Eingreiftruppen oder Ausbilder?
Ein bisschen bekommt man schon den Eindruck, ISAF-Kommandeur David Petraeus sei derzeit auf Goodwill-Tour in Deutschland. Bei seinen diversen Interviews in Berlin – gestern im ZDF, heute im Deutschlandfunk – lobt er eifrig die Bundeswehr für ihren Einsatz im Norden Afghanistans. (Und sagt, ganz nebenbei, dass er von Leopard-Kampfpanzern da oben bei Kundus wenig hält.)
Auffällig ist eines, dessen sich der amerikanische General wahrscheinlich gar nicht bewusst ist. Zitat aus dem Deutschlandfunk-Interview:
Die deutschen Einheiten leisten bereits erheblich mehr als noch vor wenigen Monaten. Sie sind umgruppiert worden, die Bataillone sind jetzt als Eingreiftruppen aufgestellt worden, die vor allem in den Provinzen Baghlan und Kundus Operationen gegen Aufständische durchführen. Sie tun dies in einer sehr beeindruckenden Weise, wie ich gesehen habe, als ich die Einheiten vor Ort besuchte und an Patrouillen teilnahm.
Ja hat Petraeus denn keiner im Bundesverteidigungsministerium gesagt, dass das gar keine Eingreiftruppen, die Operationen gegen Aufständische durchführen, sind? Das sind Ausbildungs- und Schutzbataillione, die die afghanische Armee ausbilden. Es soll sogar Leute in den Berliner Politik-Kreisen geben, die von diesen Soldaten immer von den Ausbildern sprechen. So ein Lob des ISAF-Kommandeurs, das die Kampfkraft der Deutschen hervorhebt, ist doch für die öffentliche Meinung hier zu Lande ganz kontraproduktiv.
(Ohne direkten Bezug dazu, aber zum Thema Petraeus und die Lage in Afghanistan sehr interessant zu lesen: Five Things David Petraeus Wants You To Believe)
Petraeus und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg am 23. November im Berliner Verteidigungsministerium (Foto: Sean Gallup/Getty Images via picapp)
1. Welchen Begriff hat Petraus im Originalton für „Eingreiftruppe“ verwendet und was hat der Übersetzer daraus gemacht?
2. Weiter so, diese verschwurbelte Bezeichnung ASB, die den friedlichen deutschen Michel nicht von ungefähr an Arbeiter-Samariter-Bund erinnern soll, ist Feigheit vor der eigenen Bevölkerung. Verstärktes Infanteriebataillon Kunduz wäre doch eine schöne Bezeichnung, da kommt noch nicht mal das Wort Kampf drin vor ;-)
Dennoch schlage ich mir nun mal imaginär mit der flachen Hand vor die Stirn.
„Ja was denn nun?“ lautet meine Frage. Das es nicht mehr nur vereinzelt zu Kampfhandlungen kommt, sondern offensiv gehandelt wird kann und muss nicht nur „Insidern“ bekannt sein. Die Bundeswehrhomepage hat hier im Rahmen der Operation Halmazag umfassend informiert. Klar, das hier bei einer einzelnen Betrachtung von Patreus, der vermutlich eine Stipvisite in Kunduz gemacht hat, „Show of Forces“ betrieben wurde und der nun diese Bilder im Kopf hat.
Und nun kommt das ABER:
Keineswegs ist die grundsätzliche Offensive, Verfolgung und Bekämpfung von Aufständischen Auftrag der Bundeswehr. Was hier durchgeführt wurde war eine zeitlich und örtlich begrenzte Operation um überhaupt operieren zu können. Die Taliban waren in den letzten Monaten gerade im Raum Chahar Darreh/Baghlan derartig in Vorsprung geraten, dass eine entschiedene Operation seitens der Bundeswehr unumgänglich war. Auch Patreus müsste wissen, dass damit der Norden nun nicht Talibanfrei ist und die Tatsache, dass nun wieder einigermaßen Ruhe eingekehrt ist und Stellungen gehalten und nicht mehr genommen werden zeigt, dass hier eben nicht grundsätzlich eingegriffen wird, sondern lediglich Arbeitsgrundlagen geschaffen wurden.
Ein gefundenes Fressen für ISAF und Bundeswehrgegner, zum dem KTzG sicherlich noch eingeladen wird.
Fazit: Nett gemeintes Lob, das den kämpfenden Kräften im Norden sicherlich den Rücken stärkt, aber politisch unabgestimmt und sicherlich mit einigen Folgen, wenn auch nur in Debattenform.
Das englische Wort was er benutzt war: „Task Force“, was mehr oder weniger „Einsatzverband“ oder (altmodisch, 2. Wk) „Kampfgruppe“ bedeutet.
ASB Kunduz ist ja offiziell „Task Force Kunduz“.
Ein bischen „Maskirowka“ schadet nie ;), immerhin bekam man das Konzept so am Guido vorbei….
Der Sarkasmus an dieser Stelle gefällt mir gut!
Danke für den Hinweis auf das Interview, es wäre mir sonst durch die Lappen gegangen.
Danke T.W. das sie auch den letzen Link posten.
Alex Strick van Linschoten lebt seit Jahren in Kandahar und kennt sehr genau die reale Situation dort. Er hat u.a. auch die Autobiografie des ehemaligen Taliban Funktionärs-Zaeef editiert.
Alex blogt ab und zu unter A different place.
Petraeus hatte in den letzten Tagen Paris auf dem Programm. Das scheint wohl einer eine europäische Schmuserunde nach Lissabon zu sein.
@b,
ob man Herrn van Linschoten als objektiven Berichterstatter ansehen kann, ist doch sehr zweifelhaft. Woher nimmt er die Gewissheit, dass die Afghanische Bevölkerung die Taliban als „unverzichtbaren Teil“ ihrer Gesellschaft sehen, wenn er sagt:
„Die Taliban sind ein unverzichtbarer Teil der Gesellschaft der Stadt Kandahar,“ äußerte Alex Strick van Linschoten (s. http://www.lightstalkers.org/strickvl ), ein Blogger und Mitau¬tor des Buches „My Life With the Taliban“ und einer der wenigen westlichen Ausländer, die ständig in Kandahar leben.
(http://www.linkezeitung.de/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=8568&Itemid=214)