Britische Polemik: Kauft doch bei den Amis!
Es scheint, dass nicht nur die Deutschen Probleme mit der Rüstungsbeschaffung und ihrer nationalen Rüstungsindustrie haben: eine interessante Polemik aus Großbritannien, hier mal zur Diskussion gestellt.
Aus dem Telegraph:
So that’s it then: Britain’s just a third-class power. And yet our defence budget is the fifth biggest in the world. It’s around the same as that of France, and France has a proper aircraft carrier – complete with planes. France also has hundreds of operational strike jets, not scores; it has maritime-patrol planes; its army may soon have twice as many soldiers as ours.
Why don’t we have all that?
The answer is, mostly, the British defence industry. Dominated by BAE Systems, our arms industry is lamentably inefficient. Its products are often horrifyingly expensive. They require parts and technical support not only from the US but other nations too – we gain no independence by purchasing “British-made” kit like the Eurofighter. (The Eurofighter cannot be sold without American permission as it is full of US technology.) If, instead, we simply bought off the shelf, mostly from America, we could easily afford powerful forces.
In Teilen kommt mir das bekannt vor… auch wenn eine solche radikale Haltung weder in Großbritannien noch in einem anderen größeren europäischen Land ernsthaft in Erwägung gezogen würde.
(Foto:Typhoon aircraft from RAF Coningsby practicing for the Royal Jubilee celebrations by performing a diamond-nine formation over Lincolnshire May 18, 2102 – SAC Graham Taylor/Open Government License)
An der Stelle sei auf die Studie „The Cost of Non-Europe in Common Security and Defence Policy“ verwiesen, welche die Verschwendung mit mindestens 26 Mrd. € im Jahr beziffert.
Und gerade was die Abschaffung der Luftwaffe angeht gab es ja in den USA eine ähnliche Debatte, die ja auch bei Augengeradeaus Thema war. Insbesondere: „America Does Not Need the Air Force“.
Wie heißt es doch so schön: Auf der anderen Seite ist das Gras immer grüner. Selbst (oder gerade?) in der Sicherheitspolitik.
Am trefflichsten erscheinen die beiden letzten Absätz des Artikels um Tlegraph:
“ Wenn man wirklich die RAF nicht stilllegen will, fairerweise gesagt – können wir das wahrscheinlich für eine Weile hinausschieben. Aber die wirklich wichtige Sache ist damit aufzuhören, das Verteidigungsbeschaffungsbudget als ein Industrie Subventionierung [sinstrument] zu verwenden und anzufangen, es für die Verteidigung einzusetzen.
Lewis Page ist ein ehemaliger Offizier der Royal Navy und Autor von „Löwen, Esel und Dinosauriern: Verschwendung und Pfusch beim Militär.“
Irgenwie kommt einem diese Schere zwischen der Rüstungs- Beschaffungspolitik samt deren Charakterisierung und der eigentlich den Gesetzen der freier Marktwirtschaft unterliegenden Wirtschaftspolitik bekannt vor?
Man lese dazu auch http://www.telegraph.co.uk/culture/books/3649724/Wasting-money-saving-lives.html.
Es ist schon bedenklich, was so alles in der Rüstung in Europa schief läuft. Aber gerade deswegen auch nicht ganz abwegig an günstigere, funktionierende und gute US-Waffensysteme zu denken. Ich sehe da großen Handlungsbedarf. Wenn ich an die Panavia Tornado-Nachfolge in Deutschland denke, da könnte die Fähigkeitslücke auch nur durch amerikanisches Material wie die F-15 E Strike Eagle gefüllt werden. Wenn sich in Europa nicht mal was tut. Denken wir an die Entwicklung in China und Russland.
Gibt es denn eindeutige Gründe, warum das Konzept „einfach beim Marktführer einkaufen“, keinen Sinn macht? Die Polen oder Niederländer zum Beispiel fahren mit dieser Praxis doch garnicht so so schlecht, oder?
halb OT: Das Foto sieht echt toll aus :)
@ Kai N.
Naja Entscheidungen werden bei uns immer maßgeblich von der politischen Seite gefällt. Diese wägen nicht nur den Bedarf/Wunsch der Militärs ab, sondern eben auch industriepolitische und oft auch regionalpolitische Gründe mit ab. Gerade wir müssen technologisch auf dem Stand der Zeit bleiben, klassische Industriezweige wie Schiffbau und auch Maschinenbau machen andere Nationen sehr viel billiger. Wir und unsere Exporte leben von Neuerungen und ja wir haben noch Nischen in denen wir Spitze sind.
