„Die Taliban werden eher ermutigt, durchzuhalten“
Das war abzusehen: Bei der Vorstellung von Peter Strucks Buch So läuft das mit dem Autor und, als Laudator, dem CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder ging es mehr um die Zeit der großen Koalition, die derzeitige Bundesregierung, die Rolle der FDP… und weniger um Strucks Zeit als Verteidigungsminister oder um den Einsatz in Afghanistan.
Dennoch gab es von beiden, Struck wie Kauder, eine wichtige Grundsatzaussage zur Mission am Hindukusch. Die aktuelle Situation in Afghanistan macht mir große Sorgen, sagte der frühere Verteidigungsminister Struck. Nach den Ankündigungen von US-Präsident Barack Obama, aber auch angesichts der aktuellen politischen Diskussion in Deutschland über ein Abzugsdatum würden die Taliban eher ermutigt, durchzuhalten, bis die internationalen Truppen das Land verlassen hätten. Alls Bundestagsfraktionen, auch seine SPD-Fraktion, müsse nun sehr genau prüfen, ob Afghanistan auf eigenen Füßen stehen könne, was seine Sicherheit angehe. Wenn nicht – müssen sie noch bleiben.
Das ist die Aussage eines nicht mehr aktiven Politikers. Aber interessant ist, dass Kauder, nach wie vor Vorsitzender der größeren Regierungsfraktion, das genau so sieht, ja ausdrücklich sagt, dass ich diese Position von Peter Struck teile. Oft genug habe er von Soldaten und Polizisten im Afghanistan-Einsatz gehört, dass nicht gesetzte Daten, sondern die Qualität der Sicherheitslage entscheidend sei für die Frage, ob die Truppen abrücken könnten. Es wäre eine Katastrophe, wenn sich nach einem Abzug eine Situation wie vor dem Einmarsch der internationalen Truppen ergäbe, in der die Taliban die Regierungsverantwortung wieder hätte. Deshalb ist es für den CDU-Politiker keine Frage: Es muss klar sein, das Land muss seine eigene Sicherheit gewährleisten können.
Über seinen Nach-Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg wollte Struck eigentlich nichts sagen (Ich habe mir zum Prinzip gemacht, über meine Nachfolger nicht öffentlich zu reden.) Und ließ sich dann doch zu zwei Bemerkungen hinreißen: Ich halte es für falsch, die Wehrpflicht auszusetzen – sie wird nie wieder eingeführt werden. Schon die sechs Monate Grundwehrdienst sind Unsinn. Und: Guttenberg tue genau das Richtige, sich stark um Afghanistan zu kümmern. Durch seine Art des Auftritts sieht jeder, welches Risiko die Soldaten eingehen.
Ein Ende von ISAF müsste nicht zur Folge haben, dass die Taliban Afghanistan kontrollieren. Ohne ISAF und diese unrealistischen Ziele dieses Einsatzes ist es vielleicht sogar leichter, das Land für die Taliban unregierbar zu machen. In diesem Zusammenhang sei auch daran erinnert, dass die Nordethnien das Talibanproblem im Norden Ende 2001 mit minimaler militärischer Unterstützung von Außen besser unter Kontrolle hatten als das heute im Rahmen von ISAF und afghanischer Regierung der Fall ist.
Die Prognose, dass die Taliban blitzschnell wieder die Kontrolle hätten dürfte auf jeden Fall zutreffen. Und angesichts der bröckelnden Allianz (Niederlande und Kanada als Aussteiger z.B.) kann man sich ja denken, dass der Einsatz nicht mehr als ca. 5 Jahre oder so dauern wird. Ich denke da vor allen Dingen an die vielen Kolaborateure.
Ich will nicht in ein paar Jahren die Bilder sehen, wenn zehntausende Menschen, Frauen und Kinder, auf brutalst mögliche Weise abgeschlachtet werden, weil sie mit uns zusammengearbeitet haben (extra drastisch formuliert^^). Diese Leute im Stich zu lassen wäre ehrenlos und beschämend. Wir müssen bleiben, bis der Job gemacht ist, auch wenn es vielleicht naiv klingt. Wichtig sind natürlich die bevölkerungsstarken Zentren. Und in Kabul treiben sich ja auch schon viele westlich orientierte Unternehmer rum.
Interessant sind die Reaktionen der Vertreter der afghanischen Regierung oder der ANA gegenüber unseren Leuten angesichts der Abzugsdebatte in Deutschland. Entsetzen, Ungläubigkeit, Angst oder auch Verachtung sind die Ausdrücke, die bei der Beschreibung der Reaktion gerne verwendet werden. Keine Neuigkeit, aber dennoch immer wieder erwähnenswert.
@Niklas
„Die Prognose, dass die Taliban blitzschnell wieder die Kontrolle hätten dürfte auf jeden Fall zutreffen.“
Selbst wenn die afghanische Regierung zusammenbrechen würde: Die ANA wird von Nichtpaschtunen dominiert, die mit Waffen und Gerät der ANA sowie halbwegs ausgebildetem Person den Aufständischen außerhalb paschtunischer Gebiete miliärisch überlegen wäre. Schwere Zeiten würden vor allem für die Paschtunen im Norden anbrechen, die nicht mehr von ISAF und internationalem Druck auf die Nordführer geschützt wären. Im Süden und Osten würden sich aber vermutlich die Taliban durchsetzen, und Teile des Landes wären im wieder aufflammenden Bürgerkrieg wohl auf Jahre umkämpft.
“Die Prognose, dass die Taliban blitzschnell wieder die Kontrolle hätten dürfte auf jeden Fall zutreffen.”
Nach dem Abzug der Sowjetunion aud Afghanistan konnte sich die Regierung noch drei Jahre halten. Dann drehten die Sowjets den Geldhahn ab während die Amerikaner, entgegen dem Friedensabkommen (Geneva Accord) mit der SU, die Mujahideen nach dem Abzug weiter unterstützen und den internen Krieg damit am Gange hielten.
Solange nicht ähnliche Umstände wieder eintreten, was ich angesichts der heutigen Konstellation für unwahrscheinlich halte, wird sich nicht zu wiederholen. Afghanistan wird einen internen Kompormiss finden und die Aufständischen werden die Waffen zur Seite legen.
AFGHANISTAN: THE MAKING OF U.S. POLICY, 1973-1990
Zitat:
„At the last minute, after the United Nations had convinced the Soviet Union to drop its demand for a coalition government as a precondition to signing, Pakistan insisted on the formation of a rebel-dominated interim government, made up largely of rebel and other non-PDPA elements, before it would sign. President Reagan called President Zia and assured him that the United States would stand by the rebels until they seized power, and that since the USSR was probably going to withdraw with or without an agreement, Pakistan ought to sign. Besides, the White House had been advised that the PDPA would fall to the rebels shortly after Soviet troops had gone. „
Vielleicht bin ich da auch grundsätzlich zu pessimistisch.
Letztenendes werden wir es ja sehen :)