USA: Cyber-Attacken können Angriffe im Sinne des Völkerrechts sein
Die Einschätzung kursiert schon eine Weile, ohne dass es dafür belegbare Aussagen gab: Die USA sehen Cyber-Attacken auch als mögliche Angriffe im Sinne des Völkerrechts – das heißt, als den Gebrauch von Gewalt, der wiederum eine Gegenwehr mit gewaltsamen (sprich militärischen) Mitteln erlaubt.
In der jüngsten Cybeer-Defense-Strategy des US-Verteidigungsministeriums vom vergangenen Jahr ist das zwar so nicht formuliert, aber es entspricht wohl der Auffassung des US-Außenministeriums, wie Defense News berichtet:
The U.S. government believes that cyber attacks can amount to armed attacks, and are subject to international humanitarian law and rules of war, the top State Department lawyer said Sept. 18.
Harold Koh, the State Department’s chief legal adviser, unveiled the U.S. government’s position on the rules of cyberwar at a conference hosted by U.S. Cyber Command at Fort Meade, Md.
Koh announced that it was U.S. government policy that certain cyber attacks may constitute a “use of force,” a legal term defined by the UN Charter. Functionally, such cyber attacks are only legal if a military engagement is authorized by the United Nations, or if the attacks are launched in self defense.
Wer wird da noch behaupten, das Internet sei ein rechtsfreier Raum… Im Gegenteil.
Ist doch egal, wer was wie betrachtet. Letztendlich setzt sich der Stärker durch. Wobei damit nicht immer physische Stärke das entscheidende Kriterium ist.
WaPO
Den Schaden den Stuxnet in Natanz angerichtet hat kann man sicherlich als „significant destruction“ ansehen.
Iran wäre damit, nach Auffassung der US Regierung, berechtigt mit militärischen Mitteln darauf zu antworten.
Man fragt sich wiedereinmal ob die Amis ihr Handeln so richtig durchdacht haben.
@T.W. Was meinen Sie mit belegbaren Aussagen? Meinen sie mit belegbar dass es in amerikanischen Dokumenten entsprechend kodiert ist, oder meinen sie eine unabhängige Rechtsexpertise die das stützt?
Für den Fall das sie letzteres meinen, muss man sagen das internationales Recht da ja sehr „organisch“ ist. Sprich sollte das so festgelegt werden und diese Ansicht halt finden dann wird sie sich durchsetzen.
@b: Also wie jetzt. Auf der einen Seite interpretieren die Amis alles nur zu ihrem Vorteil und wenn sie diese Direktive ausgeben dann sind sie plötzlich dämlich weil sie eben nicht alles zu ihrem Vorteil formuliert/interpretiert haben?
@tt.kreischwurst (was für ein Pseudonym…)
Mit belegbar meinte ich, dass diese Aussage zwar schon länger der US-Regierung zugeschrieben wurde, es aber nie eine zitierfähige Quelle dafür gab. Das hat sich mit der Aussage des Vertreters des State Department geändert.
Natürlich können Cyber-Attacken die Qualität von völkerrechtlich relevanten Angriffen haben. Das ist m.E. längst unstrittig.
Allerdings darf man bei einer Antwort unter anderem zwei Dinge nicht vergessen:
– Der Angriff muss klar einem Akteur zuzuordnen sein. War es ein Staat? Wenn ja, welcher? War es ein nicht-staatlicher Akteur? Das festzustellen und zu bewerten, fällt nicht immer leicht.
– Jede Reaktion muss verhältnismäßig sein – selbstredend.
Wenn die allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätze eingehalten werden, spricht übrigens auch nichts gegen den Aufbau einer Fähigkeit zu offensiver Cyber-Kriegführung. Ob man das will oder kann, ist eine andere Frage.
ABC News meldete am 27. Mai 2012: Leon Panetta: A Crippling Cyber Attack Would Be ‘Act of War’.
@chickenhawk
Hm, vergleichen Sie mal Panettas relativ vage Aussage zur crippling attack mit dieser von Koh:
@T.W. alles klar, habe ich mir fast schon gedacht. Ich habe jedoch oft in diesem Zusammenhang gelesen, dass diese Rechtsauffassung sehr fraglich sei etc. etc. also die Ansicht das Recht absolut ist und sich nicht entwickeln kann was ich für eine völlig falsche Betrachtung von Recht halte.
Wird interessant sollte sich das als offizielle Position entwickeln. Gerade hinsichtlich NATO und der akzeptierten Politik aller Partnerländer.
@ T.Wiegold
Stimmt. Es wird ohnehin nicht leicht, da eine verbindliche, griffige Definition zu finden.
@b
„Iran wäre damit, nach Auffassung der US Regierung, berechtigt mit militärischen Mitteln darauf zu antworten.“
Solche Äußerungen US-amerikanischer Stellen erfolgen doch nicht mit universellem Anspruch, sondern ausschließlich zur Legitimation eigenen Vorgehens. Das Völkerrecht wird nicht nur von dieser Seite eher als rhetorischer Steinbruch betrachtet, und man hätte wohl keine Schwierigkeiten darin Aussagen zu finden, die das eigene Vorgehen gegenüber dem Iran rechtfertigen. Politisch entscheidend ist jedoch nie die Rhetorik, sondern stets die harten Fakten dahinter. Der Iran ist die schwächere Partei und wird daher auf eigene Initiative vorläufig nicht offen gegen die USA vorgehen, Völkerrecht hin oder her.
Nicht nur die Amerikaner sind der Ansicht. Das ist auch in Deutschland Lehrmeinung – zumindest die meines Professors im Völkerrecht. Und Unrecht hat er damit (und auch die Amerikaner) nicht.
Ansonsten: Was KeLaBe sagt.
Können Videos auch eine Cyber Attacke sein?
Es drohen gewalttätige Proteste gegen das Mohammed-Video, sogar der pakistanische Premierminister verurteilt es als „inakzeptablen Angriff auf 1,5 Milliarden Muslime“. In Islamabad planen radikale Parteien einen Marsch auf die Botschaft der USA!