Blick auf Mali: Wie weiter nach dem (absehbaren) Rauswurf der UN?
Am vergangenen Freitag hat Mali bei den Vereinten Nationen angekündigt, die UN-Blauhelmmission im Land komplett rauswerfen zu wollen. Das betrifft auch, aber längst nicht nur die Bundeswehr, die mit den Vereinten Nationen in dem westafrikanischen Land präsent ist und sich ohnehin auf einen Abzug bis Mai kommenden Jahres vorbereitet. Ich habe deshalb Anna Schmauder, eine Konfliktforscherin mit dem Schwerpunkt Sahel, um einen Überblick für Augen geradeaus! gebeten, was das bedeutet und wie es weitergehen könnte in Mali:
Keine vier Wochen nachdem der Bundestag über ein neues MINUSMA-Mandat abgestimmt hat, fordert die Regierung von Mali nun den sofortigen Abzug der UN-Mission – pünktlich zur jährlich anstehenden Mandatsverlängerung des UN Sicherheitsrates. Das bisherige Mandat läuft demnach am 30. Juni aus; noch ist unklar ob der Sicherheitsrat unter Federführung Frankreichs Ende des Monats wie gehabt über die möglichen Optionen zur Zukunft MINUSMAs abstimmen wird oder ob es zu einem technischen rollover kommen könnte.
Bei aller Ungewissheit: erste diplomatische Reaktionen (u.a. der USA) scheinen vor allem technische Diskussionen zum Zeitpunkt und Abwicklung des Abzugs zu thematisieren, was auf einen tatsächlichen Abzug der Mission (in der derzeitigen Version) hindeutet. Basis für die Entsendung von MINUSMA war bislang die Zustimmung der Malischen Regierung. Obwohl es in der Geschichte der UN bereits Friedensmissionen auch gegen den Willen der aufnehmenden Regierung gab, deutet derzeit wenig daraufhin, dass dies in Mali unter einem neuem Mandat der Fall sein könnte. Eine solche Mission müsste ausdrücklich gegen den Willen der malischen Übergangsregierung arbeiten, eine Option, die angesichts des derzeit angespannten politischen Klimas schwer vorstellbar ist.
Für die etwas mehr als 1.000 derzeit in Mali eingesetzten Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten würde sich wohl erstmal wenig ändern. Ungeachtet aller Forderungen wird ein Abzug von insgesamt mehr als 15.000 UN-Truppen mindestens ein Jahr brauchen, wenn nicht sogar deutlich länger. In Berlin gibt sich das Verteidigungsministerium dementsprechend unbeirrt und betont das deutsche Interesse an einem geordneten Abzug – der ohnehin auf Mai 2024 angesetzt wurde. Bis dahin wird der Abzug bereits sukzessive anlaufen, der Großteil des deutschen Kontingents ist weiterhin in Gao im Norden Malis stationiert. Sollte parallel zur Bundeswehr die gesamte UN-Mission abgezogen werden, könnten verfügbare Transporträume knapp werden. Der deutsche Abzug könnte im Gegensatz dazu mindestens in Teilen auch über Niamey erfolgen, wo Deutschland eine logistische Basis hat.
Die Forderung des malischen Außenministers Abdoulaye Diop am vergangenen Freitag nach einem Abzug ohne Verzögerung während seiner Rede im UN-Sicherheitsrat dürfte trotz der kontinuierlich sich verschlechternden Beziehungen zwischen Bamako und westlichen oder multilateralen Akteuren dennoch überraschend gekommen sein. So kurz vor Ende des offiziellen Mandats kommt die Forderung – nach langem Anlauf – einer weiteren Eskalation in den Beziehungen zwischen Mali und MINUSMA gleich. Erst wenige Tage vor dem Eklat hatte UN-Generalsekretär António Guterres seine Präferenz für eine Neu-Kalibrierung zum Ausdruck gebracht. Demnach wäre von Seiten der Vereinten Nationen eine Optimierung der Mission bei gleichbleibender Truppenstärke angestanden. Diese Neuausrichtung hätte zumindest die teilweise Schließung von UN-Stützpunkten – vor allem vermutlich im Norden Malis, beispielsweise der Region Timbuktu – bedeutet.
