Mehr – militärisches – Engagement im Sahel? Fragen dazu in der Bundespressekonferenz

Zur Dokumentation: Nach den Aussagen von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer am (gestrigen) Sonntag zu einem möglichen stärkeren militärischen Engagement in der Sahelzone gab es dazu natürlich viele Nachfragen in der Bundespressekonferenz am Montag. Ergebnis unter anderem, ausdrücklich: Die Ministerin hat nichts Neues gesagt. Und: die Debatte dazu wird zur Verlängerung der Mandate im kommenden Frühjahr geführt.

Die Aussagen von Oberst Tilman von Plüskow vom Verteidigungsministerium, Christopher Burger vom Auswärtigen Amt und der stellvertretenden Regierungssprecherin Ulrike Demmer dazu im Wortlaut:

Frage: Guten Morgen! Ich habe eine Frage zur Debatte über eine stärkere Beteiligung Deutschlands am Einsatz in der Sahelzone, wie auch immer er aussehen sollte. Nachdem sich Frau Kramp-Karrenbauer am Wochenende dazu geäußert hat, hat Herr Bartels heute nachgelegt.

Gibt es konkrete Pläne von deutscher und von französischer Seite, solch ein Mandat oder was auch immer aufzustellen?

Frankreich hat bereits zwei Anfragen an die deutsche Regierung gestellt. Soweit ich es mitbekommen habe, gab es von deutscher Seite keine einheitliche Antwort.

Können Sie vielleicht zu den beiden Themenbereichen Stellung nehmen?

Plüskow: Unsere Ministerin hat sich dazu geäußert. Was sie am Wochenende gesagt hat, ist – dies vielleicht noch einmal vorab – keineswegs neu. Seit Ihrer Amtsübernahme hat die Ministerin mehrfach betont, beispielsweise in ihrer Münchner Rede und in zahlreichen Interviews, dass sie sich eine Diskussion darüber wünscht, wie sich Deutschland weiter bei der Lösung von Konflikten in der Welt engagiert. Also hat sie nun keineswegs irgendetwas Neues gesagt.

Was den Sahel beziehungsweise unser Engagement in Mali betrifft, so wissen Sie, dass wir dort derzeit seit 2013 in zwei Einsätzen engagiert sind, zum einen bei MINUSMA und zum anderen bei EUTM Mali. Wir sind selbstverständlich mit unseren Partnern permanent im Gespräch darüber, wie wir unsere Einsätze gestalten, um die Länder dazu zu befähigen, die Sicherheit in ihren Regionen selbstständig aufrechtzuerhalten.

Unsere Mandate für MINUSMA und für EUTM Mali laufen noch bis Mai des kommenden Jahres. Im Rahmen der Evaluierung unserer Mandate werden wir uns in enger Abstimmung mit unseren internationalen Partnern natürlich auch überlegen, wie wir unser Engagement in Mali weiter fortsetzen. Aber an der Stelle sind wir noch nicht. Das wird erst zu Beginn des nächsten Jahres passieren. Insofern kann ich Ihnen hier auch nichts Neues sagen und schon gar nichts von irgendwelchen konkreten Überlegungen. Diese haben wir derzeit nicht.

Was die Anfragen betrifft, so sind meines Wissens im ersten Halbjahr dieses Jahres zwei Anfragen bei uns im BMVg eingegangen. Das waren allerdings nicht spezifische Anfragen an uns, sondern quasi Fächerschüsse an alle Nationen, die sich in der Region beteiligen. Beide Anfragen haben wir abschlägig beschieden.

Burger: Vielleicht darf ich zum deutschen Engagement in der Sahelzone insgesamt noch kurz ergänzen. Neben der Beteiligung der Bundeswehr an den von Herrn von Plüskow genannten Missionen sind wir auch in ganz erheblichem Maß zivil in der Region engagiert. Sie wissen, dass es bei der Stabilisierung in diesen Ländern immer auch darum geht, die Staaten vor Ort in die Lage zu versetzen und sie zu befähigen, ihren eigenen Anteil an der Sicherheitsverantwortung zu leisten. Deswegen engagieren wir uns dort beispielsweise auch mit Polizisten und mit zivilen Kräften, und zwar im Rahmen der zivilen GSVP-Missionen EUCAP Sahel Niger und EUCAP Sahel Mali. Wir haben dorthin aber auch Experten für den Aufbau der Sicherheitssektoren, für Grenzmanagement und für die Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität entsandt. Auch in der Entwicklungszusammenarbeit und in der humanitären Hilfe sind wir engagiert, in den G5-Staaten insgesamt mit 2,7 Milliarden Euro. Das ist also wirklich ein ganz umfangreiches Engagement, in dem wir wie immer, wenn wir uns in solchen Gebieten bewegen, einen vernetzten Ansatz verfolgen, wonach ziviles und militärisches Engagement eng aufeinander abgestimmt sind.

Für dieses Gesamtengagement gilt genau das, was Herr von Plüskow gerade gesagt hat. Wir sind in Gesprächen mit unseren Partnern darüber, wie es in Zukunft gestaltet werden kann. Aber zum jetzigen Zeitpunkt haben wir noch keine neuen Maßnahmen zu verkünden.

