EU-Mission im Roten Meer: Pläne in Brüssel werden konkret(er)
Die Pläne für eine eigene Mission der EU zum Schutz der Handelsschiffe im Roten Meer vor Angriffen der Huthi-Milizen in Jemen werden konkreter. In Brüssel liegt offensichtlich ein Konzept vor, das im Kern die Ausweitung einer französisch geführten Überwachungsmission in der Straße von Hormus auf das Rote Meer vorsieht. Deutschland hatte mehrfach seine Bereitschaft betont, an einem EU-Einsatz teilzunehmen.
Über die Details des Crisis Management Concepts, das von EU-Militärexperten erarbeitet wurde und am kommenden Dienstag im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee (PSK) der Union beraten werden soll, berichteten am (gestrigen) Donnerstagabend die Kollegen vom sicherheitspolitischen Informationsdienst Bruxelles 2 (hinter Paywall). Danach sieht die Planung vor, dass im Rahmen der französisch geführten und dafür ausgeweiteten Europäischen maritimen Überwachungsmission für die Straße von Hormus (Mission européenne de surveillance maritime dans le détroit d’ormuz, European Maritime Awareness in the Strait of Hormuz EMASOH) mindestens drei Fregatten mit Drohnen und Hubschraubern die kritischen Bereiche im Roten Meer überwachen und gegen Angriffe der Huthi-Milizen vorgehen.
Erst in der Nacht zum vergangenen Mittwoch hatten Kriegsschiffe und Kampfjets der U.S. Navy und der britische Zerstörer HMS Diamond den bislang größten Angriff mit Drohnen und Antischiffsraketen auf Handelsschiffe vor der Küste Jemens abgewehrt. Seit Mitte November hatte es immer wieder solche Angriffe, aber auch Kaperungen und Kaperversuche durch Huthi-Milizen gegeben. Die USA riefen zum Kampf dagegen die Operation Prosperity Guardian ins Leben, der sich bislang aber nur wenige europäische Länder anschlossen.
Die 2020 eingerichtete Überwachungsmission in der Straße von Hormus, die vor allem Öltanker vor Angriffen des Iran schützen sollte, könnte nach Angaben von Bruxelles 2 vergleichsweise leicht erweitert werden, ohne dass formal eine neue EU-Mission begonnen werden müsste. Der EMASoH-Mission hatte Deutschland damals auch politisch zugestimmt, das allerdings nie militärisch begleitet. (Fun Fact: Auf meine Nachfragen dazu damals verwiesen Auswärtiges Amt und Verteidigungsministerium im Pingpong-Stil jeweils auf das andere Ressort.)
Nach dem Bericht sieht die bisherige Planung auf EU-Ebene grundsätzlich eine mögliche Begleitung von europäischen Handelsschiffen durch europäische Kriegsschiffe vor. Darüber hinaus habe aber vor allem Deutschland darauf gedrungen, ein Mandat für die Abwehr aller Angriffe auf diese Schiffe zu erteilen:
The second function will be executive (a proposal from Germany in particular). This involves being able to respond, by all possible means, in the event of drone attacks against merchant ships, or an armed attack to take possession of the ship. A task which therefore goes beyond that of self-defense, but remains consistent with existing international law without requiring a UN Security Council resolution, with the exercise of force within the meaning of Chapter VII of the United Nations Charter.
Zusätzliche Unterstützung für die EU-Absichten bietet ein neuer Beschluss des UN-Sicherheitsrats. Die UN Security Council Resolution 2722 (2024) vom Donnerstag (Bericht dazu hier; Wortlaut hier) fordert ein Ende der Angriffe der Huthis auf die Schifffahrt in der Region. Russland enthielt sich im Sicherheitsrat, legte aber kein Veto ein.
Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Sebastian Fischer, hatte vor der Bundespressekonferenz am vergangenen Mittwoch noch einmal die deutsche Bereitschaft zu einem solchen Einsatz bekräftigt:
Sie wissen, die EU-internen Prüfungen eines neuen maritimen Einsatzes der Europäischen Union dauern an. Wenn ich das richtig sehe, soll bereits in der kommenden Woche eine erste Befassung der Mitgliedstaaten mit einem solchen neuen europäischen Einsatz stattfinden. Auch da gilt fort, was ich letzte Woche gesagt habe: Wir als Bundesregierung stehen bereit, uns an einer Mission im Roten Meer zu beteiligen, und sind dazu weiter im engen Kontakt mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst und den anderen Mitgliedstaaten in der EU.
