Panzer marsch
Politisch wird derzeit darüber gerungen, wo und vor allem ab wann man mit der Übergabe der Sicherheitsverantwortung für afghanische Distrikte und Provinzen an die afghanischen Sicherheitskräfte beginnen kann. Auf der operativen Ebene scheint es erst mal um mehr Kampfkraft zu gehen.
Künftig, so berichtet die Washington Post (U.S. sending tanks to hit harder at Taliban) soll sich den Aufständischen im Südwesten Afghanistans dieser Anblick bieten:
An American M1 Abrams tank breaches a wall to let infantry look inside after they came under constant sniper fire during an offensive operation August 16, 2004 in Najaf, Iraq.(Photo by Joe Raedle/Getty Images via picapp)
Die Stationierung von M1 Abrams Kampfpanzern bei den U.S. Marines im Südwesten des Landes ist ein Teil dessen, was ein amerikanischer Offizier der Washington Post so beschrieb: Wir ziehen die Handschuhe aus. Dazu gehören auch mehr und intensivere Luftangriffe, das Sprengen von Häusern, die als vermint angesehen werden, und vor allem die nächtlichen Zugriffe von Spezialoperationen.
Andere ISAF-Nationen haben bereits Panzer am Hindukusch im Einsatz – vor allem die Kanadier (die zunächst 20 deutsche Leopard 2A6M-Panzer leasten und inzwischen von den Niederländern gebrauchte Leopard 2A4 erworben haben, die technisch aufgerüstet wurden), und die Dänen. In Deutschland wird der Einsatz von Kampfpanzern immer wieder gefordert – zuletzt öffentlich vom Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus. Auf Gegenliebe stösst das in der politischen wie militärischen Führung bislang nicht (wenn auch bei der jüngsten Informationslehrübung des Deutschen Heeres auffällig oft betont wurde, wie gut Kampfpanzer gegen die für Afghanistan typischen dicken Lehmmauern eingesetzt werden könnten). Allerdings ist inzwischen in der Bundeswehr der Wert gepanzerter Gefechtsfahrzeuge in Afghanistan unumstritten – die Zahl der Marder-Schützenpanzer wird demnächst noch erhöht.
Huch der Unterschied zwischen gepanzerten >B>Gefechts</B<fahrzeugen und gepanzerten Fahrzeugen ist aufgefallen?
Und die Zahl der Marder wird erhöht ?
Bravo ;-)
Es mag gute Gründe gegen den Einsatz von Kampfpanzern geben (u.a. logistische Gründe), aber die bislang zur Abwehr entsprechender Forderungen vorgetragenen Argumente entsprachen häufig nicht den Tatsachen. Zum Beispiel die Behauptung, dass die Verlegung solcher Waffensysteme ein „falsches Signal“ darstelle und die afghanische Bevölkerung verunsichere etc.
Tatsächlich reagiert die afghanische Bevölkerung eher positiv und fasst Vertrauen, wo sie dieses als Symbol von Stärke und Durchsetzungsfähigkeit wahrgenommenes Gerät sieht. Politisch verordnete Passivität und Schwäche waren hingegen tatsächlich „falsche Signale“ an die Afghanen und führten (neben dem dadurch begünstigten Erstarken der Aufständischen) zu zunehmendem Vertrauensverlust der Bevölkerung. Die vor diesem überwiegend positiven Reaktionen auf die Luftangriffe vom 04.09.2009 sind ja dokumentiert.
In einer de-facto anarchischen Gesellschaft wie der afghanischen ist Stärke die zentrale Voraussetzung von Respekt.
Gelände, Gelände, Gelände ..
In der Wüste von Helmand mögen Leopards von der Beweglichkeit und der Kampfentfernung her Sinn machen. Im Norden wohl eher nicht. Der „kleine“ Unterschied zwischen den beiden, Marder 30 Tonnen, Leopard 65 Tonnen, macht sich nicht nur beim Überqueren von Flußläufen bemerkbar sondern auch den normalen „Straßen“ im Afghanistan.
Sieht sehr hügelig aus ;-)
http://img580.imageshack.us/img580/7288/1024v.jpg
Arghhh
zu flinke Finger…
Das Bild stammt von BW Text
Patrouille in Afghanistan (Quelle: PIZ Kunduz/Wayman)
Deutsche Patrouille mit afghanischen ANA (Afghan National Army) – Soldaten im TPz Fuchs auf Aufklärungsmission in der Nähe von Aq Tappeh, Afghanistan.
Klar, und die Brücken in Balkh haben MLC 70 …
… aber vielleicht kann man ja bald eine Fortsetzung von „The Beast of War“ drehen …
@b
Na klar doch, kaum ist ein Leo 2 Zug im Einsatz, brennen die Sicherungen durch und alle Dörfer mit den bösen Jungs werden dem Erdboben gleichgemacht.
Den Film als Beispiel aufzuführen ist, mit Verlaub, ausgemachter geistiger Dünnsch….
@b
> In der Wüste von Helmand mögen Leopards von der Beweglichkeit
> und der Kampfentfernung
Wieso, sind die Täler im Norden enger als ein Kilometer, d.h. optimale Sichtschußweite?
Daß sich Panzer sogar im Häuserkampf bewährt haben möchte ich auch erwähnen. „Zu eng“ gibts für einen Panzer eigentlich nicht.
Hach b,
wo Marder furten können kann es ein Leopold schon lange ;-)
Und wer sagt den das die Marder in die Dörfer müssen und erst recht die Leo`s ?
Es reicht das sie es könnten ;-)
Sichern und überwachen, im Falle eines Angriff`s sind sie der Amboss oder Hammer der,wie es die Canadier ausdrücken, zu schmerzhaften Lektionen führt.
Alleine das Gefecht am Karfreitag hätte bei Einsatz von Panzern sicherlich keine neun Stunden gedauert, abgesehen von der moralischen Wirkung bei Freund & Feind.
Sicher können die Panzer im Norden nur eingeschränkt eingesetzt werden, aber sie können es. Das sie es bisher nicht werden, ist nur der verschwurbelten Darstellung des Einsatzes durch die politische Führung geschuldet, passt der martialische Kampfpanzer doch so gar nicht in das Bild vom Brunnenbauer.
Aber mit einem Zug wäre es nicht getan, um eine 24/7 Einsatzbereitschaft sicherzustellen wäre je PRT / Standort mindestens eine Kompanie erforderlich. ;-)
Und als Angehöriger der Panzertruppe verwahre ich mich gegen den Vorwurf ein tumber Killer zu sein der hirnlos auf alles feuert das bei drei nicht auf dem Baum ist.
Das sie es bisher nicht werden, ist nur der verschwurbelten Darstellung des Einsatzes durch die politische Führung geschuldet, passt der martialische Kampfpanzer doch so gar nicht in das Bild vom Brunnenbauer.
Ich glaub das Argument zieht nicht so ganz für die Amerikaner in Kundus und Rest-Afghanistan. ;)
Mein Eindruck ist ja, dass die möglicherweise existierende Fähigkeitenlücke zwischen Schützenpanzern mit Raketen und Luftnahunterstützung, welche die Kampfpanzer füllen könnte, wenn überhaupt sehr gering ist.
