Dokumentation: Bundesregierung zur ‚Schutzzone‘ in Syrien

Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am (gestrigen) Dienstag von einer Schutz- (oder Sicherheits?)Zone im Norden Syriens gesprochen hat, war zunächst unklar, was die Regierungschefin damit gemeint haben könnte – und ob sie damit eventuell einen Vorschlag der Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer vom vergangenen Jahr aufgriff. Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer hat die Aussage erläutert: Von einer – ggf. militärisch durchzusetzenden – Schutzzone ist keinesfalls die Rede.

Zur Dokumentation angesichts der weit reichenden Interpretationen die Aussagen aus der Bundespressekonferenz vom Mittwoch im Wortlaut (neben Demmer äußerten sich Rainer Breul für das Auswärtige Amt und Oberst Tilman von Plüskow für das Verteidigungsministerium):

Frage: Frau Demmer, Frau Merkel hat gestern in der Fraktionssitzung offenbar von einer Flugverbotszone in Nordsyrien gesprochen. Können Sie näher beschreiben, wie ein solcher Vorschlag aussieht?

Demmer: Für die Bundesregierung ist weiterhin klar, dass es in Syrien entscheidend darum geht, dass der Konflikt in Idlib nicht weiter auf dem Rücken der Binnenvertriebenen ausgetragen wird. Die humanitäre Lage vor Ort ist dramatisch. Die vom Konflikt betroffenen Menschen in Idlib benötigen dringend Versorgung und Schutz. Deshalb muss dafür gesorgt werden, dass diese Menschen vor Ort sicher und von den humanitären Organisationen versorgt werden können.

Wenn morgen die Präsidenten Erdoğan und Putin über Idlib reden, dann sollten sie eben darüber reden, dass ein Gebiet definiert wird, in dem die Versorgung dieser Binnenvertriebenen stattfinden kann, ohne dass sie hierbei Opfer militärischer Gewalt werden. Damit diese Versorgung funktionieren kann, braucht es einen effektiven und sicheren Zugang der Hilfsorganisationen zu diesem Gebiet, der gewährleistet werden muss.

Das alles hat die Kanzlerin auch in ihren Telefonaten mit Putin und Erdoğan zum Ausdruck gebracht. Jetzt ist es aber an Erdoğan und Putin, ein Gebiet zu definieren, in dem das möglich ist.

Frage: Frau Demmer, sind die Pläne für ein Vierertreffen immer noch aktuell?

Demmer: Jetzt hat, wie gesagt, das Treffen zwischen Erdoğan und Putin erst einmal Vorrang.

Zusatz: Aber gestern gab es eine Information, dass ein solches Treffen schon am Freitag nach dem Treffen von Putin und Erdoğan stattfinden könnte.

Demmer: Die Bundesregierung ist natürlich grundsätzlich zu Gesprächen bereit. Das ist ein sehr wichtiges Thema. Trotzdem würde ich hier und heute erst einmal sagen, dass das Treffen zwischen Erdoğan und Putin jetzt Vorrang hat. Dann sehen wir weiter.

Frage: Frau Demmer, Sie sagen, dass das das Thema der Unterhaltung zwischen Frau Merkel und Herrn Putin war. Was hat Putin denn auf die Frage oder den Vorschlag der Notwendigkeit einer solchen Zone geantwortet?

Sie haben dieses Gebiet ein bisschen nebulös umrissen. Ich wüsste gern, welche Zone der Kanzlerin denn vorschwebt. Es gibt ja durchaus Unterschiede zwischen Flugverbotszonen, Schutzzonen oder Gebieten anderer Sicherheit, so wie Sie es gerade beschrieben haben.

Dann eine Frage an das BMVg oder an Sie, Frau Demmer, falls Sie sie beantworten mögen: Haben wir, die Deutschen, eine Rolle innerhalb dieses Vorschlags?

Demmer: Zu Ihrer ersten Frage: Aus dem vertraulichen Gespräch kann ich mehr als das, was wir in der Pressemitteilung herausgegeben haben, hier jetzt nicht berichten.

Bei dem Gebiet, das zu definieren wäre, geht es nicht um eine Schutzzone als Terminus technicus, sondern es geht vor allen Dingen darum – dort wurden ja Massenvertreibungen durch das syrische Regime ausgelöst -, diesen Menschen zu helfen und dafür zu sorgen, dass es überhaupt Zugang zu diesen Menschen gibt. Darum geht es jetzt in einer ersten Stufe.

Breul: Dazu kann auch ich gern noch etwas sagen. Es wird Sie nicht überraschen – Sie kennen sich ja gut aus im Geschäft -, dass sich die Zusammensetzung des VN-Sicherheitsrats nicht über Nacht geändert hat und dass es insbesondere von russischer Seite Vorbehalte gegenüber Maßnahmen wie Schutzzonen oder Flugverbotszonen gibt und auch weiterhin geben wird. Darum ist das bei diesen Begrifflichkeiten, die schnell durcheinandergeraten, sicherlich nicht das, was im Raume steht.

Frau Demmer hat es gesagt. Es geht darum, wie man Sicherheitsgarantieren für die Binnenvertriebenen gewinnt, sodass sie ausreichend humanitär versorgt werden können. Dabei sind in erster Linie die beiden Staaten gefragt, die dort von außen militärisch aktiv sind, also die Türkei und Russland. Die aktuelle Offensive des Regimes wäre ohne russische Unterstützung nicht möglich gewesen; das ist völlig klar. Das Regime von Assad hat diese Binnenflüchtlinge verursacht. Darum sehen wir jetzt auch in erster Linie Russland in der Pflicht, gemeinsam mit der Türkei eine Absprache zu treffen, die es der internationalen Gemeinschaft ermöglicht, dort wieder Hilfe zu leisten. Das hat Priorität.

Vorsitzende Welty: Möchte das Verteidigungsministerium noch ergänzen?

Plüskow: Ich kann zur Frage der Ausgestaltung einer solchen Zone nichts beitragen. Eine Masse ist hier gesagt worden. Sie wissen, dass die Ministerin diese Idee schon im Oktober vergangenen Jahres einmal aufgebracht hat. Wir sind froh, dass dies erneut diskutiert wird. Aber selbstverständlich muss im Laufe der Diskussion darüber gesprochen werden, wie man das ausgestaltet.

Derzeit gibt es nicht sehr viel mehr von mir dazu zu sagen.