Deutsche Transall: Evakuierung aus der libyischen Wüste
Die Bundeswehr hat Deutsche und andere EU-Bürger aus der Wüste Libyens evakuiert. Nach Informationen von Augen geradeaus holten zwei Transall-Flugzeuge der Luftwaffe mehr als 130 Menschen von einem Flughafen im Osten Libyens ab. An Bord der beiden Maschinen, die kurz nach 17 Uhr deutscher Zeit wieder starteten, waren auch bewaffnete deutsche Sicherungskräfte.
Die Informationen decken sich weitgehend mit Angaben der Bild-Zeitung, wenn auch dort nur von einem Flugzeug die Rede ist. Nach Angaben des Blattes handelt es sich um den Flughafen Nafoora-Jakharrah in der libyschen Wüste.
Derweil berichten sowohl die BBC als auch Al Jazeera, dass die Briten ebenfalls rund 150 Menschen auf dem Luftweg aus der Wüste südlich von Bengasi evakuiert haben.
(Inzwischen die offizielle Bundeswehr-Bestätigung hier, die offizielle britische Bestätigung hier.)
Nachtrag: Der BBC-Bericht über die Evakuierungsaktion liest sich in Teilen merkwürdig: Of the rescuers, he said: „There was the crew. There were no soldiers as such. They were not carrying any weapons, to my knowledge.“
Und noch ein Nachtrag zur diskutierten Frage der nachträglichen parlamentarischen Billigung des Einsatzes: Dazu hat sich am Montag der Sprecher des Auswärtigen Amtes in der Bundespressekonferenz geäußert:
Dafür muss man sich das Parlamentsbeteiligungsgesetz genau ansehen; das würde ich Ihnen empfehlen. Es gibt nach den §§ 3 und 5 sozusagen die Pflicht, im Vorhinein zu unterrichten, wenn sich ein bewaffneter Einsatz abzeichnen könnte. Wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass es tatsächlich ein bewaffneter Einsatz war, muss die nachträgliche Zustimmung des Deutschen Bundestages eingeholt werden. In diesem Falle war es so, dass ein bewaffneter Einsatz bevorgestanden haben könnte. Nachträglich war es ein gesicherter Evakuierungseinsatz mit humanitärer Zielsetzung, also kein bewaffneter Einsatz. Demzufolge muss auch nachträglich keine Zustimmung des Bundestages eingeholt werden.
Bei SPON heißt die Operation mit deutscher Beteiligung „Nafurah“.
Sicherlich laufen mehrere Aktionen parallel, etliche Namen schwirren durch das Web.
@ TimTimTim
Hier glaube ich aber deutlich mehr der offiziellen UdÖ der Bundeswehr – http://www.bundeswehr.de/resource/resource/MzEzNTM4MmUzMzMyMmUzMTM1MzMyZTM2MzEzMDMwMzAzMDMwMzAzMDY3NmI3MDZkMzc3NzM4NzgyMDIwMjAyMDIw/02_11%20Ud%C3%96.pdf
@ Etienne Rheindahlen:
Beim Daily Telegraph klingt das schon deutlich weniger James Bond-mäßig als in der „britischen Bild“ ( ;) ):
„The Daily Telegraph has learnt that special forces were on the ground in Tripoli to ensure the evacuation of all British nationals went smoothly.
SAS officers offered support and advice to private security firms drafted in to rescue more than 170 oil workers stranded in remote desert compounds.“
Klingt für mich so, als habe man die Botschaft verstärkt. Einen direkten Zusammenhang mit der Evakuierung der Öl-Arbeiter etwa 600km südöstlich kann ich da erstmal nicht erkennen.
Bitte nicht falsch verstehen: Ich will hier jetzt keinen Zank vom Zaun brechen. Aber ich hab schlicht den Eindruck, dass die Regierungen derzeit sehr gerne das Militär in den Vordergrund stellen, um „tätig“ zu wirken. Gerade die britische Regierung steht da glaub grad ziemlich unter Druck, und der SAS ist da ein super Vorstellungs-Befeurer.
