Mehr Meer
Die EU-Anti-Piraten-Operation Atalanta hat ihr Einsatzgebiet am Horn von Afrika und vor der Küste Somalias erweitert. Leider teilen die EU-Soldaten in ihrer Pressemitteilung lediglich mit, dass. Man wüsste ja auch gerne, wo. Aber vielleicht kommt das ja noch.
Für die Deutsche Marine gilt die heute verkündete Erweiterung des Operationsgebietes übrigens vorerst nicht – weil die Area of Operations auch im Bundestagsmandat festgelegt ist (vor allem die Grenze von 500 Seemeilen vor der Küste Somalias – was bei der Kaperung und nachfolgenden Erstürmung des deutschen Frachters Taipan durch die Holländer ein kleines Problem war, weil der Frachter außerhalb dieser 500 Seemeilen gekapert wurde. Da liegt übrigens die Vermutung nahe, dass der damals zur Überwachung eingesetzte deutsche Seefernaufklärer Orion P-3C ganz, ganz hart an der Grenze des Mandatsgebiets langflog…).
Die deutschen Einheiten, vor allem derzeit die Fregatte Köln, halten sich deshalb an die bisherige Mandatsgrenze. Mitte Dezember steht ohnehin die Verlängerung im Bundestag an – dann kann und soll das erweiterte Einsatzgebiet auch da reingeschrieben werden.
Nachtrag: Das ist ja der Knaller in einer Reuters-Meldung: A NAVFOR spokesman declined to provide further details on the extent and location of future patrols, citing the need to maintain operational security and effectiveness against pirates. Dann schauen wir mal, was im Dezember im Bundestagsmandat drin steht. Und ob die deutschen Abgeordneten sich mit so einer Wischiwaschi-Erklärung zufriedengeben.
Die Marine gewinnt zukünftig immer mehr an Bedeutung gegenüber anderen Teilstreitkräften. Wann wird wohl der erste Flugzeugträger bei unseren Politikern erneut ins Gespräch kommen?
Moin, moin.
Ich sehe ebenfalls das unsere Marine einen wesentlich höheren Stellenwert zukünftigt haben muss, allerdings nicht mit 11.500 im operativen Bereich statt 16.000 wie bisher.
Aufgrund unserer Exportabhängigkeit sind für uns die Sicherheit der Seewege entscheident, auch deshalb brauchen wir eine stärkere Marine.
Hans
Der Flugzeugträger liegt weit außerhalb des Wehretats. Das Schiff selbst, die notwendige Eskorte, die trägertauglichen Fluggeräte…. Hinzu kommt noch, dass ein Träger alleine keine Dauerverwendung garantieren kann, man denke an notwendige An- und Abmarschwege, Werftliegezeiten etc.
Wobei ja die Sicherheit der Seewege vor Somalia ja von Land aus gefährdet werden. Aber weil es nicht opportun ist sich die Stiefel dreckig zu machen darf die Marine halt Platzhalter spielen und mit einer Endlosmission ohne Aussicht auf nachhaltigen Erfolg auch mal für ein paar „Einsatz-Fotos“ sorgen.
Daher, wo ist da der Erfolg, der eine gesteigerte Bedeutung der Marine rechtfertigen würde?
– Weil das Grundgesetz taiwanesische Fernsehlieferungen höher priorisiert als somalische Menschen?
– Weil man der Bevölkerung so leichter Bundeswehr-Arbeitsplätze und Rüstungsförderung verkaufen kann, als wenn Personal und Gerät nur im Hafen rumdümpeln?
– Weil es ein so ein schön „sauberer“, pressetauglicher Krieg ist, bei dem garantiert nur „Erfolgsmeldungen“ bei rumkommen?
– Weil eine Welt, in der man wie anno 1700 wieder Konvoi fährt, ein Zeichen erfolgreicher Sicherheitspolitik ist?
@Henner
Dann eben 2 Träger wie der geplante französische PA2 (Stückpreis 2,7 Milliarden) und vier Pötte und ein U-Boot pro Trägergruppe kriegt die Deutsche Marine schon heute zusammen. Die Fluggeräte könnte man bei der Luftwaffe einsparen. Denn die können auch bei Bedarf über Land fliegen. Die Träger müssen ja nicht ständig, wie bei den Amis, weltweit präsent sein. Das tun die Spanier, die Italiener, die Briten und die Franzosen ja auch nicht. Aber 1 Träger wäre schon ein Gewinn, da er ja in Europa nicht allein wäre.
Aber klar, est ist wohl Utopie.
Ich glaube eher, dass ETrUS wieder diskutiert wird, als dass eine Trägerdiskussion kommt. Was gebraucht wird ist ein der Rotterdam-Klasse ähnliches Schiff. Das war schon mal angedacht… Aber zu schön um wahr zu sein:)
Erst einmal muss die Bundeswehr/ das BWB lernen richtige Verträge zu schließen und vernünftiges Anforderungs- und Qualitätsmanagement zu betreiben … dann bleiben uns Katastrophen wie bei der Korvette er- und zusätzlich wird gespart!!!
