Bundestag beschließt deutsche Beteiligung an AWACS über Afghanistan
So, die lange Geschichte des Einsatzes von NATO-AWACS über Afghanistan und der deutschen Beteiligung daran ist um eine Facette reicher: Der Bundestag hat heute, nur drei Tage nach dem entsprechenden Kabinettsbeschluss, dem Einsatz deutscher Soldaten in diesen Überwachungsflugzeugen am Hindukusch zugestimmt. Mit großer Mehrheit – 407 Abgeordnete stimmten zu, 113 waren dagegen.
(Archivbild 2007: Bundeswehr/Andrea Bienert unter CC-Lizenz)
Wir erinnern uns: im Januar gab es noch kein Mandat für diesen Einsatz, obwohl der Bundestag eine solche Mission 2009 schon mal gebilligt hatte. Warum das so ist…. und was die Lage in Libyen, aus der sich Deutschland militärisch raushält, damit zu tun hat: Das hatten Außenminister Guido Westerwelle und Verteidigungsminister Thomas de Maizière schon am Mittwoch vor dem Parlament zu erklären versucht.
Aus Westerwelles Rede:
Meine Damen und Herren, als die Verlängerung des Bundestagsmandats Anfang des Jahres anstand, hatte die Bundesregierung auf die Beantragung des Einsatzes von AWACS verzichtet, weil wir den Schwerpunkt unserer Kräfte in Abstimmung mit General David Petraeus auf die Ausbildung gelegt haben. Zugleich versicherten die militärischen Experten der NATO, der AWACS-Einsatz sei auch ohne deutsche Soldaten möglich. Im Dezember hat die Bundesregierung gesagt: Solange die NATO ohne uns die AWACS betreiben kann, brauchen wir kein Mandat. – Jetzt sage ich: Die Lage in Libyen hat auch die Lage insgesamt verändert.
Und der Verteidigungsminister erläuterte:
In Afghanistan sind bereits seit weit vor 2011 nationale AWACS-Flugzeuge unserer Partner, vor allem der Vereinigten Staaten von Amerika, im Einsatz. Um diese wichtige operative Fähigkeit 24 Stunden am Tag im Einsatz nutzen zu können, unterstützen seit dem 15. Januar dieses Jahres darüber hinaus auch NATO-AWACS des multinationalen Verbandes aus Geilenkirchen diesen Einsatz – derzeit ohne deutsche Beteiligung.
Dieser 24-Stunden-Einsatz hat sich bewährt. Wir wollen ihn fortsetzen. Ohne deutsche Beteiligung wäre dies jedoch nur beschränkt durchhaltefähig. Wie hier richtig vorgetragen worden ist, würde das ab irgendeinem Zeitpunkt im April, Mai oder Juni gelten. Vor dem Hintergrund der Libyen-Vorgänge gilt das aber jetzt erst recht.
Sie finden in dem Mandatsantrag dazu kein Wort, weil die Entscheidung, um die wir den Deutschen Bundestag bitten, auch aus sich heraus sinnvoll ist. Auch ohne die Entwicklung in Libyen wäre es sinnvoll und nötig, den AWACS-Einsatz in Afghanistan zu beschließen. Ich höre aus den Wortmeldungen der Sozialdemokraten, dass das jedenfalls ein wichtiger Teil der Sozialdemokratie ebenfalls so sieht.
Aufgrund der Entwicklung in Libyen ist es nun aber erst recht richtig, dies so zu beschließen; denn wenn AWACS am Mittelmeer – und niemand weiß, wie lange die Auseinandersetzung geht – noch lange bzw. dauerhaft gebraucht wird, brauchen wir eine tatsächliche fachliche Entlastung der NATO-AWACS. Ohne die Deutschen kann man auf Dauer nicht in Libyen und in Afghanistan gleichzeitig sein. Wenn sich der Einsatz am Mittelmeer länger hinziehen sollte, brauchen wir eine wirkliche Entlastung für NATO-AWACS. Deswegen ist es richtig, die Beteiligung deutscher Streitkräfte am Einsatz von NATO-AWACS in Afghanistan zu beschließen.
Selbst wenn es nicht nötig wäre, so ist es doch – das will ich nicht in Abrede stellen – ein politisches Zeichen der Bündnissolidarität, dass wir dies gerade jetzt anbieten.
Bemerkenswert, Westerwelle hat es nicht nur als erster geschafft, im Amt des Außenministers an Beliebtheit zu verlieren, sondern er hat dieses Amt auch für seine Nachfolger nachhaltig kontaminiert. Der Verweis des Verteidigungsministers auf die Bündnissolidarität ist vor allem ein Zeichen, dass sich dort jemand entschlossen hat, politisches Handeln wieder in die Politik einzuführen. Es ist zu hoffen, dass dies gelingt.
