Die neue Bundeswehr: Heute im Reform-Haus
So, heute werden wir vielleicht ein bisschen schlauer, was die Reform der Bundeswehr angeht. Heute vormittag erläutert Verteidigungsminister Thomas de Mazière seine Reformvorstellungen im Kabinett, am Mittag wird er sie dann öffentlich verkünden.
Hier bei Augen geradeaus! stelle ich mir den Ablauf so vor:
– Ab 12.00 Uhr schaltet Phoenix auf, dann lässt sich die Rede de Maizières live verfolgen. Das Verteidigungsministerium hat den Beginn der Veranstaltung für 12.30 Uhr angesagt.
– Ab 12.30 Uhr sind dann auch die Grundzüge der neuen Bundeswehr verfügbar, ebenso die neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien.
– Mit Beginn der Rede des Ministers mache ich hier einen offenen Thread auf, der die Möglichkeit zur (Live-)Diskussion seiner Aussagen ermöglicht.
(Nach der Rede gehe ich dann zu RTL und gebe eine erste Einschätzung ab – ich arbeite ja schließlich nicht nur für dieses Blog, sondern bisweilen auch für große Medien.)
– Ab 15 Uhr erläutert de Maizière seine Reform noch mal vor der Bundespressekonferenz, und da gibt es die Möglichkeit zu Nachfragen. Ich gehe da natürlich hin – und nehme gerne Fragen mit, die hier in den Kommentaren aufgeworfen werden. Und berichte hier anschließend.
Guten Tag Herr Wiegold.
Nach mehreren JAhren in der Einsatzvorbereitung von Soldaten bin ich immer noch überrascht, dass ein großteil der aktuellen Zeit- und Berufssoldaten keine Einsatzausbildung haben, bzw. es keine verbindlichen Vorgaben gibt, dass jeder Soldat die Grundlagenkenntnisse hat.
Hat TdM vor, in dieser „neuen“ Bundeswehr, jeden Soldaten für einen Einsatz zu befähigen, damit sich einige Kameraden nicht hinter dem Zeitfenster „die Ausbildung für den Einsatz dauert zu lange“ verstecken können?
Ansonsten finde ich es sehr gut, wie Sie über das Thema berichten werden.
mfg
FNU SNU (aus einer anderen, fast unreformierbaren Bundesbehörde)
Ich bin Soldat seit 1983. Ich habe keine Einsatzausbildung und würde auch dagegen mit allen Rechtsmitteln kämpfen in einem unrechtlichen Krieg geschickt zu werden.
Hallo Herr Wiegold,
wie immer auch der Minister sein Sparvorhaben in Worte kleidet, es wird scheitern, weil auch dieser Minister die Soldatinnen und Soldaten nicht mitnimmt. Die Demotivationswelle wird nach der Bekanntgabe Tsunamidimensionen erreichen.
Vielen Dank für die aktuellen Infos und den Tagesablauf.
Würde mich stark interessier wie das Attraktivitätsprogramm für Unteroffiziere und Offiziere aussehen soll. Bis jetzt waren nur Vermutungen und der typische Bundeswehr-Klatsch zu hören. Besonders interessant wäre das Grenzeinstiegsalter für Unteroffiziere und Offiziere in den Truppendienst (für mich ein Indikator, ob man wirklich nachgedacht hat oder ob es so weitergeht wie bisher)
Und natürlich wäre dann noch interessant zu wissen, ob man die BW-Reform auch auf nach Afghanistan ausrichten will oder ob man 100% an einer Interventionsarmee festhält ohne groß weiterzudenken. (ganz abgesehen von Cyper-Wars – denke eher an Zukünftige UNO Einsätze in einem geteilten Lybien zum Beispiel)
Besten Dank!
