UN-Einsatz in Mali: Zum Beispiel die Briten
Während der Einsatz der Bundeswehr in Mali hierzulande zunehmend unter der Überschrift diskutiert wird „Machen wir die gleichen Fehler wie in Afghanistan?“, zum Wochenende hier etwas zum Anschauen über die britische Sicht:
Ein sehr sehenswertes Video zum Einsatz der britischen Long Range Reconnaissance Group im Rahmen der UN-Mission MINUSMA in dem westafrikanischen Land (außer auf Twitter auch auf YouTube veröffentlicht, danke für den Leserhinweis):
Over the last three weeks the @BritishArmy’s Long Range Recce Group have been patrolling the tri-border region of #Mali 🇲🇱.
In 8 minutes, see exactly what we’ve been up to, where we’ve been and hear from the soldiers involved.pic.twitter.com/CfQ4FgJLRq
— Will Meddings (@WillJMeddings) October 1, 2021
Interessant ist neben dem Auftrag – da hin zu gehen, wo sonst nichts ist, und das weit außerhalb der MINUSMA-Strukturen – der Mindset: Im Mittelpunkt steht nicht, wie gefährlich es ist oder sein könnte, sondern wie die Truppen ihre Aufgabe wahrnehmen, die Zivilbevölkerung in einer UN-Peacekeeping-Mission zu unterstützen.
Natürlich ist auch ein solches Video PR. Aber eben mit einem völlig anderen Ansatz, als ihn die Bundeswehr fährt. Zum Beispiel, wenn die – mit vollem Namen genannten – Soldatinnen und Soldaten erzählen, warum sie dort sind und was sie tun. Und eben nicht mit Ich habe den Auftrag… ihre Texte abspulen.
Das bedeutet natürlich nicht, dass die Debatte über die vielfältigen Einsätze in Mali, neben den UN ja die EU mit ihrer Trainingsmission, die französische Anti-Terror-Operation Barkhane und die europäische Spezialkräftemission Takuba, dazu die G5 Sahel, überflüssig wäre. Aber es bietet eine grundsätzlich andere Perspektive. Und die wird, gerade im Hinblick auf die Rolle der Vereinten Nationen, in Deutschland überwiegend gar nicht wahrgenommen.
Dazu passend ein Gespräch zu Mali aus dieser Woche:
https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/raus-aus-mali-wie-sinnvoll-sind-auslandseinsaetze-100.html
Bezeichnenderweise spielte Takuba gar keine Rolle.
Der britische Ansatz ist eben erneut deutlich mutiger als unser Vorgehen.
Auf der strategischen Ebene ist es aber egal: Der Einsatz ist zum scheitern verurteilt, da der positive Zweck fehlt.
Trotzdem haben die Briten noch ein militärisches Grundverständnis, das ist bei uns fast komplett verloren gegangen.
Wir leisten uns dafür eine sehr teuere Verteidigungsbeamtenorganisation, die weder LV/BV noch internationales Krisenmanagement kann.
Stört aber auch nicht wirklich – bis es zu spät ist.
“ … – da hin zu gehen, wo sonst nichts ist, …“
Das geht für uns schon einmal nicht, da damit von vornherein die golden hour nicht mehr sichergestellt werden kann.
Wenn man will, kann man die Dinge auch anständig betreiben. Hier hat eine Truppe eben einen klaren Auftrag.
Wir sind mit hunderten Soldaten in GAO.
Wir haben das Camp durch die zivile Truppenverwaltung in einen (aus Einsatzsicht) Höllenplatz verwandelt.
Wir haben dort die teuerste Warnhupe der Welt (Mantis).
Wir haben dort eine gemischte Aufklärungskompanie und eine Infanteriekompanie zum Schutz und müssen uns von diesen Briten so vorführen lassen? Hhhmmmm.
Das Video gibt es auch auf Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=GvKW606gkpQ
[Danke für den Hinweis, habe ich oben eingefügt. T.W.]
Guter Beitrag, guter Video- Clip-)
UK hat diesen Einsatz seit 2013 geplant, als zusammen mit DPKO in NY die Zeit nach IRQ und AFG ausgeplant wurde. Dabei wurde deutlich, dass die Briten unter ihrem Middle East Director ( 3*) zunächst nach Einsatzmöglichkeiten suchten, die der längerfristigen Entwicklung der SK dienen sollten. In der gleichen Zeit in der die Bw ihre FeSpähKr zerschlug/ auflöste/ zu taktischen AufklTräger auf RegtEbene machte, baute UK sich einen multi- sensorischen FernaufklVbd auf, den wir jetzt im Eins sehen. Daneben wollten sie Einsätze haben, die gut für das professionelle und persönliche Selbstverständnis der Soldaten seien.
