Afghanistan schickt…
@ Sun Tzu
> Nur so als Anmerkung: Hat man sich schon mal gefragt, warum die Mongolen so gut
> Leute schicken?
Ein wichtiger Punkt für die kleinen Truppensteller ist immer wieder der mit einem Auslandseinsatz verbundene Erfahrungsgewinn. Bei 100-200 gestellten Mann ist das Risiko und die Kosten eher gering aber der potentielle Erfahrungsgewinn kann groß sein. Logischweise schickt man seine besten Leute damit diese später in führender oder lehrender Position das Wissen weiter nutzen können.