Bundeswehr und Drohnen, da kommt Bewegung rein
Die Bundeswehr ist bislang beim Thema Drohnen trotz der Bemühungen der vergangenen Jahre vergleichsweise sparsam aufgestellt: Weder bei der kinetischen (!) Abwehr kleinerer unbemannter Systeme noch beim eigenen Einsatz von bewaffneten Drohnen sind die deutschen Streitkräfte bislang so ausgerüstet, wie es aus den Erfahrungen des Kriegs in der Ukraine erforderlich wäre. Aber da scheint Bewegung reinzukommen.
Wer die Pressekonferenz von Verteidigungsminister Boris Pistorius bei seinem Besuch im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) am (gestrigen) Donnerstag verfolgte, dürfte auch diese etwas kryptische Passage zum Thema Drohnen mitbekommen haben:
Wo der Minister über die vereinfachte Beschaffung von Kleindrohnen für Ausbildung und Übung spricht, ist das ja weitgehend bekannt. Aber zwei Punkte sind dennoch ein bisschen anders: Was ist gemeint mit der Beschleunigung und der Berücksichtigung von Produktionszyklen – bei welchen Beschaffungen? Und die Abwehr, die Pistorius hervorhebt, was passiert da bei der kinetischen Abwehr, also dem Abschuss von – kleineren Drohnen?
Was den letzten Punkt angeht, hat das BAAINBw selbst vor ein paar Tagen ein bisschen mehr Klarheit geschaffen: Die Behörde veröffentlichte auf einem europäischen Ausschreibungsportal den Hinweis auf die ausgeweitete Beschaffung von Zielassistenzsystemen zur Detektion und kinetischen Abwehr kleinerer Drohnen. (Den Hinweis fand ich bei den Kollegen von hartpunkt.de, die als erste darüber berichteten.)
Interessant dabei ist, das die in dieser Woche zunächst veröffentlichte Fassung der Mitteilung recht schnell durch eine Neufassung ersetzt werden sollte. Was in der Ursprungsfassung stand und in der Neufassung nicht mehr, ist aber noch auf dem Portal erhalten*; die wesentliche Aussage:
Mit der vorliegenden Auftragsvergabe soll für den Zeitraum 2024 bis 2027 ein Rahmenvertrag mit Festbeauftragungsanteil über die Herstellung und Lieferung von bis zu 500 Zielassistenzsystemen zur Detektion und kinetischen Abwehr von Class 1 AUS UAS geschlossen werden. Der Festbeauftragungsanteil ergibt sich mit 70 Systemen aus der SiE VJTF 000013 H06 und mit 150 Systemen aus dem Erlass der Task-Force-Drohne (TFD) vom
03.04.2024. Die Erhöhung der potentiell abrufbaren Höchstmenge ergibt sich aus dem Umstand, dass eine Bedrohung bzw. Aufklärung durch small Unmanned Aerial Systems (sUAS) innerhalb der BRD zunimmt. RUS Nachrichtendienste (ND) sollen auch technische Mittel, inkl. sUAS, gezielt in DEU einsetzen. Danach ist ein erhöhter Bedarf an den o.g. SMASH Zielassistenzsystemen zu erwarten. Die abrufbare Höchstmenge beläuft sich auf insgesamt 500 SMASH Zielassistenzsysteme SmartShooter X4.
Es geht also darum, für vorhandene Infanteriewaffen eine Zieleinrichtung zu bekommen, die eine erfolgversprechende Bekämpfung kleinerer Drohnen ermöglicht. Denn an der Stelle ist die Bundeswehr bislang blank: Unterhalb von Flugabwehrsystemen mit Flugkörpern wie MANPADS z.b. vom Typ Stinger gibt es da nichts, und die sind für Kleindrohnen ziemlich überdimensioniert.
Auf der anderen Seite sind die Versuche, mit Jammern und Störsendern Drohnen elektronisch zu bekämpfen, zunehmend zum Scheitern verurteilt. So berichtete die Süddeutsche Zeitung Anfang Februar von Drohnensichtungen über einem Bundeswehr-Standort in Schleswig-Holstein, wo auch ukrainische Soldaten ausgebildet werden – ausgerechnet am Luftverteidigungssystem Patriot. Doch die kleinen Späher konnten die Streitkräfte nicht ausschalten, ihr Jammer vom Typ HP-47 konnte aufgrund mangelnder Reichweite nicht zum Einsatz gebracht werden, zitierte das Blatt aus einer Meldung der Bundeswehr. Von Versuchen der kinetischen Bekämpfung ist gar nicht erst die Rede.