Ich denke, wir sehen hier einen Ansatz, der nach innen wie nach aussen eine positive Wirkung erzielt.
Was wir im clip nicht sehen, ist, dass die LRRG auch zupacken kann.
Mit ihrer langen Stehzeit draussen, ihrer Präsenz, aber auch in ihrer unsichtbaren Wirkung ein richtiges, vielseitiges und wirkungsvolles taktisch- operatives Instrument.
Aus deutscher Sicht beneidenswert.
Die Briten haben ja eine lange Tradition mit LRP in der Wüste, auf die sie zu recht sehr stolz sind:
https://en.wikipedia.org/wiki/Long_Range_Desert_Group
Aber bei uns stört ja bereits eine stilisierte Palme auf einem Fahrzeug (sorry @TW, das mußte sein)
Und nur ungeschützte bzw. teilgeschützte Fahrzeuge – das geht ja gar nicht, außer bei Einätzen des KSK (vom MUNGO sprechen wir da ‚mal nicht).
@Memoria
„…, da der positive Zweck fehlt“.
Sie hinterlassen mich sprachlos.
Dann gibt’s also den negativen Zweck, oder anerkennen Sie die positive Absicht nur nicht, unabhängig von der Zielerreichung?
Handfest hingegen:
1. @GSPSipo
#Mali erhält vier #Mi171-#Militärhubschrauber von #Russland, die aus malischem Staatshaushalt bezahlt werden. Russland „schenkt“ Mali darüber hinaus Waffen & Munition.
https://mobile.twitter.com/ocisse691/status/1443738143736406025/photo/1
2. Neu, Deal zur Lithium-Ausbeute:
The Malian government has backed a joint venture (JV) transaction between ASX-listed Firefinch and lithium developer Jiangxi Ganfeng Lithium Co over the Goulamina lithium project.
https://m.miningweekly.com/article/goulamina-jv-gets-government-backing-2021-09-30
https://t.co/pJwbHPIpL2?amp=1
Jiangxi Ganfeng Lithium Co., Ltd. ist auf die Herstellung und Vermarktung von Lithiumprodukten (Lithiumchlorid, Lithiumfluorid, Lithiumcarbonat, Lithiumhydroxid, Lithium-Magnesium-Legierung usw.) spezialisiert, in Frankfurt börsennotiert.
Die Junta nimmt demnach einen guten Schluck aus CHN Devisenquelle, Gegenleistung?
@KPK:
Der positive Zweck auf strategischer Ebene wäre ein funktionierende und legitime Staatlichkeit. Diese ist in Mali noch weniger gegeben als in Afghanistan.
Es genügt eben nicht nur gegen etwas zu sein, sondern man braucht auch etwas eigenes was man darüber hinaus erreichen kann und will.
Nun etwas verständlicher?
LRRP? – Von Ansongo bis Labezanga. 3h mit einer Menge Speedbreaker auf einer asphaltierten Straße. Da ist garnichts neu. Das leistet die deutsche ISR-Task Force seit Jahren.
z.B.:
https://augengeradeaus.net/2020/01/deutsche-soldaten-entgingen-am-neujahrstag-nur-knapp-ied-anschlag-in-mali-neufassung/
@thomas wiegold
So ganz sehe ich nicht, wohin Sie mit diesem Blogeintrag wollen.
– Unterschiedliche Einsatz-PR der Briten ?
– Weniger/andere mediale Debatte in UK zu Mali ?
– Protect the Population vs. Aufklärung ?
Und was für eine „grundsätzlich andere Perspektive“ soll das sein? 300 Briten in Mali mit Schwerpunktauftrag Aufklärung, die was von „Protect the Population“ faseln?
Das ist mir zu eindimensional. Having served with the Brits, erscheint mir deren tun ähnlich wie das was insgesamt bei EUTM, EUCAP Sahel, MINUSMA, Barkhane, Takuba passiert:
Es wird ETWAS getan, das dann vor allem zuhause verkauft wird. Nichts wird konzertiert, die afrikanischen Einsatzländer sind unzufrieden und entwickeln sich alles andere als positiv. Deren Sicherheitskräfte beginnen auch noch verbrecherisch zu agieren (Putsch, Massaker), die Europäer suchen nach Leitmotiven, um zuhause Prokura zum weitermachen zu kriegen (Migration, China eindämmen, Demokratie), und und und.
So bin ich mir sicher, dass die von Ihnen hier vorgestellten 300 britischen Aufklärer wirklich was reißen und „da hingehen, wo sonst nichts ist“ (bitte).