Wenn ich das richtig seh sind die Briten – genau wie die Deutschen – auf dem Flugfeld eingeflogen, haben die friedlich wartenden Flüchtlinge eingeladen während der Sicherungstrupp drumherumstand, und sind dann wieder gestartet ohne einen Schuss abgegeben zu haben. (Laut dem Video von Martin war noch ein AV 130 Gunship mit von der Partie, jo.)
Ganz im Ernst: Der Worst Case ist nicht, dass im Moment des Aufgabelns Horden von durchgeknallten Bewaffneten über den nächsten Wüstenhügel gestürmt kommen. (Ist zwar nicht unmöglich, aber sehr sehr unwahrscheinlich.) Der kritischere und vor allem viel wahrscheinlichere Fall ist doch, dass irgendwelche Bewaffnete die Flüchtlinge im Vorfeld unter ihre Gewalt gebracht haben (als Geiseln, Hinterhalt,…). Von solchen Fällen ist bisher nichts bekannt geworden.
Die Lust endlich über Evakuierungs-Opertaionen fachsimpeln zu können ist ja nachvollziehbar. Aber irgendwie scheint mir da die Perspektive verloren zu gehen.
Mit Sicherheit war diese Operation nicht „heiß“. Aber von ganzen ZWEI Bildern würde ich nicht auf die Gemütslage der Männer schließen (ganz davon zu schweigen, dass diese direkt an der Maschine standen um das direkte Einladen zu checken, die Sicherungseinheiten dürften nicht im Bild gewesen sein).
Es ist ein Einsatzgrundsatz, dass Kommandos im Voraus aufklären.
Man tut dies, wenn es die Situation erlaubt und man etwas Zeit hat, um die Lage besser einsehen zu können. Das ist nichts geheimes. In etlichen offiziellen BW-Videos wird doch lang und breit erklärt, dass bei einer Befreiungsoperation mehrere Kräftezuführungen stattfinden. Kommandosoldaten – Fallschirmspezialzug zur Einweisung der folgenden Fallschirmjäger und eben diese mit Transall.
So oder so ähnlich in der Theorie :)
Die Operation wäre mit Sicherheit auch ohne SAS sauber gelaufen. Aber man verlässt sich halt nicht gerne auf Vermutungen und Glück.
Ich will nicht weiter ausschweifen, aber blicken wir mal zurück in die Geschichte der guten alten Noncombatant Evacuation Operation (NEO für den Glossar).
Da wäre die Operation „Eastern Exit“ (ähnliche Umstände, etwas verschärft, mehr zu Evakuierende, höherer Zeitdruck, größere Distanz, alles etwas größer, aber sonst gleich):
5./6. Januar 1991 Mogadischu, nach Verlegung mit Helikopter mit Luftbetankung über dem indischen Ozean evakuieren (fliegende nicht genannt) Navy Seals und die 4th Marine Expeditionary Brigade USMC 281 Zivilisten vom US-Botschaftsgelände in Mogadischu. Person 282 wurde am 10. Januar auf der USS Guam geboren.
Hier sehen wir: Der Einsatz wurde ohne wirkliches Vorauskommando ausgeführt, da Zeitdruck, dennoch waren Spezialkräfte mit von der Partie.
@ J.R.
Wo ist das Problem. Das ist eine höchst interessante Angelegenheit.
Es mag ja sein, dass die Situation vor Ort nicht so dramatisch ist, wie bei anderen Beispielen. Egal. Sie wollten ja nicht streiten :) Will ich auch nicht.
Ich liebe nur Operationsberichte. ^^
@ J.R.
„Daily Telgraph“ berichtet über die Evakuierung vom 24.02. – ab Tripolis Int’l Airport… Im Übrigen teile ich Ihre Meinung hinsichtlich des (innen-)politischen Signals, das die beteiligten Regierungen – die Eine mehr, die Andere weniger – über diese MilEvakOps aussenden wollen oder aussenden zu müssen glauben.
Die Mission mit der kreisenden AV-130 Gunship war übrigens eine andere, rein britische EvakOp…sofern ich die diversen Nachrichten im Netz richtig interpretiere.
