NATO-Oberbefehlshaber: „Russland stärker, tödlicher, wütender“ als zu Beginn des Kriegs gegen die Ukraine
Der NATO-Oberkommandierende in Europa und zugleich des US-Europakommandos, der US-General Christopher Cavoli, hat in seinem jährlichen Rechenschaftsbericht für den Verteidigungsausschuss des US-Repräsentantenhauses ein nüchternes, eher bestürzendes Bild der sicherheitspolitischen Lage in Europa gezeichnet. Trotz der Verluste im Krieg gegen die Ukraine seien die russischen Streitkräfte nicht geschwächt – und die Ukraine angesichts fehlender Waffen- und Munitionslieferungen in einer gefährlichen Situation.
Der Krieg in der Ukraine ist nach den Worten des Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) der NATO nur ein Teil eines langfristigen Russland-Problems. Aus Cavolis 2024 Posture Statement to Congress am (gestrigen) Mittwoch fürs Archiv hier nachgetragen einige zentrale Aussagen:
Russlands Fähigkeiten
Russia remains a capable threat beyond Ukraine, and it’s necessary to examine what has and has not happened to the Russian military in Ukraine. Russia poses the most stressing nuclear, biological, and chemical threat in the near-term and will continue to retain WMD capabilities in the medium and long term. First and foremost, Russia’s nuclear forces have been unaffected by the conflict, and Russia retains the largest arsenal of deployed and non-deployed nuclear weapons in the world. These continue to present an existential threat to the U.S. homeland, our Allies, and our partners. Additionally, Russia continues to modernize its nuclear forces, and continues to pursue efforts to develop nuclear-capable intercontinental ballistic missile systems, nuclear-armed hypersonic boost glide vehicles, nuclear-powered cruise missiles, nuclear-powered underwater drones, anti-satellite weapons, and orbital nuclear weapons.
Moreover, during this conflict Russia’s strategic forces, long range aviation, cyber capabilities, space capabilities, and capabilities in the electromagnetic spectrum have lost no capacity at all. The air force has lost some aircraft, but only about 10% of their fleet. The navy has suffered significantly in the Black Sea – but nowhere else and Russian naval activity worldwide is at a significant peak. Russian long range precision fires have increased in production, and Russia has also begun to buy ballistic missiles, cruise missiles, and long-range drones from third countries who were previously outside this fight. In fact, it is mainly only in the land forces that Russia has suffered, losing over 2,000 tanks and 315,000 soldiers wounded or dead. However, Russia is reconstituting that force far faster than our initial estimates
suggested. The army is actually now larger – by 15 percent – than it was when it invaded Ukraine. Over the past year, Russia increased its front line troop strength from 360,000 to 470,000. Russia’s army increased the upper age limit for conscription from 27 to 30, which increases the pool of available military conscripts by 2 million for years to come. Russia has announced plans to pursue an ambitious ground forces restructure, increasing to 1.5 million personnel with an expanded footprint. This restructure includes plans to transform seven motorized rifle brigades into divisions and a new army corps. Russia plans to base some of these new formations in Russian-occupied areas of Ukraine, as well as Karelia in the High North, opposite Finland. Perhaps most concerning, the Russian military in the past year has shown an accelerating ability to learn and adapt to battlefield challenges both tactically and technologically, and has become a learning organization that little resembles the chaotic force that invaded Ukraine two years ago. (…)
In sum, Russia is on track to command the largest military on the continent and a defense industrial complex capable of generating substantial amounts of ammunition and materiel in support of large scale combat operations. Regardless of the outcome of the war in Ukraine, Russia will be larger, more lethal, and angrier with the West than when it invaded.
Lage der Ukraine
With the help of the United States, and invaluable help from other allies and partners, Ukraine has inflicted significant damage upon the Russian military. However, Russia relies on the mass and quantity available to a large country, and despite its military’s evident deficiencies and dysfunctions, continues to pose an existential threat to Ukraine. Ukraine cannot sustain this fight alone. The United States, our allies, and partners must continue to provide Ukraine with munitions, weapons, and materiel.
Offensichtlich auf Nachfragen – und im vorbereiteten Statement nicht enthalten – präzisierte Cavoli die drängenden Probleme der Ukraine, wie aus Medienberichten hervorgeht:
Ukrainian troops have been rationing ammunition as Russian forces outfire them at a rate of about 5-to-1, he told the committee.
“That will immediately go to 10-to-1 in a matter of weeks. We are not talking about months. We are not talking hypothetically…. We are talking about weeks,” Cavoli said.
Das Statement mit etlichen anderen Schwerpunkten hier zum Nachlesen, und als Sicherungskopie:
20240410_Cavoli_USEUCOM_Posture_Statement_2024
(Foto: U.S. Army Gen. Christopher Cavoli, commander, U.S. European Command, and Supreme Allied Commander Europe, speaks with Allied service members at Military Training Area Lešť during visits to Slovakia and Slovenia March 26-28, 2024 – Courtesy photo by U.S. Embassy Bratislava)
Es ist bedauerlich, dass sich die stärkste Demokratie des Westens aus innenpolitischer, ideologischer Verblendung seit mehr als einem halben Jahr komplett selbst blockiert. Was ukrainische Menschen auszubaden haben.
Tja, da haben sich wohl einige Spezialisten geirrt. Aktive und vor allem pensionierte Generale, auch Wissenschaftler und Politiker. Der Wunsch, dass die Ukraine rasch den Aggressor aus dem Land schmeißt war und ist so verständlich und vor allem gerechtfertigt. Doch dieser Wunsch hat leider den Blick für die Realitäten verstellt. Man hoffte sehr, dass Russland in jeder Hinsicht zusammenbricht. Doch das ist noch nicht geschehen. Doppelt traurig. Traurig, dass der Aggressor noch nicht geschlagen wurde. Aber auch traurig, weil man versäumt hatte, die Entwicklungen in Russland zu erkennen und die Schlüsse daraus zu ziehen. Zur Wahrheit gehört auch, nun alles auf die fehlende Unterstützung des Westens zu schieben, das ist doch zu kurz gesprungen. Wie schon in Afghanistan und Mali, wie schon 2014 in der Ukraine, man redet sich ein, was man sehen will. Als GI Zorn sagte, dass man Russland nicht unterschätzen sollte, wurde er politisch vernichtet. Gerade von denen, welche heute besonders klug daher reden (oder es versuchen). Nur ein Beispiel. Es gab auch wenige Spezialisten, welche einen klaren Blick hatten, Wissenschaftler und auch Soldaten. Doch die saßen halt nicht ständig in talkshows. Manche wurden gar verprellt. Warum? Es passte nicht in das Bild. Lieber hatte man gefällige Medienstars. Ich wünsche mir, dass die Ukraine standhält und nun nicht alles zerredet wird. Ein tapferes Volk welche unsere Solidarität verdient. Ich wünsche mir auch, dass der Blick auf Russland umfassend und aktuell alle Gefahren klar aufzeigt. Manchmal hat man den Eindruck, dass der deutsche Blick von dem der NATO abweicht.
zur Kenntnis nicht zur Veröffentlichung
https://www.t-online.de/nachrichten/ukraine/id_100382586/ukraine-krieg-russland-bereitet-neue-offensive-vor-kiew-vor-problemen.html
die Schlußfolgerung was das für die Litauen-Brigade und einen Einsatz der Bundeswehr in der Bündnisverteidigung bedeutet erschließt sich ihnen wohl selber – und ich nehme das ernst
@M.Munch am 11.04.1207h
Sie wollten nicht alles zerreden, schreiben Sie?
Nun, die von Ihnen kritisierten Experten, die vlt. euphemistischen, sicherlich aber einen begrenzten (medialen) Einfluss auf politische Entscheidungsträger hatten oder haben sind eben keine Entscheider.
Ihre Kritik greift zu kurz. Die Experten hatten nicht alle unrecht. –
Das gegenwärtige Dilemma der UKR kann man auf 3 unabhängige Faktoren reduzieren:
1. aus innenpol. Gründen liefern die USA keinen signifikanten Nachschub mehr. Das abzustellen ist auch der Tenor des SACEUR im o.a. Bezug.
