Bundeskabinett bringt Verlängerung von Bundeswehr-Einsätzen im Mittelmeer und Südsudan auf den Weg
Fürs Protokoll: Das Bundeskabinett hat am (heutigen) Mittwoch die Anträge zur Verlängerung der Bundeswehr-Auslandseinsätze bei der NATO-Mission Sea Guardian im Mittelmeer und der UN-Truppe im Südsudan beschlossen. Die Mandate sollen – mit kleinen Ausnahmen – unverändert fortgeführt werden und liegen nun dem Bundestag zur Abstimmung vor.
Da sich (so weit erkennbar) an den Aufträgen für die Streitkräfte wenig ändert außer dem Datum und der Drucksachennummer, greife ich schamlos auf meine Berichterstattung aus dem vergangenen Jahr zurück.
Das neue Mandat für die Maritime Sicherheitsoperation Sea Guardian (MSO SG) unter NATO-Kommando (Bundestagsdrucksache 20/10161) sieht wie das bisherige Mandat (Bundestagsdrucksache 20/5667) den Einsatz von bis zu 550 Soldaten und Soldatinnen vor. Sea Guardian ist eine umfassende Überwachungsoperation der Allianz für das Mittelmeer, mit weitreichenden Befugnissen bis hin zur Beschlagnahme und Umleitung von Schiffen. Sie wurde vor allem im Hinblick auf Aktivitäten von Terrorgruppen als Nachfolge der Operation Active Endeavour geschaffen, die noch auf den Bündnisfall der Allianz nach den Angriffen von New York und Washington am 11. September 2001 gestützt war.
Die NATO hatte diese Mission 2016 begonnen. Die Deutsche Marine sieht für Sea Guardian nicht konkrete Einheiten vor, sondern unterstellt zeitweise Schiffe und Boote, die im Mittelmeer mit anderen Aufträgen operieren, dieser Mission.
Ebenfalls weitgehend unverändert ist das neue Mandat (Bundestagsdrucksache 20/10160) an der UN-Mission im Südsudan. Wie bisher (Bundestagsdrucksache 20/5668) sollen bei UNMISS bis zu 50 Soldaten und Soldatinnen eingesetzt werden, derzeit sind es 14.
Zwar keine inhaltliche Veränderung, aber dennoch auffällig: Während im bisherigen Mandat die Aufgabe Schutz von Zivilpersonen als Auftrag für UNMISS und damit auch die Bundeswehr sehr detailliert ausgeführt wurde
Auftrag
UNMISS ist nach Maßgabe der oben genannten Resolutionen autorisiert, alle erforderlichen Mittel einzusetzen, um insbesondere die folgenden Aufgaben wahrzunehmen:
a) Schutz von Zivilpersonen:
– Schutz von Zivilpersonen, denen körperliche Gewalt droht;
– Abschreckung von Gewalt gegen Zivilpersonen;
– durch vorausschauende Einsätze sowie durch die Umsetzung einer missionsweiten Frühwarn- und Reaktionsstrategie;
– Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit in den von UNMISS eingerichteten Schutzorten sowie bei Bedarf in den vormals als Schutzorte ausgewiesenen Orten für die Zivilbevölkerung;
– Abschreckung, Verhütung und Bekämpfung von sexualisierter und genderbasierter Gewalt;
– Leistung von „Guten Diensten“, Vertrauensbildung und Moderation zur Unterstützung der Schutzstrategie der Mission, insbesondere für Frauen und Kinder;
– Unterstützung der Behörden und zivilgesellschaftlicher Organisationen bei der Entwicklung und Umsetzung geschlechtersensibler Programme zur Minderung der Gewalt auf lokaler Ebene;
– Unterstützung der Regierung bei Wiederherstellung und Reform des Rechtstaats und des Justizsektors;
– Förderung eines sicheren Umfelds für die sichere, informierte, freiwillige und menschenwürdige Rückkehr, Umsiedlung, Neuansiedlung
o der Integration von Binnenvertriebenen und Flüchtlingen, auch in Koordinierung mit der Polizei, mit Sicherheits- und staatlichen Institutionen und mit zivilgesellschaftlichen Akteuren;
– Schaffung von Bedingungen für die sichere und freie Bewegung von und nach Dschuba, einschließlich des Flughafens;
– rasches und wirksames Einschreiten gegen alle Akteure, bei denen glaubhaft festgestellt wird, Angriffe auf Zivilpersonen bzw. Personal der Vereinten Nationen oder internationale und nationale humanitäre Akteure sowie auf Lager für Binnenvertriebene, Schutzorte der Vereinten Nationen bzw. andere Räumlichkeiten der Vereinten Nationen vorzubereiten oder solche, die diese Angriffe begehen.