Wenn man sich dann die ganzen anderen Baustellen anschaut, mit denen gerade das deutsche Engagement zu kämpfen hat (Polizeiaufbau, Militäraufbau, korrupte Verwaltung, partaiische Gerichte, Einschüchterung der Bevölkerung, fehlende Präsenz, schlechte Informationslage, Kontrolle der Infrastruktur) dann wirkt das wie eine sehr teure Lösung zu einem Randproblem.
Wobei ja „mehr Panzer statt COIN“ ja einen Teil der deutschen Afghanistan-Debatte sehr gut zusammen fassen würde…
@StfwdR – Und als Angehöriger der Panzertruppe verwahre ich mich gegen den Vorwurf ein tumber Killer zu sein der hirnlos auf alles feuert das bei drei nicht auf dem Baum ist.
Ich mich auch. (Bin OLtdR der Panzertruppe)
Aber mit einem Zug wäre es nicht getan, um eine 24/7 Einsatzbereitschaft sicherzustellen wäre je PRT / Standort mindestens eine Kompanie erforderlich. ;-)
Mehr noch: Laut Erfahrungen der Kanadier in Kandahar 2006-2009 sind Panzer immer in mindestens Zugstärke einzusetzen. Jeder Zug muss zudem Minenräumfähigkeiten haben. Zudem brauchen die Panzer dedizierte Nachschubeinheiten und Bergungskräfte in mindestens einer Zugstärke pro Panzerkompanie (mehr bei veteiltem Einsatz der Panzerzüge). Und natürlich wird kein vernünftiger Panzermann ohne begleitende Infantrie in bedecktes Gelände fahren. Also legen wir da pro Panzerkompanie noch mal ein vermindertes Panzergren-Batallion oben drauf.
http://www.army.forces.gc.ca/caj/documents/vol_10/iss_4/CAJ_vol10.4_03_e.pdf
Wenn man also Panzerkräfte einsetzen will dann zieht einen gewaltigen Schwanz an anderen Erfordernissen nach sich die im Rahmen des Kontingents wohl kaum erfüllbar sind. Diese für einen geländebedingt eher zweifelhaften taktischen Wert.
Zudem sollte man sich natürlich fragen warum und wie die Russen ca. 150 KPz in Afghanistan verloren haben.
@b
Lassen wir doch einmal einen ehemaligen Kommandeur eines Leopard2-Bataillons und Kommandeur des PRT Kundus sprechen. Oberst i.G. Rohrschneider sagt:
„Es ist meine Erfahrung gewesen, daß in jeder Krisensituation ein Mangel an wirksamem Feuer das Kernproblem war. Hier erwies sich der Einsatz des SPz Marder als entscheidend. Durchsetzungsfähigkeit, Wirkung und Schutz waren die Voraussetzungen für den Erfolg, wobei wir die Schützenpanzer mehr wie leichte KPz eingesetzt haben. Nach meiner Bewertung sind KPz durchaus in diesem Szenar vorstellbar, weil überall dort, wo SPz eingesetzt wurden auch KPz ihre Wirkung entfalten können und dazu mit besseren Beobachtungsmöglichkeiten und präziserer Wirkung. Auch darf die psychologische Wirkung von SPZ und KPz nicht unterschätzt werden. Die Bevölkerung nimmt sichtbares militärisches Engagement in der Regel als positives Zeichen von Stärke und Sicherheit wahr. Und auch die afghanischen Sicherheitskräfte, insbesondere die Polizei steigerte ihre Leistung deutlich, wenn solche „Korsettstangen“ alleine nur sichtbar waren.“
Herr Oberleutnant der Reserve, bitte erst mal sachkundig machen und dann großspurig werden.
Ich würde nicht sagen „mehr Panzer statt COIN“ sondern: Überhaupt KPz um überhaupt COIN durchführen zu können. COIN ist in Deutschland (unter dem Synonym „Comprehensive Approach“ (NATO-Jargon) bzw. „Vernetzte Sicherheit“ (Jung-Jargon) immer das Aushängeschild gewesen. Denn COIN hat eben AUCH eine build – Komponente und die ließ sich mit dem zunächst propagierten humanitären Charakter von ISAF hervorragend vereinbaren. Dass das Konzept aber eigentlich auf Clear, Hold UND Build basiert verdeutlicht, dass das Gefecht (der verbundenen Waffen bzw. Operationen verbundener Kräfte) ein funktionales Komplement zum Wiederaufbau darstelt. Um aufbauen zu können müsen wir kämpfen können. Wenn man sich anschaut, an was die Darstellung von Zweitem im RCN scheitert, dann ist meiner Meinung nach die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit leichter Infanterie (Fallis) in offenem (also eben nicht „stark durchschnittenem“ wie es in den einschlägigen Vorschriften heißt) Gelände. Die koordinierte Operationsführung mit der schweren Infanterie (Grenis) ist der erste Schritt auf dem Weg der Erhöhung der Durchsetzungsfähigkeit. Warum nicht konsequent sein und dasjenige Waffensystem einsetzen, was Feuer und Bewegung als Stoßwirkung vereint? Alternativ stehen natürich immer die Kampfhubschrauber zur Verfügung und seit die Amerikaner verstärkt im RCN operieren, ist das auch eine realistische Option. Aber um Feuer UND Bewegung nachhaltig, d.h. in der Form der Stoßwirkung ins Gelände zu bekommen, ist der KPz noch immer unübertroffen – wenn er richtig einegsetzt wird (in AFG bedeutet das vor allem als Hammer gegen in Stellung gezwungenen Feind)
Was die Bedenken wegen der Geländebeschaffenheit angeht, kann ich meinen Vorgängern nur zustimmen. Ich sehe dadurch den generellen Einsatz nicht in Frage gestelt.
@b
Sie haben nicht ganz unrecht, aber in Ihren Schilderungen über die Unterstützer die benötigt werden geringfügig übertrieben.
Klar gibt es da auch die „Goldrandlösung“ mit allem was dazugehört, aber es geht auch mit wesentlich weniger ;-)
Und Begleitinfanterie anno 18/19 ist nun mal nicht überall notwendig, bzw wenn doch unbedingt erforderlich, würde ich in diesem Gelände nicht unbedingt mit Panzern operieren wollen, was nicht ausschließt das ich es Überwache. ;-)
Offensichtlich ist die Denke bezüglich des Einsatzes von Panzern bei vielen im kalten Krieg und den Panzerfriedhof „norddeutsche Tiefebene“ stehengeblieben.
@ KPz
Die Frage die sich mir stellt ist ob der Leopard gegenüber dem Marder einen Mehrwert bietet, der den Aufwand rechtfertigt.
Ein wenig eindimensional erscheint mir die hier geführte Diskussion.
Unter dem Gesichtspunkt der angepeilten Strategie von Clear, Hold UND Build nutzen mir Panzer zwar beim Clear doch wie setze ich HOLD und BUILD als nationaler Player um?