2. die Europäer können/ wollen nicht die Bedarfe decken.
3. die UKR hat zunehmend personelle Lücken, weder personelle noch materielle Ausfälle können aus eigener Kraft ersetzt werden.
RUS stellt auf Kriegswirtschaft um (was aber auch negative Folgen nach innen zeitigen wird) – hierzulande werden noch nicht mal Entscheidungen zu verbindlichen Mengenabnahmen bei MVG und EVG durch eine durchaus fähige Rüstungsindustrie gegeben.
Kurzum- solange Mittel- und Westeuropäer die russ. Veränderungen und Absichten nicht als ihre ureigene Bedrohung annehmen wird die UKR erst ausbluten, dann erliegen.
Zutreffend ist auch, dass wir uns alle- ich schliesse mich da nicht aus- schwer tun, die russ. Potentiale zutreffend zu beurteilen. In 1940/41 völlig unterschätzt, in den 1980er mehrheitlich überschätzt können wir uns derzeit nicht richtig festlegen- mangels strategischen Wissen.
Im übrigen, es scheint, dass im US- Kongress über die Freigabe von 60 Mrd.$ verhandelt wird. Mglw. kommt es bald zur Wiederaufnahme der Hilfen.
Auch sollten wir den Russen nicht den Gefallen tun auf die Narrative ihrer umfangreichen Desinformationskampagnen aufzuspringen.
@Heiko Kania:
Es ist viel bedauerlicher, dass die (west-)europäischen Länder immer noch kleckern und nicht klotzen.
Es ist jämmerlich, dass die Militärhilfe Frankreichs auf beeindruckend niedrigem Niveau (<0,05% BIP)° ist – von der Aufnahme von nicht einmal 70k* geflüchteter Ukrainer (weit weniger als Belgien, Österreich oder die Niederlande) müssen wir nicht sprechen.
Statt dessen Sonntagsreden, Rocky-Fotos und "Einmarschphantasien" aus dem Elysée.
Ein Wunder, dass die EU jetzt die Munition, die sie nicht selber produzieren kann, im Ausland nachkaufen darf (siehe Vetoaufgabe Frankreichs)².
Aber auch Italien, Spanien und Portugal haben sich nicht wirklich mit Ruhm bekleckert und beteiligen sich nicht wirklich an der Ukraine-Unterstützung. Wenigstens halten dies Länder "die Klappe" und versuchen sich nicht mit unsinnigen Aussagen, Ansagen und Gedankenspielen zu profilieren…
Es ist bestürzend, dass Deutschland immer noch nicht auf "Zeitenwend" umschaltet, denn wie sonst könnte es noch freie Kapazitäten bei Rheinmetall und Co. geben (siehe Artilleriemunition)?
Wie sonst könnte es sein, dass man tatsächlich über weitere Investitionen in die BW diskutiert, statt diese endlcih auf den Weg zu bringen?
Gleichzeitig faselt man von "Einfrieren" – also der Möglichkeit, hinter dem aktuellen Frontverlauf Fakten zu schaffen, sich weiter einzugraben und die Lieferketten zu flicken und auszubauen, um dann, dereinst, endlich genug 155mm-Munition zu haben, um den Rest der Ukraine komplett zu überrennen.
Das hier Teile der Regierung immer noch nicht verstanden haben, dass Schulden nicht so wichtig sind, wie Freiheit, denn ohne Freiheit sind Schulden das kleinste Problem, aber vor dieser Situation immer noch die Augen schließen und nicht längst ein "Sondervermögen 2" (also Schulden zu Wehrhaftigkeitsertüchtigung) und eine dauerhafte Erhöhung Wehretat auf 2,5% BIP, kriege ich persönlich nicht verschaltet. Ich "hinterlasse" meinen Kindern lieber ein paar Schulden, als sie der Gefahr auszusetzen in einem repressiven Regime auf dem Stand der frühen 80er-Jahre leben zu müssen.
(Aber wahrscheinlich ist das nur meine Sicht der Dinge.)
Kurz: Waum sollten die USA die Kohlen mal wieder aus dem Feuer holen, wenn Europa immer noch schläft und sich auf sie abstützt?!
Ich hasse Donald T. aus NY am Hudson River, aber wenn er Recht hat, hat er Recht!
Die USA finanzieren und beliefern eine Nation, von der 60% der Bevölkerung noch nicht einmal weiß wo sie liegt und deren Untergang – sorry, aber so ist es – für die USA wirtschaftlich, strategisch und moralisch verkraftbar wäre, während wir Europäer – für die Russlands Expansion moralisch und strategisch schwerste Folgen hätte und das weiter 30 Millionen Ukrainer weder sozial, noch wirtschaftlich verkraften könnte, immer noch über Kästchenkunde und einzelne Waffensysteme diskutieren.
Erste Regel gegen Schulhof-Bullys: There is no appeasemant to bullys. Hit first! Hit hard! – And if you couldn`t hit first, hit even harder!
…Rand aus…!
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Quellen:
° = https://www.ifw-kiel.de/topics/war-against-ukraine/ukraine-support-tracker/
* = https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1356654/umfrage/anzahl-ukrainischer-fluechtlinge-in-den-eu-staaten/
² = https://www.nzz.ch/international/ukraine-krieg-wie-tschechien-800000-schuss-munition-liefern-will-ld.1817303 [@TW: Sorry, nichts Besseres gefunden]
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P.S.: @ Heiko Kania: Bitte nicht zu persönlich nehmen, es ist dann doch zu einem Rand ausgeartet….
@ Eric Hagen
„Zutreffend ist auch, dass wir uns alle- ich schliesse mich da nicht aus- schwer tun, die russ. Potentiale zutreffend zu beurteilen. In 1940/41 völlig unterschätzt, in den 1980er mehrheitlich überschätzt können wir uns derzeit nicht richtig festlegen- mangels strategischen Wissen.“
Das ist nicht der Punkt.
Es kommt nicht nur auf das rüstungswirtschaftliche Potential an, sondern noch viel mehr auf den gesellschaftlichen Willen (der sich in der politischen Führung so oder so irgendwann ausdrückt … sei es in einer Demokratie, sei es in autoritär regierten Gesellschaften), die vorhandenen Potentiale zu nutzen.
Ein Staat der Größe und der Struktur Russlands hat ohne jeden Zweifel genug „Potential“ (wirtschaftlich, finanziell, außenpolitisch (um kurz- und mittelfristig Unterstützung zu generieren), um in einem modernen Krieg immense Kampfkraft zu entfalten – weil die Priorität genau darauf gelegt wird. Wir haben das nicht.
Theoretisch wäre der europäische Teil des Westens mehrfach stärker als Russland. Praktisch haben wir noch nicht einmal den Willen, unsere Gesellschaften vor nicht-militärischen Bedrohungen zu schützen. Geschweige denn vor militärischen.
Solange sich das nicht ändert (wenig deutet darauf hin, dass es sich ändern könnte … der Aufstieg der rechtspopulistischen Parteien in fast allen europäischen Ländern ist nur ein schwaches Zeichen), sind und bleiben wir ein Spielball Putins. Wenn die USA abdriften, „isch game over“.
„ In fact, it is mainly only in the land forces that Russia has suffered, losing over 2,000 tanks and 315,000 soldiers wounded or dead. However, Russia is reconstituting that force far faster than our initial estimates
suggested. The army is actually now larger – by 15 percent – than it was when it invaded Ukraine. “
Auch wenn wir es uns anders wünschen mögen, die UKR wird – mit oder ohne NATO Unterstützung – den Kampf auf Dauer verlieren. Jede Kriegsregel sieht das so.
Leider, aber wir müssen das in ein Ergebnis umwandeln, welches alle Parteien akzeptieren können. Wo sind denn alle diese hochgebildeten Diplomaten?
