Bundeswehr nach Libyen? Nichts Genaues weiss man nicht
Sehr viel mehr Klarheit über einen möglichen Einsatz der Bundeswehr in Libyen gibt es auch heute nicht – und die Aussagen von Regierungssprecher und den Sprechern von Auswärtigem Amt und Verteidigungsministerium hatten den Unterton, es sei doch alles noch sehr spekulativ.
So viel scheint fest zu stehen: Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle hat zusammen mit seinen europäischen Kollegen einer möglichen EU-Mission (EUFOR Libya) zur Absicherung humanitärer Einsätze in Libyen zugestimmt, und sowohl Westerwelle als auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière haben am vergangenen Mittwoch das Bundeskabinett informiert, dass sich Deutschland seiner Verantwortung nicht entziehen wird, wenn eine entsprechende Anfrage des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) kommen sollte.
Aber schon die Frage, ob die deutsche Bereitschaft nur für diese Anfrage an die Europäische Union gilt oder auch für eine entsprechende Anfrage an die NATO (die auch Planungen für die Absicherung humanitärer Aktionen laufen hat), bleibt offen.
Genau so offen bleibt, ob bei einer EU-Mission erst mal nur die Bundeswehreinheiten dafür angeboten werden, die derzeit für die EU Battlegroups vorgemerkt sind, oder ob es auch ganz andere Einheiten sein können – grundsätzlich stehe ja die ganze Bundeswehr zur Verfügung, sagt der stellvertretende Sprecher des Verteidigungsministeriums.
Absehbar scheint nur: Deutsche Soldaten in Libyen werden immer wahrscheinlicher.
(Nachtrag: Es melden sich die ersten Stimmen, die angesichts der Lage vor allem in der libyschen Stadt Misrata ein schnelles humanitäres Engagement der EU fordern.)
Zur Dokumentation: Das Frage-und-Antwort-Spiel in der heutigen Bundespressekonferenz. Mit Regierungssprecher Steffen Seibert, dem stellvertretenden AA-Sprecher Stefan Bredohl und dem stellvertretenden BMVg-Sprecher Kapitän z.S. Christian Dienst (aus technischen Gründen in zwei Teilen):
(Direktlink: http://audioboo.fm/boos/325103-bundeswehr-libyen-bpk-08-04-2011-teil-1)
(Direktlink: http://audioboo.fm/boos/325113-bundeswehr-libyen-bpk-08-04-2011-teil-2)
Wenn auch die Fraktionen im Bundestag weitgehend für einen Libyen-Einsatz zu sein scheinen – der Bundeswehrverband findet das nicht so lustig:
Wir können nur schwer nachvollziehen, wie die Pläne zur Beteiligung an einem robusten Hilfseinsatz zu der bisherigen Linie Deutschlands passen, sich an keinem Militäreinsatz in Libyen zu beteiligen.
Ein interessantes Detail zur Einschätzung lieferte der Regierungssprecher noch gleich mit – zu der Frage, was denn die Absicherung eines humanitären Einsatzes bedeute. Da verwies er auf die – bewaffnete – Evakuierung von Zivilisten aus der libyschen Wüste vor ein paar Wochen.
Operation Pegasus – Erste Schritte ins unbekannte Gelände. Im Rahmen der Operation Pegasus evakuieren zwei Transall der Bundeswehr 132 Personen aus Libyen. Foto: Bundeswehr/Andreas J. Aufnahmedatum: 26.02..2011.
Die Operation Pegasus war vermutlich genau das, was sich der deutsche Bürger unter einer humanitären Aktion vorstellt: Für die Absicherung der Transall während der Aufnahme der zu Evakuierenden in Nafurah ist als Führer der Sicherungskräfte Oberfeldwebel Henner G. verantwortlich. Sein Fallschirmjäger-Team besteht aus kampferprobten Soldaten, die sich bereits im Afghanistaneinsatz bewährt haben, heisst es in dem Bericht auf bundeswehr.de.
Zur Ergänzung der Audio-Dateien das Protokoll der Bundespressekonferenz zum Nachlesen:
STS SEIBERT: Bei der ganzen Libyen-Frage muss zunächst einmal die Reihenfolge eingehalten werden. Die Europäische Union hat sich in Gestalt ihrer Außenminister schon am 21. März bereit erklärt, für einen solchen Fall tätig zu werden, aber die Initiative dazu muss von der UNO ausgehen. Die UNO muss mit diesem Antrag an die EU herangehen. Herr Bredohl kann dazu sicherlich mehr sagen.
Ein solcher Antrag ist von der UNO noch nicht gestellt worden. Deswegen gibt es jetzt auch keinen Grund, einen Kabinettsbeschluss herbeizuführen. In der vergangenen Kabinettssitzung am Mittwoch dieser Woche ist vom Außenminister und vom Verteidigungsminister die grundsätzliche Bereitschaft erklärt worden die anderen haben das billigend zur Kenntnis genommen , in dem Fall, dass dieses Ansinnen an die EU gestellt werde, der deutschen Verantwortung gerecht zu werden und sich ebenfalls an einer solchen humanitären Mission zu beteiligen.
VORS. LEIFERT: Haben Sie etwas zu ergänzen, Herr Bredohl?
BREDOHL: Ich glaube, das beantwortet die Frage. Aber ich kann gerne auf weitere Fragen antworten.