Was nützen mir unterschiedliche militärische Perspektiven einer Mission (hier MINUSMA), die politisch tot ist. Da ist nichts mehr mit „innermalischen Versöhnungsprozess“ und anderen schönen Wunschvorstellungen. Da hat sich mal wieder (während der laufenden Mission) eine Militärregierung an die Macht geputscht, die diese Ziele so gar nicht interessieren.
Statt dessen verhandelt diese Regierung, die eindeutig ihre Legitimation aus dem Recht des Stärkeren ableitet, mit russischen PMC und macht irgendwelche Deals mit den Chinesen. Und Europa hält den Kopf hin – super Sache.
Der politische Einfluss Europas ist nicht von der Hand zu weisen!/sarc
Die Mission ist politische krachend gescheitert, das ist militärisch weder zu kompensieren noch zu reparieren. Die einzige richtige Schlussfolgerung kann nur sein – Mission sofort abbrechen und das Land verlassen!
But nevertheless – nettes Werbevideo.
Man könnte diesen Vergleich auch mal mit der PR der US Armed Forces aufstellen. Da springt einen der Begriff Readiness direkt an und das wird dort auch so gelebt.
@Pio-Fritz
Was heißt hier eigentlich „Europa hält den Kopf hin“? Das letzte Mal, als ich prüfte, stellten europäische Staaten weniger als acht Prozent der Truppenstärke bei MINUSMA. Und ja, es liegt teilweise am Auftreten der Kontingente selber, aber die mit Abstand größten Verluste betrafen bisher afrikanische Truppensteller, was unter anderem daran liegt, dass nur tschadische Soldaten permanent im Sektor Nord stationiert sind und sich die Europäer nicht gerade darum gerissen haben, auch in der Region Mopti eingesetzt zu werden.
In unserer Debatte fehlt mir viel zu häufig die Anerkennung der Realität. Wenn wir zu dem Schluss kommen, die Mission bringt nichts und es ist für uns zu gefährlich, dann muss man eben abziehen. Ansonsten sollten wir mal anfangen, uns an die Prinzipien der Vereinten Nationen zu halten und nicht immer so tun, als ob MINUSMA eine europäische oder NATO-Veranstaltung wäre! Wenn wir mit den VN-Grundsätzen nichts anfangen können, sind wir eben nicht VN-tauglich.
@Abdul Iyodo sagt: 04.10.2021 um 8:06 Uhr
„Das letzte Mal, als ich prüfte, stellten europäische Staaten weniger als acht Prozent der Truppenstärke bei MINUSMA. “
Und was hat Ihre Prüfung hinsichtlich der Anteile Chinas und Russlands ergeben? Und beziehen Sie sich ausschließlich auf MINUSMA?
„Ansonsten sollten wir mal anfangen, uns an die Prinzipien der Vereinten Nationen zu halten …“
Welche wären denn das, Ihrer Meinung nach? Und vielleicht sollten Sie das mal der malischen Putschistenregierung ins Stammbuch schreiben. Afghanistan hat doch ganz deutlich gezeigt, das es nichts bringt, in einem Land zu bleiben, in dem die Bevölkerung und/oder die Regierung den Friedensprozess nicht mittragen wollen.
Die Zivilbevölkerung scheint es zu genießen, mit ein paar britischen Soldaten Fussball zu spielen. Das ist ja auch was.
Was die Briten machen sollen, machen sie – nach eigener Einschätzung – richtig.
Ob das, was die Briten machen einen Sinn hat, wird nicht hinterfragt – jedenfalls nicht in diesem Video.
Sehen wir es, wie es ist: Die „regulären“ Truppen machen ihre Ausflüge (LLRG) und zeigen „Soldaten“, wie sie eine Waffe bedienen müssen (EUTM). Im Sinne der aktuellen Machthaber arbeitet da niemand, sondern man hat sich als Alibi-Veranstaltung eingerichtet.
Ohne Eigeninteressen hat sich Deutschland (und die Weltgemeinschaft) mal wieder in eine Intervention von Frankreich reinquatschen lassen, die zwar eigenen Ziele hat, diese aber auch nicht mehr eigenständig erreichen können.
Wir wagen es immer noch nicht, eigenständige Ziele zu haben, weil wir sie eh nicht erreichen könnten.
Da ist es nur folgerichtig, sich Söldner zu kaufen, die wenigstens die Interessen dessen vertretenm, der sie bezahlt und die im Zweifel mehr abschrecken, als die „regulären Truppen“, da sie sich an keinerlei Maßgaben gebunden fühlen müssen. Da ist die Abschreckung schon größer.
Die Zeiten, als wir durch Entwicklungshilfe Märkte erschlossen haben sind auch vorbei – das machen jetzt die Chinesen wesentlich erfolgreicher.