Frage: Herr von Plüskow, nachdem Sie schon gesagt haben, dass abschlägig beschieden wurde, wie wurde diese Absage begründet?

Plüskow: Eine genaue Begründung kann ich Ihnen hier nicht nennen. Beide Anfragen bezogen sich insbesondere auf die Unterstützung von Spezialkräfteeinheiten seitens Frankreichs. Ich sage hier noch einmal: Es war keine spezifische Anfrage nur an uns, sondern sie erging an mehrere Nationen. Diese haben wir abschlägig beschieden. Die genaue Begründung kann ich Ihnen nicht nennen.

Zusatzfrage: Frau Demmer, hier ergibt sich doch zumindest auf den ersten Blick der Eindruck eines Zickzackkurses, da einerseits immer wieder gesagt wird, wie viel enger wir mit Frankreich zusammenarbeiten müssen – wenn ich mich recht erinnere, dann ist das ganze Mali-Engagement auch überhaupt im Nachgang zu den Attentaten in Frankreich als Solidarität zu Frankreich entstanden – und die Verteidigungsministerin explizit Mali oder die Sahelzone für mehr Engagement erwähnt, andererseits Anfragen abschlägig beschieden werden und jetzt in den letzten Tagen wieder nach mehr Engagement gerufen wird. Wie passt das alles zusammen?

SRS’in Demmer: Ich von meiner Seite aus kann nur noch einmal betonen, dass die Stabilisierung Malis ein Schwerpunkt des deutschen Engagements in der Sahelzone und ein wichtiges Ziel der Afrikapolitik der Bundesregierung ist. Die Stabilität in der Region ist ein wesentlicher Faktor auch für unsere Sicherheit in Europa. Mit Sorge sehen wir daher die sich stetig verschlechternde Sicherheitslage in der Region. Die Kanzlerin hat in der Vergangenheit mehrfach unterstrichen, dass Deutschland dort Verantwortung übernehmen will und muss.

Zunächst einmal gilt aber, dass wir, wie die beiden Kollegen schon gesagt haben, zwei gültige Mandate für den Einsatz der Bundeswehr in Afrika haben. Dazu gehören die EU-Trainingsmission EUTM Mali zur Ausbildung malischer Streitkräfte und die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali. Beide Mandate wurden im Mai dieses Jahres vom Deutschen Bundestag um ein weiteres Jahr verlängert.

Ob und inwieweit die Ausbildungsmission EUTM Mali robuster ausgestaltet werden muss, wird aktuell, wie schon gesagt, in Brüssel im Rahmen eines strategischen Überprüfungsprozesses analysiert. Im Lichte dieser Erkenntnisse wird es dann neu bewertet.

Zusatzfrage: Herr Burger, Frau Demmer sagt zu Recht, dass sich die Lage vor Ort verschlechtert. Wenn wir das Engagement über all die Jahre seit 2014 oder 2015 betrachten, dann sehen wir ein massives Engagement der Franzosen, auch ein, gemessen an, so will ich einmal sagen, deutschen Verhältnissen, massives militärisches Engagement der Bundeswehr. Aber es scheint sich nichts zum Besseren zu wenden.

Hilft denn aus Ihrer Sicht, aus Sicht des Auswärtigen Amtes, ein stärkeres militärisches Engagement, um die Sache zu stabilisieren?

Burger: Sie haben recht, auch wir verfolgen die Entwicklung in der Sahelzone mit Sorge. Die grenzüberschreitenden dschihadistischen Angriffe gerade im Dreiländergebiet zwischen Mali, Burkina Faso und Niger haben stark zugenommen. Zu den Opfern gehört dabei immer auch die Zivilbevölkerung neben Polizei und Militärbasen.

Das zeigt aus unserer Sicht, dass unser Engagement vor Ort weiterhin wichtig bleibt und noch gebraucht wird. Aber wir haben auch immer gesagt, dass Erfolge bei solch einer komplexen internationalen Stabilisierungsmission einen langen Atem brauchen.

Frage: Habe ich Sie alle jetzt richtig verstanden, dass der Unterschied zwischen dem abschlägigen Bescheiden auf die Anfrage der Franzosen im ersten Halbjahr und der jetzigen Forderung der Ministerin der ist, dass sich die Sicherheitslage dort vor Ort rapide verschlechtert hat, sodass dies zu dem Umdenken geführt hat, oder habe ich das falsch interpretiert?

Plüskow: Vielleicht kann ich auch noch einmal versuchen, das geradezurücken. Wir müssen zwischen den unterschiedlichsten Missionen unterscheiden, die in Mali und in der Region derzeit stattfinden. Die Franzosen haben ihre nationale „Opération Barkhane“, die sie in ihrer eigenen Verantwortung durchführen. Dann gibt es des Weiteren, wie schon dargestellt, die internationalen Operationen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union. In den letzten beiden sind wir engagiert, basierend auf dem ehemaligen Mandat des Deutschen Bundestages sowie auf dem Mandat der Vereinten Nationen, das letztendlich den Rahmen auch für das nationale Mandat gibt.