Auch wenn die Möglichkeiten der Deutschen Marine für die Entsendung eines Schiffes in einen solchen Einsatz begrenzt sind (nicht ohne Grund stellt die Bundeswehr als künftiges Flaggschiff für die NATO-Mission in der Ägäis dem Stab ein Minenjagdboot bereit), sind die deutschen Planungen bereits fortgeschritten: Die Fregatte Hessen, eine der auf Verbandsflugabwehr optimierten Fregatten der Deutschen Marine, ist nach ihren NATO-Verpflichtungen für diese Aufgabe verfügbar. Allerdings, so berichten die Brüsseler Kollegen, werden die Beratungen auf EU-Ebene und die nötige Freigabe durch die Außenminister der Mitgliedsländer voraussichtlich nicht vor Ende des Monats oder erst im Februar abgeschlossen sein. Ein Beginn der Mission Ende Februar gilt damit als wahrscheinlich.
(Archivbild April 2020: Die niederländische Fregatte De Ruyter, die französische Fregatte Forbin und ein französischer Seefernaufklärer im Rahmen der Mission EMASoH im Persischen Golf – Foto EMASoH Agenor)
Die Straße von Hormus liegt jetzt nicht wirklich im Roten Meer. Da gibt es nicht einmal eine Küste zu Yemen. Die Mission ist auch nicht so richtig erfolgreich „Schutz der öltanker vor iranischen Angriffen“), wenn man die aktuelle Meldung von der Kaperung eines Öltankers durch den Iran liest…
Sei es drum. Wenn die Neuausdehnung der Straße von Hormuz bis zum Bab-el-Mandab zeitnah eine europäische Mission im Roten Meer ermöglicht, ist es recht. Vorausgesetzt, die Missionsplanung ist abgeschlossen, bevor die Nicht-Europäer und die Nicht-mehr-EU-Europäer nicht das Problem der Houthi-Angriffe bereits gelöst haben, wie so oft bei solchen Krisen. Siehe Meldungen über die Zerstörung von Houti-Strukturen weiter unten im Blog.
Frankreich hat nicht nur Fregatten im Roten Meer, sondern auch Mirage 2000 und Atlantic2, die in Dschibuti stationiert sind.
Mir stellt sich immer noch die Frage mit welchem Schiff will sich Deutschland beteiligen. Eine 123 oder 124. sinnvoll wäre ja wohl eine 124 aber die Hessen ist gerade aus einem Einsatz zurück und was mit den beiden anderen ist weiß ich nicht. Aber egal ob 123 oder 124 es müsste die Nachversorgung gesichert werden. Irgendwann sind die Raketen alle und dann ist das Schiff nutzlos. Ergo irgendwo müssen die ihre Waffen nachladen können. Ich weiß nicht ob das von einem EGV aus geht oder die dafür in einen Hafen müssen. Auf alle Fälle halte ich so einen Einsatz für sinnvoll um die internationale Schifffahrt zu schützen. Auch millitärschläge wie jetzt aktuell sind wichtig. Es geht ja nicht gegen einen Staat sondern gegen Terroristen die von einem Staat unterstützt werden.
perspektivisch wird die Hessen in diesen Einsatz geschickt… ich denke die wird eine kurze Pause haben… ggf wird eine andere Crew dann zeitnahe geschickt?
Wie schaut es bzgl Beladung des 32er VLS der Hessen aus? Es würde ja schon Sinn machen die Zellen mit ESSM und SM2 voll zu packen :-(
will sich Deutschland ggf auch an offensiven Operationen gegen die Huthi beteiligen?
ggf könnte dann auch eine F125 Sinn machen (mit 127mm Geschütz und Vulcano Munition (wenn denn schon ausreichend beschafft) um Landziele anzugreifen … oder ein paar Tornados oder Eurofighter in die Region velregen?
@Obermaat 63
„… EGV aus geht oder die dafür in einen Hafen müssen.“
Das werden die wohl besser hinbekommen! Da Deutschland weder Marinebasen in anderen Ländern hat, noch Kolonien mit eigenen Häfen. Das höchste der Gefühle in Sachen Anlegestabilität ist den EGV in internationalen Gewässer auf Grund zu setzen.