FRAGE : Es gibt auf der einen Seite die Bereitschaft der Außenminister mit dem Ratsbeschluss vom 1. April für EUFOR Libya. Es gibt auf der anderen Seite die Aussage der NATO, sie habe Planungen für eine militärische Absicherung humanitärer Hilfe schon abgeschlossen. Gilt die deutsche Bereitschaft, die Verantwortung wahrzunehmen, nur für eine mögliche eventuelle EU-Mission oder auch für eine NATO-Mission, falls die NATO so etwas unternehmen sollte?
BREDOHL: Das ist eine sehr spekulative Frage. Wie Herr Seibert gerade ausgeführt hat, läuft im Moment zum einen ein militärischer Kampfeinsatz, der von den Verbündeten in Libyen durchgeführt wird. Zum anderen gibt es eine Diskussion darüber, die bereits seit einigen Wochen läuft, dass selbstverständlich auch eine humanitäre Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden sollte, wenn dieser Bedarf festgestellt würde.
Darüber wird in den verschiedensten Gremien diskutiert. In erster Linie sind dafür die Vereinten Nationen gefragt, nämlich die Organisation OCHA. Die EU-Außenminister haben sich darauf verständigt, als Grundlage für eine weitergehende Entscheidung erst einmal eine solche Anfrage von OCHA anzusehen. Diese müsste eintreffen. Es gibt sie im Moment noch nicht. Insofern ist das eine theoretische Frage.
Ihre Frage zur NATO: Im Moment werden in Libyen Einsätze von NATO-Mitgliedsländern durchgeführt. Das ist die Beschlusslage. Insofern sind das Fragen, die einfach noch nicht konkret sind.
Worauf Sie sich beziehen und was in den letzten Tagen noch einmal von verschiedenen Stellen unterstrichen wurde, ist ein Rekurs auf die Entscheidung vor zwei oder drei Wochen. Selbstverständlich stehen wir dazu.
ZUSATZFRAGE: Ganz so theoretisch, hypothetisch und spekulativ ist es ja nicht. Wenn ich sehe, dass in dem Ratsbeschluss der EU schon der Oberkommandierende für EUFOR Libya benannt ist, das Hauptquartier auch schon benannt ist und die Voraussetzung für die OCHA-Anfrage genannt wird, alle weiteren Dinge aber schon vereinbart scheinen und wenn die NATO-Sprecherin heute Morgen sagt, die NATO habe ihre Planungen für eine solche Mission bereits komplettiert, dann bewegen wir uns nicht im luftleeren Raum irgendwelcher Spekulationen, sondern man ist offensichtlich bereit zu handeln, wenn die OCHA-Anfrage eintrifft.
Deswegen ist die Frage: Ist Deutschland bei einer OCHA-Anfrage an die NATO genauso bereit zu handeln, wie bei einer OCHA-Anfrage an die EU?
BREDOHL: Die Bundesregierung hat in den vergangenen Tagen noch einmal darauf Bezug genommen, dass sie sich, wenn die Vereinten Nationen diese Frage an die EU richten würden, ihrer Verantwortung nicht entzieht. Das ist die Aussage, die ich im Moment treffen kann. Weitergehende Aussagen gibt es noch nicht.
ZUSATZFRAGE: Für den Fall, dass eine OCHA-Anfrage an die NATO und nicht an die EU gerichtet wird, gilt also noch nicht die Aussage, dass Deutschland bereit ist, seine Verantwortung wahrzunehmen?
BREDOHL: Die Vereinten Nationen können ihre Anfrage nicht nur an die EU, nicht nur an die NATO, sondern selbstverständlich an alle VN-Mitgliedstaaten richten. Es sind verschiedene Konstellationen denkbar.
ZUSATZFRAGE: Das war aber nicht meine Frage. Meine Frage war: Wenn eine solche Anfrage an die NATO gerichtet wird, gilt dann auch die Aussage, dass Deutschland seine Verantwortung wahrnehmen wird? Oder ist das nicht Teil der Aussage?
BREDOHL: Für den Moment kann ich die Aussage so machen, wie sie in den vergangenen Tagen so auch gestern vom Bundesaußenminister mehrfach öffentlich gemacht wurde, dass das für eine Anfrage gilt, die sich an die Europäische Union richtet.
FRAGE: Herr Seibert, Herr Bredohl, Herr Dienst, es ist also definitiv so, dass das Kabinett für Mittwoch keinen Vorratsbeschluss in diesem Zusammenhang plant, weil sonst in diesem Monat außer kommende Woche keine regulären Sitzungen des Bundestags mehr stattfinden?
Zweitens. Was sagen Sie zu den durchaus zwiespältigen Äußerungen aus der Opposition, die einerseits von einer Kehrtwende der Bundesregierung in diesem Zusammenhang spricht, das anderseits aber mittragen möchte?
Eine konkrete Frage an Herrn Dienst, hilfsweise an Herrn Bredohl: Erwägen Sie auch, Schiffe der deutschen Marine dazu einzusetzen? Wird überlegt, was passiert, wenn deutsche Soldaten ihren Fuß auf libysches Gebiet setzen?
STS SEIBERT: Zur ersten Frage hinsichtlich des Kabinetts: Ich kann Ihnen an einem Freitagvormittag noch nicht abschließend sagen, was im Bundeskabinett am Mittwoch auf der Tagesordnung stehen wird. Sie wissen, dass die Staatssekretärsrunde das letztlich festlegt. Diese hat natürlich noch nicht getagt. Ansonsten gilt das, was Herr Bredohl gesagt hat.
