Neue Akzente für den Traditionserlass: Mehr Kriegstüchtigkeit auch in der Traditionspflege

Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine will die Bundeswehr auch in ihrer Traditionspflege neue Akzente setzen. Die Bedeutung von Kriegstüchtigkeit und damit hoher Kampfkraft sei auch für die Traditionspflege bedeutsam, heißt es in neuen Ergänzenden Hinweisen zum 2018 in Kraft getretenen Traditionserlass der Bundeswehr. Bislang wurden sie nur intern in den Streitkräften verbreitet.

Die Ergänzenden Hinweise zu den Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege der Bundeswehr wurden am 12. Juli vom Abteilungsleiter Einsatzbereitschaft und Unterstützung Streitkräfte im Verteidigungsministerium, Generalleutnant Kai Rohrschneider, unterzeichnet. Es gehe dabei um eine Klarstellung zur Auslegung des Traditionserlasses, heißt es in dem Dokument. Maßgeblich sei die Frage, wie der in dem Erlass genannte Wertemaßstab auszulegen sei, ebenso wie der Spielraum für traditionsstiftende Beispiele militärischer Exzellenz auch außerhalb der bundeswehreigenen Geschichte.

Der von der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen nach öffentlicher, teils kontroverser Debatte 2018 unterzeichnete Traditionserlass legt unter anderem fest, dass weder die Wehrmacht des NS-Regimes noch die NVA als Institution traditionsstiftend für die Bundeswehr sein können. Einzelne Personen dieser Streitkräfte könnten jedoch, nach individueller Prüfung, als Vorbild und damit traditionsstiftend für die Truppe dienen.

Rohrschneiders Klarstellung verweist unter anderem darauf, dass der Gründergeneration der Bundeswehr, die zum großen Teil aus früheren Wehrmachtssoldaten bestand, mit Bezug zur Zeitenwende … eine bedeutende Rolle für traditionsstiftende militärische Exzellenz zukomme. In den aktuellen Weisungen werden auch zahlreiche frühere Wehrmachtsgenerale exemplarisch genannt, die beim Aufbau der Bundeswehr eine Rolle spielten.

Wesentliche Passage in den Ergänzenden Hinweisen nimmt der Bezug auf die von Verteidigungsminister Boris Pistorius geforderte Kriegstüchtigkeit ein – und die Rolle militärischer Vorbilder dabei:

Mit der durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ausgelösten Zeitenwende ist die Bedeutung von Kriegstüchtigkeit von Streitkräften, die sich maßgeblich aus einem hohen Einsatzwert und hoher Kampfkraft ableitet, auch für die Traditionspflege gestiegen. Gemäß der „Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege“ soll die Traditionspflege unter anderem die Einsatzbereitschaft und den Willen zum Kampf stärken, wenn es der Auftrag erfordert.
Folglich muss auch in der Traditionspflege ein größeres Augenmerk auf militärische Exzellenz (Fähigkeit bzw. Können) gelegt werden gegenüber anderen traditionsstiftenden Beispielen wie klassische soldatische Tugenden (Charakter) oder Leistungen für die Integration der Streitkräfte in die Gesellschaft.

Bei der als Folge des Erlasses von 2018 betonten eigenen Tradition der Bundeswehr, vor allem durch die Auslandseinsätze, setzt das aktuelle Papier ebenfalls etwas andere Akzente:

Mit Blick auf die Geschichte der Bundeswehr kommt als traditionsstiftend und als Ausdruck von Kriegstüchtigkeit zwar das Bestehen im Gefecht im Rahmen des internationalen Krisenmanagements in Frage; es darf dabei aber keine Reduktion auf das Fallen im Einsatz erfolgen. Das Schicksal der gefallenen Soldaten bleibt unzweifelhaft Beispiel für soldatische Tugenden wie treues und tapferes Dienen. Es ist jedoch nicht per se als Beispiel für traditionsstiftende militärische Exzellenz, herausragende Haltung oder militärischen Erfolg geeignet.

Offen bleibt dabei, ob damit auch eine Abkehr von der Umbenennung von Kasernen nach den Namen im Auslandseinsatz gefallener Bundeswehrsoldaten verbunden sein wird.

Zur Dokumentation die – vorsorglich dazu gesagt: nicht eingestuften – Ergänzenden Hinweise zum Traditionserlass:

Ergaenzende_Hinweise_Traditionserlass_12jul2024