Herr Westerwelle entspricht immer mehr meinen Erwartungen – was die Ausführungen des VM betrifft: Seine Argumentation könnte man ohne Zweifel auch auf Kampfflugzeuge und Hubschrauber beziehen :)
Immerhin sagt es mal was – wenn es auch keine persönlichen Errungenschaften sind.
Trotz aller sprachlichen Verzierungen bleibt dies für mich ein Fall von grundsätzlicher Bedeutung im Bündnis weil, nach meiner Kenntnis,
1. der AWACS-Verband direkt unter NATO-Kommando steht,
2. die Bundesrepublik sich bei Gründung massiv für eine Stationierung in DEU
eingesetzt hat und
3. die Soldaten zu dem Geschwader versetzt werden.
Was anderes als Unzuverlässigkeit im Bündnis ist es also, wenn aus innenpolitischem Kalkül (veröffentlichte Meinung,pazifistische Gesellschaft,Landtagswahlen…) und Angst um die Macht der Einsatz in AFG für die Bündnispartner erschwert wird ( denn die DEU Besatzungsmitglieder müssen ja ersetzt werden) um dann, wenn es gilt eine politische Notbremse zu ziehen , eine
Rolle rückwärts zu machen, die ohnehin in 1 – 2 Monaten zu angestanden hätte?
Was anderes Unzuverlässigkeit im Bündnis ist es denn, die DEU AWACS-Besatzungen vor Libyen abzuziehen und die Marinekräfte zu „nationalisieren“ um nicht an den Maßnahmen zur Durchsetzung des selbst geforderten Embargo teilnehmen zu müssen?
Für wie dumm hält diese Regierung ihre Bevölkerung und unsere Partner ?
Es ist an der Zeit, eine Grundsatzdiskussion über die Aufgabe der NATO im allgemeinen und der deutschen Rolle im besonderen zu führen.
Konzipiert wurde die NATO ja mal als Selbstverteidigungsbündnis auf Gegenseitigkeit, d. h.: Wird ein Land angegriffen, gelten alle als angegriffen und stehen dem bedrängten Mitglied bei. Den Afghanistan-Einsatz kann man bei extensiver Auslegung noch in dieses Schema pressen (die Angriffe des 9.11. auf US-Staatsgebiet wurden u. a. von afghanischem Territorium aus vorbereitet).
Der französische Präsident Sarkozy hat angekündigt, dass er nach und nach alle arabischen Despoten mit Waffengewalt beseitigen will. Westerwelle und jetzt auch Merkel sind entschieden dagegen.
Das kann nicht mehr Aufgabe der NATO sein. Wenn Frankreich und bestimmte andere Staaten künftig verstärkt weltweit militärisch intervenieren wollen (aus durchaus edlen Motiven, ich will das gar nicht grundsätzlich abwerten), so müssen sie dafür Strukturen außerhalb der NATO schaffen.
Die Bundesregierung zeigt in den letzten Wochen ein ziemlich irrationales Verhalten, sowohl innenpolitisch, als auch außenpolitisch.
Was die Aufgabe der NATO angeht ließe sich auch der Einsatz in Lybien bei exzessiver Auslegung noch als Selbstverteidigung auslegen, auch wenn ich nicht Überzeugt von einer solchen Argumentation bin, ob in Lybien oder in Afghanistan.
Ich bin erstaunt oder eher irritiert wie schnell und laut hierzulande nach Krieg geschrien wird, nachdem man umgangssprachlich wieder davon sprechen darf. Revolution ist einfach voll cool und so. Außerdem ist Gaddafi ja auch so ein geeignetes Ziel. Diktator wie er im Bilderbuche steht und dann auch noch in der Nachbarschaft und nicht in irgend einem Unbekanntistan.
Ich habe mich noch nie motiviert gefühlt Westerwelle mal öffentlich loben zu müssen, aber hier hat er endlich mal was richtig gemacht.