Zur Frage, ob es eine Kehrtwende ist: Es wäre natürlich im Fall, dass sich die Bundesrepublik Deutschland an der militärischen Sicherung eines solchen humanitären Einsatzes beteiligen würde, keine Kehrtwende, denn unsere Haltung war immer, dass Deutschland sich in Libyen nicht an militärischen Kampfeinsätzen beteiligen wird. Diese Haltung besteht weiterhin.
Es ginge in einem solchen humanitären Fall wirklich um etwas vollkommen anderes. Es ginge darum, mit militärischen Mitteln zu sichern, dass Menschen humanitäre Hilfsmaßnahmen gewährt werden, die sie brauchen, dass Hospitäler und andere Einrichtungen evakuiert werden können, damit Kranken und Verletzten Behandlungen zukommen können, die sie dringend brauchen. Das ist ein vollkommen anderer Ansatz als der Ansatz des militärischen Kampfeinsatzes. Deswegen gibt es auch keine Kehrtwende.
DIENST: Wenn Sie die militärischen Mittel ansprechen, ist es naturgemäß bei den militärischen Planungen und Ausführungen so, dass es erst einmal einen Operationsplan geben muss. Wenn es einen Operationsplan gibt egal, für welche Art von Operation , werden die Kräfte generiert, wie es so schön heißt. Es wird also abgefragt, wer von den Nationen, die sich an einer Operation beteiligt, in der Lage ist, welche Kräfte zu stellen. In diesem Zusammenhang wird es eine Festlegung von deutscher Seite geben, wie man humanitäre Operationen im multinationalen Rahmen konkret unterstützen wird. Alles, was zum jetzigen Zeitpunkt läuft, ist reine Spekulation und basiert in keiner Weise auf irgendwelchen konkreten Dokumenten oder Absichten.
Was die Frage angeht, ob deutsche Soldaten ihren Fuß auf libyschen Boden setzen: Sie lehnen sich fast an die Sprachregelung an, die zu Zeiten des Irak-Kriegs deutsche Soldaten setzen ihren Fuß auf dortigen Boden angewandt worden ist. Ich denke, das ist hier eine ganz andere Situation. In dem Moment, in dem wir an einer humanitären Operation teilnehmen würden und der Operationsplan würde vorsehen, dass man auch in Libyen an Land mit den Kräften operiert, die im Rahmen dieser Operation eingesetzt sind, wäre auch klar, dass man dann den Fuß auf libyschen Boden setzen müsste.
STS SEIBERT: Es hat im Übrigen, wenn ich das hinzufügen darf, bereits vor einigen Wochen eine wenn Sie so wollen humanitäre Hilfsaktion gegeben, als nämlich die Bundeswehr auf einem libyschen Ölfeld eine dreistellige Zahl von Menschen – darunter viele Deutsche, aber auch Angehörige anderer Nationen aus dem Krisengebiet ausgeflogen hat.
ZUSATZFRAGE: Ein Zusammenhang mit dem Irak kam mir in dem Moment gar nicht in den Sinn. Mir kommt aber in den Sinn, dass das Verteidigungsministerium immer sehr weise vorausplant. In diesem Zusammenhang ist der Einsatz von Schiffen durchaus denkbar. Oder?
DIENST: Die Weisheit, die Sie uns zubilligen, ehrt uns. Ansonsten bleibt es bei dem, was ich Ihnen gesagt habe.
FRAGE: Herr Seibert, wenn Sie sagen, dass keine Kehrtwende stattfindet, warum hat denn dann die Bundesregierung nicht schon unmittelbar nach dem Beschluss der EU ihre Bereitschaft zur Teilnahme erklärt, wie sie das jetzt tut?
Zweitens. Wie nehmen Sie die Gesamtsituation in Libyen wahr? Mit welchen Zeiträumen rechnen Sie, auch was den Einsatz der Bundeswehr angeht?
STS SEIBERT: Am 21. März haben die EU-Außenminister in Anwesenheit des deutschen Außenministers die Hohe Vertreterin Ashton gebeten, Planungen für eine militärische Unterstützungsoperation von humanitären Hilfsmaßnahmen der Vereinten Nationen einzuleiten. Das ist etwas, das mit Stimme und Billigung des deutschen Außenministers geschehen ist. Das heißt, wir haben damals implizit unsere Bereitschaft erklärt, in dem Fall, dass die UN, die so etwas sehr genau prüft und die auch nur um militärische Unterstützung von humanitärer Hilfe bittet, wenn alle zivilen Möglichkeiten erschöpft sind, eine solche Anfrage stellt, auf europäischer Ebene reagieren zu können. Die Bundesregierung hat durch das Votum des Bundesaußenministers bei diesem EU-Außenministerrat am 21. März implizit erklärt, dass sie diese Verantwortung sieht und zu dieser Verantwortung stehen wird.
BREDOHL: Die EU-Außenminister verabschieden immer Schlussfolgerungen. Das ist die Form, in der sie sich äußern. Natürlich wird Satz für Satz vorüberlegt und durchdiskutiert. Wenn man Satz für Satz prüft, kann man quasi im Nachhinein genau feststellen, worüber man sich geeinigt hat, worauf man sich geeinigt hat und worauf man sich nicht geeinigt hat. So wurde beispielsweise an dem Tag die Unterstützung eines schärferen Sanktionsregimes vereinbart sowie die Unterstützung das haben Herr Seibert und ich vorhin gesagt humanitärer Hilfsleistungen.
