Geflüchtete Ukrainer: Hessen sieht Kriegsdienst als zumutbar
In der Debatte über die Frage, ob geflüchtete ukrainische Männer im wehrfähigen Alter aus Deutschland in die Ukraine zurückkehren sollen, schafft Hessen – als erstes Bundesland wohl? – Fakten: Wenn ihre Reisepapiere auslaufen, erhalten sie von hessischen Behörden keine Ersatzpapiere mehr. Statt dessen sei es zumutbar, dass sie dafür in ihr Heimatland fahren und gegebenenfalls auch Kriegsdienst leisten.
Nach Angaben des hessischen Sozialministeriums erhalten zwar auch diese Männer zwischen 18 und 60 Jahren nach EU-Vorgaben ebenso wie andere Ukrainer vorübergehenden Schutz in Deutschland. Administrativ werden sie aber faktisch zur Ausreise verpflichtet, wenn sie keine gültigen Papiere mehr haben.
Die entsprechende Aussage der Landesregierung in Wiesbaden, über die am (gestrigen) Mittwoch mehrere Medien berichteten, findet sich in der Antwort des SPD-geführten Landessozialministeriums auf eine Anfrage der AfD im hessischen Landtag:
Frage 4: Wird die Landesregierung Initiativen ergreifen, um eine vermehrte Rückkehr von wehrfähigen
männlichen Ukrainern in ihr Heimatland zu ermöglichen?
Antwort: Die vom Rat beschlossene Richtlinie 2001/55/EG sowie der darauf gestützte Durchführungsbeschluss (EU) 2023/2409 (des Rates) vom 19.10.2023 nimmt wehrfähige ukrainische Männer nicht von der Gewährung vorübergehenden Schutzes aus. Der Beschluss gilt bis zum 04.03.2025.
Nach Bekunden des Bundesministeriums des Innern und für Heimat wird dies auch im Fall der jetzt vom Fachministerrat politisch geeinten weiteren Verlängerung der Schutzgewährung um ein Jahr so sein. Das bedeutet, dass ukrainischen Männern im wehrfähigen Alter auch zukünftig nach § 24 AufenthG vorübergehender Schutz zu gewähren ist, wenn auch im Übrigen die Erteilungsvoraussetzungen erfüllt sind.
Hessische Ausländerbehörden werden ukrainischen Männern im wehrfähigen Alter grundsätzlich keine deutschen Ersatzreiseausweise ausstellen. Es ist ihnen zumutbar, zur Passbeschaffung in die Ukraine zu reisen und der Wehrpflicht nachzukommen.
Die Zahl der ukrainischen Männer im wehrfähigen Alter gab das Ministerium mit rund 20.000 an. Wie viele davon aktuell von dieser Regelung betroffen sind, wird in der Antwort nicht genannt.
Dann wird es wohl bald sehr viele Ummeldungen von Ukrainern in anderen Bundesländer geben ;)
Aus grundsätzlichen Erwägungen heraus darf Deutschland wehrpflichtigen Ukrainern keinen Aufenthalt bieten – denn sonst müßte man dies Deutschen, die im Falle eines Falles ins benachbarte Ausland fliehen ebenfalls zugestehen (ich gebe zu, geographisch-politisch böte sich nur die Schweiz an, AUT ist ja in der EU).
Deshalb hat auch die Bw Vorbehalte ggü. Fahnenflüchtigen im WK 2, von persönlichen Ausnahmen abgesehen (flapsiges Motto: „da könnte ja jeder kommen …“ bzw.: wegbleiben).
Das Hauptproblem aus meiner Sicht ist, daß es in der UKR keine Möglichkeit zur Kriegsdienstverweigerung gibt, man also den Dienst mit der Waffe nicht verweigern kann. Gäbe es diese, also z.B. Dienst im Zivilschutz / Helfer im SanDst oder als „Bausoldat“ (tbd., das kann auch frontnah sein) gäbe es weniger Probleme. KDV bedeutet nicht: nur ungefährlicher Einsatz / nur ungefährliche Verwendung, wobei ggf. auch „Bausoldaten“ (Pioniere i.w.S.) von RUS als Kombattanten angesehen würden, da sie ja auch zum Kampferfolg beitragen.
Grundsätzlich haben die Gestellungspflichtigen / Fahnenflüchtigen sich nach UKR Recht strafbar gemacht, das wäre für Deutsche bei gleicher Lage ebenfalls der Fall. Die UKR könnte daher durchaus versuchen, die Überstellung mit Hilfe eines Rechtshilfeersuchens durchzusetzen, vorausgesetzt, es gäbe dort eben die Möglichkeit einen KDV Antrag zu stellen.
Zudem braucht die UKR Gesellschaft auch in anderen Bereichen deutlich mehr „manpower“, z.B. in der Industrie.
Als UKR würde ich dies in jedem Fall versuchen.