Würden alle beim Marktführer einkaufen gehen, würde es heute wohl keinen AIRBUS (zivile Seite na klar) geben. Will sagen, kein anderes Land ist so auf Technologie angewiesen wie wir, hoffen wir dass sie im Land gehalten werden kann. Auch und gerade in sicherheitspolotischen Bereichen wie der Verteidigung.
@P. Rombach
Vorsicht bei solchen Thesen wie mit dem Schiffbau.
Da müssen Sie ganz genau schauen von welchen Feldern Sie sprechen. Die hier in DEU vorhandenen Felder im Neubau sind eben nicht aus der Sendereihe „Schiffe kann ja jeder bauen“. Billig hat in diesen Segmenten keine Aussagekraft und ist sich nicht das Ziel.
… vieleicht könnte mal die Hubschrauberfraktion hier als Beispiel ne Liste aufzeigen
>>> Transporthubschrauber << Marktführer > Firma > Modell > Preis > Leistung > u.s.w.
und dazu die Europäische/ Deutsche Alternative
Bitte alle Europäische Staaten berücksichtigen!
mal sehen, was dabei rauskommt…
.
Interessant. In der Zeit ist gerade ein ähnlich polemischer Abrechnungsartikel von Peter Dausend, Titel „Das wollen Sie gar nicht wissen“. Der hebt aber eher auf die bürokratische Verantwortungslosigkeit im BMVg ab. Also zwei sehr unterschiedliche Stoßrichtungen. Ich fand den Artikel allerdings etwas zu polemisch. Vor allem waren sachliche Fehler drin, da verliert man dann schnell die lust.
Aber zurück zu den britischen freunden. Interessant, dass der Autor so hoffnungsfroh auf die Amis guckt, wo die doch genau das selbe problem haben. Die F18 soll es da auch bald nicht mehr geben, stattdessen ein überkomplexes Ding vom … naja… Marktführer. Und die Behauptung dass man die Panzer und die Artiellerie einfach sparen sollte, naja. unsere britischen freunde sind sehr groß darin, vorsorglich erst mal alles abzuschaffen, was es gibt, und dann blöd da zu stehen, um sich dann wieder (zugegeben oft genial) was zusammen zu stöpseln. Britische Soldaten, die im Irak waren. hätten jedenfalls bestimmt ws zu sagen zu Panzern.
Mal realistisch. Man muss irgendwie auch weit reichende Innovationen organisieren, wie die Russen es gerade im Panzerbau tun. Dazu braucht man nicht zwingend eine hypermächtige Rüstungsindustrie, aber man braucht irgendwelche Handlungsfähigkeiten. Im Notfall vielleicht staatliche Labore oder Eigenbetriebe, die in der Lage sind etwas zu konzipieren und dann einen Beschaffungsprozess zu organisieren. Große Konzentrationen in der Rüstungsindustrie sind eher ein Problem, weil sie zu Abhängigkeit führen. Daher ist Nexter/KMW auch eher kritisch.
Sinniger wäre eine klein strukturierte Industrie, die neben Waffen auch andere Sachen bauen kann, und so nicht wirtschaftlich vom Waffenexport abhängig ist, und so nicht die politik dominiert. Dann braucht man für jedes Projekt entweder nen Generalunternehmer, oder direkt die Führung durch den Nutzer – jemanden, der auf Pragmatismus und Praxistauglichkeit achtet und gleichzeitig gut integrieren kann.
Die Armee-Substrukturen dürfen da am besten keinen Einfluss haben. Das zentrale Problem des F35 ist ja der Einfluss des Marine Corps, das unbedingt die Senkrechtstartfähigkeit wollte. Das hat dem Flieger das Genick gebrochen. Gleiches problem: der Einfluss von Piloten. Oder die Trennung von Jägern und Panzergrenadieren, die zu Boxer und Puma führte. Beschaffung sollte einerseits zentral, über diese ganzen Differenzierungen hinweg organisiert sein, und andererseits einen direkten Draht in die Einsatzpraxis haben. Von dort kommen ja sinnige Impulse. Alles, was über den einsatzbedingten Sofortbedarf kam, war ziemlich gut und nützlich, bei akzeptablen Preisen.