Wir sollten uns daher schnellstens aus der Region zurückziehen.
MINUSMA & Co. haben keinerlei messbare Ziele, keinerlei Exit-Strategie und kaum Rückhalt in der Bevölkerung (anders könnten BokuHaram etc. nicht so schnell wieder in die Räume zurückdrängen, die Ihnen gelassen werden).
Dass wir nicht in der Lage sind unsere Leute zu evakuieren, haben wir bewiesen (das ist keine Kritik an den operativen Kräften, sondern an der Aufstellung und Ausrüstung).
Also warum noch?!
Sind die chinesische und russische Beteiligung an VN-Missionen – im konkreten Beitrag geht es ja um MINUSMA – neuerdings Gradmesser für das deutsche Engagement im Rahmen der Vereinten Nationen? Mir geht es einzig darum, dass die personelle europäische Beteiligung und auch deren Verluste – das kann man auf MINUSMA begrenzen aber auch auf das gesamte internationale Engagement in Mali ausweiten – im Gegensatz zu denen der afrikanischen Staaten marginal ist. Dies wird nur allzu gern in der Diskussion vergessen – siehe „Europa hält den Kopf hin“.
Und zu den VN-Prinzipien: Fangen wir doch mal damit an, dass wir – wie die Briten im Video und andere Europäer auch – nicht all unsere Fahrzeuge im Weiß der Vereinten Nationen lackieren und es der Bevölkerung entsprechend schwer machen, zwischen MINUSMA, Barkhane, FAMa, G5 und was sonst noch alles im Norden bzw. Zentrum frei in der Fläche rumspringt zu unterscheiden.
Es stünde Deutschland übrigens frei, die Unterstützung für nicht-demokratische Regierungen einzustellen. Hat man meines Wissens aber nicht getan. Ich lasse mich gerne korrigieren, aber die einzigen, die daraus (zumindest einmal politische) Konsequenzen gezogen haben, waren die US-Amerikaner.
@Abdul Iyodo sagt: 04.10.2021 um 14:50 Uhr
„Mir geht es einzig darum, dass die personelle europäische Beteiligung und auch deren Verluste – das kann man auf MINUSMA begrenzen aber auch auf das gesamte internationale Engagement in Mali ausweiten – im Gegensatz zu denen der afrikanischen Staaten marginal ist.“
Wer argumentiert, dass die Europäer ja „nur“ 8% des Gesamtkontingents stellen, muss sich auch die Gegenfrage nach CHN und RUS gefallen lassen. Das wird nämlich gerade auch von afrikanischen Regierungen gerne ausgeblendet. Nun ist wenigstens CHN in MINUSMA engagiert.
Natürlich sind die afrikanischen Staaten die Haupttruppensteller. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, dann war das vor MINUSMA eine Mission der Afrikanischen Union, die die Vereinten Nationen um Hilfe gebeten haben.
Bei UN-Prinzipien mit der Wagenfarbe zu argumentieren ist irgendwie niedlich. Als ob es darauf ankäme. Gerade bei einer asymmetrischen Bedrohungslage durch islamistische Terroristen wäre es nicht zielführend, die Fahrzeuge in weiß als Ziel zu kennzeichnen.
@Abdul Iyodo sagt: 04.10.2021 um 14:50 Uhr
„Mir geht es einzig darum, dass die personelle europäische Beteiligung und auch deren Verluste – das kann man auf MINUSMA begrenzen aber auch auf das gesamte internationale Engagement in Mali ausweiten – im Gegensatz zu denen der afrikanischen Staaten marginal ist.“
Wie in fast allen „gefährlichen“/operativen VN-Einsätzen.
Es gibt im VN System ja den leider nicht ganz unzutreffenden Spruch: Jeder leistet seinen Beitrag zum VN-Peacekeeping. Der Westen mit Geld, die dritte Welt mit Blut…
„Gerade bei einer asymmetrischen Bedrohungslage durch islamistische Terroristen wäre es nicht zielführend, die Fahrzeuge in weiß als Ziel zu kennzeichnen.“
Ob das jetzt zielführend ist oder nicht, sei erst einmal dahingestellt. Fakt ist, weiß ist die Farbe der Vereinten Nationen, das gilt in der DRC, in der ZAR genauso wie in Mali und viele/alle (?) (hier hätte ich gerne mal ein aktuelles Feedback von vor Ort) asiatischen und afrikanischen Truppensteller halten sich bei MINUSMA dran. Nur wir Europäer nicht.
Fairerweise sei gesagt, dass es bei Truppen aus dem Niger und Burkina Faso schon Probleme gegeben haben soll, deren genaue Zugehörigkeit zu verordnen; ob nun zu MINUSMA, zur G5 oder zu nationalen Einheiten.
