G36: Verteidigungsministerium erhöht juristischen Druck auf Heckler&Koch

BERGEN 03jun2015 - †bung FALCON VIKING auf dem TruppenŸbungsplatz Bergen/Niedersachsen fŸr die Interim Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) im Rahmen der NATO Response Force. Der deutsche Gefechtsverband NRF, im Kern PzGrenBtl 371.

Im Streit um die Präzisionsprobleme beim Bundeswehr-Sturmgewehr G36 hat das Verteidigungsministerium sowohl strafrechtlich als auch zivilrechtlich neue Schritte gegen den Hersteller Heckler&Koch eingeleitet. Das Ministerium habe sich im Zusammenhang mit bereits eingestellten Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft Rottweil gewandt. Außerdem gebe es eine Mängelrüge wegen möglicher Gewährleistungsansprüche an das Unternehmen in Oberndorf am Neckar, bestätigte ein Sprecher im Kern einen Bericht der Bild am Sonntag (Link aus bekannten Gründen nicht).

Hintergrund beider Schritte ist eine neue Bewertung der Frage, ob Ansprüche wegen möglicher Fehler beim bereits seit 1995 ausgelieferten Gewehr verjährt sind. Das hatte die Prüfgruppe ‚Geschäftsbeziehungen im Geschäftsbereich BMVg mit der Firma Heckler&Koch im Zusammenhang mit dem G36′ (eine Liste der Arbeitsgruppen/Kommissionen hier) im Verteidigungsministerium untersucht und war offensichtlich zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Verjährung deshalb ausgeschlossen sein könnte, weil auch in jüngster Vergangenheit weitere Gewehre dieses Typs geliefert wurden.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Rottweil im Jahr 2011 waren eingestellt worden. Die Behörde ermittelte nach einem Bericht des Südwestrundfunks wegen Betrugs: Heckler&Koch solle, so ein anonymer Vorwurf, die technische Abnahme des Gewehrs so manipuliert haben, dass eine mangelnde Präzision bei Hitze den Bundeswehrprüfern nicht aufgefallen sei.

Der etwas komplizierte Zusammenhang ergibt sich aus der Zusammenfassung in der Genese Gewehr G36 für die Ministeriumsspitze (das ist das Papier, aus dem u.a. auch der Versuch einer Einschaltung des Militärischen Abschirmdienstes hervorgeht):

Am 8. Juli 2011 wurden Behauptungen zu Präzisionsverlust bei Erhitzung des Gewehrs G36 erstmals durch das Referat ES [Ermittlung in Sonderfällen, T.W.] an die Hauptabteilung Rüstung weitergeleitet. Verdachtsmomente im Hinblick auf strafrechtlich relevantes Handeln waren nicht nachweisbar. Am 25. Januar 2011 wurde der damalige Staatssekretär Wolf über den Inhalt eines anonymen Schreibens informiert, nach dem unter einseitiger, extremer Hitzeentwicklung angeblich Mängel beim Sturmgewehr G36 auftreten können, die, sollte dies zutreffen, Leib und Leben der Soldatinnen und Soldaten gefährden könnten. Staatssekretär Wolf empfahl dem damaligen Staatssekretär Dr. Otremba, eine Bewertung der Hauptabteilung Rüstung herbeizuführen.
Da die Staatsanwaltschaft Bonn bereits ein Ermittlungsverfahren in anderem Zusammenhang unter anderem gegen Verantwortliche des Unternehmens Heckler&Koch führte, hatte ES mit Billigung Staatssekretär Wolf auch den vorgenannten Sachverhalt der Staatsanwaltschaft Bonn am 1. Februar 2011 zur Kenntnis gegeben.
Mit Schreiben vom 29. Juni 2011 hatte die Staatsanwaltschaft Rottweil ES mitgeteilt, dass das o.g. anonyme Schreiben nunmehr dort vorliege und um Beantwortung von Fragen im Zusammenhang mit dem angeblich mängelbehafteten Sturmgewehr G36 des Unternehmens Heckler&Koch gebeten. Die zu diesem Zweck von ES mit Schreiben vom 8. Juli 2011 eingeschaltete Hauptabteilung Rüstung teilte mit Schreiben vom 15. Juli 2011 unter anderem mit, dass das anonyme Schreiben der Hauptabteilung Rüstung erstmals mit Schreiben ES vom 8. Juli 2011 zur Kenntnis gelangt sei. Eine Überprüfung der angeblichen Mängel durch Hauptabteilung Rüstung sei demzufolge noch nicht eingeleitet worden.
Mit Schreiben vom 26. Juli 2011 wurde das Antwortschreiben zusammen mit Kopien des Vertrages über die Beschaffung des Gewehrs G36 des Unternehmens Heckler&Koch an die Staatsanwaltschaft Rottweil übersandt. Die Staatsanwaltschaft Rottweil teilte mit Schreiben vom 3. August 2011 mit, sie habe das o.a. Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 1. August 2011 gemäß §170 Abs.2 StPO eingestellt.ES hat mit Schreiben vom 11. August 2011 die Hauptabteilung Rüstung über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens informiert und eine Überprüfung der Waffen auf die angeblichen Mängel anheim gestellt. Mit Schreiben vom 19. August 2011 unterrichtete die Hauptabteilung Rüstung über das Ergebnis der Überprüfung. Demzufolge wurde der anonyme Hinweis über Mängel des Sturmgewehrs G36 durch die Fachaufsicht Rü V 4 geprüft. Die fachtechnische Bewertung der Konstruktion, die Überprüfung der technischen Berichte über Besondere Vorkommnisse bei Waffen und Munition und der periodischen Waffenüberprüfung durch die Prüforganisation der Bundeswehr seit der Einführung des G36 haben demnach keinen der angeblichen Mängel bestätigt. Die Bundeswehr habe keine Veranlassung, Mängel bzw. Abweichungen von den vertraglichen Vereinbarungen zu behandeln oder Gewährleistung anzumelden. Weiterer Handlungsbedarf zur Überprüfung des Sturmgewehrs G36 bestehe nicht. ES hat daher diesen Vorgang am 24. Januar 2012 abgeschlossen.

Die damalige Einschätzung wird nun vom Ministerium nicht mehr geteilt; deshalb sowohl der erneute Kontakt zur Staatsanwaltschaft Rottweil als auch die Gewährleistungsansprüche.