Dokumentation: Konzept „neuer Wehrdienst“

Parallel zur Pressekonferenz von Verteidigungsminister Boris Pistorius zu der Konzeption für einen neuen Wehrdienst hat das Verteidigungsministerium die Eckpunkte veröffentlicht. Zur Dokumentation und zum Nachlesen (ausführliche Berichterstattung aus der Pressekonferenz folgt):

Bedrohung und Ausgangslage

  • Zeitgemäße Landes- und Bündnisverteidigung ist Kernauftrag der Bundeswehr.
  • Wir gehen davon aus, dass Russland trotz des Angriffes gegen die Ukraine und der dortigen Verluste bis 2029 in der Lage ist, NATO-Territorium anzugreifen.
  • Wir müssen unsere Fähigkeiten zur Abschreckung und Verteidigung so verbessern, dass Aggressoren davon ablassen, NATO-Territorium anzugreifen.
  • Wir sind dabei, die Bundeswehr besser auszustatten, ihr eine bessere Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, und wir reorganisieren die Streitkräfte so, dass sie in einem Verteidigungsfall optimal aufgestellt sind.
  • Zusätzlich brauchen wir eine stabile und einsatzbereite Reserve. Sie muss dafür sorgen, dass die Bundeswehr im Spannungs- oder Verteidigungsfall schnell aufwuchsfähig ist. Dafür müssen wir jetzt die Weichen stellen.

Neues Wehrdienstmodell

  • Wir wollen ein neues Modell, das vor allem auf Freiwilligkeit setzt, im Bedarfsfall aber auch verpflichtende Elemente beinhaltet.
  • Das neue Modell umfasst einen Grundwehrdienst von sechs Monaten mit einer Option für zusätzlichen freiwilligen Wehrdienst von bis zu zusätzlichen 17 Monaten.
  • Dazu wird eine verpflichtende Erfassung und bedarfsorientierte Musterung als notwendige Grundlage eingeführt.
  • Konkret heißt das: Frauen und Männer werden zum Erreichen des wehrdienstfähigen Alters angeschrieben. Männer werden aufgefordert werden, einen Fragebogen auszufüllen. Sie sind verpflichtet, ihn zurückzusenden. Frauen können den Fragebogens ausfüllen und zurücksenden, sind dazu aber nicht verpflichtet.
  • Auf der Grundlage des Fragebogens trifft die Bundeswehr die Entscheidung darüber, wer zur Musterung eingeladen wird. Anschließend wählt sie aus den Gemusterten die Geeignetsten und Motiviertesten. Es erfolgt also eine Auswahl nach Qualitätskriterien.
  • Das Verfahren führt dazu, dass sich viele junge Menschen zum ersten Mal mit der Frage befassen, ob sie nach der Schule einen Wehrdienst leisten möchten. Wir gehen davon aus, dass sich viele junge Männer und Frauen freiwillig melden.Den ausgewählten jungen Menschen steht die Möglichkeit offen, einen sechsmonatigen Grundwehrdienst zu leisten oder sich für bis zu insgesamt 23 Monate zu verpflichten.
  • Denjenigen, die den Wehrdienst über sechs Monate hinaus leisten wollen, bietet die Bundeswehr zahlreiche Weiterentwicklungsmöglichkeiten.Zusätzlich zu den bisher rund 10.000 Freiwillig Wehrdienstleistenden wollen wir ab 2025 bis zu 5.000 weitere Wehrdienstleistende ausbilden. Das bisherige Modell des Freiwilligen Wehrdienstes wird in das Modell „Neuer Wehrdienst“ überführt. Die Kapazitäten und damit auch die Zahl der Wehrdienstleistenden werden wir in den Folgejahren schrittweise erhöhen.
  • Der deutsche Beitrag zur Bündnisverteidigung erfordert nach heutiger Bewertung langfristig insgesamt einen Verteidigungsumfang von rund 460.000 Soldatinnen und Soldaten (davon geplanter Umfang rund 200.000 aktive (stehende Streitkräfte), Rest Reserve). Ein großer Teil davon müsste schnell aus Reserven aufwachsen können.
  • Mit der Reaktivierung der Wehrerfassung und Wehrüberwachung sowie dem Einstieg in den Neuen Wehrdienst machen wir hierzu wichtige und notwendige Schritte.

Wehrgerechtigkeit

  • Die geplanten gesetzlich festgelegten Kriterien für die Heranziehung orientieren sich an den konkreten Bedarfen für die Landes- und Bündnisverteidigung. Damit werden die Kriterien der Wehrgerechtigkeit erfüllt.

Gesetzlicher Rahmen

  • Ausgesetzt wurde im Jahr 2011 nicht die „Wehrpflicht“, sondern die verpflichtende Ableistung des „Grundwehrdienstes“.
  • Eine Wiedereinführung des Wehrdienstes in der beschriebenen Form bedarf einfachgesetzlicher Regelungen. Hierfür sind mindestens das Wehrpflichtgesetz und das Soldatengesetz anzupassen.
  • Wir werden in dieser Legislaturperiode keine allgemeine Dienstpflicht und auch keine Wehrpflicht für Frauen einführen. Beides erforderte eine Grundgesetzänderung. Stattdessen wollen wir einem „Neuen Wehrdienst“ noch in dieser Legislatur eine gesetzliche Grundlage geben und die dafür erforderlichen Strukturen und Kapazitäten in der Bundeswehr schaffen.

(Archivbild Juli 2010: Ein Wehrpflichtiger probiert am ersten Tag seines Wehrdienstes in der Drögeheide-Kaserne in Torgelow seinen Gefechtshelm auf – Thomas Trutschel/photothek.net)