In einem internen Review der UN wurden bereits im Januar außerdem weitere Optionen erörtert, einerseits eine Aufstockung von MINUSMA oder aber eine Umwandlung in eine politische Mission. Das wäre allerdings nicht im Interesse der UN gewesen. Eine Aufstockung von – im Gespräch- mehr als 3.000 Soldaten dürfte in der aktuell angespannten politischen Lage kaum zu stemmen gewesen sein. Die Mission hat bereits jetzt Schwierigkeiten damit, Nachfolge für den Exodus zahlreicher Truppenstelle-Staaten zu sorgen. Zu ihnen zählen unter anderem Benin, Elfenbeinküste, Großbritannien, Schweden und Deutschland (im nächsten Jahr); auch Ägypten, dessen Truppen zuletzt verstärkt Ziel von Angriffen waren. Dass es sich bei MINUSMA um die gefährlichste UN-Mission handelt, trifft vor allem für Truppensteller aus dem globalen Süden zu.
In seiner Rede vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York lehnte der malische Außenminister Diop alle drei von der UN ins Spiel gebrachten Optionen ab. Seine Forderung nach einem sofortigen Abzug der UN Mission begründete vor allem mit fehlender Unterstützung der UN im Anti-Terror-Kampf sowie angeblichen Spannungen zwischen Bevölkerungsgruppen, die von MINUSMA geschürt würden.
Die militärische Übergangsregierung fordert schon länger ein stärkeres Engagement der UN-Mission im Anti-Terrorkampf, eine Forderung, die nicht vom Mandat gedeckt ist. Vielmehr ist Hauptziel der Mission die Unterstützung des Friedensvertrags und seit 2019 verstärkt der Schutz von Zivilisten vor allem im Zentrum des Landes. Interkommunale Spannungen sieht Außenminister Diop jedoch vor allem durch Berichte über Massaker der malischen Armee an der Zivilbevölkerung geschürt – und nicht etwa durch die Unterstützung der Regierung von ethnisch-basierten Milizen oder die Folgen des Anti-Terror-Kampfes, der immer mehr zivile Opfer fordert. Zuletzt hatte ein UN-Bericht über Massaker im Namen der Terrorbekämpfung in Moura in der Region Mopti in Zentralmali zu erneuten Zerwürfnissen geführt. Den Bericht der Weltorganisation wies Diop als fiktiv, parteiisch und voreilig zurück.
In Mali wäre nach einem Abzug von MINUSMA die derzeitige Regierung gemeinsam mit mit der russischen Söldnergruppe Wagner alleiniger Akteur im Kampf gegen jihadistische Gruppierungen – allen voran die al-Qaeda-alliierte JNIM und, weniger stark, der mit dem Islamischen Staat verbündete ISSP. Eine Fortsetzung und Beschleunigung des bisherigen Trends, dass immer mehr zivile Opfer zu beklagen sind, ist zu erwarten. Im ersten Jahr der neuen bilateralen Partnerschaft der malischen Transitionsakteure mit Wagner sind mehr als 750 Zivilisten im Namen des Anti-Terror-Kampfs getötet worden. Im Jahr vor Ankunft von Wagner waren es 60 (basierend auf ACLED Daten).
Mit Abzug von MINUSMA wären zahlreiche große Städte im Norden des Landes leichte Angriffsfläche für Alliierte von Al-Qaeda und dem IS in Mali. Schon jetzt zeigt sich am Beispiel von Ménaka im Osten von Mali an der Grenze zu Niger, wie wenig staatliche Akteure dem ISSP entgegen zu setzen haben. In Ménaka hält vorrangig MINUSMA die Stellung, nicht nur dort hätte ein Abzug der Mission katastrophale humanitäre Konsequenzen.
Mit dem Abzug der UN-Mission wird auch der vollständige Kollaps des Friedensabkommens von 2015 zwischen ehemaligen Rebellengruppen aus dem Norden und der Regierung wahrscheinlicher und damit auch eine erneute militärische Konfrontation. Nachdem die Zukunft des Friedensabkommens bereits seit mehr als einem Jahr auf wackligen Füßen steht, wäre mit dem Abzug von MINUSMA auch der einzige Sicherheitsgarant des Abkommens verschwunden, das unter Vermittlung Algeriens zustande gekommen war.
