Marineinspekteur zu den Plänen fürs neue Jahr – und zu Sorgen mit der Munition
Noch was fürs Archiv: Die Rede, die Marineinspekteur Jan Christian Kaack bei der diesjährigen Historisch-Taktischen Tagung der Marine (HiTaTa) gehalten hat, legen wir mal auf Wiedervorlage. Da sind einige Punkte drin, die dieses Jahr noch sehr interessant werden, nicht zuletzt die angekündigten Versuche mit Drohnen – Unterwasser und in der Luft Sea Guardian oder Heron TP.
Und auch ein ganz aktuelles Problem sprach Kaack an: Wenn die Fregatte Hessen, wie absehbar, in nächster Zeit in einen Einsatz zum Schutz der Handelsschifffahrt im Roten Meer geschickt wird – wie sieht es da mit ihrer Munition aus? Aus der Rede:
Auch im Bereich der Beschaffung von Munition sind wir leider noch nicht da, wo wir hinmüssen. Allein mit Blick auf die aktuellen Munitionsverbräuche unserer Partner bei der Operation Prosperity Guardian mache ich mir große Sorgen um die Durchhaltefähigkeit unserer Einheiten – und bei den Aktivitäten im Roten Meer sprechen wir noch nicht von LV/BV!
Die ganze Rede zum Nachlesen, hier oder in der Sicherungskopie:
20240111_Rede_InspM_Kaack_HiTaTa
@ Pio-Fritz 13:32
Genau das ist die einzig sinnvolle Lösung: Hinreichend genormte/einheitliche Ausstattung und viel gemeinsames Üben, um im Einsatzfall interoperabel zu sein und die Logistik (!) einheitlich zu haben, das die Industrie im Fall der Fälle schnell Mengen Liefern kann.
Alles andere sind weltfremde Utopien – niemals wird irgendein Land (nein, nicht einmal NDL!) seine Armee/Marine/Luftwaffe vollständig einer anderen Nation unterstellen.
@ lukan
„Es braucht wohl ein neues Bewusstsein dafür, dass man sich so einen Quatsch irgendwann einfach nicht mehr leisten kann – jedenfalls nicht, wenn man langfristig noch eine größere Rolle spielen will.“
Ja, ich hoffe, es ist dafür nicht bald zu spät.
Der Vollständigkeit halber zur Info, wie das in UK aussieht:
https://ukdefencejournal.org.uk/britain-has-zero-active-naval-supply-ships-for-first-time/
@ T.W.
Es ist fast überall so.
Nur leider nicht in den Ländern, die unsere größte Herausforderung in den kommenden Jahrzehnten werden.
In Europa denkt man immer noch, man könne inernationale Konflikte national lösen. Aber dafür sind die europäischen Staaten viel zu klein und unbedeutend geworden.
An den Hausherrn : …. danke für den Link. Wenn ich ausnahmsweise „scherzhaft“ dazu Stellung nehmen darf, würde es mich nicht wundern, wenn die britische Marine sich nicht
mit „traditionellen“ aber etwas modernisierten Methoden zu helfen weiß, um Ihre Schiffe zu Bemannen. Kurzfristig könnte ich mir Innenpolitiker vorstellen die die heimischen Admiräle unterstützen, wenn es sehr ernst würde.
Der „Hartpunkt“ meldet das die Option für 2 weitere F126 (5. und 6. Schiff) gezogen wird bevor die Preisbindung ausläuft.
@T.W.
Danke für den Link. Es mag ein Trost sein, dass Regierungen anderer Nationen es auch nicht besser machen. Es kann uns aber nicht froh stimmen, ausgerechnet mit den BREXIT-Briten vergleichbar zu sein.
@Meerjungfrau-Mann
„Klar ist mit einem FK auf eine Drohne schießen wirtschaftlicher Wahnsinn. Aber Streitkräfte wirtschaftlich zu organisieren ist genau das, was uns zu diesen Problemen geführt hat. Streitkräfte können aus meiner bescheidenen Sicht niemals wirtschaftlich sein.“
Streitkräfte können nicht wirtschaftlich sein. Aber Streitkräfte, die wirtschaftliche Überlegungen außer acht lassen, sind Verlierer.
Die japanische Marine hat WK2 mit den größten Schlachtschiffen, der größten Zahl einsatzbereiter Flugzeugträger, den schnellsten und bestbewaffneten Zerstörern, den bestausgebildeten Besatzungen begonnen. Nach anderthalb Jahren hat sie dann verzweifelt ein Crashprogramm aufgelegt, um so etwas bauen zu lassen:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/39/IJN_No2_escort_vessel_in_1944.jpg
Die Entwürfe der Werften wurden immer wieder als zu teuer und zu kompliziert erkannt, weil man eigentlich viele hundert benötigt hätte. Eigentlich.
(Nein, ich schreibe das hier nicht, weil die Bundeswehr Kaibōkan kaufen soll.)