heißt es im neuen Mandat nur knapp
Auftrag und Aufgaben
Nach Maßgabe der oben genannten Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen ist UNMISS ermächtigt, alle erforderlichen Mittel einzusetzen, um folgende Aufträge umzusetzen:
a) Schutz von Zivilpersonen;
(Archivbild: Spezialkräfte der türkischen Marine boarden bei einer Spezialkräfte-Übung der Mission Sea Guardian im Dezember 2023 den Frachter Bluefish – Foto NATO Maritime Command)
In der heutigen BPK wurden fiese Fragen zur Wirksamkeit von Sea Guardian gefragt und weitgehend an die NATO verwiesen. Gibt es dort konkretere Angaben?
Und was ich vermisse ist die Frage nach Exit Strategien: Was müßte denn passieren, damit Sea Guardian erfolgreich abgeschlossen wäre?
Beide Missionen sofort einstellen. Macht keinen Sinn. Sea Gusrdian hat nichts bewirkt und UNMISS erst recht nicht.
Im Südsudan geht es nur um Macht und Kontrolle der Rohstoffe. Also um Geld,.
Und Sea Guardian ist ein Feigenblatt zum verstecken.
Kosten beide nur Geld und bewirken nichts.
Was müsste denn passieren, damit IRGENDEIN EINSATZ erfolgreich abgeschlossen wäre?
Dazu bräuchte es eine klare und messbare „3a“ – also Absicht der übergeordneten Führung. Aber an genau dieser mangelt es in konventionellen Einsätzen (SpezKr mal ausgenommen). Es ist bewusst schwammig formuliert, denn der Grund der Einsätze geht selten über das „Hauptsache Fuß in der Tür im internationalen Krisenmanagement“ hinaus. Dessen sind sich aber auch alle bewusst, die 1 und 1 zusammenzählen können. Und selbst die erfolgreichen MilEvakOp – auch hier kann man sich die Frage stellen, was zuerst da war: Das Huhn oder das Ei? War es eine super erfolgreiche Evakuierung, oder haben wir einfach jahrelang in internationalen Koalitionen zu wenig performt, sodass dieses Mittel am Ende genutzt werden musste?
@Pio-Fritz: als jemand der schon mehrfach an Sea Guardian teilgenommen hat, kann ich sagen dass die Operation durchaus etwas bringt. Werde mich hier aber nicht zu Details äussern, es ist in erster Linie Aufklärung.
Das bringt mich auf den Gedanken, was das EinsFüKdo in Potsdam eigentlich so macht, mit ca 700 DP und keinen eigengeführten Einsätzen?
Vielleicht mag ja jemand meine Gedanken erhellen. 😊👍
@Marineloggi sagt: 25.01.2024 um 13:24 Uhr
Und mit den Aufklärungsergebnissen macht man dann was genau? Welche Aktion folgt darauf durch wen? Brauche ich dazu ein Schiff, einen Seefernaufklärer oder reicht eine Drohne?
Mir geht es einfach um den sinnvollen Einsatz der knappen Ressourcen.