Die Wiederholung einer ähnlichen Situation wie 2012 ist demnach in greifbare Nähe gerückt. Der Unterschied: heute kontrollieren jihadistische Akteure deutlich größere Teile des Landes als noch 2012. Das gilt sowohl für Alliierte von Al-Qaeda (JNIM) als auch des Islamischen Staates (ISSP). Gleichzeitig hat auch die malische Armee dank verstärkter Partnerschaft mit Russland im vergangenen Jahr einiges an Luftschlagkapazitäten erhalten. Ob diese – zusätzlich zum derzeitigen Fokus im Zentrum des Landes – auch verstärkt im Norden zum Einsatz kommen sollen, ist derzeit ebenso offen wie eine klare politische Positionierung der ehemaligen Rebellengruppierung CMA. Auch sie wird mit einer offiziellen Stellungnahme wohl warten, bis es mehr Klarheit über die Zukunft der Mission geben wird.
Für die malische Regierung kommt die Forderung nach einem Abzug von MINUSMA zu einer politisch opportunen Zeit: Am vergangenen Freitag wurde der Abzug der unliebsamen UN Mission gefordert; am Sonntag erfolgte das landesweite Referendum, mit dem über die neue Verfassung abgestimmt wurde. Offizielle Zahlen sind bislang noch nicht veröffentlicht, es kursieren zum Teil widersprüchliche Angaben. Während die malische Wahlbeobachtungskommission von einer Wahlbeteiligung von nur 27 Prozent spricht; soll es in einigen Ortsteilen im Norden eine Beteiligung und Zustimmungsquote von 100 Prozent gegeben haben.
Ähnlich widersprüchlich zeigen sich übrigens auch Umfragewerte zu MINUSMA: während in der Hauptstadt Bamako die UN-Mission oft zur Externalisieren von Verantwortung herhalten musste und die Mission allgemein eher sehr geringe Zustimmungswerte erfährt, sieht die Situation im direkten Umfeld der ihrer Stationierung vor allem im Norden des Landes wie rund um die Stadt Gao deutlich positiver aus.
Bei allen offenen Fragen (zur Zukunft MINUSMAs, zum Zeitrahmen eines möglichen Abzugs, zur Stellungnahme der Ex-Rebellengruppe CMA) wird es für externe Beobachter in absehbarer Zeit noch schwieriger als zuvor werden, sich ein genaues Bild der Lage im Land zu machen. Schon jetzt kann man nicht von den Maliern sprechen, weit verbreitete Unterstützung steht einem immer enger werdenden Raum für zivilgesellschaftliche Akteure gegenüber. Freie Meinungsäußerung ist schon seit mehr als einem Jahr kaum noch möglich, und Vertretungen ethnischer Minderheiten (die überproportional zu den zivilen Opfern im Namen des Anti-Terror-Kampfes gehören, gerade in ländlichen Gegenden) trauen sich kaum noch, öffentliche Statements zu verfassen.
(Archivbild November 2018: United Nations Police (UNPOL) Officers from Benin serving with MINUSMA and Malian National Guard Officer conduct daily joint patrols in the streets of Gao, to ensure general security, maintain order and offer protection of civilians – Marco Dormino/MINUSMA)
Wenn der Hausherr die Gäste nicht haben will, müssen diese halt gehen. Die Frage ist nur wie man schnellstmöglich das Material rausholt.
Kurz gesagt:
Die Regierung (+Wagner) wirft die internationalen Störenfriede aus dem Land, um sich in Ruhe mit den Jihadisten prügeln zu können. Beide setzen auf Sieg oder teilen sich am Ende die Beute. Für sie angenehmer Nebeneffekt ist, dass es hinterher ein paar Minderheiten weniger gibt.
Im Süden nichts Neues.
Kein Wort zu wirtschaftlichen Interessen die Europa in Mali hat?
Gute Einordnung von Fr. Schmauder.