Ich würde mal als Formel 9 / 1 vorschlagen: In 9 von zehn Fällen kauft man off the shelf, in einem Fall entwickelt man was neues, und dann aber gleich richtig, und ohne den Einfluss von Interessenträgern.
@Kai N.
„Gibt es denn eindeutige Gründe, warum das Konzept “einfach beim Marktführer einkaufen”, keinen Sinn macht?“
Klar viele, vor allem wenn es zum Prinzip wir:
Der Wettbewerb- und die Innovationsfähigkeit würde abnehmen die Abhängigkeit und Preise stiegen.
Auch im Privatleben kauft man nicht immer beim Marktführer und warum?
Gerade wenn die öffentliche Hand einkauft, ist der billigste nicht zwingend der günstigste und volkswirtschaftlich oft erst recht nicht.
Bsp.: Drohnen der Mittelstand in Deutschland könnte binnen weniger Monate ein funktionsfähiges MALE, einsatztauglich und kostengünstig aufs Fahrwerk stellen.
Wertschöpfung, Nachhaltigkeit, Fähigkeitserhalt und Arbeitsplätze in DEU werden garantiert.
Leider schaut man nur auf vermeintliche Marktführer, welcher evtl unter Umständen in 10 Jahren etwas liefert, was wir vor 10Jahren geraucht hätten.
Ein anderer nicht zu unterschätzender Punkt sind auch „Black Boxes“, gerade beim aufgeführten Marktführer sind viele Dinge nicht einsehbar. Es wird also etwas beschafft von dem ich nicht genau weis wie es funktioniert, sondern eben nur das es funktioniert. Das mag vielleicht reichen, aber meist will man schon wissen was und wie ein Waffensystem so arbeitet.
Für notwendigen neue Innovationen währe Forschung auch an Uni’s nötig, die, gerade in Deutschland, momentan nicht so angesehen ist.
Mal losgelöst von den konkreten Projekten: Die Rüstungsindustrie ist kein Bestandteil der freien Marktwirtschaft in der Innovation und Preisführerschaft den Erfolg bestimmen. Die Rüstungsindustrie ist in Ihrer Produktentwicklung „fremdbestimmt“ (CPM), der lokale Marktzugang ist „fremdbestimmt“ (Beschaffungsprozess) und der Exportmarkt ist „Fremdbestimmt“ (Exportkontrolle). Selbst der Wettbewerb wird kontrolliert (aus nationalem Interesse). Keine Produkte, keine Märkte, kein Wettbewerb => keine Marktwirtschaft. Und somit entfallen die durch sportlichen Wettbewerb in der Marktwirtschaft entstehenden Verschlankungs-(Effizienz)zwänge schon aus systemischen Gründen. Die Folgen: s.o.
@Zivilist
Zustimmung und das hat eben seinen Preis., siehe Japan und es ist unlauter, dass einige Politiker den Reis nicht bezahlen
@Felix „Ich würde mal als Formel 9 / 1 vorschlagen: In 9 von zehn Fällen kauft man off the shelf, in einem Fall entwickelt man was neues, und dann aber gleich richtig . . . „. Das kratzt (glaub ich) nur ein bißchen an der Oberfläche.
Letztlich krankt die Beschaffung nach meinem Eindruck an den gleichen Defiziten der politischen Führung wie die militärische Planung&Konzeption (ich nenn es mal so) im engeren Sinne: Es gibt selten Klarheit, was zu welchem Zweck gemacht oder eben beschafft werden sollte.
Wer bestimmte technologische Standards und zugehörige Fertigungskapazitäten schaffen oder erhalten will, muss entsprechende Unternehmensgrößen erreichen, die wiederum Größenordnungen für den erforderlichen Umsatz definieren, die der EP14 plus Export hergeben müssen. Daher muss diese wirtschaftliche Rahmenplanung letztlich parallel zu den militärischen Eckpunkten laufen: Welche Fähigkeiten und Kapazitäten müssen/wollen wir uns selbst erhalten und wieviel Risiko&Abhängigkeit akzeptieren wir durch den Verzicht auf eigene Fähigkeiten/Kapazitäten?