War doch klar, das die Bundeswehr wieder nur ihre alten Trall schicken konnte und deshalb erstmal die Lufthansa vorgeschickt hat zum Evakuieren…
Lufthansa=demnächst teil der Spezialkräfte???
Die RAF hat ueberhaupt keine AC-130 Gunships, sowas haben nur die Amerikaner. Also entweder hatten die Briten Unterstuetzung durch die Amerikaner, oder Skynews erzaehlt Bloedsinn….
äh klugscheisseralarm:
wenn überhaupt dann wohl auch ne „AC-130 Gunship“ und keine „AV-130 Gunship“ ^^ ups schon zu spät :-)
@ urban
„C“ und „V“ liegen eben sehr dicht nebeneinander…*lol*
Da mach ich hier so unglaubliche Grammatikfehler und verhunz Sätze beim Umformulieren schrecklichst, und dieser Typo wird mir angelastet? Tyyyypisch… ;)
@ Etienne Reindahlen
Naja, den Telegraph-Artikel hab ich angeführt, weil er das Eintreffen des SAS in Tripolis am Dienstag, 22.2. halt aus einem anderen Blickwinkel darstellt.
Und ja, die Evakierung mit dem wohl nicht vorhandenen AC-130 Gunship war wohl eine andere als die mit der Bundeswehr zusammen. Der Ablauf dürfte aber ziemlich gleich gewesen sein.
Auf der BBC-Seite hat es mittlerweile ein Video über einen der Evakuierungsflüge vom Wochenende.
Wie gesagt, ich will hier niemanden bei Diskutieren über Operationsberichte stören. :)
Aber man sollte auch nicht das Gesamtbild aus dem Auge verlieren. Und da sind Sachen wie die fehlende europäische Linie, die Konzeptlosigkeit zur Zukunft Nordafrikas, die fehlende internationale Abstimmung bei den Evakuierungen und vor allem das Fehlen eines vordefinierten Sanktionsrahmens für solche Massaker schlicht die wichtigeren Punkte.
Und wenn ich ehrlich bin: Was die Chinesen und Türken da bei der Evakuierung leisten ist logistisch deutlich beeindruckender. Nur wird das in Europa ja fast schon totgeschwiegen – fast so als könnte es die Militärshow der europäischen Staaten schlecht aussehen lassen. ;)
Pardon, aber jegliche Diskussion über ein militärisches Eingreifen des Westens scheint mir bislang noch recht weit entfernt. Schon die Einigung auf eine No-Fly-Zone, berichten die Kollegen vom Spiegel, ist offensichtlich nicht wirklich in Reichweite:
Der Westen scheut die Operation Flugverbot
@ T.W.
Möglicherweise sind die Risiken, die mit der Verhängung einer No-Fly-Zone verbunden sind (und die eventuell auch sehr viel konkreter „unseren Regierungen“ im Gegensatz zu „uns“ bekannt sein könnten), so hoch…dass die Frage einer Einigung sehr von den jeweiligen innenpolitischen Verhältnissen der in Frage kommenden Staaten abhängt.
Dazu ist zu bedenken: wenn eine „aktive No-Fly-Zone“ bedeuten könnte, dass der derart von einer multinationalen Koalition in die Enge getriebene Ghaddafi im Fall des Abschusses libyscher Luftfahrzeuge mit terroristischen Anschlägen in den betreffenden Ländern antworten würde – ist ein überaus gründliches Abwägen mehr als begründet. Ein Szenario, das ich im Fall des „Lockerbie“-Auftraggebers nicht ausschliessen würde.
Und auch ein militärisches Eingreifen in die (bürgerkriegsentsprechenden) Auseinandersetzungen zwischen dem Ghaddafi-Regime und der libyischen Opposition könnte eher kontraproduktiv wirken. Ich denke, dass sich im Lauf des heutigen Tages die Stimmen oppositioneller Libyer vermehrt haben, die keine militärische Intervention von aussen wollen.