Nicht vereinbart wurde auch das geht aus dem Text hervor , dass sich alle Staaten an dem internationalen Kampfeinsatz beteiligen würden. Insofern liegt diese Erklärung einer Bereitschaft seit dem 21. März klar auf dem Tisch.
Zu dem zweiten Punkt, den Sie erwähnt haben: Ich glaube, dass der weitere Ablauf ein sehr wichtiger Punkt ist. Die Bundesregierung hat immer sehr deutlich gemacht, dass sie nicht neutral ist. Sie hat sehr deutlich gemacht, dass eine künftige politische Ordnung Libyens für sie nur ohne Herrn Gaddafi zustande kommen kann. Deshalb ist es für uns sehr wichtig, dass der nächste Schritt, dass der Übergang in einen solchen politischen Prozess möglichst bald eingeleitet wird.
Deswegen war es nicht nur gut, dass in der letzen Woche die Konferenz stattgefunden hat, sondern es ist auch wichtig, dass sich die dort gegründete Kontaktgruppe in der kommenden Woche in Doha/Katar zum ersten Mal treffen wird. Der Bundesaußenminister wird voraussichtlich daran teilnehmen.
Für uns steht im Vordergrund, dass dieser politische Prozess möglichst auf die Schiene gesetzt wird. Es gibt klare Leitplanken, die man sich vorstellen könnte nicht nur, wie es in der Sicherheitsratsresolution gefordert wird, einen sofortigen Waffenstillstand und auch nicht nur eine politische Ordnung ohne Herrn Gaddafi, was ich eben gesagt habe, sondern es sollte auch ein Prozess eingeleitet werden, der möglichst alle libyschen Kräfte bündelt, die für ein demokratisches Libyen eintreten und auch dafür, dass am Ende eines solchen Prozesses eine neue Verfassung oder freie Wahlen stehen können. Das sind konkrete Vorstellungen, die die Bundesregierung hat und mit denen wir auch in diese Gespräche hineingehen werden.
ZUSATZFRAGE: Herr Seibert, ich muss doch noch einmal insistieren. Warum war denn dann vor den Landtagswahlen, also unmittelbar nach diesem 21. März, noch nicht von einem möglichen Mandat der Bundeswehr die Rede? Warum war damals nur von dem AWACS-Mandat zur Entlastung der Verbündeten die Rede, das dann ja auch verabschiedet worden ist?
STS SEIBERT: Weil diese Entscheidung konkret anstand. Die Unterstellung, die ich aus Ihrer Frage heraushöre, mit Rücksicht auf die Landtagswahlen habe man die Beteiligung an einem eventuellen humanitären Einsatz lieber nicht laut erwähnt, weise ich ganz ausdrücklich zurück. Das AWACS-Thema stand konkret zur Entscheidung an. Deswegen ist es sehr öffentlich vertreten worden, und deswegen ist es beschlossen und im Bundestag vorgelegt worden.
Dieses nun ist etwas vollkommen anderes. Hier ist ein Beschluss auf europäischer Ebene gefasst worden, der die Bereitschaft enthält, im Falle des Falles zu handeln. Das ist nicht verschwiegen worden Sie hätten uns jeden Tag danach fragen können , und das ist mit Sicherheit auch in der Medienberichterstattung über den EU-Außenministerrat verlautbart worden. Man kann sich heute dazu bekennen, weil es nämlich ein richtiger und kluger Beschluss ist. Damals hat man sich auch dazu bekannt.
FRAGE: Herr Seibert, Herr Bredohl, sehen sich die Bundeskanzlerin und der Bundesaußenminister angesichts der militärischen Entwicklung in Libyen in ihrer Enthaltung im UN-Sicherheitsrat bestätigt?
Herr Seibert, wenn am 21. März ohne Anfrage von OCHA oder der UN die Bereitschaft innerhalb der EU erklärt wurde, sich an einer humanitären Mission zu beteiligen und heute noch keine OCHA-Anfrage vorhanden ist, wo ist der qualitative Unterschied? Wie hat sich die Situation zwischen dem 21. März und dem 8. April verändert?
BREDOHL: Zu Ihrer ersten Frage, die ein bisschen retrospektiv ist: Aus der Bundesregierung heraus wurden eine Reihe von Fragen an die Verbündeten gerichtet, was die Umsetzung und Durchführung dieses Kampfeinsatzes angeht. Diese Fragen bestehen weiterhin. In der Tat ist es bedauerlicherweise so, dass Herr Gaddafi einige Wochen, nachdem der Einsatz begonnen worden ist, weiter in einem wesentlichen Teil Libyens die Macht ausübt und sozusagen keine endgültige Entscheidung gefallen ist.
Zu Ihrer zweiten Frage, was der Unterschied ist: Der Unterschied ist schlicht und ergreifend der, dass doch in den letzten Wochen deswegen rückt diese Frage vielleicht etwas stärker in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit eine Reihe von Entwicklungen eingetreten sind, die diese Frage der humanitären Hilfeleistung für die Bevölkerung in verschiedenen Regionen des Landes etwas stärker auf die Tagesordnung rücken lassen. Man hat sich damals vielleicht etwas vorausschauend dazu durchgerungen, diese Erklärung schon Ende März aufzunehmen. Wie Sie vielleicht auch aus Erklärungen der Vereinten Nationen der letzten Tage entnommen haben, entwickelt sich eine solche Situation immer weiter. Dann mag es in der Tat so sein, dass ein solches Ersuchen kurzfristig an uns gerichtet wird. Es mag, wie gesagt, in der Tat so sein. Es bleibt eine hypothetische Aussage.