Und zur Zweckmäßigkeit: Was ist denn der Zweck der Patrouillen von MINUSMA? Präsenz zeigen in der Fläche. Man operiert ja nicht. Das machen die Franzosen, die G5, die FAMa. Grundprinzip der Vereinten Nationen ist ja aber: Wir haben keine Feinde. Wir sind sichtbar. Ich glaube nicht, dass das bisher bei MINUSMA geändert wurde…
Zulässig ist hier aber die Frage: Lässt die Situation in Mali es noch zu, dass eine VN-Mission vor Ort ist. Hier können wir natürlich zu der Antwort kommen, dass dem nicht so ist und uns dafür einsetzen, das Konzept zu ändern (bspw. eine NATO-Mission einzusetzen) oder halt abziehen. Solange das aber nicht der Fall ist, finde ich es sehr fragwürdig, eigene (NATO-)Standards innerhalb einer Mission anzuwenden, in der sich andere Nationen an die VN-Standards halten.
„Wer argumentiert, dass die Europäer ja „nur“ 8% des Gesamtkontingents stellen, muss sich auch die Gegenfrage nach CHN und RUS gefallen lassen.“
Warum? Diese Kausalkette sehe ich nicht. Der einzig legitime Grund, sich in Mali zu engagieren wäre, der Mission zum Erfolg verhelfen und die Lage im Land stabilisieren zu wollen, eben so, wie es das Mandat vorsieht. Dass uns der Erfolg und die Stabilisierung Malis nicht wirklich interessieren, steht auf einem anderen Blatt. Würde es interessieren, wäre es egal, was die Chinesen oder Russen tun.
@ Abdul Iyodo sagt:
04.10.2021 um 14:50 Uhr
Ziemlich auf den Punkt gebracht, finde ich – Aktueller Knackpunkt ist aber ja nach Putsch die Involvierung von RUS „Gruppe Wagner“.
Trotzdem agiert DEU aus meiner Sicht da bei weitem zu unentschieden und EU zu schwach und ideenlos – und FRA geht die Luft aus.
TRENNUNG
Was da jetzt bei der aus verschiedenen regulären Infanterie- und anderen Truppen vor Ort zusammengestellten LRRG gross anders sein soll als das was BW und andere vorher gemacht hat sehe ich jetzt auch nicht. Bei Videos hat halt jeder seinen eigenen Stil. Die nutzen halt Jackals statt Dingos oder Fuchs und haben sich einen klingenden Namen zugelegt und wirken etwas mehr „fancy“. Mit echter LRRP, also Fernspäh, hat das wohl eher nichts zu tun. „Protect the population“ klingt nett, finde ich nicht glaubhaft bei dem Einsatz von 300 Sdt – man fährt hin und her schafft wohl eher Bilder als echte Präsenz. Was ich bei dem Ansatz des „Westens“ generell als Problem empfinde – man tut so, als ob man was tut (was nicht die Schuld der Einheiten vor Ort ist). Als Effekt verbrennt man Geld, verliert Glaubwürdigkeit, überlässt das Feld anderen, hat gefrustete Truppe….GBR wollte den Einsatz wohl explizit um Truppe in Übung zu halten und „Message abzugeben“, nicht um wirklich was zu reissen. Siehe u.a.
https://blogs.un.org/blog/2021/06/10/taking-over-command-of-the-uks-long-range-reconnaissance-group-in-mali/
„ Our message to the UN should be that the UK — Global Britain, if you like — is back in the game of difficult peacekeeping“
TRENNUNG
@ Pio-Fritz sagt:
04.10.2021 um 16:52 Uhr
CHN, RUS…ja nun – CHN und RUS haben doch gar kein starkes originäres Interesse an einer dauerhaften Befriedung der Lage dort. Es gibt keinen Migrationsdruck dorthin, keine Auswirkungen auf die Innenpolitik zu Hause und wenn man die Sicherheits- und Wirtschaftslage dort feintunen kann, kann man die EU so richtig schön nerven. Die die am meisten Generve abbekommen sind mal wieder FRA, wegen des grossen Bevölkerungsteils mit Wurzeln im Sahel/Subsahara und der wirtschaftlichen Beziehungen und des inmenpolitischen Impacts. Sehr praktisch. Den der die EU zu mehr SiPo-Eigenständigkeit bringen will hat man dann ein bisschen am Sack. Wenn EU zu faul ist sich darum zu kümmern hat man es dann später halt nicht anders verdient.
@Koffer
Sie übersehen dabei, das gerade Entwicklungsländer gerne Infanterie für UN-Missionen stellen. Damit lässt sich Geld (Devisen) verdienen.