Noch ein Nachtrag, weil hier immer wieder auch die Frage des Parlamentsbeteiligungsgesetzes und der nachträglichen Billigung durch den Bundestag diskutiert wird: Dazu hat sich das Auswärtige Amt geäußert – siehe dazu im Eintrag oben den jünsten Nachtrag.
Wann wird der Parlamentsvorbehalt endlich abgeschafft ?
Er kostet Zeit, Geld und Handlungsspielraum. Achja, und gleichzeitig bringt er nichts ein.
Ist es nicht an der Zeit, alte Zöpfe endlich abzuschneiden?
Qaddafi ist ein etwas anderer Diktator, mit einer sehr starken anti-kolonialistischen und anti-imperialistischen Ideologie. Die Einmischung, besonders die militaerische, der ehemaligen Kolonialherren oder noch schlimmer der USA wuerde ihn nur Bestaetigen.
Bei so einer Revolutin ist es doch wohl viel wichtiger fuer die Aufstaendischen Armee-Einheiten auf seine Seite zu ziehen als diese militaerisch zu Besiegen. Das Volk will ja schliesslich eine Befreiung auch der Soldaten.
Es wird jetzt viel von der Handlungsunfaehigkeit des Westens, der Nato, der UN etc geschrieben. Aber, was sollen Sanktionen in so einer dynamischen Phase bringen? Selbst wenn sie sofort Beschlossen wuerden, bis sie wirken, ist doch vermutlich schon alles Vorueber.
Ich denke es stoert Einfach viele Leute auf eine sehr unbewusste Weise, dass es grosse Umbrueche gibt, ohne ihr eigenes, bzw ‚unser‘ Zutun. An dieser Stelle moechte ich doch sehr an das Selbstbestimmungsrecht der Voelker erinnern.
@Zyme: Ich glaub ich hoer nicht recht! Sollten wir nicht konsequenterweise gleich das Parlament abschaffen, und die Kanzler direkt waehlen?
Im Interesse einer Vermeidung einer propagandistischen Eskalation halte ich es gegenwärtig für richtig, aktuell keinen Bundestagsbeschluss herbeizuführen.
Begründen kann man das mit: „Gleiches gilt für Einsätze zur Rettung von Menschen aus besonderen Gefahrenlagen, solange durch die öffentliche Befassung des Bundestages das Leben der zu rettenden Menschen gefährdet würde.“ (§ 5 Abs. 1 letzter Satz ParlBG) Wenn sich in ein paar Wochen der revolutionäre Pulverrauch in Libyen gelegt hat, richtet man keinen Schaden mehr an und kann den Bundestag nebenbei diesen Einsatz nachträglich legitimieren lassen. Das wäre zwar auch nicht mehr wirklich sauber, aber gangbar.
So, wie das hier vom AA begründet wird, geht das aber gar nicht.
Man sollte diesen Fall zum Anlass nehmen, das Parlamentsbeteiligungsgesetz zu überarbeiten.
Die Begründung des AA ist schlicht lächerlich. Ein Blick ins Gesetz hat hier erhellenden Charakter:
§ 1 ParlBG
„Grundsatz
(1) Dieses Gesetz regelt Form und Ausmaß der Beteiligung des Bundestages beim Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Ausland. Artikel 115a des Grundgesetzes bleibt davon unberührt.
(2) Der Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes bedarf der Zustimmung des Bundestages.“
Abs. 2 ist eindeutig! Für die Frage, ob etwas ein Einsatz ist oder nicht, bedarf es keiner Kampfhandlungen.
„§ 2 ParlBG
Begriffsbestimmung
(1) Ein Einsatz bewaffneter Streitkräfte liegt vor, wenn Soldatinnen oder Soldaten der Bundeswehr in bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind oder eine Einbeziehung in eine bewaffnete Unternehmung zu erwarten ist.