Wenn das geklärt ist, ergeben sich daraus die Größenordnungen (angefangen bei der Größenordnung der F&E-Abteilungen), die man nachhaltig finanzieren muss. Dabei würde mich auch interessieren, was der Staat/BW selbst erledigen könnte. Wie steht es etwa um F&E durch Institute der BW? Keine Ahnung, was die BW-Unis hier leisten könnten. Gibt es da etwas Nennenswertes, das ausbaufähig sein könnte? Gibt vielleicht sogar Ansätze zu eigenen Fertigungskapazitäten etwa aus der Instandhaltung heraus (z.B. durch selbst produzierte Ersatzteile?) Wenn von dieser Seite her klar ist, wohin die Reise geht, kann man in den EP 14 schauen, über Exporte und Zukauf im Ausland reden.
Als Laie frage ich also zunächst: Was ist aus Sicht der Strategen an Fähigkeiten und Kapazítäten für D unverzichtbar? Was wünschenswert? Was überflüssig? Vielleicht könnten die Fachleute das mal mit drei, vier dicken Strichen skizzieren.
@Zivi a.D
Wenn es konkret und konstruktiv werden soll werden die Fachleute ganz leise!
Meckern und Kritisieren ist doch einfacher.
@Cato: Hier bei AG ist das nicht so. Da kommen jedenfalls nach meiner Erfahrung praktisch immer brauchbare und weiter führende Informationen. Wenn die Fachleute hier leise werden, hat das eher andere Gründe, die irgendwo zwischen „dumme Frage“ und „da kann man sich nur den Mund verbrennen“ liegen.
Bemerkenswert wie im Artikel zunächst neidisch auf Frankreich geschaut wird und im Folgesatz mehr Auslandsbeschaffung gefordert wird. Gerade die Franzosen leisten sich sehr viele Eigenentwicklungen. Scheinbar klappt es bei denen trotzdem.
Ein Foto aus der Zukunft?
Ob der Tiffi 2102 wohl immer noch fliegt? ;)
@Markus
ich würde mal die These wagen, dass in frankreich das Verhältnis von Staat und Unternehmen anders ist. Viele Unternehmen sind de facto Staatsunternehmen und sind damit fast näher am russischen oder chinesischen Modell als am anglo-amerikanischen. Platt gesagt: In US/UK ist der Staat dazu da, die Monopolgewinne einer Handvoll supermächtiger Konzerne zu maximieren. Im staatskapitalistischen Modell sind die privatwirtschaftlichen Interessen letztlich dem Staatsinteresse untergeordnet. Das erklärt vielleicht ein paar französische Erfolge.
@Zivi a.D.
Das war auch nur so eine Daumenregel. Ich hab mich ja auch dazu geäußert wie man die Innovationsfähigkeit sicherstellen könnte. Das Wort „Dual Use“ hat ja keinen guten Ruf wenn es um Atomanlagen für Iran geht. Aber de facto könnte dual use einen Ausweg bieten: Man erhält und kultiviert Fähigkeiten, die auf zivilen Märkten Gewinne bringen können, achtet aber darauf die militärische Option nicht zu verlieren. Es gab eine Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik, die gezeigt hat, dass Rüstungsexporte letztlich dem Sicherheitsinteresse zuwider laufen. Es handelt sich nämlich EIGENTLICH um einen Käufermarkt, d.h. die Kunden hätten theoretisch (wenn sie nicht nach der Nase von Lobbyisten tanzen) sehr viel Macht, können zB Technologietransfer erzwingen. Die Kunden der deutschen U-Boot-Schmiede HDW nutzen das weidlich, um ihre eigenen Kapazitäten aufzubauen. Und irgendwann wars das mit Schlüsseltechnologie.
Also: Für das meiste Zeug off the shelf.
Für das meiste vom Rest Dual Use Kapazitäten (wie TW am Beispiel Drohnen gezeigt hat).
Für das wirklich unverzichtbare Zeug im Notfall verstaatlichen und defizitäre Betriebe akzeptieren, bevor man die Technologie an jeden erstbesten Diktator verramscht.
@Christoph Kalkowski
Ablöse der Tornados???
Noch nie davon gehört.Berlin plant mit 85 modernisierten ASSTA 3 bis 2025 oder vielleicht 2030.
Und dann?
Eventuell kennt ein Insider ein Nachfolgeprogramm?
Aber bitte keine F-35.(nur meine subjektive Meinung)
Entschuldigung @Hr. Wiegold,etwas OT
@NMWC
Meine Argumentation bezog sich nicht auf den Spezialschiffbau, hier gebe ich Ihnen vollkommen recht. Bei den kommerziellen Fahrzeugen allerdings zeigt sich in der Vergangenheit leider, dass Fahrzeuge von der Stange nicht mehr bei uns gebaut werden, Container bspw. hier haben gerade im Osten etliche ihre Arbeitsplätze verloren. Manche Werften haben hier jedoch ein breites Spektrum an Spezialschiffen entworfen. Nun gut aber das ist nun etwas OT denke ich.
