Mal echte Nachrichten aus Afghanistan: Das Rote Kreuz schlägt Alarm

Liebe Leser in Deutschland, liebe Kollegen der deutschsprachigen Medien, ihr müsst mal einen Moment ganz tapfer sein. Die derzeit wichtigsten Nachrichten aus und über Afghanistan sind nämlich nicht die vom Besuch eines Ministers, seiner Ehefrau und eine anstehende Talkshow aus Masar-i-Scharif. Echt jetzt.

Eine der wichtigsten Nachrichten aus Afghanistan ist heute zum Beispiel, dass das Rote Kreuz, das Internationale, Alarm schlägt. Eine Organisation, die sich sonst mit öffentlichen Stellungnahmen sehr zurückhält. (Schon die Tatsache, dass das Internationale Rote Kreuz eine Pressekonferenz – in Kabul, T.W. – abhält, macht deutlich, wie sehr uns die Aussicht auf ein weiteres Jahr der Kämpfe mit dramatischen Konsequenzen für immer mehr Menschen nunmehr fast im ganzen Land bedrückt, sagt laut New York Times Reto Stocker, der Rotkreuz-Repräsentant in Afghanistan.)

In den vergangenen 30 Jahren, sagt Stocker, hatte das Rote Kreuz nie so wenig Zugang zu den entlegenen Gegenden Afghanistans – weil dort immer mehr gekämpft wird. Und das sind Regionen, in denen nicht nur das Rote Kreuz, sondern auch andere Hilfsorganisationen keinen Zugang mehr haben. Die Sicherheitslage sei so schlimm wie seit dem Sturz der Taliban vor neun Jahren nicht mehr, und nach allen anlegbaren Maßstäben – zivile Opfer, Flüchtlinge und Gesundheitsversorgung – habe sich die Situation verschlechtert. Gestiegen sei nur die Zahl der bewaffneten Akteure.

Zunehmend leidet die Zivilbevölkerung auch unter Sprengfallen, IEDs, die zwar gegen die internationalen Truppen gerichtet sind und sie auch gefährden – die Bevölkerung aber ist denen oft schutzlos preisgegeben. Genau so schutzlos stehen sie zwischen den (auch wenn der Begriff hier völkerrechtlich nicht korrekt sein mag) Kriegsparteien: Eine bewaffnete Gruppe verlangt vielleicht am Abend Verpflegung und Unterkunft, und am anderen Morgen müssen sich die Menschen rechtfertigen, warum sie dem Feind Unterschlupf gewährt haben, klagt Stocker.

Ich verweise da eigentlich nur drauf, weil bis jetzt die ganzen Meldungen vom düsteren Ausblick des Roten Kreuzes noch nicht in Deutschland angekommen zu sein scheinen. Dabei lässt sich in den englischsprachigen Medien schon ’ne ganze Menge finden:

Afghanistan – a people trapped between sides – die Pressemitteilung des Roten Kreuzes

Red Cross says Afghan condition worst in 30 years – Reuters

ICRC official offers bleak assessment of Afghan war – Washington Post

For Red Cross, Afghanistan situation now at its worst – New York Times

Afghanistan conflict: Reports paint bleak picture – BBC

Danke für die Aufmerksamkeit. Und jetzt zurück zu einer anderen Sicht der wichtigen Dinge: „Die Truppe hat sich über den Besuch gefreut“