Ich erlaube mir herauszustreichen, was hier gerade mit Blick auf RUS und Wagner passiert:
Die EU hat Wagner bereits als terroristische Organisation eingestuft, in FRA, UK, AUS und den USA laufen noch die Gespraeche darueber, andere Staaten werden folgen.
Das EU Parlament hatte Ende 2022 RUS bereits als „State sponsor of terrorism“ deklariert, auch mit Blick auf das russ. Verhalten in der UKR. – Grundlage fuer weitreichende, lang andauernde Sanktionen.
Tatsaechlich ist es nun so, dass sich die malische Regierung mit designierten oder bereits entsprechend deklarierten Terroristen bzw. mit einem State Sponsor einlaesst.
Das wird Folgen fuer MLI haben, das damit seinen Niedergang ueber die militaerische Entwicklung hinausgehend, beschleunigt.
Es ist nachvollziehbar dokumentiert, dass militaerische Wagner- Operationen in MLI (aehnliches gilt fuer CAR) in Faellen, wo sie alleine operieren zu 70 % zivile Ziele angreifen, wenn sie mit malischen SK operieren jedoch nur ca. 20%.
Hinzu kommen signifikante Diebstaehle von Gold, das ausser Landes gebracht wird (uebrigens ueber Europa), sowie zahlreiche Vorfaelle von Sexuellen Gewaltakten gg. die Zivilbevoelkerung. Wagner operiert also jenseits miltaerischen Selbstverstaendnisses und ausserhalb geltendem internationalem Recht.
Sollte Wagner tatsaechlich dem russ. Generalstab zugeordenet werden (Debatte laeuft derzeit ueber den weiteren Ansatz in der UKR) werden neben Putin auch Schoigu und Gerrassimow et al mit der Fuehrung und Kontrolle einer bereits als terroristisch eingestuften Organisation befasst – und verantwortlich dafuer sein.
Gegen Wagner wird zudem wegen mutmasslicher Kriegsverbrechen in der UKR ermittelt, die Entwicklungen in Afrika werden dabei mitbetrachtet. Mit einer Anklage vor dem IStGH kann gerechnet werden.
Ich fuerchte, der malischen Regierung ist die weitere Tragweite ihrer strategischen Ab- bzw. Zuwendung gar nicht voll bewusst. Es bringt MLI Isolation und den (partiellen) Verlust internationaler Hilfen.
Oder war die Enttaeuschung in Bamako ueber das farnz./ europaeische/ UN- Verhalten so gross, dass schiere Verzweiflung und Wut solche Entscheidungen als alternativlos erscheinen lassen?
@B: „Jihadisten ud „Regierung“ sind im Mali-Szenar vor allem auch ethnisch (Stämme und Volksgruppen) zu Analysieren. Gegeben der identifizierbaren Konfliktlinen steht dann die Junta gemeinsam mit Wagner und 25% der Gesamtbevölkerung gegen den Rest.
Wagner beutet derweil die Mienen aus um sich dadurch bezahlen zu lassen und das ergebniss ist bekannt: Ein Dauerkonflikt, welcher eine humanitäre Katastrophe nach der Anderen auslöst. Die Destabilisierung der Sahelregion und aus damit einhergehende Neusortierung der Karten im Sinne Moskaus auf Kosten der EU (Direkt wie Indirekt) ist das eigentliche Ziel. Langfristig übernimmt der Kremmel die Kontrolle im Chaos als Prügelknabe im Auftrag Pekings oder wir Europäer reagieren mit einer StabOps auf einem Gebiet so Groß wie Mitteleuropa.
Wir haben damals entschieden Barkhane nicht zu unterstützen, Frankreich war nicht bereit von sienen traditionellen Ansprüchen z.T abzusehen. Die USA lassen uns gerade sehenden Auges den Preis für unsere Passivität, Nutznießerei, Trittbrettfahrerei, womöglich Arroganz und Talent für Sonntagsreden bezahlen.
Ukraine eingedenk Sahel, ich warte darauf dass uns Edogan in seiner letzten Amtszeit Schachmatt setzt!