STS SEIBERT: Ich kann Ihnen hier keine Lageeinschätzung der Situation in libyschen Städten und den libyschen Grenzen en Detail geben. Dafür ist tatsächlich auch nicht die Bundesregierung zuständig, sondern dafür ist OCHA als die UN-Stelle, die die humanitären Angelegenheiten koordiniert, zuständig.
Ich glaube, es ist jedem Beobachter, der sich über die Situation einigermaßen informiert hält, offensichtlich, dass sich nach wochenlangen Kampfhandlungen, nachdem manche Städte immer wieder belagert worden sind und zum Teil noch belagert werden, die Situation der Zivilbevölkerung das Leid der Verletzten, die medizinische Versorgung, auch die Situation der Flüchtlinge an den Grenzen Libyens in den letzten Wochen zugespitzt hat. Deswegen gibt es heute eine größere Dringlichkeit, über so etwas nachzudenken, als es sie vor drei Wochen gab.
FRAGE: Ich rekurriere einmal auf eine Aussage von Herrn Dienst, aber die Frage richtet sich genauso an Herr Seibert oder Herrn Bredohl. Herr Dienst, Sie haben diesen Prozess der „Force Generation“ beschrieben, der meistens ein bisschen zeitaufwendig ist. Nun ist aus Brüssel zu hören, dass es Überlegungen gebe, Teile der EU-Battlegroups, die relativ kurzfristig verfügbar sind, einzusetzen. Finnland hat bereits erklärt, dass es seinen Anteil an einer Battlegroup dafür zur Verfügung stellen würde. Gilt das auch für Deutschland, auch vor dem Hintergrund der Dringlichkeit, die Sie, Herr Seibert, gerade angesprochen haben?
STS SEIBERT: Nach meinen Informationen gilt das natürlich für die deutschen Soldaten, die derzeit der EU-Battlegroup zugeordnet sind. Das wäre die Kraft, mit der man korrigieren Sie mich, Herr Dienst im Fall einer Anfrage von OCHA auf europäischer Ebene handeln könnte. Derzeit sind offenbar 990 (deutsche Soldaten) der EU-Battelegroup zugeordnet. Das sind im Wesentlichen Sanitäts-, Pionier- und Feldjägerkräfte, die einer dieser beiden schnellen Krisenreaktionskräfte zugeordnet sind. Die könnten dann teilweise oder ganz das kann ich überhaupt nicht beurteilen, das wird sich sicherlich nach dem Umfang der Anfrage richten zum Einsatz kommen.
DIENST: Ich darf ergänzen, Herr Wiegold, damit nicht der Zungenschlag hineinkommt, dass wir sozusagen schon die komplette EU-Battlegroup am Start haben: Es ist so, dass es das Kräftedispositiv der EU-Battlegroup gibt, welches in relativ kurzer Bereitschaft steht. Was letztendlich aus dieser Toolbox, wie man neudeutsch sagt, im Rahmen eines Operationsplans sinnvollerweise genommen und konkret abgefordert wird, wird man sehen. Alle Überlegungen, die Sie jetzt anstellen, sind wirklich reine Spekulation. Man wird ja nicht Kräfte aufdrängen, nur weil man sie in der Battlegroup hat, wenn sie vor Ort gar nicht verwendbar sind. Dementsprechend mag es sein, dass die Kräfte aus bestimmten Blickwinkeln ergänzt werden müssen.
Ja, es gibt eine EU-Battlegroup: Ja, wir halten in dieser EU-Battlegroup gewisse Anteile. Die Frage, was nun wirklich zum Einsatz kommen würde wir sprechen hier immer im Konjunktiv , werden wir dann beantworten, wenn es konkret wird.
STS SEIBERT: Und was die von mir gerade etwas lax formulierte Aussage betrifft, es könnten all 990 deutschen Soldaten der Battlegroup zum Einsatz kommen, möchte ich noch hinzufügen: Herr Dienst hat das Korrekte gesagt was er gesagt hat, ist in diesem Fall wichtiger.
ZUSATZFRAGE: Herr Dienst, dann haben Sie doch bestimmt auch detailliertere Informationen über die Toolbox, aus der sich die Deutschen bedienen könnten, also über das Kräftedispositiv EU-Battlegroup?
DIENST: Das Kräftedispositiv, aus dem wir aus bedienen würden, ist die Bundeswehr.
ZUSATZFRAGE: Die haben alle den gleichen Bereitschafts- und Verfügbarkeitsstand?
DIENST: Nein, das hängt dann davon ab, wie der Operationsplan aussieht und was wirklich benötigt wird. Ich verstehe Ihre Liebe zum Detail, Herr Wiegold, aber in diesem Fall bleiben wir genau da stehen, wo ich es hier jetzt sage.
FRAGE: Herr Seibert, gibt es Überlegungen auf Regierungsebene, dass sich die Bundeswehr über die humanitäre Hilfsaktion hinaus auch an der Durchsetzung eines Waffenembargos beteiligen könnte?
STS SEIBERT: Dazu gibt es keinen neuen Stand.
„seiner Verantwortung nicht entziehen “
Abstruses Politikergewäsch statt strategischer Begründung.