(2) Vorbereitende Maßnahmen und Planungen sind kein Einsatz im Sinne dieses Gesetzes. Sie bedürfen keiner Zustimmung des Bundestages. Gleiches gilt für humanitäre Hilfsdienste und Hilfsleistungen der Streitkräfte, bei denen Waffen lediglich zum Zweck der Selbstverteidigung mitgeführt werden, wenn nicht zu erwarten ist, dass die Soldatinnen oder Soldaten in bewaffnete Unternehmungen einbezogen werden.“
Nun schauen wir einfach mal auf die Seite der Bundeswehr (http://www.bundeswehr.de/portal/a/bwde/!ut/p/c4/NYrBCsJADET_aLMLRcVblxbx6kGtt7QNJdBmS4wWxI939-AMvMO8gQfkCr55QuMkOMMduoGP_eb6bSRHLE8k-xDcyjMvQxKyQiMxzpwULalbk9pczEs1G8cjdD40Mez9P-F7aE_xWld-15zjBdZlqX8dpKfO/ ) und sehen bewaffnete deutsche Streitkräfte in Libyen. Man kann dem durchaus entnehmen, dass die Waffen nicht nur zur Selbstvereidigung mitgeführt wurden, sondern eben zum Schutz Dritter – hier nicht nur Bundesbürger, sondern auch Bürger anderer Länder.
Also bedarf es nun der Zustimmung des Bundestages. Wenn es also diese Operation Pegasus gegeben hat, was man wohl als unstreitig bezeichnen kann, dann braucht man dafür einen Bundestagsbeschluss. Diesen kann man aufgrund von Art. 5 ParlBG nachholen. Auf den Bundestagsbeschluss verzichten kann man jedoch nicht.
Wenn unsere Regierung nun also mit diesem Rumgeeiere des AA durchkommt, kann man Deutschland meiner Meinung mit Fug und Recht als Unrechtsstaat bezeichnen.
Nach geltendem Recht liegt das Entsenderecht nun mal beim Bundestag. Wenn man das für falsch hält, was man im vorliegenden Fall durchaus kann, dann muss man das Gesetz ändern. Das ParlBG jedoch nach Belieben zu missachten geht nicht.
Sehe ich das richtig, das diese Aktion ohne die Hilfe der Briten gar nicht durchführbar gewesen wäre (sprich Luftraumüberwachung, Landeplatz sichern etc)??
@Peter1
Sicherlich wäre das für die Bw durchführbar gewesen. Aber mit Freunden zu spielen, macht einfach mehr Spaß als alleine – richtig?
Die Aussage des AA liest sich wie ein schlechter Witz.
Sowohl die bekannt gewordenen Details als auch die erfolgte Vorabunterrichtung und die nachträgliche Stellungnahme zeigen klar auf, dass dies ein Einsatz war – egal ob direkt als „bewaffnete Unternehmung“ oder nur als „zu erwartende Einbeziehung“ – siehe § 2 I ParlBG. Bei der „zu erwartende Einbeziehung“ kommt es nicht auf den Bedingungseintritt an, ex ante zählt.
Es kann doch nicht sein, dass es vom Verlauf der Mission abhängt, ob die Handlung ein Mandat bedarf oder nicht. Wenn der Gegner sich nicht wehrt bzw. die Staatsbürger freiwillig rausrückt, dann wird aus einem „bewaffneter Einsatz“ ein „gesicherter Evakuierungseinsatz mit humanitärer Zielsetzung“? Obwohl, die RAF wurde ja angeblich beschossen. Oder hätten deutsche Soldaten schießen müssen?
Mal schauen, wie lange wir ohne Einladung bewaffnet durch Österreich fahren dürfen bis die Einsatz-Schwelle überschritten ist. Und hatte SFOR nicht auch eine humanitärer Zielsetzung?
Das kann doch nicht der Ernst sein. Hier wird die rechtliche Möglichkeit der ad-hoc-Entscheidung benutzt, um nach Abschluss einer Aktion deren rechtliche Bewertung (politisch) anzupassen.
Das ist wie die grundlose Hausdurchsuchung ohne richterliche Anordnung -> Wenn was gefunden wird, ist nachträglich alles gut und wenn nicht hat der Anordnende ein Problem? Diese Praxis ist nach einhelliger Meinung auch unzulässig.