Was haben uns Operationen im Süden AFG bisher gezeigt?
Das HOLD durch AFG Einheiten diskreditiert sich oft selbst, die mitgeführte einheimische Administration erscheint oft zweifelhaft in ihrer Eignung und verwaltet oft nur auf der Karte einen Raum.
Ein weiteres großes Problem stellt die Komponente BUILD dar.
Keine NGO will im Gefolge der ISAF operieren und verweist auf ihren Neutralitätsgrundsatz. Nationale GO’s müssen diese Lücke oft (widerwillig) füllen und erscheinen damit oft überfordert.
Die NATO kommt in der Folge zum Schluss, dass sie evtl. eigene Aufbaukapazitäten erwerben muss und zieht damit den Zorn den NGO’s auf sich…
@Jugendofizier
Nun ja, nicht nur clear, sondern auch im hold gibt es Aufgaben die Übernommen werden könnten.
Und gerade im Hold & Build liegt die Schwierigkeit ;-)
Was hier m. E. fehlt ist die konsequente Umsetzung des mit dem Blut unserer Soldaten erkauften CLEAR.
Wie in einem anderen Fred hier schon geschrieben wird aus politischen Gründen zu viel Rücksicht genommen auf pheriphere Aspekte, die das Ziel in Frage stellen und letztendlich dazu führen, das gut gemeint nicht gut gemacht ist.
@Sebastian S.
genau 100 mm und 2500 m ;-)
@Jugendoffizier
„Keine NGO will im Gefolge der ISAF operieren und verweist auf ihren Neutralitätsgrundsatz. Nationale GO’s müssen diese Lücke oft (widerwillig) füllen und erscheinen damit oft überfordert.“
Die NGOs sind im Grunde eben Unternehmen. Nicht würde deren Geschäfts mehr schaden als der Ruf unter den meist nicht gerade bundeswehraffinen Spendern, dass mit ihrem Geld COIN unterstützt wird.
Die Zeiten, in denen es so etwas gab wie einen nationalen Willen, der die Umsetzung eines alle Akteure der Gesellschaft umfassenden Projektes ermöglicht hätte, sind lange vorbei. Mit der Unterstützung des Einsatzes durch die deutsche „Zivilgesellschaft“ braucht sollte man nicht rechnen.
@StFwdR
„Hold“ ist gar nicht so schwierig, wenn man die Kräfte dazu hat. Die Zahl der Fälle, in denen es Aufständischen gelang, sich auch nur gegen schwache westliche Militärpräsenz vorübergehend durchzusetzen, lässt sich in neun Jahren des Einsatzes an einer Hand abzählen. Selbst die ANA behauptet sich nicht schlecht.
Was „Build“ angeht, so hätte es Alternativen gegeben, etwa in Form einer ISAF-Militäradministration mit afghanischem Gesicht. Aber man wollte ja keine „Besatzung“.
Solche Fragen hätten im Übrigen im Herbst 2001 geklärt werden müssen, aber unsere Regierung ging nach Aussage von Herrn Struck ja davon aus, dass der Einsatz sich so ähnlich gestalten würde wie der in Bosnien.
P.S. Auch ich vermisse eine Edit-Funktion für Kommentare.
@S.W
Meine Rede ;-.)
@S.W.
Natürlich leben viele NGO’s von Spenden.
Aber es gibt auch einen guten Grund für viele NGO’s auf ihre Neutralität zu setzen.
Nur wer von allen Seiten als neutral akzeptiert wird, bekommt auch Zugang zu den unsichersten Gebieten zum Zwecke des „Kümmerns“ um diejenigen, die es nötig haben.
Allein die Neutralität ist es, die den NGO’s ihre Arbeit ermöglicht.
Geben sie diese zu Gunsten unserer COIN-Strategie auf, so müssten wir – wenn wir ehrlich zu uns selbst sind – hinter jedem Aufbauhelfer eine bewaffnete Eskorte zu seinem Schutz abstellen.
DAS können und wollen wir jedoch ganz bestimmt nicht.
Was den oftmals geäußerten Vorwurf an die Politik der Vergangenheit angeht, so bin ich diesem so langsam überdrüssig. Es hilft uns nicht weiter, immer wieder darüber zu räsonieren, was man hätte früher anders machen sollen.
Es geht darum sich Gedanken zu machen, was ich JETZT realistisch für Optionen habe, um den Einsatz zu einem guten Ende für uns zu bringen.
Dabei mag jeder eine andere Definition von „gut“ haben.
@S.W.
Erzählen sie das mal den Einwohnern von Isa Khel.
@jugendoffizier
„Allein die Neutralität ist es, die den NGO’s ihre Arbeit ermöglicht.“
In einem anderen Einsatz erzählte mir ein alter Franzose von den Zeiten, als sich Europäer in ganz Zentral- und Westafrika relativ sicher bewegen konnten, ohne irgendetwas befürchten zu müssen. Er sprach in diesem Zusammenhang von der „Mystik des weissen Mannes“, den niemand anzurühren wagte, weil er seine Machtmittel einzusetzen bereit war, wenn es um seine Belange ging. Es gibt also Alternativen zur Neutralität. Unsere Gesellschaft hat aber verlernt, wie man jene Mystik in den Köpfen der Einheimischen gleich welchen Landes schafft. Das Ergebnis ist die traurige Realität, die wir derzeit beobachten.
@Sebastian S.
„Erzählen sie das mal den Einwohnern von Isa Khel.“
Welchen Kräfteansatz und welche Einsatzregeln legten die politische und militärische Führung denn für die Bundeswehr fest, um Isa Khel zu halten? Wird Isa Khel denn überhaupt gehalten?
P.S. Die inneren Widersprüche der deutschen Diskussion könnten einmal thematisiert werden: Zum einen die Forderung nach „Vorrang für Zivil“, zum anderen die Betonung der Bedeutung der Neutralität nichtstaatlicher Akteure. Beides gleichzeitig geht nicht: Entweder gibt es „Vorrang für Zivil“, und nichtstaatliche Akteure setzen mit nichtkinetischen Mitteln deutsche Interessen durch. Oder diese Akteure bleiben neutral und setzen niemandes Interesse durch. Hier haben wir ein weiteres Theme, bei dem die Diskussion von wohlklingenden Floskeln dominiert wird, aber keiner der öffentlich auftretenden Akteure die richtigen Fragen zu stellen wagt.
@Jugendoffizier
Was den oftmals geäußerten Vorwurf an die Politik der Vergangenheit angeht, so bin ich diesem so langsam überdrüssig. Es hilft uns nicht weiter, immer wieder darüber zu räsonieren, was man hätte früher anders machen sollen.
Wer erkannte Fehler und Mängel nicht abstellt, will eigentlich keinen Erfolg !
Aber dazu ist politisch keiner bereit.
@T.W.
Ähm, wie geht Quoten ??