Zumindest für das tatsächliche Abschießen sollen da die bestellten Smartshooter-Systeme Abhilfe schaffen. Das Werbevideo des israelischen Herstellers:
Aber, das hat der Minister ja auch angesprochen: Die Abwehr von Drohnen ist das eine – mindestens genau so interessant ist die Frage, wie die Bundeswehr künftig mit, Bundeswehrsprech wäre unbemannten fliegenden Systemen mit Wirkmitteln ausgestattet sein wird, knapp gesagt: mit Kampf- oder Kamikazedrohnen. Von den fünf Flugzeug-großen Aufklärungssystemen des Typs Heron TP abgesehen, die gegebenenfalls mit Raketen ausgerüstet werden können, verfügen die deutschen Streitkräfte bislang über keine einzige einsetzbare Kampfdrohne.
Und da lassen die Aussagen von Pistorius aufhorchen, vor allem wenn er von schnellen Entwicklungszyklen und Künstlicher Intelligenz spricht. Da kommen einem doch ganz schnell Mitteilungen deutscher Firmen in den Sinn, die in Deutschland produzierte und von der Bundesregierung bezahlte Kamikaze-Drohnen an die Ukraine liefern. Tausende. (Neben der hier verlinkten Firma Helsing gehört auch das deutsche Unternehmen Quantum zu denen, die viel liefern – aber bislang ebenfalls an die Ukraine, an die Bundeswehr nur geringe Mengen zum Testen.)
Nach den Aussagen des Ministers beim BAAINBw würde ich erwarten, dass sich da recht bald noch was tut. Vielleicht gibt es ja nach der Bundestagswahl am Sonntag da eher eine Bereitschaft der dann Gewählten, schnell zu handeln.
Bis dahin ein Fun Fact: Dass das Zielassistenzsystem zur Drohnenbekämpfung nicht ausgeschrieben, sondern direkt an einen Anbieter vergeben wurde, hat laut BAAINBw einen einfachen Grund:
Der Auftrag kann nur von einem bestimmten Wirtschaftsteilnehmer ausgeführt werden, weil er die Erschaffung oder den Erwerb eines einzigartigen Kunstwerks oder einer einzigartigen künstlerischen Leistung zum Ziel hat.
Na, da sind wir gespannt.
*Die Ursprungsfassung der Bekanntmachung als Sicherungskopie:
20250219_BAAINBw_Smart_Shooter
und, um die Vergleichsmöglichkeit zu haben, die Neufassung
20250219_BAAINBw_Smart_shooter_Neufassung
Sehr wünschenswert, dass sich nach der Wahl im Bereich Drohnen bei der BW rasch einiges täte!
Jedoch, hinsichtlich Bewaffnung bzw. Kamikaze-Drohnen habe ich die starke Befürchtung, dass dies beim anzunehmenden kleineren Koalitionspartner weiter auf Realitätsverweigerung stoßen wird (zumindest in Teilen).
@Aardvark, kann ich schwer beurteilen. Das da inzwischen ein Umdenken erfolgte halte ich nicht für ausgeschlossen.
Bisher ging’s ja bei Drohnen eher um welche der Größe Reaper mit Einsatzszenarien „ich vermute irgendwo am anderen Ende der Welt in dem Auto einen bösen Jungen“. Das es inzwischen völlig normal ist ein im Rucksack zu haben und ohne man gleich zu Hause bleiben kann weil man keinen Schritt mehr unbeobachtet tun kann, sollte sich sich raumgesprochen haben.
Das mit den kurzfristigen Innovationszyklen ist noch nicht überall angekommen, da man in einigen neuen Projekten immer noch versucht eine regulären Musterzulassung für den gesamten Luftraum im Friedensflugbetrieb zu erreichen – bis die erteilt ist, ist das UAV schon ein paar Jahre veraltet …
Berichtet wird auch von ES+T:
„IEA MIL-OPTICS liefert erneut [sic !] Smartshooter SMASH-Feuerleitvisiere an die Bundeswehr“
https://www.smart-shooter.com/
Das müßte ggf. auch gehen sofern die Drohne keine zu wilden Flugbewegungen durchführt.
@Singulativ
Klein und Kleinstdrohnen erhalten keine Musterzulassung sondern eine Typfreigabe. Auch dieser Prozess wurde vereinfacht und eine Beschleunigung erreicht.
Ja…da hat man die größten Lücken aktuell!
und kann ggf. viel Leistung für wenig Geld bekommen.