Was die Vergrößerung der Marine angeht, so gibt es hochtrabende Träume bis hin zu einem wie auch immer gearteten und benamten Docklandungs- / Multipurpose-Schiff … schlau wäre es hier im Rahmen der Europäischen Union endlich zu einer Bündelung von (maritimen) Kompetenzen zu kommen … beispielsweise der Aufbau einer gemeinsamen Marine, gerne auch multilateral z.B. Niederlande-Dänemark-Deutschland und Aufgabe rein nationaler Rüstungspolitik und -beschaffung! Das sind erst einmal Träume ;-)
@mariner
Genau zur Frage des Managements „hätt ich do emol e problehm“: Auf der zivilen Seite sind Ablieferungsverzögerungen von 4 Wochen schon eine mittlere Katastrophe, weil das bei Charterraten im oberen vier- oder unteren fünfstelligen Bereich schon richtig teuer ist wegen der Einnahmenausfälle, zu denen dann noch die Vertragsstrafen (die Schiffe werden in der Regel irgendwo zwischen Bestellung und Baubeginn bereits verchartert) wg. nicht erbrachter Leistung kommen. Konsequenz: Sowas passiert erst gar nicht, weil die ganze Branche bei Tankern, Bulkern und Containerschiffen exakt zum Punkt arbeiten kann. Die Reedereien und Finanzfirmen aus der KG-Branche haben nicht umsonst ihre eigenen Bauaufpasser ständig vor Ort auf den Werften . Sind Marine-Schiffe wirklich so verschieden, dass man da nicht wenigsten auf Tolenranzen von einem Monat runter kommen kann? Wäre hier Raum für Know-How-Transfer vom zivilen auf den militärischen Bereich? Oder haben wir es mit der schleichenden Korruption zu tun, die sich aus der Subventionsmentalität ergibt?
Wir brauchen keine Träger. Da kommen wohl wilhelminische Flottenträume auf.
Deutscher Michel will auch Boot fahrn…
Ich kann nur wieder J.R. zustimmen. Das momentan einzig ernsthafte maritime Szenario ist eigentlich gar keins. Das Hauptproblem ist, dass den Somalis der Fisch ausm Teich geklaut wurde, natürlich neben der Auftragspiraterie. Solche Sicherungsaufgaben kann mit den bisherigen Kuttern machen.
Ansonsten bleib ich bei meiner Einschätzung, dass wir uns, wenn es um NATO, EU und handfeste geopolitische Machtinteressen geht, bei denen der Gegner nicht in einem Holzskiff sitzt, gefälligst auf relativ günstige U-Botte verlegen sollten, weil das etwas ist, was wir sehr sehr gut drauf haben.
Trennung:
Heute Abend übrigens im ARD um Mitternacht Sendung zur Lage in A-stan.
Guter Tipp, hätte ich glatt verpasst! Danke:)
@Zivi:
Tja, wo fange ich an??? Zunächst, ich bin dann auch eher ein kleines Licht und darf an der Marinerüstung nur als „Endnutzer“ teilhaben, beurteile es also aus der „Froschperspektive“, aber dennoch berichte ich gern über meine persönliche Sicht der DInge:
1. Bei Aufträgen, die vom Bund vergeben werden (hier: Marineschiffbau) gibt es keine Konventionalstrafen.
2. Der Bund ist nicht in der Lage saubere Anforderungen von Anfang an zu definieren, so dass bei einem Projekt gerne mal Änderungsanträge im dreistelligen Bereich zusammen kommen – bis hinein in die Bauphase.
3. Schiffbaulich schaffen die Werften es rechtzeitig fertig zu werden, der Knackpunkt ist die Systemintegration – der Part also, der aus einer Stahlhülle ein Kriegsschiff macht. Allerdings zeigen meine Erfahrungen, dass es bei den Bauten für die Marine auch schwerwiegende qualitative Mängel gibt, frei nach dem Motto: mit denen kann man es ja machen. Das fängt an bei undefinierbaren Geräuschen des Ruders, geht über ungeklärte Ausgasungen in Betriebsräumen, zu hohe Abgastemperaturen, nicht Erreichen von vereinbarten Geschwindigkeiten bis hin zu den fehlerhaften Getrieben, die wieder ausgebaut werden mussten nachdem die Schiffe fertig waren.
Warum, kann ich Dir nicht sagen! Nur so viel: es steht und fällt mit den geschlossenen Verträgen und dem Management!
Hat das weiter geholfen?
@Niklas
Ob wir einen Flugzeugträger benötigen oder ob wir uns dabei allein auf unsere Bündnispartner verlassen, um auf deren Kosten Geld zu sparen, das wird die Politik entscheiden müssen. Auch wird vermutlich angesichts der Finanzkrise vermutlich bald die Frage, seitens der Bündnispartner aufkommen, warum gerade Deutschland, als größte europäische Wirtschaftsmacht und bevölkerungsreichster Staat, sich hier seiner Verantwortung für eine gemeinsame Sicherheitspolitik entzieht. Es geht also nicht darum, ob der deutsche Michel mal Boot fahren will, sondern darum, wieviel Boote die EU benötigt und wie die Lasten zu verteilen sind.