Hier wird mit einer unstreitigen und mehrheitsfähigen Aktion ein Exempel statuiert. Und bei zukünftigen nicht mehrheitsfähigen Aktionen kann dann auf die „langjährige Übung“ verwiesen werden?!
Wenn man die Schranken des ParlBG nicht mag oder verschieben will, bitte sehr. Mit der entsprechenden Mehrheit kann das Gesetz samt GG gerne geändert werden.
Aber solange es existiert, wird man sich wohl daran halten müssen. Zumal die aktuelle Dehnung nicht „alternativlos“ ist – eine Mehrheit wäre sicher.
Zur außenpolitischen Wirkung bzw. libyschen Propaganda:
Es ist doch für Gaddafi und seine Schergen egal, wie ein Staat die Evakuierung innerrechtlich regelt. Bei uns stimmt der BT einem Mandat zu, woanders unterzeichnet der Staatschef ein Dekret und wieder woanders befiehlt es der Generalstabschef zwischen zwei Terminen per Telefon. Andere Länder, andere Sitten.
Die Libyer haben das Anlegen der britischen Fregatte und das von Bord gehen der bewaffneten Soldaten doch auch nicht negativ ausgeschlachtet. Zugestimmt haben sie vermutlich nicht, dafür reichen die freundschaftlichen Beziehungen zu UK nicht – aber sie werden sich hüten, UK zu provozieren. Man schaue sich nur an, wie handzahm sich Gaddafi gestern im Interview mit Christiane Amanpour gegeben hat.
Und ein BT-Mandat muss Libyen nicht den „totalen Krieg“ erklären. Eine Beschränkung auf militärische Evakuierung reicht aus und wäre harmlos.
Zu den parlamentarischen Abläufen: Wie wird denn ein Zuwiderhandeln sanktioniert? Eine Rüge? Jedenfalls vermutlich nicht sonderlich schmerzlich. Ehrlich gesagt, ich würde mir das mit dem vorab informieren auch überlegen, denn ich würde mich nicht auf die Verschwiegenheit von einigen Mitgliedern der entsprechenden Gremien verlassen wollen. Da braucht nur ein linker Abgeordneter, der seine Klappe nicht halten kann, der TAZ was stecken und schon ist die Operation nicht mehr geheim.
Dann lieber eine Rüge riskieren als die Sicherheit der Beteiligten zu gefährden.
Der britische Fernsehsender SkyNews meldet, dass die dortige Regierung erwägt, Eurofighter (bei den Briten Typhoon) auf ihrer Basis RAF Akrotiri auf Zypern zu stationieren, um eine Flugverbotszone durchzusetzen.
Außerdem habe es wohl eine weitere Evakuierungsoperation in der letzten Nacht gegeben.
Ich hätte da noch mal eine Frage zur fehlenden Mandatierung.
Der Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt ist der Bundesverteidigungsminister. Äußerungen des AA sind hier möglicherweise irrelevant .
Den Befehl zum Einsatz hat der Verteidigungsminister gegeben. Er muss dafür gerade stehen, dass alles rechtens ist.
Hat sich in irgendeiner Weise das Verteidigungsministerium geäußert? Hilfsweise ginge auch das Bundeskanzleramt.
Wenn nun also auch das Verteidigungsministerium sagen würde, man brauche (mit der absurden Begründung des AA) keinen Bundestagsbeschluss, dann stünde endgültig fest, dass der Minister für sein Amt ungeeignet ist.
Wenn Herr zu Guttenberg bei seiner Doktorarbeit mogelt, dann mag das zwar ein schlechtes Licht auf seine Persönlichkeit werfen, ist aber für die Bundeswehr irrelevant.
Wenn jedoch der Bundesverteidigungsminister bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr bei der Mandatierung mogelt, dann ist das ein ganz anderes Kaliber und gehört unverzüglich geahndet.
Bisher gingen die beteiligten Soldaten vermutlich davon aus, dass diese Evakuierungsaktion nachträglich vom Bundestag legitimiert wird und gut is.
