Die fliegenden Kameras haben ausgedient

Seit 2007 sind deutsche Kampfjets in Afghanistan im Einsatz. Obwohl der Begriff Kampfjet in diesem Fall nur halb zutrifft: Die sechs deutschen Aufklärungstornados, die in Masar-i-Scharif stationiert sind, dürfen nach dem Willen der deutschen Politik zwar über ganz Afghanistan eingesetzt werden – aber ausschließlich für die Aufklärung. Im Klartext: als fliegende Kameras sind die Maschinen genehmigt, von ihrer Bordkanone dürfen sie aber höchstens zur Selbstverteidigung Gebrauch machen (wobei es recht klar sein dürfte, dass so ein Jet über dem Hindukusch kaum in die Situation kommen dürfte, sich gegen ein Jagdflugzeug verteidigen zu müssen.)

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FILE PHOTO: MAZAR-E-SHARIF, Afghanistan–A German PA-200 Tornado gets ready to take off while another one soars in the sky at Mazar-e-Sharif. Photo: ISAFmedia via flickr

Diese Einschränkung scheint inzwischen auch ISAF nicht mehr so recht zu sein. In einem Brief an den deutschen Generalinspekteur ließ ISAF-Kommandeur David Petraeus wissen, dass die fliegenden Kameras nicht mehr gebraucht würden. Die Deutsche Luftwaffe könne sie doch abziehen.

Nun ist es ja nicht so, dass die internationale Schutztruppe mal eben so auf Kampfjets über Afghanistan verzichten möchte. Aber die deutschen Tornados, auf den Foto-Auftrag beschränkt, nutzen den internationalen Truppen nicht mehr so viel wie noch vor ein paar Jahren – allein die Zahl der unbemannten Drohnen, die Echtzeit-Bilder vom Hindukusch liefern, hat drastisch zugenommen (allein die Bundeswehr hat inzwischen fünf Drohnen-Typen im Einsatz: Heron, Kleinfluggerät Zielortung (KZO), Luna, Aladin und Mikado, wenn auch die letztgenannten was für den taktischen Führer vor Ort sind). Dabei sind die Tornado-Piloten fleißig, schon im September 2007 konnten sie ihren 500. Einsatzflug melden.

Doch schießen dürfen sie eben nicht. Und zugleich klagen Verbündete darüber, dass es im (deutsch kommandierten) Nordbereich Afghanistans, wie auch im Westen, keine eigene Jagdbomber-Kapazität gibt, die für die Unterstützung am Boden bereitsteht. Close Air Support, die so genannte Luftnahunterstützung, wird vor allem von U.S.-Airforce-Fliegern, aber auch Briten, Franzosen und Belgiern geflogen. Deshalb dauert es auch schon mal eine halbe Stunde, bis der von Truppen unter Beschuss angeforderte Schutz aus der Luft eintrifft. Wenn schon ein Jet, so die unausgesprochene Forderung in Petraeus‘ Brief, dann bitte auch mit der Möglichkeit zum Waffeneinsatz.

Also statt der Recce- (steht für Reconnaissance, Aufklärung)-Tornados Jagdbomber an den Hindukusch? Technisch kein so großes Problem. Zumal die Luftwaffe ja schon die Bodenunterstützung übt – wenn auch formal nur mit dem Ziel, die Forward Air Controller des Heeres zu trainieren.

Politisch allerdings ist das ein ganz heißes Eisen. Bundeswehr und Verteidigungsministerium hätten massive Probleme, den Abgeordneten im Bundestag statt der vermeintlich harmlosen Aufklärungs-Tornados die Jagdbomber als deutschen ISAF-Beitrag zu präsentieren – war doch schon 2007 der Verzicht auf den Kampfeinsatz der Jets politisch gewollt. Da könnte es schon eher darauf hinauslaufen, die doch offensichtlich nicht mehr benötigten Aufklärer abzuziehen – und das so eingesparte Personal, Piloten und Techniker, durch die für Kundus und Baghlan dringend benötigten Infanteriekräfte zu ersetzen. Weil ja immer die vom Parlament genehmigte Personalobergrenze ein Problem ist (worunter dann auch schon mal ein ausgedünntes PRT leidet).

Doch selbst das könnte nach hinten losgehen. Werden die Recce-Tornados abgezogen, werden unter Garantie Abgeordnete verlangen, dann bitteschön gleich die Personalobergrenze zu senken. Denn das, sagt ein Oppositionsabgeordneter, wäre doch ein tolles Signal: weniger Jets, weniger Leute am Hindukusch. Sozusagen schon mal der Beginn des Abzugs, der manchen nicht schnell genug gehen kann.