Für den Puma-Sammler: Freigabe der Nachrüstung trotz Rechnungshof-Bedenken? (Nachtrag: Heer)

Nach dem massenhaften Ausfall von Puma-Schützenpanzern der Bundeswehr bei einer Übung im Dezember bleiben noch viele Fragen offen. Jetzt kommt in die verworrene Geschichte noch eine weitere Wendung: Vor der Freigabe von weiteren Mitteln für eine Nachrüstung vorhandener Pumas habe der Bundesrechnungshof eindringlich gewarnt, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Freigegeben wurden sie, befürwortet vom Verteidigungsministerium, dennoch.

Die FAZ berichtete (Link aus bekannten Gründen nicht) am (gestrigen) Montagabend online (also in der Dienstagausgabe) von den Bedenken des Rechnungshofs, die Schützenpanzer der Truppe nachzurüsten. Diese Bedenken seien in der Vorlage für die entsprechende Beschlussfassung im Haushaltsausschuss des Bundestages am 14. Dezember auch genannt worden:

Der Bundesrechnungshof hatte laut der Abstimmungsvorlage am 2. September 2022 in einer Prüfmitteilung empfohlen, „die Vertragsverhandlungen abzubrechen, da weder die Vorgaben des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages (HHA) umgesetzt seien, noch das System eine technische Reife aufweise, die eine Folgebeschaffung rechtfertigen würde“.
Dem Verteidigungs- und dem Haushaltsausschuss wurde Mitte Dezember trotz geringer Einsatzbereitschaft der Schützenpanzer mitgeteilt, die „technische Reife“ der Puma-Panzer werde „abweichend“ vom Rechnungshof „deutlich positiver bewertet“. Man möge 850 Millionen Euro freigeben.

Dabei seien zugleich, berichtet die FAZ weiter unter Berufung auf die Beschlussvorlage, vom Bundesfinanzministerium weitere Probleme angeführt worden: Selbst mit dem geplanten Aufwand von weiteren sechs Millionen Euro pro Schützenpanzer würden die zur Nachrüstung vorgesehenen 143 Pumas nicht voll einsatztauglich sein und benötigten noch weitere Umbauten.

Der Haushaltsausschuss hatte dennoch das Geld freigegeben – dass 18 Pumas, die bereits auf den derzeit höchsten technischen Stand nachgerüstet worden waren, erst in jenen Tagen ausfielen, erfuhren die Abgeordneten allerdings nicht. Der Ausschuss verband die Freigabe der Mittel jedoch mit einem so genannten Maßgabebeschluss. Unter anderem müsse das Verteidigungsministeriums vor der geplanten Beschaffung weiterer Schützenpanzer dieses Typs eine erfolgreiche Nachrüstung der vorhandenen Gefechtsfahrzeuge sicherstellen.

Das Ministerium reagierte am (heutigen) Dienstagabend mit einer Stellungnahme auf den Bericht:

In vereinzelten Medienberichten wird aktuell dargestellt, dass die am 14.12.2022 durch den Haushaltsausschuss bestätigte Nachrüstung des Schützenpanzers (SPz) PUMA trotz der Warnungen des Bundesrechnungshofes und entgegen eines besseren Kenntnisstandes durch das BMVg empfohlen wurde.
Hierzu erklärt das Bundesministerium der Verteidigung:
· Wir haben die Bemerkungen des Bundesrechnungshofs 2022 zur Kenntnis genommen und nehmen jede Bemerkung sehr ernst. Derartige Bemerkungen fließen regelmäßig in die Entscheidungsprozesse im Bundesministerium der Verteidigung mit ein.
· Aufgrund der vielfältigen Einsatzprüfungen, Feldtests, Zertifizierungen und Übungen haben alle Beteiligten (BAAINBw, Nutzer und Industrie) zusätzlich umfangreiche und wertvolle Erfahrungen aus der Praxis gewonnen, insbesondere unter realistischen und einsatznahen Bedingungen.
· Der Inspekteur des Heeres bestätigte die taktische Gefechtstauglichkeit des PUMA im Februar 2021. In der Erprobungsphase (März bis Juni 2022) gewann die Truppe weitere Erkenntnisse zu den bereits realisierten Fähigkeiten.
· Die Ergebnisse des Übungsdurchganges im September 2022 im Schießübungszentrum des Heeres verdeutlichten die hohe Verlässlichkeit sowohl aus Sicht des Nutzers als auch des militärischen Instandsetzungspersonals. Diese Ergebnisse sind nicht zuletzt deshalb besonders aussagekräftig, weil die Systeme vor dem Hintergrund der aktuellen geopolitischen Lage mit hoher Intensität betrieben werden.
· Die Ministerin hatte bis Jahresende eine Analyse beauftragt. Das konsolidierte Ergebnis bleibt abzuwarten.
· Die Entscheidung zur Aussetzung für die Nachrüstung des 1. Loses sowie eine mögliche Beschaffung eines 2. Loses hat bis auf Weiteres Bestand.
Es gilt als Maßstab:
· Der PUMA muss sich auch jenseits der aktuellen Reparaturen als stabil erweisen.
· Die Truppe muss sich darauf verlassen können, dass Waffensysteme auch im Gefecht robust und verlässlich sind.
· Nur unter diesen Voraussetzungen hat das System PUMA eine Zukunft in der Bundeswehr.