Was leider fehlt, ist die vorgeschaltete Vorstellung einer umfassenden Sicherheitsstrategie der Bundesrepublik Deutschland durch die Kanzlerin, aus der dann in der Konsequenz die Verteidigungsolitischen Richtlinien abgeleitet werden müssten. Sicherheit und Verteidigung sind heutzutage Aufgaben, die ressortübergreifend und im Verbund der EU und der NATO abgestimmt werden müssten. Von dieser Abstimmung bekommt man allerdings bei EU und NATO oder in den anderen Ministerien erstaunlich wenig mit. Es passiert also wieder alles losgelöst von Fragen wie „Was wollen wir?“, „Wie wollen wir das?“ und „Was brauchen wir dazu?“.
Den Betroffenen, also unseren Politikern, unseren Soldaten und unserer Bevölkerung, also eigentlich allen, fällt das nicht weiter auf, denn eine eigene Sicherheitsstrategie hat es in der Bundesrepublik nie gegeben. Ein Bundespräsident darf sich ja nicht mal zu nationalen Interessen äußern. Konsequent nur die Frage des US-Verteidungsministers Gates an de Maiziere, wozu Deutschland denn eine Bundeswehr brauche, da eine Sicherheitsstrategie gar nicht existiere.
Stattdessen hängen sich alle vermeintlich Interessierten an Zahlen auf: Gesamtzahl der Streitkräfte (mit nur, sagen wir mal, begrenzter Aussagekraft), die eine Milliarde mehr oder weniger. Ein paar Kampf- und Transportflugzeuge mehr oder weniger. Das aber klärt uns nicht über angestrebte Fähigkeiten der Bundeswehr auf!
So bin ich zwar einerseits gespannt auf die Ausführungen des VM heute Mittag und auf anschließende Reaktionen von Politikern (die bestimmt auch gleich wieder die eigentlich vertagte Standortdebatte vom Zaun brechen werden, sofern sie potenziell betroffene Wahlkreise haben), andererseits bin ich aufgrund des Mangels einer Strategie, einer verlässlichen Außenpolitik unseres Landes, einer nicht durch kurzfristige Ereignisse wie Landtagswahlen beeinflusste gerade Linie, eher skeptisch und a priori frustriert; viel wird sich ändern, aber der große Wurf ist doch eher unwahrscheinlich.
Und so lange unsere „Berufssoldaten“ sich zu Einsätzen so äußern wie weiter oben mit „unrechtlichen Kriegen“, ist eh Hopfen und Malz verloren. Willkommen in der Weltpolitik des 21. Jahrhunderts!
@Ben
Warum sind Sie auf Reaktionen der Politiker gespannt. Es geht hier um Soldaten!!
Dazu passt doch genau, wie immer auch der Minister sein Sparvorhaben in Worte kleidet, es wird scheitern, weil auch dieser Minister die Soldatinnen und Soldaten nicht mitnimmt.
Die Demotivationswelle wird nach der Bekanntgabe Tsunamidimensionen erreichen.
Weitere Fragen an den BmdV:
– Wird es endlich eine klare Aufgabenverteilung und Einheitliche Zuständigkeit von Truppenverwaltung und Truppe geben, um endlose Dienstwege, Jahrzentelange Beschaffung von Wehrmitteln sowie eine schnellere Modernisierung der Streitkräfte sicherzustellen? Ziviles Beamtenpersonal DARF NICHT federführend in der Wehrmittelbeschaffung oder in der Vorschriftenerstellung sein!
– Standortschließungen und Truppengattungsauflösungen?
– Wird es eine grundlegende und umfassende Modernisierung (sowohl Material aber vorallem in den Strukturen) geben oder werden wir anch Abschluss der Reform schon wieder die nächste Reform durchführen müssen, weil alles halbherzig betrieben wurde.
– Warum nimmt man sich nicht die Strukturen anderer Streitkräfte als Vorbild? (Nicht Rechtlich, sondern z.B. im Materialbeschaffungsprozess, im Ausbildungsprozess etc.)
– Wird die Ausbildung denn nun endlich moderner und angepasster an aktuelle Einsätze (viele Schießübungen auf der Schießbahn der normalen Truppe sind eine Farce und alles andere als Einsatzvorbereitend!)