Vereinzelte Anfragen, wie wir sie in diesem Fall hatten, beziehen sich auf spezifische, Kleine Details, die sich nicht im Rahmen unseres Mandates bewegen.

Das ist jetzt also keineswegs ein Zickzackkurs, sondern wenn wir im kommenden Jahr darüber sprechen und diskutieren wollen, auf welche Art und Weise wir unser Engagement ausrichten, dann muss eine gesamte Strategie hinterlegt sein. Diese ist immer ressortübergreifend, wie es gerade hier auch schon angesprochen wurde.

Ich kann hier also keinen Zickzackkurs erkennen, wenn wir jetzt spezifische Anfragen – in diesem Fall handelte es sich um eine Spezialkräftetrainingsmission – abschlägig beschieden haben und wir aber dennoch sagen: Wir müssen darüber nachdenken, wie wir Missionen, an denen wir derzeit beteiligt sind, zukünftig ausgestalten, um in den Ländern gegebenenfalls eine bessere Ausgangslage für die Regierungen hervorzurufen, damit sie selbst ihre Stabilität garantieren können.

Denn darauf zielt es ja. Wir wollen ja nicht – wie wir das ja auch in Afghanistan nicht machen – selber die Sicherheit garantieren, sondern wir wollen die Länder mit unterschiedlichsten Maßnahmen dazu befähigen. Das Militär ist, neben vielen anderen, ein Aspekt davon.

Zusatzfrage: Wäre denn die Bundeswehr in der Lage, das geforderte robuste Mandat – das wäre ja noch eine größere Kraftanstrengung – auch wirklich so auf die Piste zu bringen?

Plüskow: Diese Fragen kommen ja hier in der Pressekonferenz immer wieder gern. Da kann ich nur sagen: Das können wir erst dann mit Bestimmtheit sagen, wenn wir wissen, was von uns gefordert wird. In der Vergangenheit haben wir jeden Auftrag, den uns der Bundestag gegeben hat, erfüllt.

Frage: Ich kann das nicht ganz verstehen, Herr von Plüskow. Es gibt einerseits mehrfach von Seiten der Bundesregierung und des Außenministers sowie der Verteidigungsministerin Bekundungen, dass man Frankreich stärker helfen will, dass man mit Frankreich eng zusammenarbeiten will. Gleichzeitig gibt es ablehnende Bescheide. Wenn das kein Zickzackkurs sein soll, dann braucht es doch für diese Ablehnung eine Begründung, die man nachvollziehen kann.

Plüskow: Wie ich das gerade schon sagte: Uns kommt es darauf an, dass wir unsere Einsätze mit einer Strategie, in einer Gesamtvision, gestalten. Sie sind ressortübergreifend. Da macht es wenig Sinn, zunächst auf einzelne Anfragen einzugehen, die bestimmte Details von Gesamtoperationen betreffen, sich dort womöglich zu engagieren, und die Gesamtstrategie außer Acht zu lassen.

Dass wir auch jetzt schon eng mit Frankreich in Abstimmung sind und in Operationsgebieten im Rahmen der gültigen Mandate eng zusammenarbeiten, das liegt auf der Hand. Nur es macht einfach aus unserer Sicht keinen Sinn, sich jetzt in eine Spezialkräfteausbildungsmission hineinzubegeben, wenn wir doch sehen, dass wir unsere Mandate möglicherweise anders ausrüsten müssen und diese Fähigkeit vielleicht noch anders einsetzen wollen.

Zusatzfrage: Ist das dann möglicherweise die Begründung, die Sie nach Paris weitergegeben haben?

Plüskow: Da kann ich nur sagen: Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Das weiß ich nicht.

Frage: Dürfte ich Sie noch einmal bitten, aus Sicht des Verteidigungsministeriums die Sicherheitslage vor Ort zu schildern? Wie stellt sie sich denn dar?

Plüskow: Ich kann mich dem nur anschließen, was hier gerade gesagt wird. Wir stellen durchaus mehr Aktivitäten dort in Mali fest. Sie wissen aber auch, dass wir, gerade was MINUSMA betrifft, ja im Raum Gao engagiert sind. Wir haben dort einen relativ kleinen Umkreis mit Aufklärungsaktivitäten. Das beinhaltet natürlich bei weitem nicht das ganze Land. Deswegen kann ich Ihnen auch keine detaillierte Auskunft über die Sicherheitslage im gesamten Land geben, da das nicht unser Verantwortungsbereich ist.

Zusatzfrage: Aber Tatsache ist: Die Sicherheitslage – so habe ich Sie jetzt alle verstanden – hat sich rapide verschlechtert? Oder ist auch das eine Fehlinterpretation?

Plüskow: Ich schließe mich dem an, was hier gerade gesagt wurde. Ja.

Zusatzfrage: Also ja?

SRS’in Demmer: Meine Formulierung war, dass wir in der Region eine sich stetig verschlechternde Sicherheitslage beobachten.

Nachtrag: Da es da bei einigen Lesern wohl ein Missverständnis  gibt – ich selbst war heute nicht in der Bundespressekonferenz, also ist keine der Fragen oben von mir.