Bzgl Aufklärung und Wirkung sind
Quantum Systems und Helsing mit ihren Produkten absolute Weltklasse!
da sollten für Aufklärung schnell 1.000 und für Wirkung 10.000 + beschafft werden und die Produktion und Entwicklung ausgebaut werden!
bzgl Abwehr ist SMASH ein guter Ansatz!
gerne mehr davon
Aber auch von Diehl Defence das Kinetic Kill Vehicle auf Basis von ENOK AB wäre in Masse super (für den mobilen Einsatz, aber auch zur Sicherung von Basen!
Als Premium Produkt dann mehr Skyranger30 beschaffen!
die deutsche Industrie hat viel zu bieten… aber die Bundeswehr sollte hier schnell mehr abrufen und Erfahrungen sammeln!
Gem. GL Mais beschafft das Heer bereits Kleindrohnen dezentral über das Handgeld für Kommandeure. Einen Test- und Versuchsverband gibt es wohl auch.
Das Interview findet sich bei defence-network.com / Testen, lernen, optimieren – Warum das Heer Drohnen dezentral beschafft
ohne Paywall
[Steht doch oben: das mit den dezentral beschafften Kleindrohnen ist lange bekannt – aber da geht es eben nicht um Wirkmittel, zu deutsch Kampfdrohnen. Bitte erst lesen. T.W.]
Q sagt:
Mir ist das sehr wohl bewusst. Ich spiele nämlich genau darauf an, dass diese Drohnen eine Typfreigabe erhalten sollten und eben keine Musterzulassung.
Dazu gehört ja beispielsweise auch aus Organisationen wie beispielsweise Quantum oder Helsing einen genehmigten Entwicklungsbetrieb zu machen …
Ich habe in dieser Kombination natürlich noch nicht geschossen (und wohl auch kaum innerhalb der Bundeswehr). Aber mal ernsthaft: Was bringt ein solches Visier, wenn ein Objekt mit dem Durchmesser einer Frisbee mit 70 km/h oder mehr auf mich zukommt? Wie viele Sekunden bleiben da realistisch zwischen Sichtung und Explosion? Ist das nicht einfach nur ein Notbehelf, damit überhaupt irgendetwas präsentiert werden kann?
@DJI, in der Tat wenn die Drohne erst einmal einen als Ziel erkannt hat und sich im Zielanflug auf einen stürzt dürfte das mit der Abwehr kompliziert werden. Gegen den reinen Aufklärer oder solange der Operator noch ein Ziel sucht, dürfte das dann schon eher funktionieren.
@TW HX-2 von Helsing und OWE-V von Stark sind keine Kampfdrohnen sondern Loitering Munition Systems (LMS). Letztere sind eine Munition und zählen zu den Lenkflugkörpern und sind keine Luftfahrzeuge. Sie erhalten keine Typfreigabe oder Musterzulassung. Sie werden als Munition qualifiziert und durch die ZMS genehmigt und dann in die Bw eingeführt. Sie werden in der Regel in einem Aufklärungs- und Wirkverbund betrieben. Von einer Aufklärungsdrohne wird nach dem Sensor to Shooter Konzept ein Ziel dem Wirkmittel zu gewiesen. Das man in the Loop Prinzip wird dabei eingehalten.
[Schauen wir mal. Bislang gibt es weder das eine noch das andere. Aber Sie wissen es schon, nehme ich an. T.W.]
Von Rheinstahl hört man in dieser Beziehung wenig, aber die wollen wohl auch nicht mit dem BMVg. Weiß jemand warum das so ist ?
Vielleicht ist deren Ansatz dem Hohen Haus auch zu rustikal ? ’scheint aber in der UKR zu funktionieren.
[Was ist „Rheinstahl“? T.W.]
Äh … Donaustahl. Na ja, ‚ist ebenfalls ein Fluß 😇
Kann mir jemand mal diesen Passus erklären?? „…Erwerb eines einzigartigen Kunstwerks oder einer einzigartigen künstlerischen Leistung…“
Das verstehe ich tatsächlich nicht….
Bzgl. Donaustahl: Ich hatte den Eindruck, die würden schon wollen, aber insbesondere der Beschaffungsapparat tut sich schwer mit denen… Aber das ist reine Spekulation auf Basis von Twitterei des Chefs dort.
@DJI
Die Herausforderung ist auch, daß man die Kleindrohnen erst sehr spät bemerkt. Es gibt genügend YT Videos in denen man sieht, daß Soldaten erst sehr spät die Gefahr erkennen, wenn überhaupt. Sehr unschöne Bilder.