Weltpolitik hat immer mit Diplomatie funktioniert.
Nachtrag:
BG aD Erich Vad hat der BZ ein Interview gegeben, nachdem er ein Jahr geschwiegen hat. Weil er desavouiert wurde, aus meiner Sicht. Als Russlandfreund abgestempelt.
Als Historiker hat er aber ein gutes Verständnis für die Situation.
Unter anderem:
„Wer heute fordert, man müsse Russland besiegen und bis zur Handlungsunfähigkeit schwächen, übersieht zudem, dass ein Zusammenbruch der Russischen Föderation ein riesiges strategisches Vakuum hinterließe: Der Osten Eurasiens würde weitestgehend destabilisiert. Im Interesse des Westens wäre dies nicht. Darauf hat zuletzt noch Henry Kissinger kurz vor seinem Tode hingewiesen.“
Das Interview lohnt sich zu lesen. Am besten auch: zu verstehen.
Es wird keine Gewinner geben, aber wie bisher kann es auch nicht weitergehen.
@ M.Munch: An General Zorn war nicht seine treffende Einschätzung RUS zu monieren, sondern dass er dass er – unabhängig tatsächlicher Intension- politisch die Bilder derer bediente, die die berühmte Flinte ins Korn werfen wollten bevor die Lage und unsere Interessen daran betrachtet wurden.
Die Einschätzung der Gefahr, verursacht durch Russland. Jetzt wachen einige Leute auf. Erneut sahen und sieht man strategische Irrtümer, Fehler und Fehlannahmen! Wieder werden nur die gefragt, welche das sagen, was man hören will. Wieder wurden Sachverhalte und Wahrheiten ausgeblendet, oft sogar mit der Tendenz die Überbringer unangenehmer Wahrheiten kalt zu stellen.
Wenn das die neue Kriegstüchtigkeit ist, dann hoffen wir mal das Beste. Doch beim Verbrecher Putin muss man mit dem Schlimmsten rechnen. Hoffen wir mal, dass der nicht mitbekommt, wie es um unsere Sicherheit bestellt ist.
@Eric Hagen
11.04.2024 um 16:19 Uhr:
Danke! Alles richtig, das wusste ich auch. Doch was ist daran überraschend? So, dass nun fast alle betroffen aufschreien. Leider ist ihre Antwort auch ziemlich generell.
slava ukraini
@ Eric Hagen
„Zutreffend ist auch, dass wir uns alle- ich schliesse mich da nicht aus- schwer tun, die russ. Potentiale zutreffend zu beurteilen“
Seit 2014 hatten wir Zeit eine Russlandexpertise aufzubauen. Spätestens 2022 hätte aber mal richtig Dampf in die Maschine gemusst. Auch und gerade für die (alle) Entscheidungsträger. Doch da haben wir wohl nicht viel erreicht. Wenn man mal genau hinschaut, ich vermute sie haben die Möglichkeit, da sieht es verdammt dünn aus. Jetzt wird es Zeit!
General Cavoli, gebürtiger Würzburger, studierte bis 1987 an der „Princeton University“ Biologie und anschließend an der „Yale University“ Russisch und Osteuropäische Geschichte.
Er spricht neben Russisch, fließend Italienisch und Französisch, für einen angelsächsischen Offizier eine bemerkenswerte Kennzeichnung.
Seine Kenntnis zu Osteuropa, speziell Russland, lässt seinen Aussagen eine besondere Bedeutung zukommen.
@ Eric Hagen(11.04.2024 um 16:19 Uhr)
„Zutreffend ist auch, dass wir uns alle- ich schliesse mich da nicht aus- schwer tun, die russ. Potentiale zutreffend zu beurteilen. In 1940/41 völlig unterschätzt, in den 1980er mehrheitlich überschätzt können wir uns derzeit nicht richtig festlegen- mangels strategischen Wissen.“
Also, mangels strategischen Wissen, das ist es also. Wann begann der Krieg Russlands gegen die Ukraine? Nicht 2022, sondern 2014. Also Zeit genug am Wissen zu arbeiten. Das geht nicht schnell, sondern erfordert solides Herangehen.
Mir scheint, dass es wohl bei den aufgebrachten Zeitenwendereden geblieben ist. So rrichtig diese waren, es ist dann im Maschinenraum Arbeit angesagt.
Wollen wir uns wieder überraschen lassen, sicher nicht!! Wir brauchen nicht nur mehr Geld, F-35 und Panzer. Wir brauchen insbesonder, wie sie richtig sagen, strategisches Wissen. Wir in Deutschland, wir im Bündnis!
Die Aussagen des NATO-Oberkommandierenden sind ein Schlag ins Gesicht der westlichen Politik. Der fehlende Wille, den Tatsachen ins Gesicht zu schauen, die Unfähigkeit strategische Entscheidungen zu treffen und fehlende Empathie für den Kampf der Ukraine – dass sind die Gründe für das westliche Schlafwandeln.
Eigentlich müsste eine solche Warnung des NATO-Oberkommandierenden zu hektischen Aktivitäten in den europäischen Hauptstädten führen. Es müsste eine schnelle Abstimmung geben, um die Ukraine auch ohne die USA zu retten – das ist es chließlich, um was es hier geht. Und? Schweigen im Walde. Weiter im Klein-Klein, weiter wird sich auf die Schultern geklopft, was man schon alles geliefert hätte – dabei ist das jetzt vollkommen irrelevant.
Machen wir uns nichts vor: Sicherheitspolitik hat man in den letzten Jahrzehnten in der Politik mit der Kneifzange angefasst. Das Thema war ein Karrierekiller. Und jetzt haben wir es mit einer Gneration Politiker zu tun, denen einfach das historische und sicherheitspolitische Know-How fehlt, um eine solche Situation richtig einzuschätzen.
Es droht eine zivilisatorische Katastrophe in der Ukraine. Eine ukrainische Front kann irgendwann auch ausgelaugt zusammenbrechen Genau darauf zielen die russischen Zermürbungsangriffe. Aber bitte nicht die europäischen Wähler mit solchen Details belästigen.
Es ist unsäglich und unerträglich.
Hm. Ich habe ehrlich gesagt Schwierigkeiten den alarmistischen Tonfall des Generals mit der aktuellen Situation in der Ukraine übereinanderzulegen.
Man sollte Russland nicht unterschätzen. Die (europäischen) westlichen Staaten haben sich in 30 Jahren falscher Sicherheit gewogen und bezahlen jetzt den Preis dafür. Deswegen bleiben Nachrüstung, Dienst/Wehrpflicht und ein funktionierendes Gesamtkonzept für eine Zivilverteidigung explizit wichtige Aufgaben für die Gegenwart und Zukunft.
Das vorab gesagt, sehe ich aber nicht wirklich eine „lernende Organisation“ in der russischen Armee. Die russischen Offensivoperationen beschränken sich nach wie vor auf menschliche Wellen mit Artillerieunterstützung. Die russische Luftwaffe ist bis heute nicht in der Lage die Luftherrschaft über der Ukraine zu erreichen. Insbesondere aber sehe ich nicht, wie man bei den russischen Produktionszahlen von einer „Kriegswirtschaft“ sprechen kann. Die russische Führung ist bemüht, die Bevölkerung insbesondere im westlichen Teil Russlands nicht zu sehr unter den Auswirkungen des Krieges leiden zu lassen und immer noch stammt ein Großteil des eingesetzten Materials aus ehemals sowjetischen Depots. Die tatsächlichen Produktionszahlen von wirklich neuen gepanzerten Fahrzeugen bewegen sich im niedrigen dreistelligen Bereich p.a. Sicherlich viel mehr als alles was derzeit im Westen produziert wird, aufgrund der nach wie vor eingesetzten russischen Taktik nicht zu einer dauerhaften Operationsführung geeignet.
Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Das gilt für die Ukraine. Der Westen kalkuliert möglicherweise darauf, dass je länger der Krieg dauert, Russlands Streitkräfte sich abnutzen, was auf lange Sicht zu einer Schwächung Russlands führt, die für die Natio und weite Teile der Welt vorteilhaft ist. Die Ukaine zahlt dafür den Preis.