Der Kommentar von @Zivilist trifft den Nagel auf den Kopf, denn er erklärt imho sehr plausibel, warum der predominantly commercial approach in Sachen nationale Rüstung/Logistik ein recht zweischneidiger ist; das erklärt auch den Artikel im Telegraph, denn die Briten als Erfinder des commercial approach in Sachen Rüstung und Logistik merken diese Zweischneidigkeit: das auf „effizienten Kommerz“ ausgelegte materielle/personelle back-end der Rüstung/Logistik generiert immer mehr overhead-cost, die zunehmend die effektive qualitative und quatitative Ausstattung des front-end (vulgo: Streitkräfte) aufzehren……die Franzosen haben eine andere balance zwischen kommerziellen und staatlichen Strukturen als die Briten, also schielt man ein wenig neidisch über den Kanal ;-)
Was nun die mehr oder minder je nach Technologiesektor ausgeprägte Abhängigkeit von US black boxes anbelangt, da stecken eben alle nationalen Rüstungsstrukturen letztendlich in einem Boot. Aber das gilt nicht nur für den Bereich der Rüstung, sondern für alle Investitionsgüter.
Problem ist, „früher“ begann man mit der Planung für Nachfolger praktisch mit der Indienststellung eines Waffensystems. Dies war besonders in der Luftfahrtindustrie der Fall.
Wenn man am Ende des Nutzung anfängt, sich Gedanken über die Ablösung zu machen hat man zwei Möglichkeiten:
Entweder man kauft woanders „off the shelf“, wo entweder die Entwicklungszyklen anders sind oder wo eben eine gesunde Abfolge der Generationen noch herrscht oder man wartet sehr sehr lange….
@JCR
Ein anderer Faktor ist, dass die bei einem modernen Waffensystem „verbauten“ Technologien völlig unterschiedliche industrielle Innovationszyklen haben. Innovations- und Obsoleszenz-Management wird damit für einen Rüster zur Quadratur des Kreises.
Man schaue sich einmal die „Lebenszeiten“ von Land-, Luft-und See-Systemen bei einem zivilen Kunden an……bevor er das Schiff, den Flieger, den Laster verscheuert und ein neues System komplett einkauft….und vergleiche diese mit den Nutzungszeiten von Fregatten, JaBo und Panzern, deren assynchrone Alterung ja bereits in der Entwicklung einsetzt, insbesondere dann, wenn man – wie bei F-35 – das System technologisch total überfrachtet.
Zum Thema ist vielleicht auch die folgende RAND-Studie von Interesse:
„Setting Priorities in the Age of Austerity – British, French, and German Experiences“
@ Markus
. Gerade die Franzosen leisten sich sehr viele Eigenentwicklungen. Scheinbar klappt es bei denen trotzdem.
Wenn man genauer hinschaut tun sich da auch ziemliche Lücken auf:
– Infantrie: APCs und Sturmgewehre die in den 70ern entwickelt wurden; laut Wiki haben selbst die neusten FAMAS mittlerweile 12 Jahre auf dem Buckel.
– Panzer: AMX Leclerc und AMX-10 RC wurden in den 80ern entwickelt.
– Luftwaffe: Rafale mit nem Programmpreis von 345 Mio € das Stück für die ersten 133 Einheiten. Scheint wegen der hohen Kosten in Anschaffung und Betrieb zum Ladenhüter zu werden.
Ganz allgemein kann man an der Dreifachentwicklung Rafale, Gripen, Eurofighter ganz gut den europäischen Rüstungsirrsinn erkennen: Für Economy of Scale sind die jeweiligen Mengen zu klein. Innereuropäischen Wettbewerb gibt es praktisch nicht, es wird national gekauft egal was es kostet. Und beim Export stiehlt man sich untereinander die Kunden.
Ist eben kein freier Markt: Kosten und Risiko trägt bei diesen defacto-Staatsunternehmen die Allgemeinheit. Dividenden gibt’s trotzdem.
Nachfolger Leo / Leclerc:
1. Krauss-Maffei-Wegmann baut den Kampfpanzer „Leopard 2“. Geplant ist eine Fusion mit dem franzöischen Unternehmen Nexter Systems. Für KPz auch günstige Exportprognosen, denn einmal Leo, immer Leo. Sei denn Gabriel ist in 15 Jahren noch dabei, …
2. Hat sich Indien nicht für Rafale entschieden?
Kosten zwingen also zu Kooperationen.