Würde der Bundesmarine befohlen, Schiffe im Roten Meer vor den Huthis zu schützen, dann würden die Huthis binnen 3 Wochen gegen die Bundesmarine gewinnen. Weil die Bundesmarine nach 3 Wochen nichts mehr hätte, was sie verschießen kann. Würde die Bundesmarine hingegen so ausgestattet, wie es in diesem Forum häufig gefordert wird, würden die Huthis binnen 3 Monaten gewinnen. Oder vielleicht 5.
Eine Sandalentruppe von 20000 Mann. Drumherum mag sich mittlerweile aus opportunistischen Gründen noch eine größere Zahl von Mitläufern gruppiert haben, aber eine Sandalentruppe von 20000 Mann ist der harte Kern. Dagegen kann die Bundesmarine nicht wirklich etwas unternehmen. Auch wenn man ihr morgen 50 Milliarden extra gäbe, könnte sie das nicht. Sie könnte es nicht, weil sie für die 50 Milliarden Dinge beschaffte, die nicht weiterhelfen.
In den letzten Jahrzehnten sind manche Produkte um absurde Größenordnungen teurer geworden, insbesondere alles, was ein staatliches oder militäramtliches Zertifizierungsverfahren durchlaufen muß. Gleichzeitig sind viele Dinge um absurde Größenordnungen billiger geworden. Wenn Sie Ihr Smartphone aus der Tasche ziehen, halten Sie die Rechenleistung eines raumfüllenden Supercomputers in der Hand, mit dem die NASA die Berechnungen für das Space-Shuttle-Programm startete.
Die Bundeswehr befindet sich deshalb in einem Rennen, das sie nicht gewinnen kann. Jedes Jahr werden die Möglichkeiten billiger und besser, Abstandswaffen mit (für unsere heutige Vorstellungswelt) simpler Technologie zu schaffen. Vor 20 Jahren wäre diese Technologie keineswegs simpel gewesen, aber sie steht heute zur Verfügung. Autopilot für Raspberry Pi ist eine Aufgabe für pfiffige Oberstufenschüler. Die Bundeswehr wird noch ein Jahrzehnt brauchen, sich an diese heutige Entwicklung anzupassen. Bis dahin ist hochgenaue Trägheitsnavigation ein Billigprodukt. (Von einem südafrikanischen Avionik-Hersteller kann man bereits für 1800€ Fluglagesensoren kaufen, die in eine Hand passen und neben anderem 3 Sagnac-Interferometer enthalten, winzige Faserkreisel.)
Die Protokolle, auf denen heute die „Internet“ genannten Netze basieren, entstanden so: Ein Raum voll Doktoranden und frischgebackener Informatiker war von der ARPA eingeladen worden. Man saß in einem Raum und wartete darauf, daß jemand von ARPA auftauchen würde und erzählt, was man tun soll. Kam aber keiner. Weil noch niemand jemals ein Netz gebaut hatte, das konnte, was man haben wollte, war den Leuten von ARPA nämlich völlig unklar, wie man beginnen solle.
Zur Bekämpfung der Langeweile hat das Grüppchen junger Leute einfach schon mal selbst was überlegt.
Wenn es darum geht, eine für Massenproduktion gut skalierbare Billigtechnologie zu schaffen, mit deren Hilfe man Flugkörper loswerden kann, die ebenfalls auf massenhaft verfügbarer Technik basieren, muß man vermutlich ähnlich vorgehen. Keinesfalls sollte man vermuten, daß die Bundeswehr so etwas kann.
Die kaufte dann tatsächlich SM2, um Huthi-Drohnen abzuschießen.
@Hans-Joachim Zierke sagt: 19.01.2024 um 12:41 Uhr
„Bundesmarine“
Sehr geehrter Herr Zierke,
darf ich (als Landratte) Sie darauf hinweisen, daß schon seit 1995 Deutsche Marine heisst?
Viele Grüße
@Bow
„Alles andere sind weltfremde Utopien – niemals wird irgendein Land (nein, nicht einmal NDL!) seine Armee/Marine/Luftwaffe vollständig einer anderen Nation unterstellen.“
Zwei Anmerkungen:
1) Es geht nicht um die Unterstellung eines Landes unter ein anderes, sondern um eine gemeinsame Armee, die politischen Institutionen auf EU-Ebene untergeordnet wäre. Problem dabei ist nicht dieser Vorgang selbst, sondern die Tatsache, daß die Integration auf politischer Ebene keine Fortschritte macht seit dem letzten Versuch einer Verfassungsgebung.
2) Es gibt wunderschöne Papiere des britischen Foreign Office für die britische Regierung aus ’56 oder ’57, die ausführlich und gut überlegt darlegen, warum Länder wie Deutschland oder Frankreich niemals hinreichend viel Souveränität aufgeben werden, um ein Projekt wie die EWG möglich zu machen. (Die EWG war ein Projekt Belgiens und der Niederlande, was heute vergessen ist, damals aber präsent war.) Die britische Regierung ist diesen Überlegungen gefolgt und den Gründungskonferenzen der EWG ferngeblieben.