Deutschland leistet seine Beitrag, wenn auch der nicht reicht, auf Kosten der eigenen Verteidigungsfähigkeit. Die USA verhält sich so wie Putin es kalkliert hat. Deren interner Lagerstreit führt zu einer spürbarenLähmung. Die Führungsnation des Westens istnicht mehr so berechenbar wie früher. Vielleicht ist der Krieg und Amerikas Verhalten ein Signal für das westliche Europa sich aufzuraffen und endlich seiner Selbstverantwortung gerecht zu werden. Ansonsten sehe ich für die nachfolgenden Generatíonen Kriege aufziehen.
„Die USA verhält sich so wie Putin es kalkliert hat.“
naja wohl nicht ganz, bzw. so wie Putin es mit Geld in jeder Form bestellt hat. Der House Speaker hatte wohl auch entsprechende Wahlkampf-Spender. Von AFDlern hört man ja auch so einiges, ob eben über AFD Mitarbeiter die mit 9900 Euro aus Moskau einreisen oder Bryston.
Ehrlich wäre, dass man die Ukraine weitestgehend im Stich lässt. Beispiele? Frankreich kauft für hunderte Millionen Euro russisches Gas. Deutschland exportiert 1300% nach Kirgisistan im Vergleich zu 2021. Muss ich erwähnen wo diese 1200% sanktionierten Güter landen? Bei anderen EU Nationen sind die Werte ähnlich. Will man daran was ändern? nö….
Da braucht man sich eben nicht wundern wie hunderte Westliche Teile in russische Raketen gelangen…
Von dem ewigen Zaudern und Zögern bei militärischer Unterstützung gar nicht angefangen. Russland darf ja schließlich nicht zerfallen, das Böse Machtvakuum….immerhin kreativ, endlich mal keine Atomdrohung wenn Russland verlieren würde.
PS: Die größere und mächtigere Sowjetunion ist auch aus Afghanistan abgezogen.
ppS: ich würde es einigen unterdrückten Völker in Russland gönnen endlich ohne Diskriminierung leben zu können.
@ Dominik Wo stellen die Russen in Russland denn nicht die Mehrheit der Bevölkerung? Die Gebiete sind sehr übersichtlich. Das ist vielleicht eine Hand voll. Ich sehe Russland noch nicht auseinanderbrechen.
@ all: Wo sollte die Russland-Expertise denn herkommen? Nach 1990 war das im zivilen akademischen Bereich ebenso wie im militärischen Kontext ein eher unbeliebtes Thema. Und ehe jetzt BG a.D. Vad herausgekramt wird … es gibt ja auch sehr profunde Kenner der Materie in der Bw auf einem guten Niveau, die aber nicht so präsent sind bzw die eher in anderen Bereichen wirken. Daher wird leider viel Öffentlichkeit von Dampfplauderern in Beschlag genommen.
@ Eric Hagen:
Strategisches Wissen ist eigentlich genügend zu finden auf der Basis von Soldlisten, Stärkenachweisen der einzelnen Militärbezirke und Defence Spending im Zeitraum 2004 bis 2022 inkl Biographieverläufen militärischer Entscheider und Auswertungsprofilen. Zudem gibt es die DiD-Auswertungen der OSCE ab 2014. Aber wer wühlt sich schon gern durch die Datenberge, zumal es ja reicht eine Haltung oder steile Thesen zu formulieren. Ich stecke grad in einem Projekt zu dem Thema und ja, das ist schon teilweise schwierig bis speziell mit wie wenig Daten und wie viel Haltung manchmal entschieden wird.
Ich erspare mir den Begriff „Wissen“ bewusst … strategisches Wissen setzt ja neben Auswertung, Abgleich und Analyse auch die Priorisierung und damit Entscheidungen voraus … und letztlich die Kommunikation. Ein Drama in Deutschland (aber auch bei vielen anderen NATO-Partnern).
@M.Munch
„Man hoffte sehr, dass Russland in jeder Hinsicht zusammenbricht.“
Eben nicht, da dann die Kontrolle über die Nuklearwaffen auf zerstrittene Warlords a la Kadyrow und co übergehen würde und die am Ende sonstwo landen.
Das heißt man hofft, dass Russland ein bischen zusammenbricht, aber auch nicht zu sehr. Das erklärt viel von der widersprüchlichen Politik des Westens (wenn auch nicht alles). Also der Ukraine gerade soviel geben, dass es zum überleben reicht – das hat Kalkül.
Illusionen über das System Putin haben militärische Analysefähigkeit wieder einmal bestimmt. Klar, und hier schon erwähnt, seit 2014 aber insbesondere 2022 hätte es besser werden müssen, eben „kriegstauglich“ und der strategische Konfrontation mit dem imperialen Russland angemessen. Das war so etwas von offensichtlich, dass nun Aussagen, man habe kaum strategisches Wissen, oder die Beratungskompetenz für militärische und politische Entscheidungsträger wäre nicht oder kaum vorhanden, nicht nur verwundern. Es ist ein Verstoß schlimmster Art. Sichtbar groß ist der Bedarf an sicherheitspolitischer als auch militärischer Expertise zu Russland. Wieder einmal sehen Experten den russischen Militärapparat mit erstaunten Augen, wieder einmal ist man überrrascht, dass Russland im Moment die Oberhand gewinnt.
Man hat ja auf den raschen Erfolg der Ukraine gesetzt. Klar, das ist unser aller Wunsch. Doch unzulässige Illusion bestimmte die Wahrnehmung der Führung! Das Motto war, weil so gewollt und gefordert: Folge einer Illusion. Und da waren sie dann eben auch, Wissenschaftler im begleitenden Vorgehen, z.B. Prof. Dr. Carlo Masala oder Dr. Claudia Major, in fast jeder Talkshow.
Und nun? Alarmistisches Geschrei von NATO und Bundeswehr Generalen? Oder vermeinlich besonnene Darstellung von „Panzer“ General Freuding im Bundeswehr TV? Doch sichtbar wird, Tiefe in der Analyse und kluge Ableitungen – Fehlanzeige. Im Wesentlichen wurde z.B. Internetwissen durch einen Panzergeneral verkauft. Inclusive der erneuten überraschten Reaktionen im BMVg. „Russland ist auf dem Vormarsch“ und kann sich nun die Ukraine weiterhin verteidigen? Das hat man nicht kommen sehen? Die Ukraine gerät militärisch zunehmend unter Druck. Zugleich war und ist der Westen weder in der Lage noch willens, die notwendige Unterstützung zu leisten. Es drohen ggf schlimme Szenarien!
Dann wieder ein einzig dominierendes Thema. JETZT mehr Geld und JETZT mehr Hilfe. Warum nicht vorher? Warum nicht einem mittel- und langfristigen Plan folgend?
Vor vielen Jahren hat man Russlandexpertise zerschlagen. Wissen ging verloren, erfahrene Fachleute entlassen oder für Mali uns Afghanistan umgeschult. Seit 2014 liegen halbherzige Bemühungen, seit 2022 nicht wirklich mehr Anstrengung. Man kann eigentlich nicht durch Handauflegen erreichen, dass Frau Oberstleutnant, Herr Oberst oder Herr Beamter Experten werden. Oder war genau das der Ansatz in Bundesoberbehörden, Ämtern, Kommandos oder Diensten? Kann man Experte ohne Fachwissen sein? Kaum jemand hat Tiefe erlangt. Schnelle Vorträge, Folien ohne Ende, doch wo ist die Substanz? Anfänger sind eben keine kleinen Experten, auch wenn sich gut verkaufen.
Solch rasch geschaffenen, im Grunde eigentlich selbst ernannte Experten überschätzen dann auch noch ihr Wissen häufiger. Wer glaubt, viel zu wissen, kennt sich manchmal sogar mit Dingen aus, die es eigentlich gar nicht gibt. Das kann nicht nur kurios, sondern wirklich gefährlich sein, man sieht es aktuell am Erstaunen über den Kriegsverlauf.