Im Gegensatz zu technischen, logistischen oder sanitätsdienstlichen Einheiten, deren Einsatz ein Vielfaches kostet.
Der Blutzoll wird von den trupenstellenden Staaten dabei billigend in Kauf genommen.
@Pio-Fritz sagt: 04.10.2021 um 20:10 Uhr
„Sie übersehen dabei, das gerade Entwicklungsländer gerne Infanterie für UN-Missionen stellen. Damit lässt sich Geld (Devisen) verdienen.
Im Gegensatz zu technischen, logistischen oder sanitätsdienstlichen Einheiten, deren Einsatz ein Vielfaches kostet.
Der Blutzoll wird von den trupenstellenden Staaten dabei billigend in Kauf genommen.“
Ich übersehe das ganz und gar nicht.
Das ist ja gerade das perfide daran.
Wir reichen Staaten kaufen uns aus unserer Verantwortung für die Weltfrieden und „bestechen“ Staaten der dritten Welt, die dann ihre Soldaten für bluten lassen.
Oder um es anders zu sagen, wir zahlen unser Ablassgeld :(
@Koffer
Das sehe ich ganz anders. Der Westen/NATO/EU stellt eben das Rückgrat der Truppen, ohne das es nicht funktioniert. Ein paar Kampftrupen dazu wäre logistisch „Kleinkram“. Mal abgesehen davon, daß es diese eben auch gibt. Aber wollen Sie sich auf Nachschubtrupen aus Surinam oder Sanität aus Bangladesh verlassen?
Ich sehe da nirgendwo einen wie auch immer gearteten „Ablasshandel“.
@Pio-Fritz sagt: 04.10.2021 um 21:44 Uhr
„Das sehe ich ganz anders. Der Westen/NATO/EU stellt eben das Rückgrat der Truppen, ohne das es nicht funktioniert. Ein paar Kampftrupen dazu wäre logistisch „Kleinkram“. Mal abgesehen davon, daß es diese eben auch gibt. Aber wollen Sie sich auf Nachschubtrupen aus Surinam oder Sanität aus Bangladesh verlassen?
Ich sehe da nirgendwo einen wie auch immer gearteten „Ablasshandel“.“
Sorry, aber das gibt nicht die Realität des VN-Peacekeepings wieder. Weder in MLI noch in den anderen gefährlichen Einsätzen und auch nicht mehr in den klassischen Missionen.
Die Vorstellung, dass die „nur“ die Infantry stellen, aber wir die enabler ist schlichtweg nicht zutreffend.
Lediglich bei den wenigen echten Hochwertfähigkeiten ist der Westen noch einigermaßen vertreten.
Und selbst da passt es häufig nicht mehr und die VN greifen mehr und mehr auf zivile Dienstleister zurück.
Auch hier übrigens wiederum bezahlt vom Westen (weil man sich selbst ja selbst hierfür in der Zwischenzeit zu schade ist).
Die westliche Welt hat sich weitgehend herausgezogen und überlässt anderen das Peacekeeping (und das Sterben, denn VN-Missionen sind schon lange nicht mehr nur feine Beobachtung von der Höhe aus).
Falls die neuen Gerüchte um einen Transport von Angehörigen der Wagner-Gruppe über Benghazi nach Mali stimmen sollten, dann hätten die möglichen künftigen Koalitionäre ein weiteres Thema bei den baldigen Koalitionsverhandlungen auf dem Tisch.
Sofern die Aussagen von vor knapp 3 Wochen noch Relevanz haben.
Hier als Beispiel Rolf Mützenich:
https://srv.deutschlandradio.de/themes/dradio/script/aod/index.html?audioMode=2&audioID=4&audio=958515
„Der Westen/NATO/EU stellt eben das Rückgrat der Truppen,…“
Wenn sie das denn auch wirklich tun würden. In Sektor Nord wurden bis heute keine Drehflügler stationiert. Ist den Europäern zu gefährlich. Im Sektor West stellt El Salvador seit mindestens vier Jahren die Drehflügler (allerdings mit wohl ziemlich großen nationalen Vorbehalten). Die Aufklärungskräfte der Europäer, blieben immer nur in den Sektoren West und Ost stationiert, obwohl Sektor Nord nach 2013 der bei weitem gefährlichste Sektor für die Mission war. Ins Zentrum wollte man nach 2016 auch nicht kurzfristig verlegen. Also von Rückgrat kann ich hier nichts erkennen. Es sind ausgewählte Fähigkeiten, die die Europäer zur Verfügung stellen, deren Nutzen und Sinnhaftigkeit durch nationale Vorbehalte stark in Zweifel gestellt werden.