SW: „Unsere Gesellschaft hat aber verlernt, wie man jene Mystik in den Köpfen der Einheimischen gleich welchen Landes schafft.“
Da ist wohl ein kleiner Denkfehler drin: Wir haben da nix verlernt sondern die „primitiven Wilden“ die hier gemeint sind (und zwar SEHR primitive, wenn Ihr Gewährsmann tatsächlich Franzose ist) haben gelernt, was es mit dieser „Mystik“ auf sich hat. UN und verschiedene NGOs basteln am Programm „Internet in jedes Dorf auf diesem Globus“,. Damit werden die IED-Bauanleitungen und taktischen Verhaltemsmaßregeln global verfügbar. Die Realität kennt eben keinen „Reset“ Button.
@StFwdR – Sie haben nicht ganz unrecht, aber in Ihren Schilderungen über die Unterstützer die benötigt werden geringfügig übertrieben.
Ich habe nur das wiedergegeben was in dem verlinkten kanadischen (pro-Panzereinsatz) Papier steht das eben auf mehreren Jahren Einsatzerfahrung in Afghanistan beruht:
– Einsatz nur in Zugstärke (4 Kpz = 1*Minenpflug, 1*Minenroller, 1*Räumschild, 1*Führung))
– Eigene Wartungs- und Versorgungskomponente bevorzugt besetzt mit Männern mit voller Kpz Ausbildung (auch als Wechselbesatzung und Reserve nutzbar)
– Einsatz immer in direkter Zusammenarbeit mit der Infantrie
Man kann das sicher auch anders versuchen aber warum nicht sofort aus den Fehlern lernen die andere begangen und dann abgestellt haben?
@Politikverdruss Rohrschneider: Es ist meine Erfahrung gewesen, daß in jeder Krisensituation ein Mangel an wirksamem Feuer das Kernproblem war. Hier erwies sich der Einsatz des SPz Marder als entscheidend. Durchsetzungsfähigkeit, Wirkung und Schutz waren die Voraussetzungen für den Erfolg, wobei wir die Schützenpanzer mehr wie leichte KPz eingesetzt haben.
Der Mann hat von den Sowjets gelernt und die Marder als „Bronnegruppa“ eingesetzt. Bronnegruppa: Die Panzergrenadiere sitzen ab und arbeiten als Jäger/Infantrie und die mechanisierte Komponente wird in Zugstärke als getrennte taktische Einheit entfernt von der Infantrie und analog etwa zu einem unterstützenden KPz-Zug zur Blockade, Umfassung oder zum Feuerschutz eingesetzt.
Siehe z.B. hier, S.92 http://www.boekje-pienter.nl/images/coin-soviet-afghanwar.pdf
Der Unterschid zwischen Kpz und Marder sind nicht 100mm und 2500m. Der Marder kann mit der Milan auch auf weite Entfernung effektiv wirken. Der Unterschied sind 30 gegen 60 Tonnen und der damit verbundene Logistikaufwand. Jeder zusätzliche Sprittanker auf der Strasse ist ein zusätzliches Ziel für die INS und KPz können zwar ziemlich viel aber Sprit sparen gehört nicht dazu. Irgendwie muss das zusätzliche Gewicht ja auch bewegt werden.
@Zivi
„Da ist wohl ein kleiner Denkfehler drin: Wir haben da nix verlernt… “
Wann haben z.B. Geiselnahmer deutscher Staatsbürger das letzte Mal negative Konsequenzen ihres Handelns zu spüren bekommen? In allen Fällen wurden Lösegelder wie gefordert gezahlt, und die Täter erfreuten sich danach ungstört ihres neu gewonnenen Wohlstandes. Der letzte Außenminister ging sogar so weit, den Mördern einer deutschen Geisel öffentlich zu bestätigen, dass die Geisel eigentlich eines natürlichen Todes gestorben sei (was medizinisch korrekt ist, denn es ist vollkommen natürlich, dass man nicht mehr lebt, wenn einem ein Geschoss durchs Stammhirn geht).
Wir als Europäer haben leider viel verlent, und anderen ist dies nicht verborgen geblieben. In Staaten wie Afganistan ist eine Mehrheit der Menschen der Ansicht, dass wir schwach und dekadent sind. Auf welches Beispiel würden Sie diese Menschen zur Widerlegung verweisen?
@b
Natürlich Einsatz nur in Zugstärke, alles andere ist Blödsinn.
Der Rest ist nice to have, aber wie gesagt es geht auch mit weniger Aufwand.
OT/Paul-Schäfer-Watch: http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/514286
Ich enthalte mich ausdrücklich jeden Kommentars.
Wieder mal geht die Diskussion an den für die deutsche Öffentlichkeit relevanten Fragen vorbei.
Die Frage, ob die Bundeswehr Kampfpanzer einsetzt oder nicht, ist keine Frage an Politiker. Das haben entsprechende Fachleute zu entscheiden.
Schon allein die Tatsache, dass, unbelastet von Sachkunde, Politiker in der deutschen Öffentlichkeit darüber diskutiert haben, ob nun Leopard 2 im RC North landschaftlich geeignet seien oder nicht, zeigt auf, was so alles in der bundesdeutschen sicherheitspolitischen Debatte falsch läuft.
Wenn die Politik zu dem Ergebnis kommt, dass ein Ziel ohne unmittelbaren Zwang nicht erreicht werden kann und sich entscheidet, eben diese Zwangsmittel loszuschicken, dann muss sie das politische Ziel klar formulieren.
Dann müssen die sicherheitspolitischen Fachleute der Bundeswehr darlegen, was man zur Erreichung dieses Ziels benötigt, welche Risiken bestehen und was mögliche Ausgangsszenarien des Einsatzes sind. Dazu sollte aufgezeigt werden, welche neue politische Situation man schafft, wenn man sich engagiert und
a) siegt
b) verliert
c) die Lust am Kämpfen verliert und vom Schlachtfeld schleicht.
Zusätzlich ist auch noch durchzudeklinieren, was passiert, wenn man sich eben nicht engagiert – also für sich feststellt, dass einem das Ziel, was man durch ausüben von Zwang mit Waffengewalt erreichen kann, gar nicht so wichtig ist.
All das hat bezüglich ISAF nicht stattgefunden.
Im Jahre 2001 hat man mit OEF beschlossen, die Angreifer von 9/11 fertig zu machen und sich genau darauf zu beschränken. Das Konzept ist sicherheitspolitisch schlüssig, die Legitimation aus dem eigenen Sicherheitsbedürfnis heraus auch. Zudem vermeidet man, sich zu verzetteln.
Nur humanitär ist es eben nicht. Das ist auch nicht primär Aufgabe eines deutschen Soldaten, der gelobt hat, das Recht und die Freiheit des DEUTSCHEN VOLKES zu verteidigen, und eben nicht des afghanischen …
OEF kann man in jeder Hinsicht durchdeklinieren und kommt an keinem Punkt dahin, sagen zu müssen, die sicherheitspolitische Situation sein nun schlimmer, als wenn man gar nichts getan hätte. Bei ISAF sieht das anders aus.