Den direkten Widerspruch gegen den Bundesrechnungshof vermeidet das Wehrressort zwar in dieser Stellungnahme; inhaltlich ist es das aber. (Randbemerkung: das die Formulierung Nur unter diesen Voraussetzungen hat das System… eine Zukunft in der Bundeswehr verwendet wird, hat bei Erinnerung an die Aussage einer früheren Ministerin zum Thema Sturmgewehr G36 schon was… interessantes.)

Das Ministerium nannte auch die aktuelle Zahl der Puma-Schützenpanzer in den Streitkräften:

Die Bundeswehr verfügt über einen Buchbestand von 350 Schützenpanzern PUMA, 42 davon in der Konfiguration VJTF.

Allerdings: Der Buchbestand sind alle Fahrzeuge, die der Bundeswehr gehören. Auch die, die zur Instandsetzung/Nachrüstung bei der Industrie stehen und damit den Streitkräften für ggf. auch längere Zeit gar nicht zur Verfügung stehen.

Nachtrag: Das Heer veröffentlichte am 28. Dezember dazu ein Statement des Inspekteurs:

Zitat des Inspekteurs des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, im Zusammenhang mit der Berichterstattung Puma vom 28.12.2022

  • Im Zusammenhang mit der aktuellen Medienberichterstattung zum Thema Schützenpanzer Puma und Bundesrechnungshof weise ich darauf hin, dass sich der Bundesrechnungshof vorab der Befassung der Parlamentsausschüsse am 14.12.2022 ausdrücklich nicht gegen die 25-Mio.-Vorlage „Konsolidierte Nachrüstung“ positioniert hat.
  • Der Bundesrechnungshof sah vielmehr in der Nachrüstung und dem daraus resultierenden einheitlichen Konstruktionsstand einen ersten Schritt hin zur besseren logistischen Betreuung der Schützenpanzer Puma-Flotte. Zudem würde mit der Nachrüstung die Einsatzfähigkeit der Schützenpanzer Puma deutlich erhöht.
  • Meine Beratung des BMVg in Richtung der weiteren Nutzung des Schützenpanzers beruht auf den Erfahrungen mit dem VJTF-PUMA, der dem Heer seit Anfang 2020 zur Verfügung steht.
  • Er wurde seitdem in mehreren Übungsdurchgängen und sogenannten Feldtests mit der Truppe auf seine taktische Einsetzbarkeit im „System Panzergrenadiere“ (Schützenpanzer Puma und Panzergrenadiere mit System „Infanterist der Zukunft“) geprüft.
  • Dabei hat es überwiegend Höhen, wie beim vorletzten Durchgang im Schießübungszentrum im September 2022, und wenige Tiefen, wie jetzt im Dezember, gegeben.
  • Insgesamt ist festzustellen, dass es in sehr enger, kooperativer und zielorientierter Zusammenarbeit zwischen Truppe, BAAINBw und Industrie gelungen ist, den PUMA für den Einsatz bei der VJTF 2023 vorzubereiten. Insbesondere die Auswertung der Rückschläge hat uns in diesem Prozess zum Erfolg geführt.
  • So fließen die technisch-logistischen Erkenntnisse aus dieser Prüfungsphase des VJTF-PUMA bereits in die begonnene konsolidierte Nachrüstung eines weiteren Teils der Gesamtflotte mit ein.
  • Die zu erwartende erhöhte Stabilität des PUMA durch diese industriellen Leistungen, verbunden mit fortschreitender Erfahrung der Truppe aus intensivierter Ausbildungs- und Übungstätigkeit rechtfertigen unseren Optimismus für die Zukunft des „System Panzergrenadiere“ im Heer.

(Archivbild Oktober 2017: Schützenpanzer Puma vor dem ‚Heidedorf‘ auf dem Truppenübungsplatz Bergen – Florian Gärtner/photothek.de)