Die UN zahlt ungefähr 1400$ pro Monat pro Mann an den Entsendestaat. Für Staaten wie Bangladesch die über 7000 Mann an die UN abgegeben haben ein schönes Zubrot. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass das Auslandstagegeld damit bezahlt wird. Wenn man dann weiß wer die Topgeldgeber der UN sind, kann man schon von einem Ablasshandel sprechen. Denn wenn DEU 7000 Mann verlegen würde, würden die 1400 pro Mann den ersten Tag der Mission bis ungefähr 1137 Uhr abdecken!! Und dann das Drama zu Hause wenn was passiert…also nee, dann lieber großzügig zahlen, andere den Kopf hinhalten lassen. Immerhin haben wir die teuerste Alarmsirene in der Geschichte der UN (Mantis) als Hochwert-Ausrüstung in Mali. Das soll uns erstmal jemand nachmachen!
Das die 7000 Mann wesentlich schlechter ausgebildet und ausgestattet sind, ist zwar doof für die UN aber wie man so schön sagt, „beggars can’t be chooser“!
@Koffer + @Abdul Iyodo + @IamGroot
Na, wenn das so ist, das die afrikanischen und asiatischen Truppensteller die Hauptlast tragen, dann können die Deutschen doch beruhigt abziehen. Sie werden offensichtlich nicht gebraucht, wenn ich Ihrer Argumentation folge. Wozu dann soviel Geld ausgeben? Das macht dann doch keine Sinn.
Da muss man tatsächlich nicht die Fehler aus Afghanistan wiederholen. Wie der Spiegel heute unter Berufung auf das Verteidigungsministerium berichtet, hat alleine der militärische Teil des Einsatzes in AFG 12,3 Milliarden Euro in den 20 Jahren gekostet! Die muss man in MLI nicht auch noch unbedingt nochmal verpulvern.
[Nur als Hinweis: Die Afghanistan-Ausgaben habe ich in einem neuen Eintrag gesondert aufgegriffen (war auch keine Spiegel-Meldung unter Berufung auf das Verteidigungsministerium, sondern eine dpa-Meldung unter Berufung auf Angaben des Auswärtigen Amts, sonst aber im Prinzip zutreffend). T.W.]
Ganz meiner Meinung! Entweder wir gehen robust rein und scheuen das Risiko und die schlechte Presse nicht…oder wir geben zu das wir uns aus politischen und gesellschaftlichen Gründen nicht die Hände schmutzig machen wollen, geben den Bangladeschis gleich noch mal 100 Millionen und ein paar alte Stiefel und 2to Unimogs im Rahmen der Ertüchtigung und überlassen denen die wollen und können das Spielfeld. Und Präsenz könnten wir auch mit ein paar Verbindungsoffizieren im FRA Kontingent zeigen. Denn spätestens wenn die Jungs von der Wagner-Gruppe unsere Leute vorführen und sich das Kontigent auf Befehl vom EFK im Lager verschanzt, wird man feststellen, das der Kaiser nichts an hat!
Zu den Fahrzeugen in Weiss: viele Soldaten die sich als echte Kaempfer fuehlen, wollen das weisse Fahrzeug nicht, weil das so „zivil“ aussieht. Nun muss man aber wissen, dass Tarnsntrich nur gegen gepanzerten Feind der „weit“ entfernt ist hilft, oder gegen Aufklaerung aus der Luft. In Mali aber weiss die Bevoelkerung immer wo du bist, egal ob die Fabe weiss, tarn oder meinetwegen Pink ist. Du siehst da keinen Menschen, aber die sehen Dich, damit auch die Terroristen. Also ich wuerde als Kdr strikt das UN-weiss durchsetzen, Praesenz zeigen ist wichtiger als wirkungslose Tarnung
@Pio-Fritz sagt: 05.10.2021 um 10:15 Uhr
„Na, wenn das so ist, das die afrikanischen und asiatischen Truppensteller die Hauptlast tragen, dann können die Deutschen doch beruhigt abziehen. Sie werden offensichtlich nicht gebraucht, wenn ich Ihrer Argumentation folge. Wozu dann soviel Geld ausgeben? Das macht dann doch keine Sinn.“
Natürlich ist es sinnvoll, dass DEU seinen Beitrag zum Weltfrieden leistet. UN Peacekeeping ist keine nationale Aufgabe, sondern Verpflichtung für die gesamte Staatengemeinschaft.
Wenn man diese Einsätze nicht möchte, dann darf man ihnen nicht zustimmen.
Aber wir als DEU unterstützten die VN und hier insbesondere und lautstark die friedenssichernden und friedensschaffenden Maßnahmen.
Ganz im Gegenteil, gerade die DEU und westliche Position ist seit Jahren, dass wir mehr davon brauchen.