Wir erwarten gerne glasklare Antworten aus dem politischen Raum. Das ist für Juristen, von berufswegen, schon mal nicht möglich. Einen Herrn Westerwelle zu einem wasserdichten Statement, z.B. im Sinne einer einfachen Ja/Nein Antwort, zu bewegen ist das Gleiche, wie der Versuch Pudding an die Wand zu nageln. Wir haben es allerdings auch zugelassen, dass ein nationales wie internationales Regelungsmonstrum entstanden ist, welches von niemandem beherrscht werden kann. Wochenlang wird debattiert. Ein Despot und Dikatator wie Herr Gaddafi hat es da wesentlich einfacher, der läd durch und schießt auf seine Bevölkerung. Die rein militärische Antwort darauf ist ganz einfach. Die stärkste Militärnation der Welt steht vor der Haustür, dazu noch (obwohl nicht zwingend erforderlich) starke Partner. Die libysche Luftwaffe und Luftabwehr auszuschalten, sollte somit ein Spaziergang sein. Was es offensichtlich wohl auch war. Wo war eigentlich das Problem? Ach ja, die Juristen waren noch nicht fertig.
@Sebastian S.
Ich habe mich noch nie motiviert gefühlt Westerwelle mal öffentlich loben zu müssen …
Das habe ich auch nicht, aber mit dem Rest Ihres Satzes habe ich Schwierigkeiten – was hat der „Aussenminister“ denn richtig gemacht ? Ich stehe offenbar auf dem Schlauch – oder habe falsche Informationen. Die Awacs-Angelegenheit als Beitrag zur Entlastung der freiheitsstiftenden Partner zu verkaufen, ist nur peinlich. Damit ist der Fehler nicht mehr zu korrigieren.
Lesen Sie bitte die für uns massgebliche internationale Presse und urteilen erneut.
SpiegelOnline – nicht gerade als konservatives, kriegstreibendes Medium bekannt:
+++ Anti-Merkel-Sprechchöre in Bengasi +++
+++Die deutsche Enthaltung bei der Libyen-Resolution sorgte diese Woche in Europas Presse für massive Kritik +++.
@MWK,Sebastian
Abgesehen von diesem konkreten Einsatz, war die AWACS-Politik schon immer ein einziges Debakel. Es zeigt aber eben auch, wieviel Lichtjahre wir von einer gemeinsamen Bündnisstrategie entfernt sind. Zu Zeiten als die Amerikaner auf die NATO, im Prinzip, verzichten konnte sind vorbei. Keine Arme(e) keine Kekse. Wie immer wenn es um eine Entscheidung geht gibt es mindestens einen der nicht so richtig will. Auf einen militärischen Einsatz gesehen, muss bzw müsste er allerdings mitmachen. Politik hat da andere Schwerpunkte. Manchmal eben auch, leider!
@ Chickenhawk
Zitat:
„Konzipiert wurde die NATO ja mal als Selbstverteidigungsbündnis auf Gegenseitigkeit, d. h.: Wird ein Land angegriffen, gelten alle als angegriffen und stehen dem bedrängten Mitglied bei. Den Afghanistan-Einsatz kann man bei extensiver Auslegung noch in dieses Schema pressen (die Angriffe des 9.11. auf US-Staatsgebiet wurden u. a. von afghanischem Territorium aus vorbereitet).“
Diese Aussage galt aber nur für OEF solange die Operationen OEF und ISAF tatsächlich getrennt waren. Seit dem sie faktisch unter amerikanischen Oberkommando zusammengelegt wurden, schaut dies anders aus.
@ BausC
Das Verhältnis der Juristen, insbesondere der Juristen des BMVg, zur Einstufung eines Konfliktes, eines Bw-Einsatz, als kriegerische Handlung sind mehr als schwierig.
Im Grunde genommen ist erst durch die Bombardierung der Tanklaster in Kunduz und die Untersuchung des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe, endgültig für alle klar geworden, dass sich Deutschland im Kriegseinsatz befindet.
Das Außenminister hat es nicht nur geschafft, sämtliche Werte zu verraten, für die seine Partei einmal stand, als noch echte Liberale wie Heuss, Scheel und Genscher ihre Politik bestimmten, sondern auch noch alle Verbündeten in EU und NATO dermaßen vor den Kopf gestoßen, dass es Jahre dauern wird, den Schaden wieder gutzumachen. Und das alles für ein paar Dutzend Wählerstimmen von selbsternannten „Pazifisten“, die die FDP ohnehin nicht bekommen wird – denn welcher Grüne oder Linke wechselt schon wegen Libyen zu einer Partei, die ihm soeben Atomkraftwerke vor die Nase gesetzt hat? Der Erfolg ist vielmehr ein anderer – Menschen, denen Freiheit und Menschenrechte wirklich etwas bedeuten, werden am Sonntag ihr Kreuz an einer anderen Stelle setzen, aber sicher nicht mehr bei DP und DU (das „F“ und das „C“ sollten diese Parteien lieber aus ihrem Namen streichen). Ich selbst gehöre übrigens auch zu diesem Personenkreis.
@mwk
Mit „für uns massgebliche internationale Presse“ meinen sie hoffentlich nicht SpOn.