Es gibt keine „Verantwortung“ die ein Volk zwingt an einem Offensivkrieg teilzunehmen, welcher nun in einen Besatzerkrieg gegen das libysche Volk umgewandelt wird.
Wenn jemand in Berlin meint solch eine „Verantwortung“ bei sich persönlich zu sehen steht es demjenigen frei sich derer nicht zu entziehen und nach Libyen zu fliegen.
Auf was für einer „soliden“ Grundlage das ganze Vorhaben steht, sagt die NATO ja indirekt selbst:
„Der stellvertretende Kommandeur des Nato-Einsatzes Harding hatte zuvor eine Entschuldigung abgelehnt, weil „wir bisher nicht wussten, dass die Rebellen Panzer benutzen.““
http://www.faz.net/s/Rub87AD10DD0AE246EF840F23C9CBCBED2C/Doc~E25C56D751A0143F282B6DC99B1F44B67~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Hier wurden einfachste Hausaufgaben nicht erledigt. Dennoch will man eine Ausweitung des Einsatzes. „Verrückt“ ist ein zu milder Begriff für diesen Vorgang.
@Orontes – der Angriff auf die Panzer war doch richtig und eintspricht dem Auftrag. Schutz von Zivilisten vor einigen Mad Max Fan’s die sich schwere Waffen organisiert haben.
Offensivkrieg… Besatzerkrieg… Bin ich jetzt auf der Presseseite der Linkspartei gelandet?
DieFragen zu diesem Einsatz müssen doch lauten :
Welches Ziel will ich verfolgen und welchem Zweck dient der Einsatz und wie ist meine Exit strategie.
Solange diese Fragen nicht beantwortet sind , sollte man Soldaten nicht in den Einsatz schicken.
@b | 08. April 2011 – 16:53
Zitat: „@Orontes – der Angriff auf die Panzer war doch richtig und eintspricht dem Auftrag. Schutz von Zivilisten vor einigen Mad Max Fan’s die sich schwere Waffen organisiert haben.“
Jetzt wären nur noch die Pick Ups mit aufmontierten MG´s an der Reihe, denn diese sind für die Bekämpfung von Zivilisten viel besser geeignet, als Panzer. Die Panzer der regulären Truppen sind damit sowieso nicht effektiv zu bekämpfen.
Aber man beschränkt sich wohl lieber im Rahmen der Durchsetzung der „Flugverbotszone“ auf die Bekämpfung von Gaddafis Wunderwaffen, die fliegenden Panzer. ;-)
@Voodoo | 08. April 2011 – 17:32
Zitat: „Offensivkrieg… Besatzerkrieg… Bin ich jetzt auf der Presseseite der Linkspartei gelandet?“
Nun, ein Verteidigungskrieg ist es ja offensichtlich nicht. Oder habe ich den Angriff Libyens auf auf einen NATO-Staat oder irgend einen anderen Staat dieser Welt verpaßt?
Es ist ein Angriffskrieg auf der Grundlage einer Resolution des UN-Sicherheitsrates, die eindeutig gegen die UN-Charta (die Verfassung der UNO) verstößt. Denn nach ihr besitzt die UN nur dann das Gewaltmonopol, wenn den Weltfrieden gefärdende zwischenstaatliche Gewalt nicht anderweitig beendet werden kann. Die Einmischung in innere Angelegenheiten eines Staates verbietet die UN-Charta ausdrücklich. Ausnahmen gibt es nicht. Partei für eine der kriegführenden Seiten darf die UNO militärisch nicht ergreifen. Es handelt sich aber in Libyen um einen Bürgerkrieg, nicht um einen Krieg zwischen Staaten und auch nicht um eine Gefährdung des Weltfriedens. Darüber hinaus gehen die Handlungen der Alliierten weit über das unrechtmäßige UN-Mandat hinaus und haben deshalb für heftige internationale Kritik gesorgt.
Hier die Charta der Vereinten Nationen und Statut des Internationalen Gerichtshofs für alle Zweifler zum nachlesen.
http://www.un.org/Depts/german/un_charta/charta.pdf
Entschuldigung, aber angesichts einer zerstrittenen Union, die einen Bruchteil ihrer Luftstreitkräfte „Gassi führt“, um halbwegs das Gesicht zu wahren, gleich von einem Angriffskrieg zu reden, ist wieder (mit Verlaub) hysterisch deutsch. Darf ich daran erinnern, das selbst schwedische Gripen da mitfliegen – da kann man wohl kaum von einem Angriffskrieg reden, oder hat Schweden jetzt seine alte Neutralitätspolitik über Bord geworfen und wandelt wieder auf den Spuren Gustav Adolfs?
Ich persönlich würde ebenfalls (noch) nicht von Krieg reden, eher von verzweifeltem Bemühen, das ach so zivilisierte und demokratische Gesicht zu wahren.
@Voodoo | 08. April 2011 – 18:37
Zitat: „Darf ich daran erinnern, das selbst schwedische Gripen da mitfliegen – da kann man wohl kaum von einem Angriffskrieg reden, oder hat Schweden jetzt seine alte Neutralitätspolitik über Bord geworfen und wandelt wieder auf den Spuren Gustav Adolfs?“
Offensichtlich ja.