@Pio-Fritz
SeaGuardian geht schon in Ordnung, das läuft während des Transits durchs MM nebenbei. Oder die ständigen Einsatzgruppen die ohnehin im MM unterwegs sind beteiligen sich daran, diese Operation bindet also keine zusätzlichen Kräfte. Ich bin auf die Verlängerung für UNIFIL-M gespannt, immerhin hat die Zeit bewiesen das wir weder Schmuggel unterbunden haben noch die LBN-Navy so ausgebildet bekommen das sie ihren Job selber machen können, und das stellen wir sehr eindrucksvoll (scr) seit 2006 unter Beweis. Der Einsatz kann wegfallen, den der bindet Einheiten und Personal was dann wo anders fehlt und zwar spürbar!
@Pio-Fritz: ich sagte doch dass ich mich nicht zu Details äussere. Und zu der Frage was man braucht: optimal ist alles zusammen, MPA, Drohne und schwimmemde Einheit, diese Einsatzmittel ergänzen sich bei Seeraumüberwachung. Jedes hat andere Fähigkeiten.
@IstEgal: was die Bindung von Einheiten bei UNIFIL angeht: bei K130 stimme ich zu, aber bei F125 nicht. Dafür sind die gebaut und ausser in der Ägäis bleibt nicht viel über zu was man die sonst gebrauchen könnte.
@ Martin Schröder @ Pio-Fritz
Es kann für die Operation SEA GUARDIAN, basierend auf den erstellten strategischem und operativen OPLAN, keine Exit-Strategie geben. SEA GUARDIAN umfasst sieben verschiedene Operationen/Aufträge, davon sind drei durch den North Atlantic Council (NAC) freigegeben:
– Lagebilderstellung (macht jedes Kriegsschiff automatisch, sobald es die Nase aus dem Hafen steckt)
– Erhalt der Freiheit der Seeschifffahrt (Stichwort Große Syrte – auch das ein ständiger Auftrag); und
– Kapazitätsaufbau/Training mit Marinen der Staaten in der Mittelmeerregion – Partnern der NATO im Mediterranean Dialogue (derzeit der wichtigste Auftrag der Operation) https://www.nato.int/cps/en/natohq/topics_52927.htm
Mehr Info: https://mc.nato.int/missions/operation-sea-guardian (Unter dem Punkt INFOGRAPHICS sind Nicht- NATO Hafenbesuche und durchgeführte Trainings aufgelistet.)
Falls der NAC eine der restlichen vier Operationen autorisieren würde, müßte im zu erstellenden taktischen Plan allerdings eine Art Exit Strategie aufgeführt sein.
Leider wird eine deutsche Einheit nicht an diesen Besuchen/Focused Operations teilnehmen, da seit dem Regierungswechsel das Mandat im Sinne des Sts Lindner angepasst wurde und diese Übungen unter Parlamentsvorbehalt gestellt wurden: https://augengeradeaus.net/2022/03/sea-guardian-bundestag-billigt-weitere-beteiligung-an-nato-ueberwachung-im-mittelmeer/
Übrigens führt die NATO pro Jahr ca. 1400 Trainings/Übungen mit Partnern durch, auch unter Beteiligung deutscher Soldaten. Wenn da der Bundestag jedesmal vorher entscheiden wollte ….
@IstEgal sagt: 26.01.2024 um 6:35 Uhr + @Marineloggi sagt: 26.01.2024 um 7:47 Uhr
Ich erwarte schon von unserer militärischen und politischen Führung, daß die Ergebnisse der verschiedenen Missionen vernünftig analysiert und kommuniziert werden. Und zwar auch der „gemeinen“ Bevölkerung, also dem Wähler. Dieser bezahlt letzten Endes den ganzen Bums mit seinen Steuergeldern. Und de interessieren „wichtige“ Übungen mit der berittenen tunesischen Gebirgsmarine nicht.
Eigentlich sollten wir alle etwas aus ISAF und RS in Afghanistan gelernt haben. Vor allem, die deutsche Bevölkerung mitzunehmen.