@AoR sagt: 21.06.2023 um 18:48 Uhr
„Ukraine eingedenk Sahel, ich warte darauf dass uns Edogan in seiner letzten Amtszeit Schachmatt setzt!“
Wie soll er das tun? Europa braucht eine einheitliche Migrationspolitik einschließlich Asylrecht, um solche Szenarien händeln zu können. Erste Schritte sind getan, daß Problem wurde erkannt.
Und Nordafrika inkl. Sahel wird erkennen müssen, daß der russische Ansatz nur weiteres Chaos und Armut bringt. Wirtschaftliche Entwicklung und ein allgemeiner Wohlstand entwickeln sich nur in einem politisch stabilen und friedlichen Umfeld.
Malis aktuelle Regierung, das sind genau die früheren Rebellen, die Frankreich und wir bekämpft hatten. Die alte Regierung hat verloren. Kein Wunder, dass die neue uns nicht mag.
Man sieht in Mali, wie Frankreich seine alten Einflussgebiete nicht mehr halten kann. Derweil kopieren die Russen teilweise das Vorgehen der Fremdenlegion, angeblich mit teilweise sogar früheren Legionären in Führungspositionen bei Wagner, und stoßen in dieses Vakuum. Und China baut sich im Hintergrund strategische Basen auf, in Djibouti zum Beispiel, und bringt Länder mit seiner gezielten Überschuldungsstrategie in Abhängigkeiten.
Europa und sogar die UN müssen sich überlegen, wie sie sich in dieser „Post-Postkolonialen“ Welt aufstellen wollen. Es geht, wie immer, nur um Rohstoffe, strategische Orte, Verkehrswege etc., also und immer nur um Gegenden, wo was zu holen ist, keine Illusionen.
Vermutlich wäre eine wirtschaftliche Öffnung der EU gegenüber Afrika die beste Strategie. Begrenzte Agrarimporte aus Afrika zulassen, Zölle abbauen, berufliche Ausbildung nach europäischen Maßstäben, gleichberechtigte Schulen (auch für Mädchen) aufbauen und so, statt sich da in neue Abenteuer militärisch verstricken zu lassen. Was hat Mali gebracht? Nix.
So kommt Afrika bedauerlicherweise mehr Demokratie und Selbstbestimmung nicht näher und baut neue Abhängigkeiten auf, statt alte abzulegen.
in Deutschland muss man sich bei allem Lamento doch auch an die eigene Nase fassen. da man exakt null zur eigentlichen antiterror Kampagne in Mali beigetragen hat (schon bei barkhane nicht), selbige aber die größte Herausforderung Malis ist. da muss man sich nicht wundern wenn der jeweilige Staat sich anderen, vermeintlich effektivern, Akteuren zuwendet
Eine gründliche Betrachtung, Herr Wiegold. Danke.
Eine UN Mission gegen den Willen der gastgebenen Regierung mag es in der Vergangenheit gegeben haben aber guter Stil ist das nicht. Ich verstehe dieses regierungsseitigee Herumgeeiere nicht. Natürlich gibt es Leute, die sich nicht eingestehen wollen, das die Stabiliesierungsmission gscheitert ist. Aber das war sie schon spätestens nachdem das Militär den gewählten Präsidenten gestürzt hatte.
Andere wollen in Mali nicht das Feld den Putchisten und ihren Wagner Buddys überlassen. So weit ich diese Einstellung auch verstehen kann, aber Mali ist ein souveräner Staat und die Putschisten sind als Regierung international anerkannt. Den Willen dieser Regierung zu ignorieren geht nicht.
Das die Mission unerwünscht ist, ist ja nicht neu. Ich bin auch der Ansicht, dass der Abzug für die Menschen in Mali überwiegend negative Folgen haben wird. Aber der Konflikt zwischen den Ethnien und Religionsgruppen ist nunmal nicht unser Konflikt.
Die UN sind mit dem Versuch gescheitert, diesen Konflikt zu lösen. Nun geht es nur noch darum, so schnell und so geordnet wie möglich abzuziehen. Letztendlich ist es ja auch nicht so, dass hier, im NATO Gebiet nicht sinnvollere Aufgaben warten würden.
@Eric Hagen:
Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, aber was sie adressieren ist theoretisch alles richtig – hat praktisch aber keine Auswirkung.