@Jens Schneider
Der Tornado soll Stand derzeit bis mindestens 2035 (2040 ist im Gespräch) im Dienst bleiben.
ASTA ist nur ein Avionikupgrade! Das heisst, dass die cycles und Laufzeiten kleiner Bauteile sowie der Zelle nicht grunderneuert werden. An der Laufzeit, also den noch zur Verfügung stehenden Stunden, ändert sich somit nichts. Die verlängerte Indienststellung bewirkt nur das, was das Wort auch heisst. Länger im Dienst.
Daraus folgend ergibt sich, dass die Flugstunden die bis 2025 gerechnet wurden (und jetzt schon wirklich bescheiden ausfallen), bis mindestens 2035 gestreckt werden. Was das für das Hochwertpersonal heisst, können Sie sich ja denken.
Dabei soll die Anzahl der Tornados massiv reduziert werden, um mit Hilfe eines erhöhten Ersatzteillagers der verschrotteten Fluggeräte die Einsatzfähigkeit der restlichen zu gewährleisten.
Das Problem ist, dass es keine konkreten Folgepläne seitens der Politik gibt. Sollte der Tornado wirklich so lange im Dienst bleiben, so wäre eine Zellengrunderneuerung und einiges mehr von Nöten.
Das kostet Geld, so wie Instandhaltung immer Geld kostet, politischen Willen und Entscheidungsmacht. Alternativen zur Grunderneuerung wären einerseits die -anscheinend gewollte- Handlungsunfähigkeit oder andererseits ein Nachfolgemuster.
Sollte die aktuelle Sicherheits- und Verteidigungspolitik so fortgeführt werden wie bisher, was zu vermuten ist, würde ich einfach mal davon ausgehen das es überhaupt kein Nachfolgemuster geben wird.
Kann man schonmal gleich Kosten für eineinhalb Geschwader einsparen…..
Das ist doch die Denke von heute!
@ zivi a.d.:
Zitat:
„Dabei würde mich auch interessieren, was der Staat/BW selbst erledigen könnte. Wie steht es etwa um F&E durch Institute der BW?“
Dieses setzt zuerst den Willen“der Bundeswehr“ voraus.
Meistens steht die personal“Führung“ mit ihrer absicht der verwendungsbreite der spezialisierung entgegen. Und häufig ist das Interesse der mil. Führung an den Ausflüssen des Studiums auch überschaubar.
(ich spreche aus eigener Erfahrung: Diplomarbeit im Bereich F&E für mil. Tauchgeräte an einer zivilen Hochschule gemacht; Nutzung dieser Expertise gleich null…)
Die Diskussion um den Kauf von „Stangenware“ ist in soweit müßig, in dem die vermeintliche „Stangenware“ ja am Bedarf des Auftraggebers (100% USA) ausgerichtet ist. Keine Rüstungsfirma der Welt baut Großgeräte in der Hoffnung, dass sie irgendwer gebrauchen könnte.
Nebenbei: Wenn die Europäer stumpf Rüstungsgüter von der Stange kauften und auch den Niedergang von BAE, Thales, AirbusDefense, …. in Kauf nähmen; glaubt denn irgendwer, dass dadurch die Produkte von Boeing etc. besser würden?!
In Europa muss endlich eine Professionalisierung der Fertigung und Entwicklung einsetzen. Es kann ja nicht sein, dass der Typhoon in 1001 Werken teilgebaut wird, nicht, weil die Werke daas am besten könnten, sondern weil x% Firmenanteil auch x% Fertigungstiefe bedeuten. Das ist hahnebüchen, ineffizient und führt zu peinlichsten Fehlern. Ich sage nur Kabelbaumlänge bei A380 und M400
@Kai N. | 02. Juni 2015 – 8:02
„Gibt es denn eindeutige Gründe, warum das Konzept “einfach beim Marktführer einkaufen”, keinen Sinn macht? Die Polen oder Niederländer zum Beispiel fahren mit dieser Praxis doch garnicht so so schlecht, oder?“
Sehr interessant die Studie im Beitrag von „J.R. | 02. Juni 2015 – 0:50“, >90 Seiten aber lesenswert.