Und wenn sie die Gefahr erkannt haben und versuchen auszuweichen kann man sehen wie der Operateur sie in die Ecke drängt was die Sache nicht besser macht. In einem Fall war der „Jagdtrieb“ einer Drohneneinheit so stark, daß man auf einen einzelnen gegnerische Soldaten, der wohl ein sehr guter Schütze war, insgesamt vier oder fünf (!) Drohnen angesetzt hat bevor es schließlich den Kill gab.
@Fussgaenger
Im Portal ist als Vergabeart Direktvergabe ausgewählt. Dafür gibt es in den verschiedenen Vergabeverordnungen unterschiedliche Begründungen. Kunstwerke ist dafür ein Beispiel. Hier ist allerdings VSVGV Abs 1 lit. C als Begründung angegeben.
Das System Maus von Donaustahl ist für den Nahbereich gedacht und dropped Abwurfmunition. Die Systeme von Helsing und Quantum/Stark sind zwei Größenklassen darüber angesiedelt und setzen KI on Edge für verschiedene Aufgaben ein.
Es ist wirklich frustrierend, der deutschen Politik bei ihren zaghaften Versuchen zuzsehen, so etwas wie Handlungsfähigkeit zu zeigen. Der Markt ist voll mit verfügbaren Systemen, es gibt Erfahrungswerte en masse, wir eiern schon seit nunmehr fast 3 Jahren um das Thema herum… es soll wohl einfach nicht sein. Man sollte froh sein, dass sich etwas tut, aber irgendwie sind wir seit 2014 in einem permanenten Zustand von „es tut sich was“.
Ich entsinne mich, dass zu Auslandseinsatzzeiten der Abbau der Verteidigungsfähigkeit immer damit relativiert wurde, dass es für einen größeren Krieg eine Vorwarnzeit von etwa 10 Jahren geben würde. Wurde damals kritisiert, 10 Jahre seien viel zu lang, es könne wesentlich schneller passieren. Tja, stellt sich raus, 10 Jahre war ziemlich nah dran (2014 bis 2022). Was aber niemand bedacht hat, ist dass die Reaktion derart bleiern ausfallen würde, dass selbst 10 Jahre nicht ansatzweise reichen.
Sorry für den Zynismus. Aber wenn man sich die Timeline seit der Krim mal vergegenwärtigt, ist es einfach ernüchternd.
Gut, dass sich nun etwas tut und ich hoffe LI/LL aus der UKR wurde dabei berücksichtigt.
EW und Jamming kann aktuell durch die zunehmende Nutzung von Fiber Optics zur Steuerung der UAS schon fast wieder beerdigt werden. Durch die Verwendung von Mutterdrohnen kann damit eine Reichweite von über 80km erreicht werden. Der bisherige EW Ansatz, vorallem durch Jamming Guns, stellte ja den Benutzer vor die Herausforderung ein niedrig einfliegendes UAS in der Größe eines Schuhkartons mit Geschwindigkeiten von bis zu 200 km/h zu entdecken und zu bekämpfen. Ähnlich verhält es sich dann auch, wenn die alte Fliegerabwehr aller Truppen gegen diese Art von Bedrohung angewendet werden sollte. Auf X war vor einigen Monaten ein Post zu finden, der die UAS Einflüge in den Gefechtsstreifen eines RUS BTL auflistete- es waren 170 UAS in 24h.
GPS Stören sollte mit abgedeckt werden, gleich wohl ist davon auszugehen, dass die Bedeutung tagsüber nachlassen wird, bedingt durch den Flug basierend auf downloaded google maps.
Entscheiden wird sein, die Detektion mit überlappender Sensorik aufzustellen, die dann idealerweise an autonome kinetische Systeme die Daten in Echtzeit übermittelt.
@TW
Es tut sich was in DEU
https://www.hartpunkt.de/one-way-effector-vertical-erste-details-zur-einsatzfaehigkeit-der-ki-befaehigten-loitering-munition-von-stark/
[Hm, eigentlich: es tut sich was in der Ukraine; auf DEU scheint das ja bislang keine Auswirkungen zu haben bzw. es scheint kein deutsches Interesse daran zu geben? T.W.]
@TW
Ist doch eine komfortable Situation für die Bw. Zwei konkurrierende Systeme HX-2 Karma und OWE-V, die man Ende des Jahres einer Reifegradanalyse unterzieht und dann nimmt man das beste Produkt. Dann fehlen nur noch die Drohnenkampfkompanien, die damit ausgerüstet werden.