Es mag sein, dass man heute fast alles zu Russland aus dem Internet abrufen kann. Die KI generiert Texte auf Anfrage und stellt ganze Aufsätze zusammen. Das allein ist aber keine Expertise! Es ist Zusammenfassung vorhandener Informationen, Reproduktion aber nicht Erschaffung von Notwendigem und vor allem OHNE jeglichen Erfahrungsschatz.
[ Die Aussage, Claudia Major und Carlo Masala stünden exemplarisch für die Illusionen über Putin, ist schon interessant. Aber Sie haben das ja so festgestellt, dann wird Ihre vermutlich auf großem Erfahrungsschatz beruhende Analyse schon stimmen. T.W.]
@Tw
„…[ Die Aussage, Claudia Major und Carlo Masala stünden exemplarisch für die Illusionen über Putin, ist schon interessant. Aber Sie haben das ja so festgestellt, dann wird Ihre vermutlich auf großem Erfahrungsschatz beruhende Analyse schon stimmen. T.W.]…“
Ich verstehe Ihre Betroffenheit, wenn man Carlo Masala kritisiert, dem Sie ha sehr verbunden sind. Es ist eben MEINE Meinung, dass dieser Herr aus MEINER Sicht oft zu oberflächlich argumentiert, auch zu vielen (zu vielen) Themen in zahlreichen vermeinlich kluge Dinge sagt, welche aber oft MEINER MEINUNG nach einen, halt seinen speziellen Anstrich haben. Für MICH sind seine Aussagennoft ohne Tiefgang. Schnell Einladungen zu einer der Zahlreichen Talkshows annehmen und nahezu zuu allem etwas sagen. Andere werden das sicher anders sehen, gut so! Das ist halt Meinungsvielfalt.
Bitte belegen Sie doch MEINE MEINUNG daher nicht mit Sarkasmus. Sie sind doch sonst auch nicht so!
Weil Sie fragen bzw. es andeuten: Ja, durch meine frühere Tätigkeit für eine Dienststelle der Bundesregierung und jetzt als wissenschaftlicher Mitarbeiter einer Universität habe ich sehr gute Einblicke und einen großen Erfahrungsschatz. Daher bitte nicht nur auf Carlo Masala und Frau Claudia Major konzentrieren. Ich habe ja nicht nur dazu beschrieben.
[„sehr gute Einblicke und einen großen Erfahrungsschatz“. Aber persönlich werden. Genau mein Humor. T.W.]
@BJK 2107
Sie meinen das Interview vom 15.02. diesen Jahres? Ich habe es nun gelesen.
Einige Punkte treffen zu:
– Russland wollte und will eine Sicherheitszone gegen die NATO. Das lernt an im 1. Semester Politikwissenschaft/Außenpolitik; nannte sich früher Warschauer Pakt und davor die eroberten und kolonialisierten Gebiete des Russischen Zarenreiches. Muss man nicht mögen, aber Staaten haben halt Interessen und keine Freunde.
– Es fehlt in unseren westlichen Demokratien die klare politische Vorgabe von Zielen. Wie soll der Krieg in der Ukraine zu Ende gehen? Na klar, Clausewitz… Aber realistische Ziele vermag Herr Vad auch nicht zu formulieren.
Und da stehen wir allesamt derzeit blank da. Was daran liegen mag, dass wir immer noch Geschäfte mit Russland, wenn auch über Umwege, machen.
Was mich stört:
– Er vermisst beim Konzept der Abschreckung die „vertrauensbildenden Maßnahmen“. Das klappte in den 90ern, als sich russische Soldaten in unsere Panzer setzten und nachzählten, was auf dem Hof stand und umgekehrt. Schon damals sagten die Russen, bezogen auf einen Krieg in Mitteleuropa, dass auf dem Weg zum Ärmelkanal sie nur die Supermärkte zeitlich verzögert hätten. Das klang damals ganz lustig.
Nach den ersten Monaten Berichterstattung aus der Ukraine frage ich mich wie eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit einer Politikelite, die ihre Armee mordend, folternd, plündernd und vergewaltigend durch das „Bruderland“ hetzt, um dessen Identität auszulöschen, aussehen soll?
– Ich habe noch keinen einzigen Bericht gelesen oder gehört, dass Russland „bis zur Handlungsunfähigkeit geschwächt“ werde soll. In so einem Fall würden die Russen Atomwaffen einsetzen, um es zu verhindern. Das fordert aber keiner. Putin soll lediglich seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine beenden. Das „Machtvakuums-Szenario“ soll wohl jetzt das Säbelrasseln mit den Atomwaffen beerben.
– Vad bemängelt fehlende Diplomatie: Die russische Botschaft in Bern lässt aktuell verlauten, dass man an der geplanten Friedenskonferenz nicht teilnehmen werde, selbst WENN man eingeladen würde. Ergo: Zur Diplomatie kehrt Putin erst zurück, wenn er merkt, dass er militärisch verliert.
Abschließend diese Sätze von Herrn Vad, über die jeder denken kann wie er will. Er sagt: „in der Hochzeit des Kalten Krieges hatten wir kein Feindbild und haben es auch nicht gebraucht“; ferner, dass das Fehlen eines Feindbildes „für sich bereits ein starkes Mittel einer Verteidigungsstrategie“ sei und dies „potenziellen Gegnern irrationale Ängste nehmen“ könne.
Ok, also der Zugführer 1988 an der innerdeutschen Grenze hatte kein Feindbild (egal ob T-72 oder Leo 2)? Aber seine Stellung und Ausweichstellung für den Kriegsfall kannte er genau (hüben wie drüben).
Das fehlende Feindbild der USA im Pazifikraum nimmt mir von nun an alle Ängste und lässt mich entspannt meine Reise ins Land der Mitte und nach Taiwan planen. Danke, Erich Vad…
@ Kindly Old Gentleman 12.04.2024 um 8:05 Uhr
Ich finde ihre Zustandsbeschreibung wirklich treffend. Sie warnen vor westlichem Wunschdenken über Russland, welches leider immer noch nicht überwunden scheint. Das muss auch immer wieder klar angesprochen werden. Begrenzter militärischer Sachverstand zum Thema Russland war und ist sehr, sehr gefährlich.
@ Kindly Old Gentleman und @ T.W.
Richtig ist, das die allzu persönliche Ebene und der Bezug zu den genannten Wissenschftlern durch @ Kindly Old Gentleman nicht besonders zweckmäßig ist. Es ist in diesem Blog nicht notwendig und kann/sollte an anderer Stelle geäußert werden
Meine (gefühlte) Wahrnehmung der Experten bis einen Tag vor Kriegsbeginn war:
1. Russland greift nicht an.
2. Wenn Russland angreift, verliert die UKR
3. die Niederlage erfolgt binnen 3 Wochen
Für 1. und 3. lagen die meisten Experten falsch. Wer kann Referenzen für Experten aufbieten die in beiden Punkten richtig lagen? Das ist keine Ironie, würde mich wirklich interessieren.
Zu 2.: ist noch nicht entschieden.
Allen Geheimdienstlern, Journalisten und (ehemaligen) Militärangehörigen und so manchem Kommentator hier empfehle ich sehr ernsthaft das Buch ‚Superforecasting‘ von Tetlock (S. Fischer Verlage). Absolut genial, es hat mein Verständnis für die Welt erhöht und meine Zuversicht auf gute Prognosen von (vermeintlichen) Experten UND mir stark reduziert.
@ Kindly Old Gentleman
Es stimmt schon, viel Aufmerksamkeit für fragwürdige Experten. Politiker, Militärs, auch einige Wissenschaftler. Mancher (hier gem Hausherren nicht konkret aufzuführen, gar persönlich anzugehen…) hat sich nie intensiver mit der Ukraine oder mit Russland beschäftigt und verfügt nicht über entsprechende Landes- oder Sprachkenntnisse. Das hindert manchen „Experten“ nicht, Thesen zum russischen Angriffskrieg öffentlichkeitswirksam zu verbreiten. Oft geschieht dies zu rasch, oft getrieben, von politischen oder medialen Tendenzen.