Da sich insbesondere die damalige Bundesregierung ein humanitäres Feigenblatt wünschte, kam ISAF dazu. Man hatte sich auf der Petersberg- Konferenz „besoffen geredet“ und war nun der Meinung, man könne mal eben ein Nation-Building und eine gesellschaftliche Transformation in Afghanistan organisieren. Es verkauft sich halt besser, afghanischen Mädchen Menschenrechte zu bringen, als Hochzeitsgesellschaften wegzubomben, weil man einen Gefährder unserer Sicherheit ausschalten will und die dabei eingegangenen Kollateralschäden für völkerrechtskonform hält.
An dieser Stelle hat man dann sicherheitspolitisch falsch gemacht, was man eben so falsch machen konnte.
Zuerst hat man nicht geklärt, wie viele Soldaten man braucht, wenn es nicht so gut läuft und man sich eben in der Fläche durchsetzen muss. Mit einfachen handwerklichen Überlegungen kommt man da auf eine Zahl zwischen 500.000 und 1.000.000 Mann im worst case.
Dann hat man sich im Jahre 2001 diese einfache Frage nicht beantwortet: Sind wir, die ISAF- Staaten, im Zweifelsfall dazu bereit, diese Truppenstärke zu organisieren und über mehrere Jahre im Einsatzgebiet zu halten?
Vielleicht hat man sie auch hinter vorgehaltener Hand gestellt, mit nein beantwortet, und sich dann der beschwichtigenden Lebenslüge hingegeben, dass dieser Fall wohl nicht eintritt.
Damit war ISAF in der Falle. Denn der Gegner musste nun lediglich auf die Situation hinarbeiten, die im ISAF Konzept nicht schlüssig beantwortet war.
Sind z. B. die Deutschen bereit, zur Verteidigung des Rechts und der Freiheit (nach deutscher Definition) des afghanischen Volkes(!!!) ein erhebliches Maß an Menschen und Material zu opfern?
Wenn man dies nicht mit einem klaren JA beantworten kann, dann darf man einen Nation- Building- Einsatz wie ISAF nicht beschließen und muss es beim jagen böser Buben belassen. Will man auch das nicht, muss man sich eben dem Willen dieser Buben unterwerfen, weil sie einen nun mal eben unterwerfen, wenn man sich nicht wehrt (Pierre Vogel lässt grüßen …).
Heute stehen wir nun vor der Frage, ob wir
a) dazu bereit sind, erhebliche Kräfte nachzuführen, um diesen Aufstand niederzuschlagen. Dazu gehören Kampfpanzer, dazu gehören mehr Mann, dazu gehört die Bereitschaft, Afghanen, die sich nicht unterwerfen, entweder zu töten oder in unangenehm großen Gefangenenlagern zu internieren.
b) dazu nicht bereit sind, vom Schlachtfeld schleichen und dem fundamentalistischen Islamismus einen weiteren Sieg bescheren.
c) den Status Quo noch ein paar Jahre halten, in der Hoffnung, dann nicht mehr politisch verantwortlich zu sein.
Für a) bedarf es einer Blut-, Schweiß- und Tränenrede und absolute Zusammenarbeit von CD(S)U, SPD, FDP und Grünen. Sie wäre die nachhaltigste Lösung.
Für b) müssen wir uns darauf einrichten, dass wir als weiteres Land auf Okkupationsliste des politischen Islam stehen, weil wir aufgrund der Bereitschaft zur Selbstaufgabe leichte Beute sind.
c) ist letztendlich die wahrscheinlichste Alternative, da Politiker nun mal nur in sehr kurzen Zeiträumen bis zur nächsten Wahl denken. Dieser Weg führt allerdings dazu, dass noch viel Geld und Menschenleben in Afghanistan verbrannt werden, um lediglich vordergründig das Gesicht der handelnden Politiker zu wahren.
Diskussionen hierüber wären in meinen Augen wesentlich wichtiger, als kurzsichtige Diskussionen über Kampfpanzer ja oder nein.
Jeder mit auch nur rudimentärer Ausbildung in Strategie kommt schnell dahin, zu sagen: Wenn wir die richtige Strategie fahren wollen, müssen wir unverzüglich schweres Kriegsgerät ins Kampfgebiet schaffen und den Feind unterwerfen. Wollen wir das nicht: Sofort raus.
Ein bisschen Krieg geht genau so wenig, wie ein bisschen schwanger.
Der ISAF- Versuch, mit ein bisschen militärischer Präsens ein Land umzubauen, ist kläglich gescheitert.
Wir müssen uns also nun fragen: Wollen wir es jetzt ganz machen, oder gar nicht?
@S.W. – finde ich gut da KTvG da dem Herrn Schäfer Recht gibt.
Was man bei einigen der Truppen in Afghanistan an Sprüchen etc. sieht zeugt weder von Disziplin noch Professionalität. Gut das die Führung da einschreitet.
@StFwdR
Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen – ja gerne! Aber dauernd über vergangenes jammern – nein Danke!
@S.W.
Ich hoffe doch sehr, dass Sie die Sache mit der Mystik des Weißen Mannes nicht ganz ernst meinen!
Das Bild, welches Sie mir in den Kopf zaubern mit diesem Vergleich, ist keines, auf dass man als weißer stolz sein sollte, wenn Sie etwa die Ausartungen des Kolonialismus und Imperialismus meinten.
Und ich denke auch nicht, dass dieser Vergleich auf AFG bezogen günstig ist.
„P.S. Die inneren Widersprüche der deutschen Diskussion könnten einmal thematisiert werden: Zum einen die Forderung nach “Vorrang für Zivil”, zum anderen die Betonung der Bedeutung der Neutralität nichtstaatlicher Akteure. Beides gleichzeitig geht nicht: Entweder gibt es “Vorrang für Zivil”, und nichtstaatliche Akteure setzen mit nichtkinetischen Mitteln deutsche Interessen durch. Oder diese Akteure bleiben neutral und setzen niemandes Interesse durch. Hier haben wir ein weiteres Theme, bei dem die Diskussion von wohlklingenden Floskeln dominiert wird, aber keiner der öffentlich auftretenden Akteure die richtigen Fragen zu stellen wagt.“
Darüber könnte man vortrefflich streiten, ob NGO’s die sich neutral verhalten, keine Interessen durchsetzen. Ausgehend von dem Neutralitätsgebot der NGO’s erlaubt es gerade dieser den NGO’s den Zugang zu Menschen, die sich in großer Not befinden und um die sich sonst niemand kümmern kann.
Denken Sie ihren Gedanken zu Ende.
Was passiert, wenn das Internationale Rote Kreuz sein Neutralitätsgebot aufgeben würde und sich in einem Konflikt klar auf die Seite eines Kontrahenten stellen würde???
Sie kennen die Antwort…
Ich finde es nicht gut.
Das erreicht bei fundamentalen Kriegsgegnern eh nichts. Es geht Schäfer nicht um Sprüche, sondern um „Munition“ gegen den Einsatz.
Und es schadet der Moral der Truppe, wenn sich Guttenberg gebärdet wie Jung und Frontsoldaten den Landserhumor verbieten.