Außerdem kann man Pressekommentare und Sprechchöre in Benghasi getrost ignorieren. Die einzig entscheidende Frage muss lauten inwiefern die getroffenen Entscheidungen den deutschen Interessen dienen oder eben nicht. Und bis hierhin sehe ich nicht warum sich Deutschland an so einem planlosen Abenteuer mit völlig unabsehbaren Folgen beteiligen sollte. Nur um als treudoofer Bündnispartner zu gelten, von ein paar wenigen Staaten, die von einem Feldzug in den anderen stolpern, kann ja wohl nicht Grund genug sein.
@Georg
Wenn es denn in Afghanistan so etwas ähnliches wie Krieg ist dann wäre es der gegen Libyen ganz sicher.
Will damit sagen, „Mutti“ müste Thomas dem Messias sagen: I have it !
*g – Nein – Spon halte ich (!) nicht für massgeblich, doch muß man anerkennen, dass der Spiegel eine gehörige mediale Macht darstellt.
Sie haben vollkommen recht – die Interessen Deutschlands haben gegenüber einer guten Presse Vorrang. Leider sehe ich in diesem Fall hier keinen Unterschied – die schlechten Schlagzeilen haben wir bei unseren engsten Verbündeten und bei Teilen unserer Öl-Lieferanten. Sollten unsere Interessen aber andere sein als die unserer Partner, läuft irgend etwas falsch.
Auch bei einem negativen Ausgang des „libyschen Abenteuers“ , wie auch immer dieser aussehen sollte, müssen wir uns die Frage stellen, wie unser Verhältnis zu unseren Freunden dann aussieht.
Meinen Sie, dass z.B. Großbritannien oder Kanada „treudoofe Bündnispartner“ sind ?
Die Politik verscherzte es sich gerade mit allen, diesseits und jenseits des Atlantiks. Wir sind doch hoffentlich immer noch im westlichen Bündnis zuhause? Alles andere wäre nicht nur für mich ein Auswanderungsgrund.
„Bündnispolitisch“ ist glaub weniger entscheidend, ob Deutschland sich beiteiligt oder nicht (gibt ja für beides gute Argumente, und auch Nato-Länder wie die Türkei, die in der Sache ähnliche Standpunkte vertreten). Aber die Art und Weise ist teilweise einfach … billig?
Minister Niebel bei Illner: „Es fällt auf, dass gerade die Nationen bomben, die noch Öl aus Libyen beziehen.“
(Kleiner Seitenhieb: Soviel zu Soldaten in der Politik… ;) )
Westerwelle hat nichts richtig gemacht, denn diese Enthaltung war unpolitisch. Wenn es denn richtig wäre, Libyen sich selbst zu überlassen, hätte Westerwelle ein „Nein“ durchsetzen müssen. Und Niebel hat bei Illner schlichtweg gelogen, was die angebliche Einzigartigkeit deutscher ECR-Flugzeuge angeht, und sich darüber hinaus der Antwort verweigert, wie er den Sturm auf Bengasi mit Sanktionen hätte verhindern wollen. (Er hat auch nicht begründet, dass ein solcher Sturm ggf. gar nicht bevor stand.) Und schließlich hat Niebel seine chauvinistischen Ressentiments dokumentiert, indem er behauptete, in Libyen gäbe es keine Zivilgesellschaft. Der Mann ist als Minister untragbar.
Niebel ist ja der Mann, der das Entwicklungshilfeministerium immer abschaffen wollte, bis es ihm plötzlich selbst angeboten wurde. Dieser skrupel- und gewissenlose Opportunist ist nicht nur eine Schande für Deutschland, sondern auch für die Bundeswehr. Er sollte sofort entlassen werden.
@Sascha Stoltenow – Westerwelle wollte wohl mit nein stimmen, aber Mutti hat ihm das verboten.
Wie wäre wohl die richterliche Beurteilung einer „Ja“ Stimme unter §80 und $80a des StGB ausgefallen?
Relevant sind die ja in diesem Fall wohl.
§80 … die Vorbereitung zu einem Angriffskrieg
osä – Hallo Herr Ströbele …
Durch die Resolution der UN sollte dieser abgedeckt sein – ansonsten gehört der Paragraph gestrichen oder verändert – *g
@mwk
Die Resolution der UN ändert nichts daran das Angriffskrieg gegen Libyen geführt wird.
Eine Streichung oder weitgehende Änderung des Paragraphen 80/80a wäre Verfassungswidrig (Artikel 26 GG). Wenn sie soetwas fordern dann müßte das eigentlich die Verfassungsschützer interessieren :-)