Nachtrag: Fahnenflucht bzw. Wehrpflicht gilt übrigens grundsätzlich nicht als Asylgrund, weder bei Russen noch bei Syrern. Eine Ausnahme ist wohl Eritrea weil dort auch im Frieden der Wehrdienst (als „Nationaldienst“) zeitlich unbefristet und es somit quasi Zwangsarbeit ist.
Ich bin mir nicht sicher ob das eine Neuerung ist. Bereits das BMI hatte es so erklärt und auch gesagt, dass dies auf die Gewährung des vorübergehenden Schutzes keine Auswirkungen habe. Möglich sei die Beantragung weiterhin mit einem abgelaufenen Reisepass:
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1182860.ukrainer-in-deutschland-luft-fuer-ukrainische-wehrpflichtige-wird-duenner.html
Aber natürlich funktionieren andere Behördengänge und vermutlich auch Anträge zur Kontoeröffnung oder bei Mobilfunkbetreibern nicht ohne gültige Dokumente.
Mit Bezug zu den Menschenrechten ist das schon hart grenzwertig, da man bereitwillig in Kauf nimmt, dass die Männer eingezogen und mit hoher Wahrscheinlichkeit entweder versehrt oder fallen werden. Weiterhin wird die Motivation, in UKR SK einzutreten, denen es von Manpower bis Großwaffensystemen an praktisch allem mangelt, sehr gering sein – was ich auch nachvollziehen kann.
Wenn man darüber nachdenkt, dass ein nicht unerheblicher Teil der Bw mit Lochkoppel in den Großen Vaterländischen ziehen würde, wäre die Motivation aktiver Soldaten und auch weiterer Männer vermutlich genau so gering; die Flucht ins Ausland wäre somit auch wahrscheinlich.
Da hat man wieder wunderbar dem Druck von links/ rechts nachgegeben und sucht den einfachen Weg. Eine ähnliche Regelung kann man dann bestimmt auch nach den Landtagswahlen in TH, SN u. BB erwarten.
Warum wurde eigentlich eine ähnliche Regelung nicht für SYR/ AFG männliche Staatsangehörige getroffen? Ist der Krieg in den Staaten angenehmer?
Und schon wird der Sozialhaushalt Hessens zulasten der anderen Bundesländer sich positiver darstellen.
Es glaubt doch im Ernst niemand hier, dass es denen um Pflicht am Vaterland ginge.
@Thomas Melber sagt:
01.08.2024 um 14:29 Uhr
…Das Hauptproblem aus meiner Sicht ist, daß es in der UKR keine Möglichkeit zur Kriegsdienstverweigerung gibt, man also den Dienst mit der Waffe nicht verweigern kann…
Klar kann man das, da die Ukraine eine Gesamtverteidigung betreibt muss man nur in einen Job in dem Mann freigestellt wird… Feuerwehrmann, Polizist, Rettungsdienst, Priester, Kraftwerksarbeiter, ect. PP. alle Jobs die wichtig sind werden frei gestellt und dann kann man durch freiwillig Meldung auch starken Einfluss nehmen wo man dann dient… wer sich z.b. zu den Grenztruppen meldet wird ehr weniger im Fleischwolf der Front landen.
Es wird aber derzeit auch bei Leibe nicht jeder sofort eingezogen… dafür haben in Kiew und Lemberg noch zuviel Männer Zivil Klamotten an.
Und auch hier muss man die Frage stellen: Wieso nur die Männer? Können Frauen nicht auch für ihr Land kämpfen?
Es wäre interessant zu erfahren, woran sich Hessen orientiert hat. Wohl daran, das der Wehrdienst in der Ukraine nur für Männer Pflicht ist. Aber kann das die Begründung sein?
Hier nebenan in RLP sind noch eine Menge attraktiver Arbeitsplätze zu besetzen, von mir aus können die Ukrainier alle kommen.
@JOJO2801
„Mit Bezug zu den Menschenrechten ist das schon hart grenzwertig, da man bereitwillig in Kauf nimmt, dass die Männer eingezogen und mit hoher Wahrscheinlichkeit entweder versehrt oder fallen werden.“
Das wäre allerdings in Deutschland – wie wohl in allen anderen Staaten – ebenso der Fall. Bei uns können Sie einen KDV Antrag stellen, dienstverpflichtet können Sie aber dennoch werden. Und die Änderung des Geschlechts hilft nur bedingt, da hat der Gesetzgeber Fristen gesetzt.
hat sich die bundesregierung für diesen fall noch kein hintertürchen geschaffen? wir würden ja gerne alle wehrfähigen ukrainer zurückschicken, leider hat das bundesverfassungsgericht etwas dagegen…
@JOJO2801 Ich würde auch in Oliv in den Krieg ziehen. Ich kenne Soldaten, die haben eine Menge Geld in ihre Ausrüstung gesteckt, die bekommen keinen vernünftigen Befehl hin. Ausrüstung ist nicht alles. Man muß sein Handwerk beherrschen. In Afghanistan und Mali sind wir nicht an der Trageausstattung 90 gescheitert.