Wenn Soldaten der Bundeswehr zukünftig davon ausgehen müssen, dass sie von ihrem Oberbefehlshaber ohne rechtliche Legitimation in Auslandseinsätze geschickt werden, so müssen sie den Befehl verweigern, weil sie sonst ggf. selbst vor Gericht und im Gefängnis landen.
Dass der Bundesverteidigungsminister seinen Soldaten in den Rücken fällt, wenn er glaubt, davon einen politisch- medialen Vorteil zu haben, haben wir im Fall Gorch Fock gesehen. Schlimm genug.
Eine rechtswidrige Entsendung von Soldaten in nicht mandatierte Auslandseinsätze ist aber dann noch ein ganz anderes Kaliber und justiziabel.
Auch hier kommt es auf Persönlichkeit und Rückgrat an. Ein ehrbarer Minister würde überhaupt keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass das ParlBG eingehalten wird und der Bundestag selbstverständlich hinter diesen Soldaten steht. Ein Minister, der schon anderorts mit Mogelei durchgekommen ist, scheint es dann hier auch noch zu versuchen. Damit ist keine Staat zu machen, allenfalls eine korrupte Bananenrepublik.
Werden die Soldaten der Bundeswehr gerade mal wieder von der Politik verraten?
@ dallisfaction
Geheinisverrat wird mit Haftstrafen bis zu 3 Jahren bestraft. (Und weil ja immer wieder was aus dem Verteidigungsausschuss raussickert: „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“ zählt anscheinend nicht als „amtlich geheimgehalten“.)
Auch dürften alle Obleute im Verteidiungsausschuss einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden sein.
Ich bin jetzt beileibe kein „Die Linke“-Fan. Aber man sollte einfach mal anerkennen, dass Herr Schäfer sich bisher wohl genauso gewissenhaft verhalten hat wie die anderen Obleute auch.
Stichworte: Geheimhaltungsstufen, Sicherheitsüberprüfung, Verteidigungsausschuss.
@Sun Tzu :
Mandatsanfragen an das BMVg werden derzeit „zuständigkeitshalber und mit der Bitte um Übernahme“ an das AA weitergeleitet.
@ Szun Tu und Tom
Schlechtestenfalls sind die Beteiligten Soldaten, insbesondere ihre Vorgesetzten dran. Ich erinnere mich noch gut an die Hexenjagd nach dem G8-Gipfel. Da wurden von den beteiligten Soldaten dienstliche Erklärungen abgepresst. Wer nicht unterschrieben hat, dem wurden dienstliche und disziplinarrechtliche Maßnahmen angedroht. Beim „Sicherungseinsatz“ zuvor war es ja noch schlimmer. Und immer schwebte über allem das Damoklesschwert der Staatsanwaltschaft.
Auf der Zeit hat es einen interessanten Artikel über das Kräfteverhältnis in Libyen: Libyens Aufständische zögern.
Nebenbei weist man hinsichtlich des Zögerns bei Einrichten einer No-Fly-Zone auf diean Lybien gelieferten Boden-Luft-Raketen hin (eine Auflistung hat’s auch unter Wikipedia: Lybian Air Force).
Zum Thema No-Fly-Zones hat es auch eine historische Einschätzung des Washington Institutes: Slippery Slope: Libya and the Lessons of Previous No-Fly Zones (Hinweis von Abu Muqawama, mit noch weiteren Lese-Empfehlungen zur Krise in Lybien und Ägypten).
News: Russland schliesst eine no-fly zone aus – die Zustimmung Russlands wäre jedoch notwendig.