Allerdings frage ich mich ernsthaft wer das kontrollieren soll ;)
@b,
vielen Dank für den Einblick in die Kriegserfahrungen der Sowjets während des Afghanistan-Feldzuges. Kannte ich nicht.
Das von den Sowjets mit „Bronnegruppa“ bezeichnete taktische Einsatzverfahren ist ganz offensichtlich auf die damals wie heute fehlende Durchsetzungsfähigkeit leichter Infanterie zurückzuführen und hat sich, wie auf Seite 94 des Erfahrungsberichtes nachzulesen ist, taktisch sehr gut bewährt.
Auch unsere Militärführung hat sich gegenüber der Politik nicht durchsetzen können und ist mit leichter Infanterie in den afghanischen Krieg gezogen. Nun wird mühsam nachgebessert. Aber auch in dem von T. Wiegold oben aufgeführten Artikel der Washington Post wird deutlich, dass selbst die US-Marineinfanterie bereits 2009 Kampfpanzer gefordert hat. Der damalige ComISAF Gen McKiernan hatte den Einsatz von Kampfpanzern aus politischen Gründen abgelehnt. Man fürchtete, der Einsatz von Kampfpanzern würde bei der afghanischen Bevölkerung Erinnerungen an die sowjetische Besatzungszeit wachrütteln. Ich wundere mich langsam, wie leicht es den Politikern westlicher Demokratien fällt, Soldaten in den Krieg zu entsenden, ihnen aber aus fragwürdigen politischen Gründen ein e angemessene Kampfausstattung zu verwehren.
Ihre „logistischen Argumente“ kann ich nicht nachvollziehen. Wenn es den Dänen , Niederländern(PzHaub) und Kanadiern gelingt, Kampfpanzer erfolgreich einzusetzen und die dazu erforderliche Logistik zu beherrschen, dann sollte das auch der Bundeswehr möglich sein.
Auch ihre Argumente, die Sie aus dem technischen Vergleich zwischen Schützenpanzer und Kampfpanzer ziehen, sind nicht stichhaltig. Der Marder steht für die Technik der 60er Jahre. Wer einmal mit der Wärmebildausstattung des Leopard 2 Zielaufklärung betrieben hat, weiß, dass damit z.B. auch kleinste infanteristische Ziele innerhalb kürzester Zeit aufklärbar sind. Von der Feuerkraft der Kanone und der Präzision einmal ganz zu schweigen. Aber auf diesem Gebiet ist @StFwdR sicherlich kompetenter.
Einst haben sich unsere Politiker vom Petersberg aus großspurig auf dem Weg gemacht, Afghanistan in eine neue Zeit zu führen. Und was ist davon geblieben? Nichts als politisches Versagen und ein Maß an Unglaubwürdigkeit, das noch nachwirken wird. Was mich aber am meisten empört, ist die Ignoranz der Politiker gegenüber den berechtigten Belangen der im Kampf stehenden Soldaten.
@Politikverdruss
Möglich ist vieles, aber ist es auch sinnvoll?
Wenn der Rahmen den das Mandat bildet eng ist, dann empfiehlt es sich das Gerät zu wählen das die größte Flexibilität bietet und nicht notwendigerweise die größte Kanone.
Ist der Marder mit seinem WBG etwa unterlegen?
Übrigens sind die in Afghanistan eingesetzten Marder auf dem Stand der 4. Kampfwertsteigerung (2002-2003).
Ja, der Marder ist mit dem WBG ist unterlegen. So gern ich ihn als Richtschütze und Kommandant mag, das WBG ist klar schlechter, zudem fehlt die stabilisierte Waffenanlage und ein Entfernungsmesser(den könnte man ja eigentlich draufknallen, die Ari hat doch genug von den Dingern).
Ich bin grundsätzlich für die Stationierung eines Kpz-Zuges nach dem System der Niederländer. Vor- und Nachteile sind vielfältig und vielschichtig, aber Wirkung geht vor Deckung, und das gilt für mich auch hier.
@ Mystik-Diskussion: Ich will keine kolonialen Zustände zurück. Fakt ist aber, dass „Winning Hearts and Minds“ bei uns immer als „Liebe erzeugen“ interpretiert wird. ich bin da viel pragmatischer und halte es mehr mit Machiavelli. Wenn die Feuerkraft die Taliban abschreckt und der Bevölkerung demonstriert, dass wir die Sieger des Konflikts sein können, dann ist der zivile Aufbau wesentlich einfacher. Man sieht es ja immer wieder in den Interviews der Afghanen. Denen(wie uns auch) geht es nicht darum, mit wem sie lieber einen Tee trinken würden, sondern wer mehr Potenzial hat, aus dem Kampf als Sieger hervorzugehen. Das ist ganz pragmatisch, und wird von unseren Gutmenschen leider oft ausgeblendet.
Nachtrag zum SZ-Artikel:
1. Solche Sachen gehören nicht an die Uniform
2. Natürlich kann man diese Probleme auch mit Colt lösen ;)
Kleiner Scherz am Rande, aber Gewalt als die ultimative(letzte) Möglichkeit der Konfliktlösung kann man ja wohl nicht bestreiten, wenn man MdB ist, oder. ich seh kein Argument dagegen.
Wie sich inzwischen dank unseres VgM herumgesprochen hat, befindet sich die Bundeswehr in Afghanistan in einer Art Krieg. Jedenfalls führen unsere Truppen dort Gefechte oft über mehrere Stunden – mit Verwundeten, manchmal mit Toten. In einer solchen Situation auf ein Waffensystem wie den KPz zu verzichten, ist schlicht unvernünftig. Ich kann „Politikverdruss“ nur beipflichten, dass man auf die Leute vor Ort hören sollte.
Vor wenigen Tagen hatte ich die Gelegenheit, den Ablauf zweier Gefechte dieses Jahres aus dem Mund der dort eingesetzten Führer (KpChef und ZgFhr einer PzGrenKp) vor einem Kreis kompetenter Zuhörer geschildert zu bekommen. Dabei wurde durch einen der Marder-ZgFhr überzeugend dargelegt, wie hilfreich die Unterstützung durch einige wenige KPz für ihn in diesen Gefechten gewesen wäre. Warum macht man es dann nicht?
Natürlich ist der Einsatz eines weiteren Waffensystems mit zusätzlichem personellen und logistischen Aufwand verbunden. Wenn dies Blut spart und die Erfolgsaussichten in einer Auseinander erhöht, muss man ihn tragen. Im Frieden mag Effizienz wichtiger sein als Effektivität, in kriegerischen Auseinandersetzungen ist es umgekehrt. Ich bin jedenfalls seit langem der Überzeugung, dass sich dieser Aufwand angesichts des physischen und psychologischen Mehrwerts lohnen würde.
Nochmals: Es geht nicht darum, in Afghanistan Panzergefechte führen zu wollen; aber der KPz (selbst der Einzelpanzer) ist im Gefecht der ohnehin immer gemischt eingesetzten PzGrenKp eine wertvolle Verstärkung. Das Gefecht der verbundenen Waffen wird heute nicht mehr auf Brig- oder Btl-, sondern auf Kp-Ebene geführt. Natürlich gibt es geländebedingte Einschränkungen für den Einsatz schwerer Gefechtsfahrzeuge, aber die betreffen den Marder in vergleichbarer Weise. Wenn das ein Ausschlusskriterium wäre, dürfte man auch keine Kampfhubschrauber einsetzen, weil es Wetterbedingungen gibt, in denen sie nicht fliegen dürfen.