Manchen Akteuren wird angesichts ihrer aktuellen oder früheren Tätigkeit im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik von der Politik, der Bundeswehr und der Öffentlichkeit ein Expertenstatus und daher Glaubwürdigkeit zugeschrieben. Allerdings wenn nun Gutachten, Vorträge und Bücher von ‚Experten‘ mit einem soliden, gar wissenschaftlichen Anspruch daherkommen, ohne sich tieffgründig mit Russland, mit Putin oder mit der ukrainischen Gesellschaft beschäftigt zu haben, dann ist das nicht gewinnbringend. Es bedient leider ohne oder mit wenig Substanz gewünschte Narrative, so wünschenswert diese auch sind.
Ein ergänzender Aspekt. Die zugängliche militärwissenschaftlichen Literatur Russlands. Liest das jemand? Wie wertet man dies aus?
Beispiel:
Das russische militärische System versteht sich selbst als „lernendes System“ Das wird in der Bundeswehr völlig ungefertigt verleugnet, oft einfach aus dem Grunde, weil nicht sein kann, was man nicht will. Es wurden in Russland bereits Lehren gezogen und Fähigkeitsentwiclung aber auch in die Ausbildung integriert. Viele der im Krieg gegen die Ukraine erkannten Probleme wurden zumindest teilweise behoben. Auch strukturelle Probleme wurden in Russland erkannt und in der russische militärwissenschaftlichen Literatur behandelt.
Doch das Schlachtfeld zeigt. Lernen ist ein russsicher Anspruch, die Umsetzung ist oft eben auch nicht vorhanden. Der Ukraine gelingen beachtliche Erfolge!
Auch auch die Gefahr hin, dass es unter den OT-Bann fällt: auf wirtschaftlichen Seite sind ziemlich deutliche Stress-Sympthome zu erkennen. Das wirtschaftliche Potenzial ist nicht so golden, wie es die Propaganda zeichnet. Insbesondere die Finanzsanktionen scheinen derzeit zu kneifen nach dem auch türkische, chinesische, kasachische . . . Banken russische Kundschaft meiden. Die inländischen privaten Devisenguthaben werden nach Kräften mobilisiert. Nach der schon früher eingeführten (Teil-) Ablieferungspflicht für die Exporteuere wurden letzte Woche die Konditionen stark in Richtung Tausch von Devisen- in langfristige Rubelguthaben verändert (erstere werden für die Banken teurerer durch deutlich höhere Prämien für die Einlagenversicherung), Rubelguthaben länger als 3 Jahre werden dagegen von Kosten befreit. Es gibt offenbar Devisenmangel und dass wohl nicht zuletzt, weil die Umwege von Dubai über Iran und Zentralasien einfach teuer sind; zuviele Zwischenstationen die jeweils bezahlt werden müssen. Auch die meisten „befreundeten“ Staaten wollen am Ende Dollar oder Euro sehen.
Parallel dazu läuft die Umverteilungskampagne auf Unternehmensebene bei denen einstmals privatisierte Unternehmen unter verschiedensten Vorwänden erneut verstaatlicht werden um sie dann den Parteigängern des Systems zuzuschustern. RBC hat kürzlich ausführlich darüber berichtet. Offenbar macht Putins System nicht mehr genug frische (bnetto) Beute um alle Funktionäre zu bedienen und kaschiert diesen Mangel durch interne Umverteilung was auf eine Art „Reise nach Jerusalem“ innerhalb der Elite hinaus liefe. Das könnte noch spannend werden.
@all
Angesichts der ganzen „gefühlten Wahrheiten“ über „fragwürdige Experten“ empfehle ich zur Lektüre
https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/02684527.2024.2330133?src=exp-la
und schlage vor, das Thema jetzt hier zu beenden.
@ T.Wiegold 12.04.2024 um 12:00 Uhr
„@all
Angesichts der ganzen „gefühlten Wahrheiten“ über „fragwürdige Experten“ empfehle ich zur Lektüre
https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/02684527.2024.2330133?src=exp-la
und schlage vor, diese Desinformationskampagne jetzt hier zu beenden.“
Gute Lektüre, guter Vorschlag und doch:
Ihre Bewertung: „Desinformationskampagne“ ist meiner Meinung unangemessen.
Hier äußern sich sehr wahrscheinlich keine Putintrolle. Ich sehe eher das Gegenteil. Blogger, welche sich sorgen, dass ausreichend und echte Expertise in allen Bereichen unserer Gesellschaft vorhanden ist.
Harsche, zugespitzte Bewertungen wurden abgeben. Unzulässig ist solche Kritik jedoch nur bedingt. Es es ist selbstverständlich ihr Recht als Betreiber des Blogs dies zu bemängeln, zu kritisieren, gar auszuschließen. Eine Desinformationskampagne ist es für mich nicht.
In meinen Ausbildungsunterlagen steht: „Irreführende und falsche Informationen werden nur dann zu einer Gefahr, wenn sie das Ziel haben, Menschen vorsätzlich zu täuschen oder zu beeinflussen und deshalb gezielt verbreitet werden.“ Davon ist doch hier nicht auszugehen.
[Wie Sie vielleicht gesehen, habe ich den Begriff korrigiert bzw. rausbekommen. T.W.]
Y-998201
Ich sehe Russland auch nicht zerbrechen. 100 Jahre Russifizierung und Diskriminierung sind ja wirkungsvoll.
Wie andere und ich hier jetzt schrieben, nach Atomschlagangst jetzt die Machtvakuumangst (mit ein bisschen Atomangst wegen umhervagabundierender Atomwaffen).
@ Kindly Old Gentleman
„Man hat ja auf den raschen Erfolg der Ukraine gesetzt.“
echt jetzt? Wie kommt man zu solch einer Schlussfolgerung?
braucht man dafür „sehr gute Einblicke und einen großen Erfahrungsschatz“ und wo kann man die kriegen?
Ich komme genau zu gegenteiligen Einschätzungen: Man hat zunächst auf eine schnelle Kapitulation der Ukraine gesetzt (samt deutscher Ex Generäle Kujat und Vad). War eben so die Einschätzung, ok jeder macht Fehler. Seit dem gibt man der Ukraine nur so viel, dass sie gerade so nicht komplett verliert, unser Bundeskanzler hat offensichtlich Angst vor einer russischen Atom Eskalation. Alle militärischen Lieferungen wurden oft monatelang, manche schon jahrelang diskutiert und zerredet. Dann irgendwann monatelang angekündigt. Genau DAS hat Russland oft die Zeit gegeben sich darauf vorzubereiten.
Das war nur das Militärische, zu den Sanktionen und deren nichtmal halbherzigen Durchsetzung siehe oben.
Wenn ich auf einen schnellen Sieg der Ukraine setze, MUSS ich anders handeln, man könnte sagen SCHNELL handeln. Gemacht wurde das Gegenteil. Ob das sinnvoll war? Keine Ahnung, vielleicht hat es uns ja den Atomkrieg erspart.
Putin Russland ist mit dem menschenverachtenden Kriegsverbrecher Putin an der Spitze, mit praktisch unbeschränkter Macht ausgestattet, eher konventionell gefährlicher geworden, weil schlichte Masse. Russische Gesellschaft braucht wohl diese Leidensfähigkeit im Selbstverständnis. Gewinnen kann Russland so aber eh nicht mehr, demografisch ist das Land geliefert.
Artikelüberschrift: NATO-Oberbefehlshaber: „Russland stärker, tödlicher, wütender“ als zu Beginn des Kriegs gegen die Ukraine. Dies suggeriert einen gegenwärtigen Zustand.
