Schweden weitet Zivildienst aus (das ist was anderes als die deutsche Version)
Die schwedische Regierung hat beschlossen, ab dem kommenden Jahr den so genannten Zivildienst deutlich auszuweiten. Damit ist allerdings nicht, wie in Deutschland, ein ziviler Ersatzdienst als Alternative bei einer Kriegsdienstverweigerung gemeint – sondern Zivilschutz als Teil der Gesamtverteidigung, der aus schwedischer Sicht genauso wichtig ist wie die militärische. (Das zeigt sich auch daran, dass es im Verteidigungsministerium für jeden der beiden Bereiche einen eigenen Minister gibt)
Ausschlaggebend waren dafür offensichtlich auch Erfahrungen der Ukraine, wo neben Soldaten an der Front die zivilen Rettungskräfte zur Bewältigung der Folgen russischer Luftangriffe im ganzen Land entscheidend sind. Aus der Mitteilung der schwedischen Regierung vom (heutigen) Donnerstag:
Der Zivildienst ist das zivile Pendant zum Wehrdienst und soll dazu beitragen, dass wichtige Bereiche der Gesellschaft im Falle einer erhöhten Alarmbereitschaft und im Kriegsfall funktionsfähig bleiben. Nun hat die Regierung beschlossen, den Zivildienst umfassend zu aktivieren, um die Personalversorgung im Rahmen der Gesamtverteidigung zu stärken.
„Die Entscheidung, den Zivildienst auszuweiten, basiert auf Erfahrungen aus der Ukraine und der Erkenntnis, wie wichtig es ist, die richtigen Leute mit der richtigen Ausbildung, Übung und Schulung am richtigen Ort zu haben. Die Frauen und Männer, die für den Zivildienst in Frage kommen, verdienen die Dankbarkeit ganz Schwedens“, sagt Carl-Oskar Bohlin, Minister für Zivilschutz.
(…)
Der Zivildienst wird um die Verpflichtung zur Musterung und zur Absolvierung einer langen Grundausbildung erweitert, ähnlich wie beim Wehrdienst. Das bedeutet, dass Jugendliche ab 2026 zur Musterung einberufen und für eine lange Grundausbildung im Rahmen des Zivildienstes registriert werden können. In erster Linie wird es sich um eine Ausbildung im Rettungsdienst handeln.
Die Zahl der Tätigkeiten, für die die Zivildienstpflicht genutzt werden kann, wird erweitert. Zu den neuen Tätigkeiten gehören Sicherheitsdienstleistungen, elektronische Kommunikation, Netzwerk- und Informationssysteme sowie Cybersicherheit.
Zu den Planungen gibt es eine gesonderte Übersicht, unter anderem:
Die Fähigkeiten der Zivilverteidigung werden ausgebaut
Vorschlag zur Verstärkung der kommunalen Rettungsdienste bis 2035
• Ziel ist es, die kommunalen Rettungsdienste bis 2035 um mehr als 16.000 Zivildienstleistende zu verstärken.
• Zivilschutzkräfte und Rettungsgruppenleiter.
• Zivilschutzkräfte in Spezialfunktionen, z. B. Rettung, Munition und Minenräumung.
Die schwedische Zivilschutzbehörde MSB, bislang eher als staatliche Hilfsorganisation auch für internationale Missionen organisiert, wird zudem zum 1. Januar kommenden Jahres in Swedish Civil Defence and Resilience Agency umbenannt – und offensichtlich stärker als bisher auf die Zivilverteidigung Schwedens ausgerichtet. Bisher schon hat die Behörde die bekannte Broschüre Im Fall von Krise und Krieg herausgegeben, die international als Vorbild für Bereitschaft im Krisenfall gilt.
(Übersetzungen mit deepl.com)
Die Schweden sind uns auch in diesem Segment um Lichtjahre voraus. Das Ministerium für Zivilschutz weis genau, wieviel Kräfte in den einzelnen Segmenten dem Land zur Verfügung stehen. Für die meisten jungen Schweden ist es selbstverständlich sich auch oder daür zu engagagieren. Das würde ich mir für unser Land auch wünschen. In meinem Bundesland Niedersachsen gibt es noch nicht mal ein Register, wo die Frau Innenministerin nachschauen kann, wieviel Selbstschutzkräfte ihr für den Fall der Fälle zur Verfügung stehen. Ein aufwendiges Helferregister sei nicht der richtige Weg, sagt Innenministerin Daniela Behrens (SPD). „Ich glaube, Bürokratie hilft uns im Katastrophen- und Zivilschutz nicht. Wir brauchen auch nicht umfangreiche Register, die an keinem Tag des Jahres aktuell sein werden. Wir wissen auch erst in der Lage, welche Person wir genau brauchen. Und dann wird es immer davon abhängig sein, bei welchem Arbeitgeber sie zum Beispiel tätig sind. Und da hilft uns ein Register gar nicht.“ Was auf jeden Fall helfen würde: Mehr Ehrenamtliche, die sich in den Hilfsorganisationen engagieren.
Vielen Dank für diesen Artikel, @TW!
Ganz wichtige Thematik, weil diese Deutschland betreffend medial immer noch stark unterbelichtet ist.
Wer das liest, muss sich doch sofort fragen, wie steht es um die Gesamtverteidigung, und speziell um die Zivilverteidigung in Deutschland?
Woran liegt es, dass das Thema selbst bei der aktuellen Bedrohungslage kaum Beachtung findet, außer auf Fachtagungen, und auch dort nur dünn? Mag es daran liegen, dass die Zivilverteidigung in Deutschland beim falschen Ministerium untergebracht ist, oder daran, dass Herr Dobrindt (vgl. Konservative Revolution) nur einseitig begabt ist?
Selbst hier findet man unter den Blog-Themen den Begriff „Gesamtverteidigung“ nicht, genauso vergeblich sucht man unter den Blog-Schlagworten (tags) „Zivilverteidigung“. Das bitte schnell mal ändern, und herzlichen Dank im Voraus dafür.
Auch ein Interview mit dem Innenminister wäre prima, was sich denn auf operationaler Ebene bei der Zivilverteidigung gerade ändert. Selbst wenn er das Interview verweigerte, wäre das eine Information und einen Artikel wert.