Ob Wagner als „Terroristische Organisation“ eingestuft wird oder in Hamburg der Wind weht – da es kein normiertes, regelbasiertes Völkerrecht gibt, kann es Mali sch*** egal sein, was die UN entscheidet oder nicht.
Mit Wagner hat man Fakten geschaffen – man ist nicht an einem „Nationbuilding“ oder einer gewissen Rechtstaatlichkeit interressiert. Man sucht einen „Partner“, der die Interessen der aktuellen Machthaber umsetzt, weil man dem Geld mehr traut, als der eigenen Bevölkerung oder den eigenen Institutionen.
Nebenbei ist die Meinung der meisten afrikanischen Staaten zur UN eh ein wenig gepalten – man nimmt die UN vor allem als alt-hegemonialen Verein wahr, in dem die großen Länder, die kleineren maßregeln und die gaaanz Großen durch Veto vor allem geschützt sind.
Ich will das Wort „Schwatzbude“ nicht unbedingt überstrapazieren, aber es trifft die Haltung – faktisch und emotional.
Dementsprechend sind Embargos, Sanktionen etc. kein Thema, weil die Menge der Sanktionierten und Embargierten (gibt es das Adjektiv?) stetig steigt und sich daher immer mehr neue Allianzen bilden können. Und man ist es gewohnt Workarounds zu finden und im Zweifel ist das Hemd (RUS, CHN) immer noch näher, als die Hose (UN, EU…)
Man möge das nicht als fatalistisches „Was soll’s? Hilft ja eh nichts!“ verstehen, aber ich denke, dass wir (also die ach so entwickelten Industrieländer) die Macht der Institutionen UN (vielleicht auch EU) durchaus überschätzen, bzw. die Macht derer demonstartiv beschwören – wohl wissend, dass bei der UN nur dann Zug in eine Entscheidung kommt, wenn alle Veto-Mächte sich einig sind – was in den nächsten 100 Jahren nicht zu erwarten ist.
Von den ganzen halbgaren und fotowirksamen EU-Programmen ganz abgesehen. Man nimmt das Geld, macht die Fotos und macht folgenlos weiter, wie bisher.
@Pio-Fritz: Exakt, und bis sich genannte Maßnahmen und Erkenntnisse hoffentlich manifestieren und verfestigen vergehen ein paar Jahre.
Für mich galt mit Bezug zum Sahel immer, entweder Ganz oder Garnicht. Für Ganz gilt keine Junta keine Terroristen und für Garnicht: Lieber ein schreckliches Ende als einen Schrecken ohne Ende.
Jetzt kommt der Schrecken: Brace for Impact…
Hoffe eine Tuaregconnection steht, Bandbreite möglicher Maßnahmen hat der werte Vorredner erschöpfend angedeutet.
— sarc on —
Wagner goes Guantanamo
— sarc off —
@Bow:
Nehmen wir mal an, dass die UN in Afrika unten durch ist. ABer wie steht die OAU https://de.wikipedia.org/wiki/Organisation_f%C3%BCr_Afrikanische_Einheit zu dem Thema?
Dass Instabilität Flüchtlingsströme vergrößert und die meistn Flüchtlinge in Nachbarstaaten stranden wird doch auch nicht gutgeheissen?
Ich kenne die Hintergrundgespräche nicht aber vielleicht hätte man die malische Regierung einmal fragen sollen was aus ihrer Sicht denn die Missionen erfüllen sollen.
Davon ab kann ich die Regierung auch verstehen wenn sie es nicht toleriert, daß ausländische Truppen auf ihrem Staatsgebiet operieren ohne daß vorab kommuniziert wird welche Unternehmungen erfolgen sollen. INTEL sharing ist auch ein Thema. Entweder vertraue ich dem Gastland oder ich tue es eben nicht. Bei letzterem werde ich dann aber sicher nicht als Partner gesehen.
Klar, wenn man eher hinter dem Berg hält (aus verständlichen Gründen) darf man sich nicht wundern wenn man dann hinauskomplimentiert wird – Anzeichen gab es ja bereits letztes Jahr mit den Erschwernissen.