Auch wenn sie primär die Existenzberechtigung der EDA untermauern und den europäischen Einfluss stärken soll ist die Bestandsaufnahme interessant.
1. Europa’s Militär hat in Summe zu viel Personal, als Folge dessen bleiben zu wenig Mittel übrig für Instandhaltung, Investitionen, Neuanschaffungen,…
2. Jeder ausgegebene Euro im Verteidigungs-Bereich hat einen ausgesprochen hohen Return-of-Invest und positiven Einfluss auf das GDP, deutlich höher als in anderen Bereichen. Dies gilt vermutlich nur solange wie das Geld auch national (s. 3. unten) ausgegeben wird.
3. Alle europäischen Staaten kaufen rein national wenn sie es denn können und eine eigene Industrie haben. Entsprechende „sicherheitsrelevante“ Anschaffungen sind explizit ausgenommen von der ansonsten geltenden Pflicht für europaweite Ausschreibungen.
Die einzige auffällige Ausnahme scheint Italien zu sein welches trotz eines relativ grossen Verteidigungsetats und einer ebenso vorhandenen eigenen Wehrtechnikindustrie einen vergleichsweise grossen Anteil an „nicht-nationalen“ Investitionen hatte. Dies kann natürlich auch ein Einmaleffekt gewesen sein, was konkret beschafft wurde ist aus der Studie nicht ersichtlich.
Ansonsten, zum Thema „Marktführer“ und „besser gleich bei den Amerikanern kaufen“:
Einfach mal „War Is Boring“ (Danke an T.W. für den Hinweis) und andere Quellen querlesen und man sieht sehr schnell: Da ist bei weitem nicht alles so golden was aus hiesiger Sicht so zu glänzen scheint.
Insbesondere die Artikel zur F-35 sind interessant, da kann man den Amerikanern nur viel Glück wünschen dass es doch nicht ganz so dramatisch enden wird wie teilweise prognostiziert.
Was bez. F-35 bereits an Geldern versenkt wurde und noch in der Ausgabenplanung ist stellt alle in der Kritik stehenden europäischen Programme bei weitem in den Schatten.
Die ganze Geschichte kann und muss man aus mehreren Blickwinkeln betrachten.
1. Sicherheitspolitische Unabhängigkeit
Wenn man die Rolle als Schoßhündchen der USA attraktiv findet (auch wenn „Special Relationship“ natürlich schöner klingt), kann man sich sowas leisten. Man bekommt, was man möchte: Seien es bewaffnete Reaper (wie sie Italien z.B. nicht bekommt) oder gar SIGINT-Aufklärer (RC-135).
Hat man von Zeit zu Zeit aber abweichende Meinungen, wird die Lage ziemlich schnell ungemütlich was die Versorgung angeht. Über den US-Lieferstopp für Hercules-Ersatzteile an Frankreich 2003 habe ich bisher nur gerüchteweise gehört. Deutlich klarer wird die Lage in Ägypten, das von heute auf morgen überhaupt keine Großgeräte mehr erhalten hat. Es hat schon einen Grund, warum sich französische Kampfflugzeuge immer dann besonders gut verkaufen, wenn die Vereinigten Staaten bei ihren Exporten etwas restriktiver vorgehen.
2. Industriepolitik
Das ist ja bei den Briten noch fieser als bei uns, weil wirklich alles über BAE läuft und mit der Werftenpolitik zusätzlich noch die Abspaltung Schottlands verhindert werden soll.
Das Geheimnis für gute Qualität zu gutem Preis ist und bleibt die Implementierung von Wettbewerb in den Beschaffungsprozess.
Ein indischer Kommentator (livefistdefence.com) hat es nach dem MMRCA-Entscheid pro Rafale so auf den Punkt gebracht: „Was hat HAL geleistet, um 108 Rafale in Lizenz produzieren zu dürfen? Nichts.“ Die Inder haben erkannt, dass ihr Markt groß genug für mehrere heimische Akteure ist und fördern nach Kräften den Wettbewerb.
Das gleiches Vorgehen auch in Deutschland möglich wäre, hat Zimdarsen bezüglich MALE-UAV dargelegt. Man gebe nicht nur ADS 20 Mio EUR für MALE 2020 sondern die gleiche Summe auch noch an REINER STEMME Utility Air-Systems sowie EMT. Dann wollen wir doch mal sehen, was nach zwei bis drei Jahren auf dem Hof steht. Daran sieht man schon, dass Rüstungsprogramme so groß wie nötig, aber so klein wie möglich gehalten werden müssen. Too big to fail entsteht dann erst gar nicht.