Christopher G. Cavoli hat aber gesagt: „Regardless of the outcome of the war in Ukraine, Russia will be larger, more lethal, and angrier with the West than when it invaded.“ Das ist aber eine Einschätzung, die Zukunft betreffend.
Neben dem Unterschied, die Zeit betreffend sticht ins Auge „Russland stärker“ vs. „Russia will be larger“. Ich bin mir sicher, T.Wiegold möchte dazu noch etwas sagen.
MrDiversity sagt: 12.04.2024 um 9:37 Uhr
[Ok, also der Zugführer 1988 an der innerdeutschen Grenze hatte kein Feindbild (egal ob T-72 oder Leo 2)? Aber seine Stellung und Ausweichstellung für den Kriegsfall kannte er genau (hüben wie drüben).]
Ja — ist so! Ich war damals bei der GDP-Erkundung unserer Stellungen, das Verbandsabzeichen (FlaRgt 5, Lorch/Rheingau) am Bully war abgeklebt. Wir hatten damals einen potentiellen Gegner — aber keinen Feind und kein Feindbild. Shades of grey. Sonst hätte es auch keine Wiedervereinigung gegeben… Ab 1994 dann in Basepohl.
Ansonsten guter Beitrag, danke.
VG, NG.
Kindly Old Gentleman sagt: 12.04.2024 um 9:33 Uhr
…und einen großen Erfahrungsschatz…
Tucholsky sagt: Erfahrung bedeutet garnichts. Man kann auch 20 Jahre lang etwas falsch machen…
VG, NG.
Ich denke, anders als hier viele Kommentatoren, ist es nicht vordringlich, was der eine oder andere Experte gesagt hat oder sagt, ob die Strategie der Russen verstanden, oder ob die russische Armee lernfähig ist oder nicht. Die Bedrohung durch Russland ist real.
Wir haben in Deutschland kein grundlegendes Wissensproblem oder Wissensdefizit hinsichtlich der russischen Bedrohung, im Grunde ist sich die gesamte ernst zu nehmende Sicherheitspolitik-Community einig, es ist ein Umsetzungsproblem:
der grundlegende Punkt ist, dass endlich die deutsche Regierung begreift, was die Stunde geschlagen hat und was jetzt notwendig ist. Endlich die notwendigen Waffen / Ausrüstung für die BW und die UKR zu bestellen und damit der Industrie eine langfristige Perspektive geben, ihre Kapazitäten massiv und rasch auszubauen. Die industrielle Basis hierfür ist vorhanden. (Die notwendigen begleitenden Maßnahmen brauche in in diesem Forum nicht im Detail beschreiben.) In einer solchen Situation auf die Schuldenbremse zu zeigen ist unverantwortlich.
Es liegt in unserem nationalen Interesse, dass die UKR nicht von Russland besiegt wird.
Wenn die Ukraine fällt, werden weitere Angriffe folgen. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis Staaten direkt betroffen sein werden, die NATO-Mitglieder sind.
Die andere Frage ist, wie lange die Friedensbewegten noch die Augen vor Putins multihybrider Kriegsführung verschließen wollen. Oder glaubt jemand, Putin/PMC Wagner wäre in der Sub-Sahararegion an Stabilisierung interessiert? Damit die Flüchtlingsströme Richtung Europa geringer werden?
Wovon träumen manche eigentlich nachts?
@WielanddS
warum nicht weiter auflisten?
4. sanktionen werden wirken
5. isolation wird wirken
6. russland wird den krieg verlieren (zumindest bis juli 23 war das die meinungsmache in den medien).
@ResOffz
>Das vorab gesagt, sehe ich aber nicht wirklich eine „lernende Organisation“ in der russischen Armee. Die >russischen Offensivoperationen beschränken sich nach wie vor auf menschliche Wellen mit >Artillerieunterstützung.
hören Sie sich den vortrag von Oberst Markus Reisner an der UniBw, insbesondere was in den ersten 6 monaten passiert ist: https://www.youtube.com/watch?v=xnQIYdBkoV0
>Die russische Luftwaffe ist bis heute nicht in der Lage die Luftherrschaft über der Ukraine zu erreichen.
wir schaffen es auch nicht dort ein schutzschirm zu errichten.
Cavolis 2024 Posture Statement to Congress ist eine 180grad wende bei den prognosen über die russische kriegsfähigkeiten, insbesondere denen vor der gegenoffensive, auch hier im Sicherheitshalber-podcast sprach eine poln. expertin von notwendigen 3-5 jahren für den wiederaufbau der verlorenen kapazitäten in russland.
was kommt als nächstes?
@Zivi.a.D
„…nicht zuletzt, weil die Umwege von Dubai über Iran und Zentralasien einfach teuer sind; zuviele Zwischenstationen die jeweils bezahlt werden müssen. Auch die meisten „befreundeten“ Staaten wollen am Ende Dollar oder Euro sehen.“
Damit haben Sie natürlich Recht, Wenn ich aber an die Teile in russischen Raketen denke finde ich schlicht, dass das nicht reicht!
@kritischer Soldat:
„Das russische militärische System versteht sich selbst als „lernendes System““
Ach wirklich? welche überraschung. Ich würde erwarten, dass kein Militär der Welt sagt: „so wird gekämpft und nicht anders und wir werden nie etwas dran ändern.“
Was die menschlichen Verluste angeht, hat das mit dem Lernen seit dem Ende der UDSSR wohl nicht allzu gut funktioniert.
Ich hoffe inständig, dass sogar die Bundeswehr sich auch als lernend versteht….der Donaustahl Chef sieht da wohl aktuell keine Anzeichen….
Also kein Disput über Experten. Doch dann bitte über militärischen Sachverstand zum Thema Russland im Hause BMVg und der Bundeswehr. Also militärische Feindaufklärung. Es fehlt an gebildeten und ausgebildeten Köpfen zu diesem Thema. Nötig wäre eine umfassende Feindlagebeurteilung (Bewertungen zu den Absichten und Fähigkeiten potenziell feindlicher Potentiale) abzugeben,mit Ableitungen und Prioritätensetzungen,was ist wirklich wichtig, was eher nicht, wie z.B. Fähigkeitsforderungen und Folgerungen zur Struktur. Themen zu denen sich militärische Feindaufklärung unbeschränkt, unverstellt, und unabhängig einbringt. Auch da, wo es unbequem ist.
Die Bedeutung der Feindaufklärung, Informationen und Einschätzungen zur Armee Russlands sollte endlich „kriegstauglich“ sein. Wie wäre es mit einem Analyse- und Strategiezentrum Russland?
Wir wissen doch alle, Russland ist eine Regionalmacht, keine Supermacht.
https://www.theguardian.com/world/2014/mar/25/barack-obama-russia-regional-power-ukraine-weakness
Steht doch sogar in der Zeitung!
Weitermachen, gibt nix zu sehen. Die russischen LNG Tanker rollen wie gewohnt von Sibirien nach NL, Belgien, Frankreich und Spanien. Damit hier das Licht (die Heizung) nicht ausgeht. Da bekommt die Wärmepumpenphobie einen (welt-)politischen Spin.
Nehmen wir den Bericht von General Cavoli doch ganz einfach als das, was er ist. Ein deutlicher Weckruf an die verantwortlichen Politiker aller NATO-Mitgliedsstaaten, den Worten such endlich Taten folgen zu lassen.
Ich bin da skeptisch, daß dieser Bericht etwas bewirkt. Wie schon zur Krim-Annexion wird er zur Kenntnis genommen. Eine wartende Stimme, die einfach verhallt. Denn die richtigen Konsequenzen wären unbequem und kostenintensiv.
Der Punkt ist halt: Auf „Experten“ wird nirgendwo gehört. Nirgends.
@ T.W.: Das erklärt doch sehr plastisch, dass es an Warnungen und realistischen Einschätzungen nicht gefehlt hat, diese nur nicht auf die politische Ebene durchgedrungen sind. Und hier werden ja nur öffentliche Statements genannt und auf die „üblichen Verdächtigen“ verwiesen. Der Artikel liegt eh bei mir auf dem Lesestapel – ebenso wie andere Analysen zum Thema „Zeitenwende“, „Preparedness“ und „Forecasting“.