@Dante ……Die Frage ist nur wie man schnellstmöglich das Material rausholt….
Gar nicht. In großen Teilen bleibt sämtliches Material vor Ort.
Gerade was Bürocontainer, Unterkunftscontainer, alles mit ballistischen Schutz usw., alles was „groß und schwer“ ist angeht.
Es fehlen vor Ort z.B. Kräne die entsprechendes Material in der Masse verlasten können.
Es gibt schon Schriftstücke einer „Organisation bei Koblenz“ in denen genau dieses Vorgehen angewiesen wird.
Man hat stumpf gerechenet was es kostet entsprechende Verlegelogistik nach Mali zu bringen und ist zu dem Schluß gekommen, das es billiger ist einen Großteil desselbigen vor Ort zu lassen.
Etwaiige Vakanzen des Materials zu Hause, im Rahmen von z.B. LV/BV, sind in Kauf zu nehmen, auch wenn die neue Wiederbeschaffung Jahre dauern sollte.
Die „fliegenden Zunft“ kommt wahrscheinlich lediglich mit den Flugzeugen und ein bißchen IT Hardware zurück.
Verbleibendes „rotes Material“ ist zu vernichten, der Rest geht in den Besitz dr Regierung von Mali über. Und somit an die Wagner Group.
Diese direktive wurde in schrifliche Form gegossen bevor Mali die UN als ganzes rausschmeist.
Dieser Umstand wird die Rückverlegung des deutschen Kontigentes nicht einfacher machen.
Also quint Essenz.
Da gibt es beim Rückzug nicht viel zu planen. Bleibt eh fast alles vor Ort. Ist wie in AFG damals…(was das Material betrifft).
Mich würde interessieren, wie es mit unseren Soldaten weiter geht wenn bis zum Monatsende kein neues UN-Mandat zustande kommt und das nationale Mandat hinfällig wäre? Sind sie dann einfach ohne gültiges Mandat dort unten unterwegs?
@Aussenstehender:
Selbst ein flüchtiger Blick auf den verlinkten Wikipedia-Artikel zeigt, dass es die OAU seit über 20 Jahren nicht mehr gibt.
Und das aus gutem Grund, denn die bodenschatzreichen Länder Zentralafrikas haben deren Ausbeutung schon vor Jahren und Jahrzehnten an Konzerne (Amoco, BP, BHP…) und Staaten (CHN, RUS, VAE..) fremd vergeben.
Der größte Anteil zum BIP kommt meist aus den Lizenzkosten für die Ausbeutung und deren Kontrolle sichert den Einfluss der jeweiligen Gruppe oder Ethnie.
Ja, die Flüchtlingsströme werden wahrgenommen und bringen teilweise große Unruhe in die Länder, aber da es dort keine Sozialen Einrichtungen gibt, zieht das Gros weiter nach Europa.
Solange aber diese Flüchtlingsströme ein Problem der „niederen Landbevölkerung“ sind, wird es schulterzuckend zur Kenntnis genommen und nur thematisiert, wenn sich damit irgendwelche Töpfe bei EU, UN (!), Weltbank etc. anzapfen lassen.
Das klingt – nach wie vor – sehr hart und desillusioniert, aber leider sind die Zustände in vielen Bereichen (Zentral)Afrikas genau so.
Wir müssen uns auch vor Augen führen, dass die Bevölkerungspyramiden hier noch so aussehen, wie bei uns zu Anfang des 20. Jhd. Gleichzeitig sind die Sterblichkeiten immer noch (relativ) hoch, so dass Wert eines einzelnen Lebens nicht derart hoch angesehen wird, wie in westlichen Industrienationen, wo die statistischen 1,4 Kinder entsprechend „wertvoller“ sind.
Meines Erachtens kann ein interventionelles Eingreifen nur zu temporären Verbesserungen in der Lebenssituation der Landbevölkerung führen. Solange die Anstrengungen der jeweiligen Institution den aktuellen Machthabern dienen sind sie willkommen – ansonsten fliegen sie raus!
Welche Implikationen hat die gestrige Meuterei in Russland und die mögliche Auflösung der Gruppe Wagner für Mali?
Muss das Regime in Bamako auf deren militärischen Schutz verzichten?