Aber wenn wir im Sinne der Menschheit für gut und richtig halten, dann können wir uns nicht nur mit Geld rauskaufen und anderen für uns (!) bluten lassen.
Dieses Argument zieht für uns DEU schon bei anderen Organisationen (NATO/EU/etc.) bei denen wir uns die Rosinen rauspicken und andere kämpfen und sterben lassen.
Aber da könnte man noch argumentieren, dass dieses ja „Partikularinteressen“ sind und wir deswegen z.B. die FRA oder die GBR oder die USA oder die NLD oder die BEL oder die DNK oder die NOR oder oder oder bluten lassen.
Diesem Argument folge ich nicht, allerdings ist es aus einem bestimmten Blickwinkel zumindest folgerichtig. Aber für VN Einsätze gilt das halt nun mal nicht. Zumal hier nicht nur wird DEU uns schäbig zurückhalten, sondern der gesamte Westen :(
Nachtrag
„Ganz im Gegenteil, gerade die DEU und westliche Position ist seit Jahren, dass wir mehr davon brauchen.“
Klarstellung. Mit westliche Position meine ich alle außer den USA, die tatsächlich weniger VN Peacekeeping wollen.
Hört Putin richtig zu?
https://www.voanews.com/amp/pentagon-warns-against-deal-bringing-russian-mercenaries-to-mali-/6258468.html?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter&__twitter_impression=true
Now, the Pentagon says such a deal could cost Mali in multiple ways.
Dennoch, sowohl für RUS als auch CHN ergäben sich über die Hintertür „Gruppe Wagner“ und gleichzeitigem westlichen Abzug verlockende Angebote der Einflussgewinnung.
Mit Dislozierung RUS Söldner änderte sich die komplette fragile Sicherheitsstruktur in Mali.
Unter zusätzlich gleichzeitiger Reduzierung von FRA Truppen bei Barkhane und Takuba wären weder MINUSMA noch EUTM haltbar.
Die UK LRRP käme rasch zum vom Ministry of Defence zu befohlenden Abschluss.
Wenn DEU und der Westen Frieden schaffen oder erhalten wollen, dann muss DEU und der Westen auch willens und in der lage sein, denen die den Frieden gefährden in ihre Schranken zu weisen und zwar bestimmt nachhaltig. Mittlerweile weiß aber wohl auch der letzte Tuarek das DEU und der Westen mit Masse aus zahnlosen Tigern besteht die man nicht wirklich fürchten muss und die eh früher oder später wieder die Biege machen. Im Zweifelsfall bleibt man nämlich (auf Befehl von Oben) lieber im Lager anstatt Kante zu zeigen. Abschreckung sieht anders aus. Die UN hat weder In Ruanda, noch in Sebrenica oder in Mogadischu viel erreicht. Das ist nicht unbedingt die Schuld der UN, da sie nur so stark ist wie ihre Mitlieder sie machen. Aber DEU ist mit Sicherheit nicht Willens und in der Lage, an dieser Lage etwas zu ändern.
Kritische Betrachtung britischer Ausbildungsleistung in Mali.
@pmillerinfo
„British training of Afghan security forces was a complete disaster. Now there are signs that similar UK efforts in #Mali – another front in the „war on terror“ – have seen high desertions + support for police who massacred protesters …“
https://declassifieduk.org/mali-massacre-police-marksmen-had-british-backing-via-eu-scheme-despite-brexit/
@Klaus-Peter Kaikowsky (KPK) sagt: 12.10.2021 um 20:21 Uhr
Das kommt dabei heraus, wenn man als Westen blauäugig meint, mit der Ausbildung übernehmen die Ausgebildeten gleichzeitig auch die Werte der Ausbilder. Weit gefehlt, das funktioniert weder in Afghanistan noch in Mali noch sonstwo auf der Welt.
Dazu gibt es in der letzten Ausgabe der Zeit (auch online verfügbar) einen Artikel von Herfried Münkler unter der Überschrift „Es ist nicht vorbei“, der auch den Wertetransfer der westlichen Allianz kritisch betrachtet. Sein Schluß: die Interventionspolitik wird sich stark verändern hin zu einem interessengeleiteten Einsatz ohne Wertetransfer. Das Modell Chinas oder Russlands, die ausschließlich eigene Interessen verfolgen, ist da erfolgreicher als das des Westens.
Letztlich (meine Meinung) läuft es darauf hinaus, das man mit Militär nichts verändert, sondern über wirtschaftliche Hilfen im eigenen Interesse eine gesellschaftliche Veränderung in dem jeweiligen Staat herbeiführt. Nation-building oder „responsibility to protect“ sind gescheiterte Ansätze.