Wehrressort nimmt neuen Anlauf für weibliche Dienstgrade für Soldatinnen
[Zur besseren Übersichtlichkeit aus dem Eintrag zum Gleichstellungsfortentwicklungsgesetz ausgekoppelt]
Das Verteidigungsministerium nimmt einen neuen Anlauf, weibliche Dienstgrade für Soldatinnen in der Bundeswehr einzuführen. Eine entsprechende Bestimmung ist im Entwurf des Gleichstellungsfortentwicklungsgesetzes für die Streitkräfte enthalten, dass vom Bundeskabinett gebilligt wurde.
Der Vorstoß kommt überraschend, weil die Debatte vor zwei Jahren zunächst beendet schien. Unter der damaligen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte es bereits eine heftige Diskussion gegeben, bei der es nicht zuletzt aus der Truppe – auch von Frauen – Widerspruch dagegen gegeben hatte, eine weibliche Form der militärischen Dienstgradbezeichnungen einzuführen. Im September 2020 entschied die Ministerin, das Thema vorerst nicht weiter zu verfolgen.
Darüber hinaus zog Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ein knappes Jahr später einen – wie es nun scheint, dann doch nur vorläufigen – Schlussstrich unter diese Überlegungen. Das Staatsoberhaupt unterzeichnete die Neufassung der zuvor seit 1996 unveränderten Anordnung des Bundespräsidenten über die Dienstgradbezeichnungen und die Uniform der Soldatinnen und Soldaten. Darin wurden zwar die Bezeichnungen Offizierin und Unteroffizierin festgelegt; die eigentlichen Dienstgradbezeichnungen werden aber ausschließlich in der maskulinen Form aufgeführt.
Der neue Vorstoß des Verteidigungsministeriums findet sich in dem Entwurf des Gesetzes zur Fortentwicklung gleichstellungsrechtlicher Regelungen für das militärische Personal der Bundeswehr, den das Bundeskabinett am (heutigen) Mittwoch auf Vorschlag des Wehrressorts verabschiedete. Darin heißt es in den in Paragraph 4 aufgeführten Grundsätzen:
Für die Soldatinnen können weibliche Formen der Dienstgradbezeichnungen festgesetzt werden.
Inwieweit diese Regelung, wenn sie als Gesetz so vom Bundestag verabschiedet wird, mit dem Vorrecht des Bundespräsidenten kollidiert, die Dienstgradbezeichnungen festzulegen – das ist eine interessante juristische Debatte.
Ergänzung: Natürlich ist auch dem Verteidigungsministerium bewusst, dass hier der Bundespräsident gefragt ist – deshalb wird in der Begründung für diese Bestimmung auch auf das Staatsoberhaupt Bezug genommen:
Die Regelung des § 1 Absatz 3 Soldatengleichstellungsgesetz wird in Absatz 5 fortgesetzt und unterstreicht das Bemühen, als besondere Form des Gebotes der geschlechtergerechten Formulierung die Möglichkeit zu eröffnen, künftig weibliche Dienstgradbezeichnungen einzuführen. Diese Befugnis steht gemäß § 4 Absatz 3 des Soldatengesetzes der Bundespräsidentin oder dem Bundespräsidenten zu.
(Auch hier gilt der vorsorgliche Hinweis, angesichts der Erfahrungen mit sehr emotionalen Diskussionen zu diesem Thema in den Kommentaren sachlich zu bleiben.)
(Archivbild Dezember 2016: Bei der Übung Feldberg auf dem Truppenübungsplatz Bergen erteilt eine Kompaniechefin kurz vor Beginn des Angriffs ihren Zugführern letzte Befehle – Carl Schulze/Bundeswehr)
Frau Oberstleutnant sagt:
31.07.2023 um 17:19 Uhr
…
Danke, so dürften das viele weibliche Soldaten sehen (gendern off).
Abgesehen davon, dass ich nicht denke, dass es innerhalb der nächsten Dekade zur Einführung geschlechtsabhängiger Dienstgradbezeichnungen kommen wird, würde dieser recht unrealistische Schritt tatsächlich erst in der praktischen Umsetzung spannend.
Jede einzelne von dieser Änderung betroffene Person müsste dem nämlich durchaus zustimmen. Und damit meine ich nicht eine „Beförderung“, die man durchaus ablehnen kann (was wohl kaum passieren wird), sondern den jeweils individuellen Verwaltungsakt mit Urkundenübergabe, der eben aus Frau Hauptfeldwebel z.B. Frau Hauptfeldwebelin macht. Und bei dieser Konstellation würde ich mit deutlich über 50% „freundlichem Desinteresse“ der Betroffenen rechnen. Warum sollte man aufgeben, was einem lieb und teuer ist?
Aber wunderbar diese rein akademische Diskussion alle paar Jahre neu durchleiden zu müssen.
Dieses Mal finde ich besonders spannend, dass wir mittlerweile gesamtgesellschaftlich an dem Punkt sind an dem sich die „Mehrheit“ gegenüber der „Minderheit“ dafür rechtfertigen muss, wieso sie eine andere Meinung vertritt und wieso es ganz ganz viele Gründe dafür gibt, das Mehrheitsmeinungen unrelevant sind. Spannend auch der Ansatz sich doch komplett aus der deutschen Sprache zurückziehen zu wollen, um das vermeintliche „Problem“ lösen zu wollen.
Aber mal im Ernst: In dem Moment in dem wir dabei sind wieder einsatzbereite Streitkräfte vorhalten zu wollen lasse ich mich auch mit Freunden mit „Herr Märchenfee“ ansprechen, wenn sich das als Dienstgradbezeichnungsalternative aus welchen Gründen auch immer durchgesetzt hat. Rationaler Streitwert von 5 Cent (mag man emotional individuell anders bewerten). Zu sterben, weil mein Dienstherr es leider aus welchen Gründen auch immer unterlassen hat Munition für meine StAN-Waffe vorzuhalten finde ich da viel blöder.
„Hier ruht Märchenfee W.
gestorben in heldenhafter Aufopferung für sein Zeugungs- und Entfaltungsgebiet und freudiger Erwartung seiner sicherlich baldigen jährlichen Munitionszuteilung.“
Und das schöne ist: Den Grabstein zahlt der Dienstherr. Denn das ist gesetzlich geregelt.
@A.W. sagt: 02.08.2023 um 15:07 Uhr
Herr Märchenfee, das haben Sie sehr schön zusammengefasst. Aber so ein Thema ist immer gut, um von den wirklich wichtigen Dingen abzulenken.
Ausrüstung, Munition, Großgerät. Was macht z.B. unser „panisches Armutsmangement“ (auch als „dynamisches Verfügbarkeitsmangement“ bekannt)? Hat man die Lücken mittlerweile gestopft? Wenn nein, warum nicht?
Die so oft kolportierten 10 Jahre Vorwarnzeit hat man seit Besetzung der Krim in rd. 5 Monaten auch ungenutzt verdaddelt. Aber wir werden uns alle auf dem Gefechtsfeld festkleben, wenn der Feind nicht klimaneutral angreift.