Kann der Hausherr Personen benennen, die über die notwendige kleinteilige Regionalexpertise verfügen, das einzuschätzen?
@Frager: In Syrien ging Wagner mit RUS Militärpolizei und Luftwaffe Hand in Hand, war immer der Gesamtstrategie Moskaus unterworfen.
Man müsste also eher analysieren, wie Wagner organisiert ist und wie pragmatisch RUS militärische Führung strukturiert ist?
Es wurde doch sowieso schon spekuliert, welchen Namen sich Wagner gibt. Neuer Name fertig.
offiziell sind die meisten Wagner Leute in Afrika doch eh Angestellte von neu entstandenen Minenbetreibern, in Syrien von Öl/Gasfirmen.
Auch tauchte in der Ukraine schon die PMC „Wölfe“ in Verbindung mit Wagner auf.
Mali ist in der Tat ein absolutes Desaster, auf einer (geo-)strategischen Ebene wahrscheinlich noch mehr als das Drama in Afghanistan (was durch den langen Einsatz und das Schaffen der „IKM-Einsatzwelt“ eher für die Bundeswehr als die allgemeine Politik prägend war/immer noch ist).
EUTM Mali, MINUSMA und auch die EUCAP sind gescheitert – regionaler Fokus auf den Sahel hin oder her, für die Planung des Einsatzes und die Abwicklung dessen ein Desaster mit Ansage.
De facto ist an Material alles abgeschrieben (da zu teuer zur Rückverlegung, zudem abgerockt). Nachbestellung … hmmm … war da was? Auch sind die militärischen wie (zivil-)militärischen Lessons Learned höchst zweifelhaft bisher und die konkrete Kommunikation ggü. Truppe und mittelbar betroffenen CIMIC und COIN-Akteuren ist wolkig, unspezifisch und evidenzbefreit. In Afghanistan habe ich zumindest den Hauch einer Evaluation, im Sahel … nicht. Immerhin ist dort keine Ortskräfteproblematik, es existiert auch keine „Mali“-Connection (anders als in AFG) und letztlich „bleibt man ja in der Region“ … ich denke da mit Grausen an die nächste große EU-Militärmission in der Region (Golf von Guinea als strategischer Region) …
@Frager
Ihre Fragen sind berechtigt, der Zeitpunkt sie zu beantworten jedoch zu früh.
Es ist unklar, ob und ggf. wie es mit Wagner weitergeht. Dabei spielt auch eine Rolle, dass Prigoshin zunächst einmal im Exil sein wird.
Darf er auch in BLR weiterhin den Volkstribun geben, ein Image, an dem er monatelang gebastelt hat?
Wie wird sich ggf. das russ. VgMin personell / strukturell neu aufstellen? Wird es sich Wagner in jeder Hinsicht unterstellen?
Denkbar wäre eine Zellteilung: in der UKR OPCOM russ. GenstStab, im Ausland weiterhin wie bisher.
Moskau liegt sehr daran, das Engagement Wagners in Afrika als privatwirtschaftliche Angelegenheit aussehen zu lassen.
In Afrika wird man die russ. Oper von gestern aufmerksam verfolgen. Ist RUS tatsächlich der starke Verbündete, den man sich als Alternative gewünscht hat?
Ein Wagner-Sahel Must Read:
JIHADI BLOWBACK: THE WAGNER GROUP’S HIDDEN DOWNSIDE
RAPHAEL PARENS JUNE 23, 2023
https://warontherocks.com/2023/06/jihadi-blowback-the-wagner-groups-hidden-downside/
Wagner stärk den Jihadismus womöglich mehr als Drohnenangriffe (12-1=20)
@Aviator:
Natürlich werden viele Ct, ob Fkt oder Ukft, aus wirtschaftlichen Gründen planmäßig nicht rückgeführt.
Ansonsten sind Ihre Aussagen bzgl. des Redeployments schlicht falsch, sowohl für Afghanistan als auch für Mali,
[Ct, Fkt, Ukft – hab ich so was auch oder wie oder was? Bisweilen ist die Abkürzungsmanie ein bisschen, nun, arg irritierend. T.W.]