Die militärische Führung hat sich leider im Gestrüpp der bisherigen Argumentation verheddert. Wie David McKiernan hat auch sie für die politische Ablehnung eines Panzereinsatzes militärische Begründungen geliefert. Auch hier sollte jedoch das Motto greifen: Vom Einsatz her denken!
Ich könnte ihnen auch überzeugend darlegen wie hilfreich der Einsatz taktischer Atomwaffen sein könnte. Frei nach dem Motto: Viel hilft viel.
Aber mal Spaß beiseite, erlauben sie mir advocatus diaboli zu spielen und nach Handfesten Argumenten für KPz zu fragen. Das was hier bisher aufgeführt wurde hat mich nicht überzeugt.
Das mit dem Panzerschutz ist so eine Sache. Der kann nie hoch genug sein. Andererseits erkauft man sich Nachteile durch das Gewicht.
Feuerkraft, nunja, im Spektrum der verfügbaren Fähigkeiten die von Handwaffen bis Ari/CAS reichen sehe ich keine Lücke die den Einsatz von KPz zwingend erforderlich macht.
Der Marder kann auch beißen und darüber hinaus verfügt er über einen Absitztrupp.
Ich glaube einfach nicht daran das es mit dem Ruf nach immer schwereren Fahrzeugen getan ist. Viel wichtiger wären eigene Kampfhubschrauber. Die Amerikaner helfen zwar aus, aber es macht einen großen Unterschied ob man erst Hubschrauber anfordert wenn das Dach brennt, oder ob man eigene hat, die permanent verfügbar sind und auch Patrouillen begleiten können. Es gibt Statistiken die belegen das Konvois seltener angegriffen werden, wenn sie von Kampfhubschraubern überwacht werden.
Das man mit dem Tiger so lange gebummelt hat ist unverzeihbar.
@Sebastian S.,
Sie wissen vielleicht, dass der „advocatus diaboli“ unter Papst Johannes Paul II. in „promotor justitiae, “ Förderer der Gerechtigkeit“ umbenannt wurde.
Sie sollten Ihre Argumentationstiefe darauf einstellen.
Tja, man wollte ja unbedingt einen gänzlich anderen Hubschrauber als der Rest Europas, einen mit Panzerabwehrschwerpunkt und tollem Mastvisier, während „die anderen“ etwas kleinere, aber dafür weitaus zweckmäßigere Brötchen gebacken haben.
Die Fähigkeitslücke zwischen Handwaffen und CAS / Art ist ganz klar Verfügbarkeit (Faktor Zeit) und Präzision. Auf CAS muss ich schlimstenfalls auch schon mal 45 Minuten warten. Bei Einsatz der Panzerhaubitze habe ich eben eine Streuung von bis zu 10m und einen größeren Schadenradius mit HE – damit z.B. gezielt ein Haus in einem Dorf oder Compound auszuschalten ist möglich, aber das Restrisiko ist eben noch da.
Die Nachteile des Gewichts werden hier immerzu ins Feld gebracht, aber Fakt ist: Da wo Marder fahren, können Leoparden das auch. Ein Stichwort wäre hier „Bodendruck pro cm²“. Und es wird hier anscheinend vergessen, das schon Panzer eingesetzt werden, auch außerhalb der Feldlager. Das sind zwar keine KPz. aber deren Wannen: Bergepanzer Standard, Bergepanzer Büffel und Brückenleger Biber. Deshalb ist das „Ersatzteil und Sprit“ – Argument gegen Leopard 2 auch nicht zutreffend.
Das wesentlich größere Problem ist, das wir nicht über für Afghanistan sinnvolle Munition für unsere KPz verfügen :-) Die KE (APFSDS-T) kann man getrost zu Hause lassen und die MZ (HEAT-T) reißt nach den Erfahrungen der anderen Nationen keine ausreichend große Löcher in die Lehmwände, das Infanterie davon nutzen hätte. Die tempierbare HE-Munition ist ja noch nicht beschafft, oder irre ich da? Das ist ein Argument gegen den Einsatz der KPz.
Aber m.M.n. ist der Einsatz von ihnen von unserer politischen Führung schlichtweg nicht gewollt – und vor dem Parlament auch ganz schwer zu verkaufen. Spätestens ein mitlesender MdB wäre ausser sich und würde wahrscheinlich Klage wegen Führen eines Angriffskrieges einreichen :rolleyes: Und außerdem, wenn wir jetzt auch noch KPz einsetzen, welche Bataillone soll man den da noch auflösen dürfen, bei der ganzen schönen, anstehenden Reform – der arme Inspekteur des Heeres, das können wir ihm nicht antun… ;-)
@Jugendoffizier
Das sei den NROs ja unbenommen, aber als Element in einer politischen Strategie fallen solche Organisationen dann zwangsweise aus.
Wirklich konsequent neutral sind die meisten NROs übrigens nicht. Fast alle nehmen gerne staatliches Geld an, und bei Organisationen wie z.B. Amnesty International kann man ja mal nachzählen, in wie vielen Fällen sich die Organisation für die Menschenrechte der Opfer von Terroristen oder der Aufständischen in Afghanistan eingesetzt hat. Hier ein interessanter Beitrag über das Neutralitätsverständnis dieser Organisation. http://www.hudson-ny.org/1167/amnesty-international-whitewashes-terrorism-suspends-whistleblower
Auch beim Roten Kreuz könnte man über Neutralität diskutieren. Mit dem Zugangsargument bildet die IKRK z.B. Aufständische in taktischer Medizin aus, mit der Folge, dass diese in Gefechten größere Risiken eingehen können. Das IKRK betreibt zudem durchaus politischen Aktivismus, etwa beim Versuch Völkerrechtsinterpretationen durchzusetzen, die das Vorgehen von ISAF deletimieren würden.
Aber worauf ich hinauswill: Der Anspruch der NRO-Szene und ihrer politischen Unterstützer nach „Vorrang für Zivil“ steht in absolutem Widerspruch zur im Zweifel eher gegen westlichen Staaten gerichteten Neutralitätsverständnis. Als Instrument einer zivilen Strategie kämen zwangsweise nur nicht-neutrale NROs in Frage, die sich auch in eine solche Strategie einbinden lassen. Gleichzeitig eine stärkere Rolle zu fordern und dabei die Kooperation zu verweigern halte ich für paradox.
Das war von mir zwar provokativ, aber ernst gemeint. Ich glaube, dass manche heute verfemten Gestalten des 19. Jahrhunderts die Welt besser verstanden hatten und mehr für ihre Gesellschaften geleistet haben als dies beim Großteil ihrer Kritiker der Gegenwart der Fall ist. Man kann in vielen Regionen der Welt live dabei zusehen, wie westliche Staaten auf dem Rückzug sind, während andere, weniger von politischer Korrektheit belastete Staaten in diesem Nullsummenspiel auf unsere Kosten gewinnen. Aber das ist schon wieder OT.