Alles bekannte Kriterien, schon bevor man VLS und Harpoon-Startrahmen eingerüstet hat statt Munitionsförderer.
@Obermaat63 VLS Beladung erfolgt im Hafen. Die USN hat das mal in See erprobt, hat sich nicht bewährt. Vom EGV wäre theoretisch möglich, aber nicht in Fahrt. Die Sowjetische Marine hatte Versorger um SLBM auf U-Boote zu verladen, aber auch das ging nur vor Anker.
@obibieber: Der FK-Mix im VLS wird grundsätzlich nicht öffentlich gemacht. Und etwas anderes als SM-2 und ESSM hat die Deutsche Marine eh nicht, was sie beladen könnte.
„Nach dem Bericht sieht die bisherige Planung auf EU-Ebene grundsätzlich eine mögliche Begleitung von europäischen Handelsschiffen durch europäische Kriegsschiffe vor. Darüber hinaus habe aber vor allem Deutschland darauf gedrungen, ein Mandat für die Abwehr aller Angriffe auf diese Schiffe zu erteilen:“
Frage, was sind denn europäische Handelsschiffe? Schiffe mit einem EU- Flaggenstaat? Da dürfte die Mission weitgehend beschäftigungslos sein. Oder reicht ein 10%- Anteil eines Eigners aus der EU? M.E. etwas merkwürdige Beschränkung. Wenn schon, müssten alle zivilen Schiffe geschützt werden – auch chinesische??
Die EU bleibt ohne die USA völlig hilflos. Am 19.11.2023 hatten die Huthis damit begonnen Handelsschiffe anzugreifen. Seit dem 19.11.2023 hatte die Deutsche Marine Zeit ein Kriegsschiff in die Region zu schicken. Bei einer ordentlichen Sicherheitspolitik hätte die Marine schon am 07.10.2023 ein Kriegsschiff in den Persischen Golf schicken müssen, da immer klar war, daß der Angriff auf Israel der Hamas ohne massive Unterstützung vom Iran unmöglich war und deshalb ein Krieg Israels gegen Iran droht. Jetzt soll die Hessen erst am 1. Februar ins Rote Meer geschickt werden.
Wie kann man so langsam sein? Und die Marine bräuchte kein Mandat dafür, weil der Schutz von deutschen Handelsschiffen fällt unter Artikel 87 a Abs. 2 GG! Denn seit der Antike sind Marinestreitkräfte vor allem auch zur Bekämpfung von Piraten aufgestellt worden. So daß der Schutz der Handelsschiffe unter den Verteidigungsbegriff fällt und ein deutsches Handelsschiff wurde angegriffen.
Aber selbst wenn die Regierung fälschlich meint, man brauche ein Mandat, kann man doch nicht Wochenlang darüber streiten! Nur weil Spanien keine Ausweitung von Atalanta wollte, weil Teile der Regierung gegen den Einsatz, kann die EU doch nicht wochenlang herumverhandeln. Schlimmers wird doch nur verhindert bisher, weil die USA, GB und Saudi-Arabien Raketen der Huthis gegen Schiffe und Israel abfangen. Wie war dies mit Israel als Deutscher Staatsräson? Ein nationaler Sicherheitsrat fehlt mal wieder hinten und vorne! Selbst das kleine Dänemark hat längst ein Kriegsschiff entsendet, während Deutschland und die EU nur mit Schneckentempo handeln.
laut n-tv möge sich FGS Hessen beteiligen. Beobachten wir also die Tagesordnungen des Bundestages…
Die Hessen soll es wohl werden. Ntv berichtet selbiges. Schon gut die sind ja kurz vor Weihnachten erst aus einer 6 Monatstour gekommen. Da reichen ja 8 Wochen zu Hause. Seefahrt ist attraktiv, nicht mehr.
Den Kameraden an Bord von Herzen alles Gute und eine Handbreit Wasser unterm Kiel.