„Ich persönlich würde ebenfalls (noch) nicht von Krieg reden, eher von verzweifeltem Bemühen, das ach so zivilisierte und demokratische Gesicht zu wahren.“
Es ist aber ein Krieg. Ein bischen Krieg gibt es nicht, und unsere Politiker sprechen auch unverblümt von einem Krieg. Krieg kann demokratisch sein, wenn eine Mehrheit ihn beschließt. Er ist aber niemals zivilisiert und verstößt immer gegen das wichtigste Menschenrecht auf Frieden.
Wenn das da Krieg ist, dann muss Afghanistan ja die Apokalypse sein – auch wenn das ein biblischer Begriff ist. Lächerlich… Aber das passt zur derzeitigen Aussenpolitik und -darstellung unserer Regierung, nebst Opposition – rumgeeier „at it´s best“.
@Stefan: schon bedauerlich, wenn man etwa 1990 aus der völkerrechtlichen Debatte ausgestiegen ist. Wenn ich es recht erinnere stellen auch ethische Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit einen hinreichenden Grund dar, militärisch einzugreifen. Das kodifizierte Recht mag dem noch etwas hinterherhängen, wie heute ein Autor in der taz (Promovend der Bucerius-Law-School) sachkundig ausführte. So oder so, ist die Zeit der Nichteinmischung wohl vorbei.
@Sascha S. – Wenn ich es recht erinnere stellen auch ethische Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit einen hinreichenden Grund dar, militärisch einzugreifen.
Beides aber sehr beschränktem Rahmen und zudem heftigst umstritten.
Davon abgesehen haben in Libyen bisher weder „ethNische Säuberungen“, noch „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ gedroht, noch sind sie durchgeführt worden.
Gaddaffi hat lediglich den Rebellen gedroht die ihre Waffen nicht niederlegen. Denen die die Waffen niederlegen hat er Amnestie versprochen (zweifelhaft – die wären wohl im Knast gelandet), die unbeteiligten Zivilisten in Bengazi hat er ausdrücklich verschonen wollen.
Die pro-Krieg PR Fraktion hat daraus „Gaddafi droht mit einem Massaker gemacht“ und der Mini-Napoleon hat auf der Welle dann die von den USA verfasste Resolution in das UNSC eingebracht.
Warum die Russen und Chinesen dem zugestimmt haben? Wenn der „Westen“ sich weiter militärisch im Nahen Osten verzettelt können sie sich ruhig und ohne äußere Bedrohung entwickeln.
Nebenbei: „PromovenT der Bucerius-Law-School“ – war das als Qualitätsmerkmal (wohl eher zweifelhaft) oder als eine Darlegung der Zahlungsfähigkeit der betreffenden Person gemeint?
Falls jemand meint eine „humanitäre Aktion“ in Libyen würde dort von den Rebellen willkommen geheissen:
Mit den Medien haben die Rebellen auch ihre „Probleme“.
Die von den Rebellen in Libyen gekidnappten fünf russische Reporter sind wieder frei. Die fünf russischen Reporter waren am Freitagmittag von den Rebellen entführt und nach Bengasi gebracht worden. Die Aufständischen hatten sie in einem Militärstützpunkt in Bengasi einige Stunden lang verhört.
Mal eine Frage: Sollten wir jetzt tatsächlich, egal wie, in Lybien mitnmachen stellt sich mir als erstes die Frage wovon unsere Regierung ablenken will.
Denn eigentlich ist die Haltung Deutschlands klar, keine Truppen (ausser denen die wir zusätzlich in Afghanistan stellen um unsere Freunde zu entlasten damit die wiederum …).
Irgendwie peinlich dieses rumgeeiere wie ich finde, oder?
Werferfehler
@b
„Falls jemand meint eine “humanitäre Aktion” in Libyen würde dort von den Rebellen willkommen geheissen:“
Ich weise nochmals darauf hin, dass dieses kulturelle Umfeld verbreitet grundsätzliche Abneigung gegen den Westen hegt, und positive öffentliche Bekundungen generell eher die Ausnahme sind. Wenn diese Ausnahme zu beobachten ist, ist sie meist vorübergehender Art.
Kuwait und Saudi-Arabien sind die eindeutigsten Beispiele: Beide Staaten verdanken westlichen Interventionen ihre Existenz und große Teile der Bevölkerung diesen ihren Wohlstand und relative Freiheit. Dennoch sind antiwestliche Ressentiments in beiden Staaten stark ausgeprägt. In Saudi-Arabien wird offenbar gerade die Tatsache, dass man sich ohne die Amerikaner 1990/91 kaum hätte behaupten können, als besonders demütigend wahrgenommen und äußerte sich in verstärkten Ressentiments. Lokale Kritik bzgl. „Besatzung“ ist in dieser Hinsicht übrigens oft nur ein oberflächlicher Ausdruck dieser Ressentiments.
Auch in Afghanistan, wo man ja weiterhin davon ausgeht es mit einer stark überwiegend freundlich eingestellten Bevölkerung zu tun zu haben, ist der Vorwurf der „Besatzung“ eher reflexhaft und Ausdruck tieferer Ressentiments. Es ist für viele Afghanen kein Widerspruch, gleichzeitig Enttäuschung über die Intervention zu äußern, weil diese z.B. Warlords nicht abgesetzt habe (also zuwenig in die Innenpolitik eingreift) etc., und sich negativ über zuviel „Besatzung“ zu äußern. Untersucht man solche Wahrnehmungen tiefergehend, stößt man m.E. auf einen Kern von Ressentiments gegen westliche („christliche“) Ausländer, denen man grundsätzlich Verschwörungen gegen Afghanistan unterstellt.