„Superforecaster“ ist übrigens guter Lesestoff, wenn auch im original ja schon älteren Datums (2015). Ich kenne aber auch seit Jahren die Debatte in der deutschen Community zu dem Thema der strategischen Kultur und finde vieles methodisch eher dünn. Denn letztlich sind ex-ante Betrachtungen immer unscharf und selbst 99% Eintrittswahrscheinlichkeit bedeutet keine Realität, genauso wie eine 1% Eintrittswahrscheinlichkeit Realität werden kann … und je nach Risikoplanung auch 1% erschreckend hoch sein kann. Am Ende ist das statistische Verständnis und eine möglichst große Abdeckung möglicher Faktorladungen und Effektoren in der Datenzusammenstellung entscheidend für eine hohe prognostische Validität. Aber rein quantitative Test- und Schätzverfahren wie PSM oder DID (was z.B. die OSCE oder die International Crisis Group früher für strategische Reports genutzt hat) haben selbst bei mixed methods Ansätzen eine gewisse Unschärfe.
Deshalb hat man ja in der Regel mindestens 3, besser 7 Szenarien für einen Fall in einer klassischen (quasi linearen) Simulation (ohne irgendwelche Dark Horses o.ä. und ohne Fuzzy QCA).
Das aber nicht-statistisch gebildeten Menschen zu kommunizieren ist ohne massive Simplifizierung im politischen Raum schwierig, im gesellschaftlichen fast unmöglich.
(PSM, DiD und Fuzzy QCA bezieht sich auf verschiedene klassische Analyse-Schemata – grob gesagt von einer reinen Zahlenlehre und Betrachtung von statischen Größen über die Analyse der Unterschiede von unterschiedlichen Fällen in Form von Vergleichen bis hin zu qualitativen Analysen mit Unschärfen und multiplen Betrachtungen. Als Lesetip:
Charles C. Ragin: The Comparative Method: Moving beyond Qualitative and Quantitative Strategies. Berkeley: University of California Press, 1987.)
Zurück zum Thema … wobei das grad gesagte eigentlich des Pudels Kern trifft. Klar definierte Ziele und abgeleitete Handlungsempfehlungen wie Szenario-Papiere sind auch jetzt zuhauf auf Tischen der Entscheider in Berlin. Und sie sind im halb-öffentlichen und öffentlichen Raum zu finden. Aber man muss wissen, wozu man diese Instrumente nutzen will und was der „desired endstate“ ist. Und „Spiel auf Zeit“ hört niemand in Kyiv gern …
Nächstes Jahr ist dann die Situation und die KI (LLMs oder was auch immer) wahrscheinlich so weit, die Meinung der Experten – auch hier im Blog – systematisch mal in einer ausführlicheren Analyse mit der Realität abzugleichen. Viel Wunschdenken, wenn nicht sogar Propaganda auf vielen Seiten.
@ TW: vielen, vielen Dank für diese Referenz.
@WielanddS
Nach meinem Eindruck hatte man sich Anfang 2022 nur in Deutschland verbreitet auf die Annahme festgelegt, dass Russland nicht angreifen werde. Im angelsächsischen Raum oder auch in Osteuropa herrschte m.E. hingegen eher die Annahme vor, dass Russland wahrscheinlich angreife werde. Manche dieser Stimmen lagen nur zufällig richtig, aber rückblickend lässt sich erkennen, dass einige tatsächlich die russische Entscheidungslogik besser verstanden hatten. Daraus sollte man auch in Deutschland Lehren ziehen.
Was die Annahmen 2 und 3 angeht (rasche ukrainische Niederlage), so ist mir niemand bekannt, der es damals anders gesehen hätte. Rückblickend betrachtet war die Ursache des Prognosefehlers m.E., dass fast niemand die Schwächen der russischen Strategie und Lagebeurteilung zu Anfang des Krieges bekannt waren. Wenn die Russen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Kräften angegriffen hätte, wäre der Krieg wohl tatsächlich rasch vorbei gewesen. Man kann daraus lernen, in Szenarien zu denken und zu bedenken was alternativ geschehen würde, falls sich bestimmte Annahmen als unzutreffend erweisen. Auch dann hätte aber wohl niemand zu Beginn des Krieges einen langen Krieg für das wahrscheinlichste Szenario gehalten.
Ei, Ei..
Zum Thema Entwicklung nach dem kalten Krieg in der öffentlichen und auch politischen Wahrnehmung:
Wenn man einen Zeitpunkt nennen will an dem wirklich noch alles uneingeschränkt Friede, Freude, Eierkuchen war, dann ist das Ende 1994, Anfang 1995.
Ich kann mich (als Segelflieger) an die Flugkarten von damals erinnern mit den noch eingezeichneten russischen Luft-Sperrgebieten in der Ex-DDR. In den Karten von 1995 dann nicht mehr, Abzug der russ. Truppen war August 1994.
In der Tat, das liegt lange zurück.
Damals 1994 war es noch möglich das die supergeheimen russischen „Bear“-Bomber auf Einladung an einer britischen Airshow teilnahmen ( ich war als Besucher da ). Grosses Brimborium im TV da BBC Filmteam on Board auf dem Flug von Moskau aus…
Aus heutiger Sicht unfassbar…
Noch irgendwann Anfang der 2000er Jahre kamen bspw. in der US Serie „Stargate SG1“ russische Kampfflugzeuge zu Hilfe als es gegen die Aliens ging.
Wer die US Filmindustrie kennt der weis das so etwas nur geht wenn die öffentliche Meinung zumindest nicht anti-russisch ist…
Und so irgendwann ab Mitte der 2000er war dann nicht mehr alles Friede, Freude, Eierkuchen… Russland ist im Ausland immer stärker vernichtend eingestiegen.
In der öffentl. Wahrnehmung wurde da vieles verdrängt, auch von mir muss ich zugeben…
Höhepunkt war die Aktion 2014 mit der Krim-Übernahme im geheimen Handstreich. Im Grunde genial wenn man mal ehrlich ist. In den Jahren danach Erichtung der Krim-Brücke zur Absicherung des Nachschubs aus Osten.
Ob der Durchbruch ab Feb. 2022 zur Sicherung der Landbrücke von Westen jetzt zwingend nötig war ?
Ich bin sicher da gab es Vorbehalte. Aber wenn der grosse Führer das so entscheidet gibt es eben kein Zurück.
Grösster Nachteil des „Westens“ sind übr. die Lager des ehemaligen Warschauer Pakts. Millionen an Granaten, Zehntausende von Panzern.
Es mag schon richtig sein das das Zeug alt und teilweise marode ist. Aber völlig neu produzieren dauert ungleich länger…
Und westl. Entscheidungen sind teils unsicher und können sich ändern. Ein Diktator tut sich da leichter…
Und was die bekannten Experten wie z.B. die Professoren Masala & Neitzel betrifft:
Die haben eig. immer auf den betrauernswerten Zustand der BW nach 2000 hingewiesen. Da kann man ihnen wirklich keinen Vorwurf machen.
Das Problem was man hat in einer Friede, Freude, Eierkuchen-Zeit ist die Rechtfertigung der ungeheuren Rüstungs-Ausgaben die dann unangemessen erscheinen. Andere Resorts wie Familie oder Soziales bekommen dann natürlich mehr. Und im Wahlkampf war das eine win/win Situation. Völlig nachvollziehbar…
@kindly old gentlemen:
Masala hat sehr früh, also schon März 2022 eine massive UNterstützung der Ukraine mit Artilleriemunition (Taurus), Geschützen, Panzern, Flugzeugen ets. ppp. gefordert, damit die Ukraine eine Chance gegen die größere Armee hat.
@WielandS:
die 3 Wochen beziehen sich auf eine Niederlage der Ukraine, ergo haben Experten wie Vad und Wagenknecht ganz ganz tief ins Klo gegriffen.