Closius sagte am 13.01.2024 um 11:21 Uhr: „Und die Marine bräuchte kein Mandat dafür, weil der Schutz von deutschen Handelsschiffen fällt unter Artikel 87 a Abs. 2 GG! Denn seit der Antike sind Marinestreitkräfte vor allem auch zur Bekämpfung von Piraten aufgestellt worden. So daß der Schutz der Handelsschiffe unter den Verteidigungsbegriff fällt und ein deutsches Handelsschiff wurde angegriffen.“
Ich bezweifle, dass sich unser Verfassungsgeber einen solchen Verteidigungsbegriff – erst recht in der Tradition abendländischer Seefahrt – 1956 zu eigen gemacht hat. Genauso war die Behauptung von BMVg Struck über die Verteidigung Deutschlands am Hindukusch nur eine politische motivierte Äußerung; die rechtlichen Grundlagen für den Afghanistaneinsatz hat man anderweitig hergeleitet.
Interessant finde ich, dass man nun wohl die bestehende EMASoH-Operation auszuweiten beabsichtigt, da diese (bislang) weder eine EU-Mission ist noch sich die Bundesrepublik Deutschland an deren militärischem Track (AGENOR) beteiligt. Zunächst müsste sich die EU im Rahmen der GSVP diese Mission zu eigen machen bzw. die Teilnehmerstaaten nach Art. 42 Abs. 5 EUV beauftragen. Auch müssen diesbezügliche Operationsziele und zulässige Instrumente definiert werden. Die völkerrechtliche Rechtfertigung „weiterreichender Befugnisse“, wie wohl von der Bundesregierung gewünscht, bereitet man parallel über die Inanspruchnahme von Art. 51 VN-Charta (kollektive Selbstverteidigung) durch die gemeinsame Regierungserklärung vom 12.1.2024 schon mal vor, da man ein starkes Mandat des VNSR nach dem Vorbild von Resolution 1816 (Somalia) derzeit wohl kaum erhalten würde. Letztlich steht auch noch ein Beschluss des Bundestages aus.
Es ist halt noch etwas Bastelarbeit erforderlich und die dauert eben.
@all
Leute. Oben im Text steht die „Hessen“. Die ganzen Kommentare, die jetzt hier reinschreiben „die Hessen soll es werden, berichtet n-tv“ zeigen nur, dass die entsprechenden Kommentatoren es noch nicht mal für nötig halten, den Text hier bis zum Ende zu lesen, bevor sie was ablassen. Muss nicht wirklich sein.
Closius sagt: 13.01.2024 um 11:21 Uhr
„Und die Marine bräuchte kein Mandat dafür, weil der Schutz von deutschen Handelsschiffen fällt unter Artikel 87 a Abs. 2 GG! Denn seit der Antike sind Marinestreitkräfte vor allem auch zur Bekämpfung von Piraten aufgestellt worden. So daß der Schutz der Handelsschiffe unter den Verteidigungsbegriff fällt und ein deutsches Handelsschiff wurde angegriffen.“
Ja, und dafür hätte dann der Verteidigungsfall festgestellt werden müssen, den genau wer feststellt?
Es wurde doch schon mehrfach festgestellt, dass das internationale Seerecht die Bekämpfung von Piraterie jederzeit hergibt. Aber die Bekämpfung von terroristischen Gruppierungen in fremden Staaten? Sie sehen doch gerade, das es ohne Bekämpfung der Huthi-Basen nicht geht.
Jetzt schickt man symbolträchtig ein Schiff, toll. Das wird alle Probleme im Handumdrehen lösen.
Guten Abend @Closius,
wo sehen Sie eine Verbindung zwischen dieser Krise und Art 87a ?
Hier greift viel eher das Parlamentsbeteiligungsgesetz, im welchem klar definiert wurde, wann und unter welchen Voraussetzungen deutsche Soldaten an bewaffneten Unternehmungen teilnehmen dürfen.
@Pio-Fritz, der Verteidigungsfall liegt laut Artikel 115a nur dann vor, wenn das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht.
Die weltweit 5 größten Reedereien, allen voran Hapag-Lloyd sind in der EU beheimatet, und wir haben nichts, um die Handelswege zu sichern? Wir, als wirtschaftlich stärkestes Land, müssen wochenlang suchen, bis sich irgendwo ein Schiffchen findet, um da mitzumachen? Bisher haben wir bei den großen Krisen immer mehr Glück als Verstand gehabt. Dieses Gück wird nicht immer anhalten.