Diese Dynamik kann allenfalls durch klare Machtverhältnisse neutralisiert werden, in denen man sich mangels Alternativen vorübergehend arrangiert. Diese Arrangements dauern solange wie die Machtverhältnisse klar bleiben, was z.T. großen militärischen Aufwand erfordert. Diese Erfahrung machten z.B. die Israelis, die bis Mitte der 80er z.B. im Westjordanland und Gazastreifen viel weniger Probleme mit der Bevölkerung hatten als in der Phase nach 1993 und dem Beginn ihres Rückzugs.
Wer also in solchen Teilen der Welt intervenieren und sich dabei auf Unterstützung der Bevölkerung vor Ort verlässt, sollte sich darauf gefasst machen, dass „Hearts and Minds“ nicht durch pure Humanität zu gewinnen sein werden.
UN-Anfrage soll wohl nächste Woche bei der EU eintreffen – nachdem Frau Ashton die OCHA „ermutigt“ hat. Diplomatie eben:
http://www.heute.de/ZDFheute/pda/inhalt/0,3729,8231854_imageCheckFlag:0-imageType:M1,00.html
Unmittelbar nach der Anforderung durch OCHA könne eine bereits beschlossene Militäroperation der EU Gestalt annehmen, hieß es. Die EU-Staaten würden dann gefragt, welche Militärkräfte sie zur Verfügung stellen.
Der Sprecher sagte, ein Einsatz in Misurata werde auf jeden Fall Marine-Kräfte beinhalten. Auf die Frage, ob auch Bodentruppen eingesetzt würden, sagte er: «Das ist, glaube ich, ein Einsatz, bei dem es vermutlich um Evakuierung geht und darum, dass humanitäre Hilfslieferungen an ihr Ziel gelangen: Man könnte daraus schließen, dass beide (Marine- und Landkräfte) beteiligt sind.»
Die EU werde am Montag bei einem Gespräch Ashtons mit Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen das weitere Vorgehen besprechen. Die EU-Außenminister werden sich am Dienstag bei einem Treffen in Luxemburg mit dem Einsatz befassen. Laut EU-Beschluss soll die Mission «Eufor Libya» beim Transport und der Evakuierung von Vertriebenen helfen und humanitäre Hilfsorganisationen unterstützen. Der italienische Konteradmiral Claudio Gaudiosi soll den Einsatz von Rom aus leiten. Die Kosten sind zunächst auf 7,9 Millionen Euro geschätzt.
Nach einer EU-Entscheidung legt das Bundeskabinett die konkreten Anforderungen an die Bundeswehr in einem Mandatstext fest. Das letzte Wort hat dann der Bundestag. Sobald der politische Beschluss gefallen ist, kann der Einsatz innerhalb weniger Tage beginnen. Neben den Koalitionsfraktionen signalisierten am Freitag auch SPD und Grüne Zustimmung, die Linke ist dagegen
Bin mal gespannt was man am Ende wirklich an Land macht.
Im schlechtesten Fall haben wir den „Kampfeinsatz“ (AWACS, ECR, EF, Marine) abgelehnt und beteiligen uns nun am „humanitären Einsatz“ (FJg, Pi, Log usw. in und um Misrata!!).
So ist es, wenn die Politik die eigenen Parolen glaubt.
Aber mal abwarten, es wird ja nicht so heiß gegessen…
Den Charakter eines Einsatzes bestimmt grundsätzlich die andere Seite und nicht das eigene Wunschdenken. Auch ISAF oder „Restore Hope“ sollten ursprünglich etwas anderes werden als das, was tatsächlich daraus wurde.
Nur ein paar Überlegungen von vielen, wie der „humanitäre“ Ansatz rasch an seine Grenze stoßen könnte:
– Regierungskräfte in der Stadt streuen Gerüchte (EUFOR-Soldat vergewaltigt Muslim-Frau etc.) oder provozieren Vorfälle (Kind vor Auto etc.)
– Ein Anführer der Aufständischen wechselt z.B. nach Erpressung (Entführung von Familienangehörigen durch Regierungskräfte etc.) oder Bestechung die Seite und ruft EUFOR zum „Ende der Besatzung“ auf
– Bislang unbekannte Gruppe (z.B. libysche Spezialkräfte oder Geheimdienst) leistet „Widerstand“ gegen EUFOR mit IEDs (Komponenten werden in Moscheen gelagert) und Scharfschützen (von Minaretten)
– Lokaler Führer A fühlt sich benachteiligt weil er weniger von Hilfe profitiert als Führer B, woraufhin seine Anhänger „spontan“ und gewaltsam gegen EUFOR demonstrieren
– Irgendeine Zeitung veröffentlicht Karikaturen über irgendein sensibles Thema, was den saudischen Sponsor einer Moschee in Misrata stört, woraufhin diese in der Freitagspredigt tausend arbeitslose junge Männer zur „Verteidigung der Ehre des Islams“ aufruft und diese sich auf den Weg zum nächstgelegenen „christlichen“ Ziel machen
– Schüsse fallen aus protestierender Menschenmenge vor EUFOR-Einrichtung in Misrata, daraufhin trifft MG-Schütze Enrico A. Maßnahmen entsprechend ROEs in Selbstverteidigung
Schaut man sich die Geschichte „humanitärer“ Einsätze an, dann sind dies nicht besonders ungewöhnliche Beispiele für reale Eskalationsmöglichkeiten.