Aus einer aktuellen Antwort des Auswärtigen Amtes:
„In Fällen von Gefahr in Verzug ist laut Parlamentsbeteiligungsgesetz eine nachträgliche Zustimmung des Bundestags zu einer solchen Militäraktion möglich. Voraussetzung ist allerdings, dass vorab der Bundestag in geeigneter Weise informiert wird. Bundesaußenminister Westerwelle hat am Freitag alle Fraktionschefs telefonisch in Kentnis gesetzt. Der Bundestag muss die Aktion nur nachträglich billigen, wenn die Bundeswehr ihre Waffen auch eingesetzt hätte. Dies ist jedoch beim Einsatz in Libyen nicht der Fall gewesen.“
Damit ist es offiziell. Eine Mandat ist nur noch für solche Auslandseinsätze der Bundeswehr notwendig, wo von der Schusswaffe Gebrauch gemacht wurde. -> In Zukunft nur mit erdrückender Übermacht agieren, damit der Gegner kampflos aufgibt.
:-(
Die Bundeswehr schildert sehr präzise die Operation Pegasus einschließlich Vor- und Nachbereitung: http://bit.ly/gRm8wy
Lesenswert!
@ c.s. Die RAF zwar nicht, allerdings verfügt das SAS über 6 AC-130 Gunships als Luftunterstützung
Am Samstag gibt’s übrigens einen Pressetermin mit den Pegasus-Soldaten, allerdings in Wunstorf. Das schaffe ich von Berlin aus aus Zeitgründen nicht; falls es Fotos gibt, stelle ich sie hier auch ein.
Laut Video auf dem Youtube-Kanal der BW hatten die Flugzeuge übrigens die Freigabe des Libyschen Außenministeriums.
Die eigentlich spannende Frage stellt sich in dem Umstand, dass Angehörige der bewaffneten Macht der Bundesrepublik Deutschland in das Hoheitsgebiets eines fremden Landes eingeflogen sind, welches sich gerade im Zustand eines bewaffneten Konflikts befindet.
Die Evakuierung von eigenen Staatsangehörigen aus einem anderen Land mittels Hoheitsträger (und das wären auch Polizisten) ist völkerrechtlich nach herrschender Meinung gewohnheitsrechtlich zulässig, jedenfalls dann, wenn hierfür die Genehmigung des betroffenen Landes vorliegt, die dortige Staatsgewalt erloschen ist oder das Land völkerrechtlich als Angreifer zu bewerten wäre. Eine glasklare völkerrechtliche Erlaubnis ist schon wegen der unklaren Verfassungslage zwingend, denn nach dem Grundgesetz dürfen deutsche Soldaten nur eingesetzt werden, wenn die Verfassung dies ausdrücklich erlaubt.
In Deutschland ist das Parlament für alle wesentlichen Entscheidungen des Staates zuständig. Die deutschen Soldaten, welche nach den Presseberichten jederzeit in der Gefahr waren, abgeschossen, beschossen oder gefangen genommen zu werden haben ein Anrecht darauf, zu erfahren, was ihr Parlament von diesem Einsatz hält.
Und gespannt darf man auf die Antwort auf die Frage sein, was denn geplant war, wenn die deutschen Soldaten – wie ihre niederländischen Kameraden – von der libyschen Staatsmacht gefangen gesetzt worden wären.
Es ist hoffentlich mit einer einstimmigen Zustimmung zu diesem Einsatz zu rechnen.
Jedenfalls sollten die Bürger genau wissen, welcher Abgeordnete einer Evakuierung in Notzeiten seine Zustimmung verweigern würde.
Es ist zu begrüßen wenn die Bundesregierung vertritt, derartige Einsätze seien für die Bundeswehr „Normafälle“. Dann hätte man sich aber auch die Diskussionen um den Einsatz von militärischen Spezialkräften zur Befreiung der deutschen Geiseln auf der „Hansa Stavanger“ auf Hoher See vor Somalia und das Gerangel mit der Bundespolizei sparen können.
„Es ist hoffentlich mit einer einstimmigen Zustimmung zu diesem Einsatz zu rechnen.“
Die Zustimmung wird nach derzeitiger Lage bei 0% liegen, da die BReg keine Entscheidung des BT herbeiführen wird. Begründung s.o.
Libyen: Bundeswehr-Rettungsaktion
Böses Nachspiel im Bundestag
http://www.sueddeutsche.de/politik/rettungsaktion-der-bundeswehr-in-libyen-boeses-nachspiel-im-bundestag-1.1070452