Vielen Dank!
@Berufssoldat: Dass es hier auch um Soldaten geht, ist mir durchaus bewusst. Ich habe zwar vor einem Jahr die Bundeswehr verlassen, bin aber weiterhin persönlich betroffen, da meine Frau noch als Offizier in der Bundeswehr dient, und viele gute Freunde dazu.
Gleichzeitig habe ich trotzdem eine etwas weitere Perspektive: Wir halten uns die Bundeswehr ja nicht, um Soldaten einen Arbeitsplatz zu bieten. Die Gewährleistung der Sicherheit ist Kernaufgabe des Staates. Hinzu mögen weitere nationale Interessen kommen, die der Sicherheit im weiteren Sinne dienen.
Um den strategischen Zielen gerecht zu werden, halten wir uns Streitkräfte. Um das für ihren Zweck bestmögliche Personal zu gewinnen und zu halten, muss sich der Bundeswehr bzw. die Bundesrepublik Deutschland um die Soldaten kümmern: Die bestmögliche Ausbildung und die beste Ausstattung bereitstellen. Klare Aufträge geben, die von Parlament und möglichst von der deutschen Bevölkerung mitgetragen werden. Rahmenbedingungen schaffen, damit der Beruf auch gegenüber Alternativen attraktiv ist (Vereinbarkeit Beruf und Familie, vernünftige Standortpolitik, Karriereplanung, Weiterbildungsmöglichkeiten, attraktive Vergütung, usw., offene oder gar nicht begonnene Baustellen sind ja unendlich viele vorhanden).
Das Leitbild der Inneren Führung, obwohl gerade überarbeitet, muss meiner Meinung nach ebenfalls neu diskutiert und angepasst werden, da nun die Wehrpflicht ausgesetzt ist und viele deutsche Soldaten sich gar nicht über ihre eigentlichen Kernkompetenzen bewusst sind, die ihr Alleinstellungsmerkmal in unserer Gesellschaft darstellen: Nämlich – im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung – zu Kämpfen, zu Töten, zu Gewinnen, und im schlechtesten Fall getötet zu werden. In normalen Streitkräften ist dieses Bewusstsein vorhanden, das weiß ich aus eigenem Erleben. Bei uns nur bei wenigen, als Grundverständnis des Soldatenberufs in der Masse überhaupt nicht.
Gespannt bin ich, weil dies und noch viel mehr Punkte sind, die der Minister eigentlich ansprechen müsste (wenn auch vielleicht nicht alle heute), und wie ich bereits oben schrub, bin ich frustriert, weil ich nach zwölf Jahren immerwährender Enttäuschungen weiß, dass dies nun nicht der Fall sein wird. Weil es in unseem Land einfach kein Schwein interessiert. Weil bei uns Atomkraftabschaltung Vorrang hat, weil sich der deutsche Michel lieber hinter Windrädern versteckt, als Vorsorge für ein sicheres Deutschland eingebettet in einem sicheren Europa der Zukunft zu treffen.
Richtig aber ist, dass bei der Reform unsere Soldaten bisher im Dunkeln gelassen wurden, geschweige denn, dass ihre Expertise intern ausreichend genutzt wurde oder die Soldaten insgesamt mitgenommen wurden. Auch das ist nichts Neues.
Aber weil das alles so bescheuert ist, habe ich für mich pwersönlich die Konsequenz gezogen, die Bundeswehr zu verlassen. Möglichkeiten der Personalbindung hätte es mit Sicherheit gegeben. So habe ich allerdings der Bundeswehr sehr viel gekostet, bin in einigen Bereichen auch durch Lehrgänge im Ausland hervorragend qualifiziert – meine Fertigkeiten stehen nicht mehr zur Verfügung. Potenziellem Nachwuchs kann ich, wennglich ich eine ingesamt tolle Zeit hatte, derzeit von diesem Arbeitgeber nur abraten.