@Caesar:
Militärische Neuentwicklungen sind immer teuer und dauern länger als gedacht – egal wo. Nur bekommt man bei den Amis – wenn man eingeführtes Gerät kauft – gutes Zeug zu vernünftigem Preis zeitnah geliefert. Seien es F-16, Apaches oder Patriots.
@Cato:
Über nationale Rüstungskernkompetenzen wurde hier schon viel diskutiert.
Mal ein Zitat aus dem Dezember 2013:
„Im Endeffekt glaube ich, dass Deutschland Enders [für seine Stellenstreichungen bei damals Cassidian] dankbar sein kann. Während ganz Europa von Pooling & Sharing spricht, schreitet er zur Tat. In bester Schumpeter´scher Manier zerstört er die deutsche industrielle Basis der militärischen Luftfahrt. Damit nimmt er den Politikern die Entscheidung ab, auf welche Fähigkeiten Deutschland zu verzichten bereit ist und ermöglicht eine Fokussierung auf echte deutsche Kernkompetenzen. Kernkompetenzen, die man als Gegengeschäft für den Erwerb ausländischer Luftfahrzeuge dann deutlich einfacher exportieren kann, um eine kritische Größe zu erhalten.
Zu den Gewinnern dürfte nicht zuletzt die Bundeswehr zählen. Sie müsste bei den teuersten Investitionen – das sind nunmal militärische Luftfahrzeuge – nicht mehr als Subventionierer her halten. Damit kann ein überproportionaler Teil des Beschaffungsbudgets eingespart und sinnvoller ausgegeben werden.“
M.E. hat sich ein Bermudadreieck Politik-Industrie-Beschaffungswesen gebildet, in dem der gesunde Menschenverstand allzuoft spurlos verloren geht.
Mein Paradebeispiel ist mal wieder der Schiebel-Camcopter für die Marine, der 2008 auf den Korvetten erfolgreich getestet wurde, inzwischen bei mehreren Marinen problemlois im Einsatz ist und dessen Beschaffung kürzlich „wegen nicht den Anforderungen entsprechender Dokumentation“ abgeblasen wurde.
@K.B. @Cato: Zum Thema Kernkompetenzen … Leider werden Kernkompetenzen und Kernfähigkeiten immer wieder verwechselt – von Politikern genauso wie von Verbänden. Kernkompetenzen brauchen i.d.R. nicht geschützt werden. Sie machen Unternehmen per se wettbewerbsfähig. Kernfähigkeiten sind die, die gebraucht werden. Und das sind nicht immer die, die schon immer da waren. Wie z.B. die U-Boote. Die aber festzulegen ist schwierig – weil man dann ein klares Statement über Ziele, Wege und Mittel treffen müsste.
Erweiterung: Es ist schon mal gut über Kernkompetenzen und Kernfähigkeiten zu diskutieren. Ein zusätzliches Element ist aber die Skalierung/Aufwuchsfähigkeit. Man überlege sich mal, was KMW (oder BAE/Nexter/GD/…) für eine Lieferzeit hätte um die Anzahl unserer Leos wieder auf Kaltkriegsniveau zu bringen. In der Zeit steht der Russe in Paris. Auf Ketten. (Vorsicht, Ironie)
Dann kauft doch bei den Amis::-)
Berlin (dpa) – Nach einer Reihe von Indiskretionen aus dem NSA-Untersuchungsausschuss haben die US-Geheimdienste nach Informationen der «Bild»-Zeitung eine wichtige Kooperation mit dem BND zum Schutz von Bundeswehr-Soldaten im nordirakischen Erbil eingefroren. Wie das Blatt am Mittwoch (3. Juni 2015) unter Berufung auf informierte Kreise berichtet, geht es dabei um Aufklärungs- und Überwachungs- Technologie aus den USA, die zum Schutz der Bundeswehr-Angehörigen benötigt wird, die in Erbil kurdische Kämpfer ausbilden. Auf ein vor Wochen gestelltes Ersuchen um technische Zusammenarbeit habe die amerikanische Seite bisher nicht geantwortet.
Auch haben einige Nationen mit den F-16 Verträgen viel Lehrgeld bezahlt. Auch die USA verschenkt nichts und wenn doch, dann gibt es da einen Beweggrund.
Europa könnte es, wenn es wollte.