Rotes Meer: „Hessen“ als Geleitschutz, bewaffnete Kommandos auf Handelsschiffen

Die Bundeswehr will in einem EU-Einsatz im Roten Meer Handelsschiffe unter anderem mit Flugabwehr im Nahbereich und bewaffneten Soldaten an Bord der Frachter vor Angriffen der Huthi-Milizen aus dem Jemen schützen. Marineinspekteur Jan Christian Kaack nannte die Details zur deutschen Beteiligung an der geplanten EU-Mission Aspides, die voraussichtlich im Februar zunächst von den EU-Außenministern beschlossen und dann vom Deutschen Bundestag gebilligt werden soll.

Die EU-Operation, die sich bereits seit Wochen abzeichnet, soll unter griechischem Kommando stehen und von einem Kommando in Larissa/Griechenland als Operatives Hauptquartier (OHQ) geführt werden. Die EU will dafür jeweils zeitgleich drei Kriegsschiffe entsenden. Die europäische Mission soll die bereits bestehende US-geführte Operation Prosperity Guardian ergänzen; im Unterschied zu den USA und Großbritannien planen die Europäer allerdings keine Angriffe auf Raketenstellungen der Huthi in Jemen selbst.

Der Marineinspekteur äußerte sich am (heutigen) Freitag zu den Einzelheiten der deutschen Beteiligung an der Operation Aspides (nach dem altgriechischen Wort für Schild, Aspis, in der Mehrzahl) in einem Video der Bundeswehr (s. unten):

Frage: Wir kommen direkt zum Thema Rotes Meer. Da erreichen uns nämlich auch wirklich sehr viele Zuschauerfragen, zum Beispiel, wann wird die Marine da etwas machen? Also, einige Nationen schicken Marineverbände ins Rote Meer. Welche Beteiligung wird es durch die Deutsche Marine geben?

Kaack: Ja, die schnelle Antwort auf die Frage nach dem Ob einer deutschen Beteiligung kann ich so beantworten: Die Deutsche Marine steht bereit, sich an der EU-Operation Aspides zum Schutz der Handelsschiffe im Roten Meer zu beteiligen. Das hängt naturgemäß von einem Mandat des Deutschen Bundestages ab. Dies erwarten wir nach nach jetziger Sicht nach dem Abschluss der Verhandlungen zur EU-Operation etwa Ende Februar. Unser Beitrag wird dann bereits im Seegebiet stehen.
Wir haben uns viel Gedanken gemacht nach einem Wie können wir uns beteiligen? Und in meinem militärischen Ratschlag im Dezember an den an den Generalinspekteur habe ich vier Vorschläge gemacht.
Das erste ist: Stabspersonal, sofort; unsere Fachleute für Konvoi-Planung und Konvoi-Begleitung, sofort; Marineinfanteristen zum Schutz an Bord von Handelsschiffen, sofort; und eine Verbandsflugabwehrfregatte sehr zeitnah.
Da wir dort in einen scharfen Waffengang gehen, davon muss man ja ausgehen, nach allem, was man dort sieht, kommt hier nur eine Einheit, ein Schiff in Frage, dass sich durchsetzen kann von ihrer Bewaffnung und dessen Besatzung 100 Prozent ausgebildet ist, um mit dieser Bedrohung umgehen zu können.
Die Fregatte Hessen, die wir ausgewählt haben, ist darauf vorbereitet. Sie ist unser Goldstandard sozusagen, wenn ich das mal so sagen darf. Sie kommt aus der aktiven Führung einer Very High Ready Joint Taskforce Maritime. Was sie besonderes hat, ist, dass ihre Radaranlagen und Waffen optimiert sind auf genau einen solchen Fall. Sie hat Radaranlagen an Bord, die etwa 400 Kilometer Reichweite haben und damit auch kleinste Kontakte aufnehmen können. Im Schutz kann sie auf drei Arten wirken. Sie kann sich neben einen Handelsschiff stellen, so dass alles, was anfliegt, quasi von der Fregatte ausmanövriert wird und mit Rohrwaffen oder dem Flugkörper Rolling Airframe Missile auf bis zu zehn Kilometer bekämpft werden kann. In einem größeren Ansatz, um mehrere Schiffe zu schützen, kann sie den Evolved Sea Sparrow Missile mit einer Reichweite von über 50 Kilometern einsetzen und darüber hinaus den Flugkörper Standard Missile 2 mit einer Reichweite von etwa 160 Kilometern.
Bleibt die Frage, warum gehen wir da eigentlich runter?

Frage: Ist mir jetzt auch durch den Kopf geschwirrt, gerne.

Kaack: Das ist eigentlich ziemlich einfach zu beantworten: Deutschland und Europa sind absolut abhängig von sicheren Seewegen. 90 Prozent des Handels gehen über die Seewege. Das Rote Meer und der Suez-Kanal ist die zweitwichtigste Wasserstraße der Welt. Was passiert, wenn diese gesperrt sind, haben wir mit der Ever Given vor drei Jahren erlebt. Völliger Stillstand der Industrie in einigen Teilen, und zur Zeit sehen wir es auch. Tesla hat seine Produktion hier im deutschen Werk einstellen müssen, weil die Lieferketten eben nicht mehr funktionieren.

Während der Einsatz von Waffen der Hessen auf die Abwehr anfliegender Raketen, Marschflugkörper und Drohnen begrenzt bleiben soll, werden die Aufklärungsradare der deutschen Fregatte einen deutlich weiteren Bereich abdecken: Die genannten 400 Kilometer Reichweite erfassen auch Teile des Jemen. Angesichts eines absehbaren Austauschs der Lagebilder auch mit der US-Mission hat der deutsche Einsatz damit voraussichtlich auch Bedeutung über die EU-Operation hinaus.

Die Beschlussfassung der EU ist derzeit für spätestens den 19. Februar vorgesehen. Danach muss zunächst das Bundeskabinett den Einsatz der deutschen Fregatte formal beim Bundestag beantragen. Wenn das Parlament darüber noch im Februar entscheiden soll, werden voraussichtlich die Bundestagsfraktionen einer beschleunigten Befassung zustimmen müssen. Allerdings, das machte auch der Inspekteur deutlich, soll die Hessen dann schon fast vor Ort sein – sie wird in der kommenden Woche auslaufen und ihren Transit durchs Mittelmeer Richtung Suez-Kanal bereits hinter sich haben, wenn im Bundestag die Entscheidung fällt.

Das komplette Video mit dem Gespräch mit Kaack:

(Grafiken: Deutsche Marine/Screenshot aus dem Video)