@Voodoo
Die Frage der Verfügbarkeit stellt sich beim Leo aber genauso. Es ist nicht davon auszugehen das eine jede Patruillie von Kpz begleitet würde.
Natürlich kann der Leo dort fahren. Aber eine Zahl zum Bodendruck erzählt nicht die ganze Geschichte. Der Panzer steht ja nicht nur rum, sondern soll auch fahren und dann spielt die Masse eben doch eine Rolle im Bezug auf die Auswirkungen auf den Untergrund. Aber das können die Panzermänner bestimmt besser erläutern.
Schwerer als eine Panzerhaubitze? Glaube ich kaum. Würde die Bundeswehr den Leopard tatsächlich haben wollen, dann würde sie ihn auch bekommen. Aber bis jetzt höre ich nur vereinzelte Stimmen die wenig überzeugend darauf pochen das größer gleich besser sein soll.
Inwiefern sind die deutschen Leoparden eigentlich für Afghanistan geeignet? Bzw. wie lange würde es dauern eine Kompanie mit brauchbarem Material einsatzbereit zu machen? Stichwort Minenschutz, Klimaanlage, Munition.
Die entscheidende Frage ist doch ob man beim durch das Mandat gesteckten Personalrahmen mit Panzergrenadieren nicht besser fährt, als wenn man sich eine Kompanie Kpz auf den Hof stellt und die dann auf den wohl kaum alltäglichen Einsatz warten.
@SW: Da haben wir wohl ein rein sprachliches Missverständnis: Es hat aus meiner Sicht nicht das geringste mit „Mystik“ zu tun, wenn etwa den somalischen Piraten durch eine falsche Reaktion beigebracht wird, dass sie kaum Risiken zu befürchten haben. Die managen ihre Interessen genauso „beschränkt rational“ wie ein Josef Ackermann: Bei hoher Gewinnerwartung mit niedrigem Risiko wird der Deal gemacht. Dieses Ergebnis hat in meinen Augen ausschließlich mit mangelnder Klarheit zu tun: Der Westen liefert einfach nicht die richtigen Signale. Die Mystik muss man erst bemühen, wenn trotz der richtigen Signale (d.h. konsequentes Vorgehen gegen jeden Rechtsbruch) immer noch weitere Übergriffe erfolgen OBWOHL den Tätern klar sein muss, dass sie das Spiel nicht gar gewinnen können. Erst dann nämlich wird es irrational.
Dieser Unterschied ist mir wichtig, weil ich glaube, dass genau auf dieser Ebene die gefährlichsten Fehleinschätzungen über die Gegenseite zustande kommen, die am Ende teuer werden. Hier vor allem eine Unterschätzung der „Primitiven“.
@Sebastian S,
„ Würde die Bundeswehr den Leopard tatsächlich haben wollen, dann würde sie ihn auch bekommen.“ Das ist nicht zutreffend!
Als der Wehrbeauftragte im April 2010 den Vorschlag machte, die deutsche Truppe mit schwerem Kriegsgerät auszurüsten, erntete er massive Kritik, besonders aus der Politik. Der Verteidigungsminister „tat Königshaus` Forderung als Unsinn ab“ und die Bundeskanzlerin sagte in diesem Zusammenhang, dass über den Afghanistaneinsatz „von vielen Seiten viel Inkompetentes“ gesagt werde.
Was aber haben die wirklich Kompetenten zum Einsatz von Kampfpanzern in Afghanistan gesagt:
-Wie bereits erwähnt, hat die US-Marineinfanterie bereits im zurückliegenden Jahr Kampfpanzer gefordert.
-Der Chef des kanadischen Generalstabes, General Hillier, lobte den Leopard. Im Gefecht hätten die Taliban durch den Leopard einige „sehr harte Lektionen gelernt“.
-„Unsere Erfahrungen mit den Panzern sind sehr positiv“, sagt LtCol Jens Lonberg. „Es gibt keinen Zweifel daran, dass sie für die dänische Truppe ein Battle-Winner sind.“
-Die Erfahrungen des PRT-Kommandeurs Oberst i.G.Rohrschneider habe ich bereits dargestellt. Und wenn man sich in der deutschen Afghanistan- Truppe weiter umhört, dann ist völlig klar: Sie will den Leopard 2!
Also, der Widerstand kommt eindeutig aus der deutschen Politik. Dass die deutsche Militärführung in dieser Frage keine eigenständige Auffassung vertritt, ist nicht gerade ein Ruhmesblatt, gehört aber wohl noch zu den Nachwirkungen eines Herrn Schneiderhan und ist auf die Unart der Politik zurückzuführen, in ihrem Urteil eigenständige Generale durch Entlassung „mundtot“ zu machen.
Genau so wurde mir auch erklärt warum die PzH 2000 in Kunduz nicht zum Einsatz kommt. Nach Ostern war sie dann plötzlich da. Der öffentliche Aufschrei ist ausgeblieben.
Dann wurde mir erklärt die PzH hätte nur Symbolcharakter und würde nicht scharf schießen aufgrund irgendwelcher politischer Rücksichtnahmen. Als dann die ersten Meldungen vom Einsatz mit Sprenggeschossen kam gab es auch keine Revolte.
Wenn der Leo tatsächlich so dringend benötigt wird, warum hat man denn den Schritt versäumt ihn mitzuliefern als nach Ostern aufgerüstet wurde?
@Politikverdruss vielen Dank für den Einblick in die Kriegserfahrungen der Sowjets während des Afghanistan-Feldzuges. Kannte ich nicht.
Leseempfehlung:
Lester W. Grau, ein U.S. Militärhistoriker, hat die Erfahrungen der Russen und der Mujahedeen auf Basis der Unterlagen der sowjetischen Frunse-Akademie und Augenzeugenberichten in mehren Schriften aufbereitet. Häufig finden sich beim ihm Vignetten, Szenedarstellungen einzelner Gefechte. Erstaunlich ist immer wieder die Ähnlichkeit mit heutigen Gefechten dort.
Grau erwähnt und schildert mehrfach Einsätze mit dem taktischen Element der „Bronegruppa“
Die Berichte sollten nach meiner Meinung Pflichtlektüre für den Afghanistaneinsatz ab Gruppenführer aufwärts sein.
Hier Links zu drei grundlegenden Werken von ihm:
– The Soviet-Afghan War: how a superpower fought and lost. Edited by Lester W Grau and Michael A Gress.- zu lesen bei Scribd
– The Bear Went Over the Mountain: Soviet Combat Tactics in Afghanistan. By the Russian General Staff. Translated and edited by Lester W. Grau. PDF
– The Other Side of the Mountain: Mujahideen Tactics in the Soviet-Afghan War. By Ali Ahmad Jalali and Lester W. Grau. PDF
Ansonsten einfach mal nach dem Namen des Mannes googeln. Der ist recht produktiv und immer lesenswert.