Da möchte ich mal auf die schöne Haushaltsgrafik verweisen. Ich denke, die erklärt einiges. Und darauf, dass die Partei, die das (ganz ehrlich ich halte das für totalen Quatsch) vorschlägt, bei der nächsten Wahl zu Hause bleiben kann.
Und was diese ach so legitimierte EU will kann doch nicht Gesetz sein! Was dabei rauskommt können wir ja momentan im Bereich Justiz ganz wunderbar beobachten.
Ich bin durchaus ein Freund eines zur Not leicht zu hohen Wehretats. Aber wenn wir anfangen das Geld, was wir nicht haben, für Sch*anzverlängerungen wie einen Flugzeugträger (van Creveld bezeichnet jene als Dinosaurier der Meere) auf den Kopf zu hauen, brauchen wir uns nicht wundern, wenn einfach gar nichts geht.
Der Grund warum manche europäischen Länder große Trägerschiffe haben ist definitiv in deren interventionistischer Tradition und ihrer Gebietsstruktur zu finden. Man kann nicht von einem Land mit so wenig Küste wie Deutschland ernsthaft erwarten, dass es der Marine eine hohe Priorität einräumt. Bevor wir uns um solche Zusatzspielzeuge kümmern, müssen wir erstmal in den wichtigen Bereichen unsere Hausaufgaben machen, was so schon fast unmöglich ist.
Um nochmal auf das Threadthema zu kommen, ist es eh fraglich (nein, eigentlich ist es absolut sicher), dass der Marineeinsatz kein dauerhaftes Mittel gegen ein Symptom ist. Auch ist es oben irgendwo und auch in den Medien schon angeklungen, dass sich wirtschaftliche Interessen und Sicherheitspolitik überschneiden könnten.
70 % unserer Exporte gehen in EU-Länder. Das einzige, was in signifikanter Zahl gefährdet ist, ist die billige Unterhaltungselektronik aus Fernost.
Also, kommt bitte alle mal runter, von eurer maritimen Romantik.
@Mariner: Sorry, dass ich so spät reagiere & vielen Dank, denn das klärt schon ein wenig. Denn soweit ich das richtig verstehe (weder Techniker noch Militär) scheint der Knackpunkt ja in der Phase „Systemintegration“ zu liegen. Denn es wird doch mehr oder weniger normaler Schiffs- und Maschinenbau betrieben. Eine Crack-Anlage für die Raffinerie, eine Bohrinsel, ein Produktentanker, eine Korvette . . . irgendwie ist es doch immer das Gleiche: Ein Haufen Stahl mit kleinen technischen Besonderheiten entsprechend dem anfänglich definierten Pflichtenheft (Anforderungsprofil).
Es geht also erst mal darum, dass diese Vorgaben durchgesetzt, das Geld also effizient ausgegeben wird. Dahin hilft nur politischer Druck, um der Korruption Paroli zu bieten. Wobei ich stark dafür wäre, dieses Kind gerade im Zusammenhang der Militärbeschaffungen möglichst oft und möglichst laut beim Namen zu nennen. Wenn einfach mal durch stetige Wiederholung sich beim Publikum gesetzt hat, dass die Mehrheit der Lieferanten samt ihrer parlamentarischen Wasserträger keinesfalls honorige Herrschaften sind sondern eine skrupellose Gaunerbande, dann wird sich schon was in die richtige Richtung bewegen. Heute schämen die sich doch nicht mal mehr dafür, weil keiner diese Betrügereien beim Namen nennt. Und dass wir an dieser Stelle (derzeit Indischer Ozean) vernünftige Möglichkeiten („Capabilities“) brauchen, steht für mich außer Zweifel, weil man
(dies auch @ Niklas)
mit: „70 % unserer Exporte gehen in EU-Länder. Das einzige, was in signifikanter Zahl gefährdet ist, ist die billige Unterhaltungselektronik aus Fernost.“ voll gegen die Wand rauscht, auch wenn es auf den ersten Blick schlau wirkt.
In dem, was aus deutschen Werken in den Rest der EU geht, stecken erhebliche Mengen an Vorleistungen (Zulieferungen) aus Asien. Deutsche Autobauer haben schon Feierschichten geschoben wegen der Nachschubstörungen bei Kabelbäumen, Zündverteilern oder Airbags. Das wird erst recht ärgerlich, wenn die in Deutschland gebauten Maschinen an der somalischen Küste liegen bleiben, anstatt dass fleißige Hände in Malaysia oder Vietnam damit Teile für den Export (unter anderem zum Standort D) produzieren. Um es klar zu sagen: Selbst wenn wir ausschließlich in die EU exportieren würden, müssten wir die Wasserstraßen offenhalten oder den größten Teil unserer Industrie in die Ferien schicken. Der solide und auch jetzt im Aufschwung wieder tragende Teil des letzten Booms waren gerade die beiderseitigen Gewinne im Asienhandel. Ohne diese Effizienzgewinne (Kostenvorteile) hätten wir mittlerweile englische oder amerikansiche Verhältnisse, d.h. Ent-Industrialisierung.