Erster Cyber-Angriff der Bundeswehr: Mobilfunknetz auf Suche nach entführter Deutscher gehackt

RoshanSIM

Die Bundeswehr hat erstmals einen echten Angriff auf fremde Informationsnetze gestartet – allerdings nicht in einer militärischen Operation, sondern praktisch in einer Polizeioperation zur Befreiung einer entführten deutschen Staatsbürgerin in Afghanistan. Wie am (heutigen) Freitag Spiegel Online berichtet, drangen die Experten für Computer Network Operations (CNO), die zum Kommando Strategische Aufklärung (KSA) in Rheinbach bei Bonn gehören, im vergangenen jahr in das Netz eines afghanischen Mobilfunkbetreibers ein. Damit wollte die Bundeswehr den Standort der Entführer ermitteln.

Nach Informationen von Augen geradeaus! führte zwar diese erste Cyber-Operation deutscher Streitkräfte nicht auf die Spur der verschleppten Deutschen, allerdings waren für die beteiligten deutschen Behörden, den Krisenstab des Auswärtigen Amtes und die Bundeswehr, damit Bewegungsprofile der mutmaßlichen Entführer zugänglich. Die Mitarbeiterin der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) wurde von ihren Entführern, vermutlich Kriminellen, später freigelassen. Das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr war zwar an der Übergabe beteiligt, griff aber nicht ein.

Offiziell wird dieser Einsatz vom Verteidigungsministerium nicht bestätigt. Auf Anfrage erklärte ein Ministeriumssprecher lediglich: Für die Rettung DEU Staatsbürger im Ausland ist der Krisenstab des AA zuständig. Ich bitte Sie daher, sich für weitere Informationen an das AA zu wenden. Bitte haben sie Verständnis dafür, das ich aus Gründen der operativen Sicherheit, zu einzelnen Aktivitäten der Bundeswehr in diesem Fall keine Informationen weitergeben kann. Ich kann ihnen aber versichern, dass die Öffentlichkeit über die Gremien des Parlaments informiert wurde.

Die Operation war vom Ergebnis nicht viel anders als die Nutzung der Standortdaten, die jedes ins Netz eingeloggte Mobiltelefon permanent mitteilt, bei einer polizeilichen Ermittlung im Inland. Der wesentliche Unterschied allerdings: In Deutschland kann die Polizei über die Netzbetreiber auf diese Daten zugreifen; in Afghanistan wurde dieser Weg offensichtlich nicht gewählt, sondern stattdessen ein Angriff auf die entsprechende Datenbank des Mobilfunkbetreibers gestartet.

Der erste Cyber-Angriff der Bundeswehr dürfte damit auch keine Operation unter dem (ISAF- Korrektur: natürlich:) Resolute Support Mandat gewesen sein, sondern Teil der immer in nationaler Verantwortung durchgeführten Rettung deutscher Staatsbürger im Ausland – und zudem unter Federführung des Auswärtigen Amtes. Da können sich dann Juristen über die rechtlichen Grundlagen für den Angriff auf fremde Datennetze streiten.

Nachtrag: In der Bundespressekonferenz lehnten erwartungsgemäß sowohl der Sprecher des Verteidigungsministeriums als auch der des Auswärtigen Amtes Aussagen zu dem Vorgang ab; zu operativen Details werde es keine Informationen geben. Alles was wir sagen könnten, könnte von dritter Seite … genutzt werden, um daraus Erkenntnisse über unsere Vorgangsweise zu ziehen, argumentierte AA-Sprecher Sebastian Fischer. Selbst die Frage, wer den Einsatz angeordnet hat, wollte BMVg-Sprecher Michael Henjes als operatives Detail verstanden wissen – das lässt für die Übernahme der Verantwortung bei solchen Geiselbefreiungsoperationen, die möglicherweise schiefgehen, schon Übles erwarten.

(Symbolbild: SIM-Karte des  Mobilfunkbetreibers Roshan, des größten Mobilfunknetzes in Afghanistan. Ob der Angriff dem Netz dieses Unternehmens galt, ist unklar.)